Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.01.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-01-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930107026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893010702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893010702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-01
- Tag1893-01-07
- Monat1893-01
- Jahr1893
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs-Preis brr Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus« «abestellen ab geholt: vierteljährlich bei zweimaliger täglicher Zustellung ins Hau» .«t 5.50. Durch die Post bezogen für Teulschland und Oesterreich: viertel,ahrlich 6.—. Direkte tägliche streuzbandjendung ms Ausland: monatlich st.—. Abenb.Ausgabe. Die Morgen-Ausgade erscheint täglich '/,7 Uhr» die Adend-AuSgabe Wochentags 5 Uhr. Nrdaction und Lrpedition: -otzaunrsgaffe 8. Lie Erveditiva ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend« 7 Uhr. Filialen: ttt« klem«'» Sortim. (Alfred Hahn), Universitätsstrabe 1, Louis Lüsche, tatdarinenstr. 14, pari, und KünigSplatz 7. nMacrEalftiilM Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Auzeigeu-PreiS Die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Reductionsstrich (4gs- fvalten^ 50^, vor den Faniitiennachrichten <6 gespalten» <0^. Größere Schrillen laut unserem Preis verzeichnis. Tabellarischer und Zisfernjatz nach höherem Tarif. 8rtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Poslbesörderung 60—, mit Poslbesörderung 70.—> —— ^nnahmeschluß für Anzeige«: Abend-Ausgabe: Vormittags 40 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh ',9 Uhr. Bei den Filialen und Annahinestellen je ein» halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an dir Vr-rdttt»» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz In Leipzig» 12 Sonnabend den 7. Januar 1893. 87. Jahrgang. Zur gefälligen Leachtung. Unsere lrpedition ist morgen Sonntag, den 8. Januar, Vormittags nur bis /sv Uhr ßcvsjnet. KxpetUllou lies I-eiprlKer 'Ill^edlaUe^ Die Welfenfondsquittungen des „vorwärts". * Ter „Vorwärts", der seine besonders auSgebildetr Neigung zur Ehrabschneidung »nv Verleumdung erst in diesen Tagen wieder dadurch bewiesen bat, daß er die ganze Bürgerschaft Leipzigs wegen einiger sittenlosen Subjekte der „liiderlichen Zügellosigkeit" und der „ekelkaften Genußsucht" verdächtigte und die ganze Stadt Leipzig als eine „Sumpfstättc der gemeinsten Eorruption" bczcichncte, hat bekanntlich Angaben über bunkert Quit tungen des WelfensondS veröffentlicht, die sich angeblich in seinen Händen befinden. Er nennt die dlursteller dieser angeblichen Quittungen nicht, entzieht sich damit der Pflicht, den aus weite Kreise gewälzten Verdacht auf die wirklichen oder vermeintlichen Schuldigen zu concentriren und abzulenken, »nd schwingt trokend die .Hundepeitsche" über der gaiizen „Bourgeoisie". Tiefe hat also doppelte Ursache, nach dein Material zu fragen, aus Grund dessen der Leiter des „Vorwärts" zur Peitsche greift. Einiges Licht auf dieses Material hat der „Vorwärts" selbst vor acht Monaten geworfen Am 7. April 1892 schrieb nämlich der „Vorwärts" bezüglich der „Hundert Quit tungen des Welsensonbs" Folgendes: Hinter dem Züricher Buchhändler, der die „100 Quittungen" um theures Geld loS sein wollte, steckte ein Herr von Ehrend erg, welcher einmal im Reichstag als Stipendiat des NeptilienfondS bloßgcstetlt worden sei, dann nach Transvaal auSwan^erte, in einem dortigen deutschen Verein zurückgewiescn wurde und nach Europa zurückkcbrtr. -Der „Vorwärts" stellte es so dar, als ob Ebren- berg nach Anleitung des Fürste» BiSmarck darauf auSgebc, die Undankbaren unter den früheren Stipendiaten des Reptilien fondS rücksichtslos bloßzustellen. Mit der Drohung der Ver öffentlichung der Quittungen werde ein infames Schackcr- gesch äst getrieben, wobei Ehrenberg de» Unterhändler nach zwei Seiten spiele. So der „Vorwärts" vor acht Monaten! Weitere- Licht wirft auf das Material und seine jetzigen Besitzer folgende Zuschrift, welche der „Frankfurter Zeitung" aus Zürich vom 5. t. M. zugeht: Ta mein Raine im Zusammenhang mit der Ver öffentlichnng des „Vorwärts", betreffend die WelscnfontS- Quittungen, auch wieder genannt wird, so tbcilc ich Ihnen hierdurch mit, daß dasjenige, was der „Vor wärts veröffentlichte, wörtlich der s. Z. von mir an- gekündigten, dann aber doch nicht hcransgegcbcnen Bro schüre entnommen ist. Bekanntlich verzichtete ich ans die Herausgabe, weil der Verfasser der Broschüre mir die Originale der Quittungen nicht zeigen wollte ober konnte. Aus dieser wörtlichen lieberem stimmnna gebt hervor, daß entweder der Verfasser jenes Manuskriptes dem „Vorwärts" die betreffenden Seiten zum Abdruck übergeben bat, oder daß die Ver öffentlichung durch den „Vorwärts" auf einem Bcr- trauenSmißbrauch beruht. Ich bitte Sie, diese Zeilen gefl. in Ihrem geschätzten Blatte zu veröffentlichen. Hochachtcud! Earsar Schmidt. Und endlich fällt Licht auf dieses Material» auö dem der Vorwärts" seine Peitschrnstricke dreht» durch folgende Zu schrift, die dem Franlsurtcr Blatte auö Zürich von einer Leite zugcbt, die nach dem Zengniß der Redaktion dieses Blatte« volle« Vertrauen verdient und in der Lage war, sich über die Vorkommnisse gut zu unterrichten: „WaS der „Vorwärts" veröffentlicht, ist fast aus schließlich ein Auszug auö den seiner Zeit in Zürich angekündigten „Eoulissen des WelfensondS", die aus Gründen zurückgchaltcn wurden, die bis heute nur wenig Personen bekannt geworben sind. Richtig ist, daß einem hier lebenden Herrn von einer Persönlich keit auö dem Reiche mit gutem Name» und bohem Titel erst 103 und bald daraus 12 weitere Belege zum Welseusontö übergeben wurde»; sie sollten in einer Broschüre veröffentlicht werden, als deren Zweck die Rückgabe de« WelfensondS an den rechtmäßigen Eigentbümer und damit die Beseitigung der bis herigen Wirtschaft mit diesen Geldern angegeben wurde. Ta nun der Depositar sich sagte, daß hier nur Dicbstabl oder Fälschung vorliegen könne — erslereS, wenn die ihm übergebenen Dokumente echt waren, letz lcreS im cntgcgengefetzle» Falle — also in beiden Fällen ein gleich großes Verbrechen, so wieS er unter Hinweis daraus jede Anteilnahme zurück und übergab die Papiere einem später gewonnenen V c r - mittler, der übrigen« von Anfang an erklärte, die Vermittelung nur dann auSzufübren, wenn ein gereckte« Abkommen, betreffend den WelfensondS, nicht erzielt und ihm der Beweis geliefert würde, daß auch ferner hin eine Verwendung der Gelder zu unerlaubten Zwecken erfolge. Bekannllich kam aber das wünschenS- werthe Abkommen, betreffend den WelfensondS, zu Stande. Trotzdem verlangte der ursprüngliche Besitzer der Belege deren Veröffentlichung mit der Motivirung, daß daS getroffene Abkommen nicht da« von ibm gemeinte sei, und verlangte die Belege von dem zuerst angegangenen Vermittler zurück. Tiefer verweigerte jedoch die Herausgabe, da ihm im Falle dcS Zustandekommens eines Ausgleiches da« VernichtungSrcchl znstand und er die Belege überhaupt nur mit Rücksicht hieraus cntgegen- genommen hatte. Damit handelte der Depositar durchaus bona tilln und ebenso auch, als er sich, um den Folgen wiederholter Bedrohungen und in Aussicht gestellter An zeigen rc. vorzubeuzen, an den kaiserlich deutschen Gesandten in Bern, Herrn von Bülow, wandte. Mit diesem hatte der Depositar einige Unterredungen, gab de» Sach verhalt zu Protokoll und machte Tagö daraus von dem ihm seinerzeit erlheilten Vcrnichlungsrechl Gebrauch, indem er die Belege verbrannte. Ob diese echt waren oder nicht, läßt sich somit gar nicht mehr fest stellen. Tie Angaben einiger Blätter, rö seien an die Regierung irgend welche Ansinnen finanzieller Natur gestellt worbe», sind kecke Erfindungen. Ter Depositar, dessen Persönlichkeit jedes unlautere Motiv aus schließt, suckle in seiner Zwangslage den korrektesten Weg zu finde». Außer den beiden »achgesuchten Vermittlern hat in Zürich N jemand die Quittungen gesehen. Nur einem kaiserlichen Beamten, oer einen Tag nach den Be sprechungen mit Herrn v. Bülow mit dem Depositar in Zürich eine dritte Unterredung batte, wurden Belege gezeigt. Der Depositar bat sich nickt nur jede Zu Wendung ausdrücklich verbeten, sondern sich auch vom Herrn Gesandten daS Versprechen geben lassen, daß jeder etwaigen Verleumdung in dieser Richtung ossiciell entgcgengetrcten werden würde, wie ibm denn auch Herr v. Bülow unter ausdrücklicher Anerkennung feiner un eigennützigen patriotischen Haltung herzlich dankte Gänzlich aus der Lust gegriffen ist die Behaup tung die Belege seien in Zürich auf ihre Echtheit von politischen Persönlichkeiten geprüft worden, ebenso die Drobnng einiger Blätter, sic seien in der Lage, Namen zu nennen; sollte ibncn etwa der eine oder andere zugeslüslcrt worden sei», beweisen können sie nichts. Die Behauptung einiger Reptile, die Regierung fei bebusS finanzieller Ausschlachlung angegangen worden, ckaraklerisirt sich nach obiger Darstellung ebenso als pure Erfindung wie die Behauptung, daß oben die Sache unbeachtet geblieben sei, und allerlei Anderes, was in anschciiicnd inspirirtcn Eorresponvcnzen bekannt ge Worten ist. L. Zürich, 5,. Januar. Wird der „Vorwärts" nun noch zögern, dieses köstliche Material der Leffentlickkeit zu unterbreiten? Dkut er e« »och nickt, so drängt sich die Frage aus, ob im ganzen Reiche keine Stelle sich findet, die berufen und befugt ist, die „Bourgeoisie" gegen die ebrenrükrigsicn Verdächtigungen und Verleumdungen !» Schutz zu ncbmcn und gewerbsmäßige Verdächtiger und Verleumder aller Nichtsokialbemokratcn entweder zur Begründung ihrer Anklagen zu zwingen oder aber zur Reckeiischaft zu ziehe»? Dein Einzelne» »nd den Eorporationen, die sich frechen Angriffen auf ihre Ehre ausgesetzl sehen, ist der Rechtsweg offen; aber die Ebre der ganzen bürgerlichen Gesellschaft ist mindestens ebenso kostbar, wie die des Individuums und der Eorporalione». Findet die ohnehin schwer genug bedrohte bürgerliche Gesellschaft leinen osfieiellcn Schutz, so ist cS freilich kein Wunder, wenn die Bedrohung wächst und Blätter vom Schlage dcS „Vorwärts" nicht nur ganze Städte und Bürgerschaften der Verachtung teö „arbeitenden Volkes" preisgcben, sondern auch die ganze „Bourgeoisie" aus Grnnd des zweiselhastestc» Materials zur größeren Ehre des Umsturzes mit der Hundepeitsche bedrohen. Politische Tagesschaa. * Leipzig, 7. Januar. Der Streik der Bergleute im Saarrevicr trägt zweifellos von vornherein den TodcSkeim in sich und man kann zu Gunsten der betkörten Arbeiter nur wünschen, daß ihre unausbleibliche Niederlage möglichst rasch cintrete. Aber das betrübende Ereizniß darf nicht ohne durchgreifende Folgen bleiben. Daß sich nach Ansicht der Socialdcmokratcn die Vertragsbrüchigen Ausständigen durchaus im Recht befinden, ist selbstvcrständlick. Aber auch die Preßorganc dcS EcnlrnmS stehen nicht an, der Regierung die Hauptschuld an dem Streik mit den Arbeitern der fiskalischen Koblenwerkc zu zuschieben; vor Allem führen sie den Geist der Feindseligkeit der Letzteren auf die parlameiiiarischcn Verhandlungen des vorigen Frühjahrs über die Acrggcsctznovklle zurück. ES ist unbestreitbar, daß die von den Verhandtnngkn dcr Jahre l89«> und !>l über die GcwerbeordnuiigSnovclle sehr merklich abstechcndc Festigkeit der Regierung gegen über »nbercchliglcn und übertriebenen Forderungen der Arbeiter damals den Anlaß oder Vorwand zu allerlei Aus betzungen gegeben hat, denen auch die klerikale Presse nickt ganz fern geblieben ist, die aber, was daö Saarrevicr an langt, zum größte» Tbeil dem samosen Präsidenten de» RcchtSschutzvereinS Warten und seinen Helfershelfern zur Last zu legen sind. Das Endergebnis; dieser Hetzereien ist die gegenwärtige Arbeitseinstellung, der grundloseste »nt frivolste Streik, den man in Deutschtand je gesehen bat. Wa« soll man nun nach solcher Erfahrung tbun? Nach den Ralhschläge», welche in den Betrachtungen dcr klerikalen Presse zwischen den Zeilen zu lesen sind, würde die Re gierung nichts Besseres zu tbun haben, als von jenem Boden der Festigkeit so bald und so vollständig wie mögtich wieder zurückzulrelcn. Wir unsererseits hoffen, tag sie auf diesem Boden nicht nur beharre», sondern daß sie aus ihm einen energische» Schritt vorwärts tlmn wird. Bor zwei Jakrcn war die Regierung von der Roth- Wendigkeit überzeugt, daß man gegen die öffentliche Auf forderung zum Eonlractbrach und gegen die von ausständigen Arbeitern angcwandlcn gewaltlhätigen Mittel, um ihre Ge nossen am Arbeiten zu Verbindern, scharfer Reprcssivmittel bedürfe. Sie hat damals den Fehler begangen, sich von dieser Forderung abbringcn zu lassen. Inzwischen baden verschiedene Streiks, ganz bcfonders aber der gegenwärtige, die Unentbebrlickkeil derartiger Maßregeln sehr nachdrücklich erwiesen. Dem aufwieglerischen Treiben dcS Herrn Warten wäre mit einer gesetzlichen Bestimmung, wie sic tz. 153 de» Entwurfs der Gewerbeordnungsnovelle vorschlug, längst ein Riegel vorgeschoben worden. Und wenn man jetzt auS csaar- brücken hört, daß ein großer Theil der Arbeiter nur au» Furcht vor ibren Genossen am Streike tkcilnimmt, so würde das auch ander« sein, wenn diejenigen, welche die Anderen bedrohen, einer scharfen Strafe sicher wären. So zwingen die Ereingnisse im Saarrevicr dazu, auf jene Vorschläge zurückzuzrciscn. Von den Häuptlinge» der internationalen Umsturz- Propaganda scheint die Parole zur Eröffnung von social- rcvolutionairen Vorpostengefechtcn auf der ganzen Linie au»- gegcben worden zu sein. Dcr Grund dieser Taktik ist leicht erkennbar. Auf französischem Boden wird ein Haupt schlag gegen den Fortbestand dcr parlamentarischen Re publik vorbereitet. Es gilt nun, den dortigen Genossen Muth zu mache», ihren Untcrnebniungsgcisl, Wagemuth und Fanatismus zu stärken, Einschüchterung und Zaghaftigkeit in das Lager der Gegner zu tragen Dazu werden demon strative Kundgebungen an möglichst vielen Orten außerhalb Frankreichs sehr dienlich erachtet. Daö „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!" soll auf diese Art praktische Nutz anwendung erfahre». Es ist gar nicht erforderlich, daß der treibende Beweggrund als solcher auch öffentlich eingestandea wird — der Erfolg bleibt derselbe. So scben wir in den Niederlanden ganze Provinzen von socialrevolulionairem Flackerseucr ergriffen: seben die Socialdemokratie in Oester reich ihr Haupt keck berau-svrdcrnd erheben; sind Zeuge, wie i» Belgien die Mobilisirung der Umsturzbataillone mit der offenen Androhung betrieben wird, da« allgemeine Stimm recht im Weigerungsfälle mit Gewalt zu erzwingen. Die spanischen und die portugiesischen Social- rcvolutionaire haben durch ganz ncucrding» inscenirte Probcputsche den Beweis ikrer ungeschwächten Lebens fähigkeit erbracht, und das Organ dcr deutschen Socialtemokralie. der „BorwärtS", begrüßt den „Kebrau»" in Frankreich mit der Hoffnung, daß diese Procrdur sich nicht auf Frankreich allein beschränke» werde. Leider tritt man den gefährlichen Zettelungcn dcr UmsturzmLchtt nicht überall mit demjenigen Nachdruck entgegen, der nach Lage der Dinge am Platze wäre. Man unterschätzt auch vielfach die Tragweite der ausrübrerischen Bestrebungen. Namentlich kann der leitenden Elasse der französische» StaatSgemeinschafl der Borwurf nicht erspart bleiben, daß sic durch ihre kurzsichtige gouvernementale und parlamentarische Action der llmsturzpropaganda recht eigentlich i» die Hände gearbeitet babc. Jetzt fragt eö sich seyr, ob da« Verabsäninle noch einzubringen ist. Theilwcise vielleicht nock. Für da« klebrige mnß der Selbsterhaltungstrieb de» Staates »nd der Gcfellschafk sorgen Für die umliegenden Staaten aber crgicbt sich ans dieser Sachlage die Pflicht, der Entwickelung dcr französischen Zustände mit angespanntester Wachsamkeit zu folgen »nd ihre eigenen llmsturzelemcnle desto schärfer im Zaume zu halten, je mehr die Gegensätze aus französischem Boden sich zu einer allgemeinen Krise zuzuspitzen im Begriff stehen. Au« Paris liegt beute eine Menge von Nachrichten vor, die sich sämmllich auf die Panaina-Angclcgcnhtit beziehen und darth»», daß dcr Verläuintungs-Felbzua nach wie vor in flottem Gange ist. Namentlich iür Herrn Frey- cinel bringt dcr Fortgang dcr Panama-Untersuchung immer neue Verlegenheiten. Eine solche ist neuerdings durch sein der Oeffentlickkeit prcisgegcbcnes Verhältniß zu dem ehe malige» ArbeilSminisler Baihaut entstanden, der im Jahre 1886 dem Eabincl Fraycinct angehörte und den die Berant« Feuilleton. Für die Ehre der Familie. Roman von Clarissa Lohdc. NaLtrixt »rrkkini. Viertes Capitcl. Präsident von Engelhardt bewohnte in der Magdeburger Straße eine geräumige und mit Geschmack, wen» auch im Vergleich zu den luxuriösen Gcwobnbeilen der Neuzeit einfach auSgesiattete Etage. Ohne Vermögen, biclt er aus eine schlickte Lebensführung, soweit eS sein Rang und seine Stellung ikm erlaubten. Trotz ibrcS Stolze« aus den alten Adel, dem sic wie ibr Gemahl entstammten, zählte auch seine Frau zu den svarsamen und weisen Hausfrauen, die mit den gegebenen Mittel» auSzukommcn »nt doch dabei ibr Hauswesen behaglich zu gestalten verstehen. Im Speisezimmer, einem >eiicr unter dem Namen Berliner Zimmer bekannte» großen, nur durch ei» Fenster erleuchteten Raume, war die Tafel für die zu erwartenden Gäste bereit« gedeckt, als die Präsidentin vom Besuche bei ibrer Schwester zurückkehrte. Mit kritischem Auge musterte sic die Gedecke, da« alte, in sauberster Sorglickkeit blank gehaltene Silber mit dem Faniitienwappen, das kostbare alte Porzellan, die seinen Gläser und Karaffen von alter Form, Alle« aus der Vater Hausratb, deshalb aber dem Ganzen einen Eindruck von Vornebmbeit verleibend, mit dem modernste Eleganz nickt zu wetteifern vermag. — In der Mitte die große Jardinü re von Sövreporzella» — auch ein sehr hock gehaltenes kost bares Familicnerbstück — war mit einem reizenden Blumen- Arrangement gefüllt, ein besonders schönes Bouguet von gelben und tunlelrotben Rosen schmückte den Teller der Braut. „DaS hast Tu bübsch gemacht, Mama", rief der Assessor, schon in GescÜschaftStvilette zum Empfange bereit, aus dem Nebenzimmer zu der Mutter tretend und zärtlich seinen Arm uni sie schlingend: „Habe Tank!" Sie sab zu ibm mit f'euckt schimmernden Augen auf; die Unterredung mit der Schwester hatte sie sehr erregt, und die sonst so gemessene Frau suhlte sich nngewölmlich weich gestimmt. „Ich babc eS für Tick gctban, Arnold, für meinen einzigen Solm, meinen Stolz, mein AllcS!" Auch er war gerührt. „Ick weiß, wie schwer eö Dir geworden ist, Deine Einwilligung zu meiner Verlobung mit ElSbetb zu geben. Dir und dem Vater", sagte er bewegt, „und danke cS Euch daher doppelt!" „Möge eö zu Deinem Glück sein, Arnold, Gott walte da«!" „Zweifelst Du noch, Mutter, nachdem Du meine ElSbcth ibre braven Pstegcellcrn kennen gelernt bast?" „Ja, wenn sic Rösicke s Tochter wäre, aber sie ist eine Wolden!" „Ah, deshalb? — Vielleicht um dieses Paul'S willen? — Freilich, ich gestehe Dir, der geniale Künstler, als den er sich aufspiclt, ist auch mir wenig svnipatkisch!" „Siebst D». Arnold! Tn bist zu sehr von unserem Blute! — Mil einer Genialität, die sich in Frivolität »nd Mißachtung von Form und Sitte breit macht, können weder Du noch wir unS befreunden." „WaS aber kann ElSbetb für ihren Bruder?" warf Arnold rin. „Sie selbst bat keine Ahnung von seinem Tkun unk Treiben, — und wer wollte sic darüber ausklären?" Die Präsidentin seufzte. Sie sah ibrem Scbn ernst in die -lugen, »nd wie sic sich Beite so gegenüber standen, gleich bochgewacksen, gleich stolz in der Haltung, denselben seine» GcsichlSsct'iiilt, dieselbe bebe Stirn, berjelbe etwas bock- mütbige Zug um die Mundwinkel, war die Acbntichkcil Beiter ausfällig. Nur blickten die blauen, dunkelbeschattelen Augen Arnold - wärmer als die der Mutter, ja, cs lag in der Tiefe ein Strabl von Leivenschast. de» die klaren, etwas harten Augen der Präsidentin wohl nie baden konntcn. „Was bast Tu an ElSbeth auszusetzen?" fragte Arnold ernst. „L. nicklS Bestimmte«, sie ist ein Kind, ein verzogene«. LbermütbigeS Kind! — Wer aber kann sagen, was aus ihr wird! Weißt Tu etwas Näheres über idre Ellern?" „Nur. WaS Du auch weißt, daß ihr Vater Beamter gewesen, daß sie früh verwaist ist —" „lind ihre Mutter? — Ist cS Dir nickt anfgcfallen, daß die Familie eine gewisse Scheu bat, von dcr Müller Elsbclb's zu sprechen? Sie war eine geborene Goldbauin, wie mir die Eommerzicnrälhin gestern aus eine bestimmte Frage mit Ibeilte, eine Tochter des Justizralbcs Goldbauin, der in Berlin in weiten Kreisen bekannt war. Ick erinnere mich aus meiner Jugendzeit, daß mau nicht viel Gutes von dieser Familie sagte —" „O Mama. — willst Du soweit in die Vergangenheit dcr Familie cindringcn, so wirb wohl keine vor Deinen strengen Augen ganz bestebc» könnon. — Laß die Tobte» rubc»! — Meine Elsbeih ist ein so siißoö Geschöpf und was neck hier und da ihrem Wesen mir Mißfallendes an haftet, daS unseren gesellschaftlichen Anschauungen nickt ganz entspricht, so überlasse eS mir nur, sie zu erziehen; glaube mir. Dn wirst noch Deine Freute an ihr habe», noch stolz auf sie sein." „Das wünsche ick, wünsche ick von Herzen, auch Dciner- wegen, Arnold; denn ick kenne Tick und weiß, wie sehr Dn an die seine Form, an eine gewisse aristokratische Lebens aiischauuiig, die bei Rösicke'S so wenig zu Hause ist, gewöhnt, und wie leicht verletzlich Tn in manchen Pnnelcn bist!" „Ick glaube, Du ballst mick für verlevlicker, als ich bin. Wo ick wahrer Ehrenbasiigkeit dcr Gesinnung bc gegne, sepc ick mick über kleine Fehler der Form gern fori, selbst wenn kiese mich peinlich berühren sollten. Aber diese Elirenhafligkeil freilich muß vorhanden sei», und wer mit mir leben will, aus den darf kein Schatten fallen, keiner. — Für einen Fleck aus der Ehre, und besonder« der einer Frau, bi» ick sehr empfindlich und könnte ihn nie verzeihen! — selbst nicht —" Er stockte. „Fahre fort", sagte die Präsidentin hart. „Selbst nickt Deiner schöne», glänzenden und gestierten Sckwcster Octavia, Mama. Und ich jügc gleich hinzu, cs ist mir lieb, daß sie so wenig wie dcr Maler Wolde» an un serem Familienmahlc beute lbeilnebmen!" Auch die Präsidentin richtete fick jetzt bock auf und blickte ibm mit einer stolz abwcbrendcn Bewegung teS Kopfes ,n die fest auf sie gerichteten Augen: „Ick komme von meiner Sckwcster", sagte sie, „und babe eben die Versicherung von ibr erhalten, daß an dem Gerede der Welt nickt« wabr ist, und daß sic Paul Wolden nickt anders in ihrem Salon empfängt, als die anderen Künstler, die Hegencr »in sich zu sammeln liebt. — Sei überzeugt, Arnold, daß ich selbst da« Band, daS mich mit Octavia verbindet, so nahe sic mcincin Herzen auch steht, »nnachsichllich zerschneiden würde, wenn sie sich eines Fehl tritts schuldig machen sollte. So lange aber, als ich an ihre iinangctaslcte Fraucnebre glaube, fordere ich dasselbe auch von meinem Sohne und bitte Dick, kein Wort ferner über sie zu sagen." „Wie Du befiehlst, Mama!" Arnold beugte sich ehr» snrcbtSvoll über die Hand dcr Mutier. „Du bast mir mit Deinen 'Worten eine Last vom Herzen genommen, auch um dieses Paul« willen, dcr doch nun einmal mein Schwager wird, nur vcn dem ick nickt gern sagen hörte, er verdanke seinen künstlerische» Ruf mehr dcr Schwachheit dcr Frauen als seinem Talent und scincni Können." Es war Zeit für die Präsidentin, an die Toilette zu denken, die bei der großen Einfachheit, mit der sie sich kleidete, sic nicht zu lange in Anspruch »ahm. Als dcr Wagen dcö EoinincrzieiiralheS vorsubr, stand sic schon mit ihrem Gemahl in der Thür des Salon«, der in c>» ziemlich geränniigco Vorzimmer führte, zum Empfange dcr Gäste bereit. Arnold war die Treppe binunlcrgeeilt und bot seiner Schwiegermutter de» Arni, während El«beth mit dem Pflegevater folgte. In lichtblaue Seide gekleidet, da» volle blende Haar ganz obnc Schmuck, die großen blauen Auge» fteudig leuchtend, glich sic einem Fcenkinde, da» Froh sinn und Freude »in sick verbreitet. Selbst die Schwieger eltern konnten sich dem Reize, den ihre Erscheinung auSubte, nickt cnlzicbcn; die Präsidentin küßte sie fast zärtlich auf die Stirn und ibr Gemahl sagte ibr einige Artigkeiten, di« sie mit strahlendem Lächeln empsing. Baron Spcrner mit Adele wie Frau Homberg und Margot folgten bald. — Margot, auch beute mit ElSbetb gleich ge kleidet, was die Präsidentin wiederum innerlich tadelnd be merkte, sab ebenso anmutbig, wen» auch nickt ganz io zart an- wie diese, sondern vcn scstercr Art In diesem Sinne
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite