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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.01.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-01-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930109024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893010902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893010902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-01
- Tag1893-01-09
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vez«g-.Pret- A d« tzailptexprditioa od«r den im Stadt, bezirk u»d den Bororten errichteten Au«. Ladestellen abgeholt: vierteljährlich ^4 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung ins HauS » 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertel,ShrIich >l 6.—. Directe tägliche Kreuzbandsendung in- Ausland: monatlich 9.—. lkie Mmgen-AuSgabe erscheint täglich '/,7 Uhr, die Abend-Aukgabe Wochentag» 5 Uhr. Rrdarlion und Lrpeditiou: JohannrSgasie 8. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geossnet von früh 8 bis Abend» 7 Uhr. Filialen: Ltt« Nltmm's Torti«. (Alfred Hahn)» Universitätsstraße 1, Louis Lösche, Katharinenstr. 14, pari, und KonigSplatz 7. Abend-Ausgabe. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Kandels- nnd Geschäftsverkehr. Anzeigen.PreiS Die 6 gespaltene Petitzeile L0 Pfg. Reclame» unter dem Redactiontstrich <4ge- spalten) 50^. vor den Familienna chrichtea <6 gespalten) 40^. Größere Schristen laut unserem Preis, verzeichniß. Tabellarischer und Zissernjatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Poslbesürderung 60.—, mit Postbesörderung ^4 70.—. Ännahmeschluß für Änzcigea: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh '/,9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. ^°15. Montaß den 9. Januar 1893. 87. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, S. Januar. Als der Reichstag in die WeilinacktSfericn ging, batte die Militairvorlage in den Reihen der Con fer vativen kaum einen unbedingten Anhänger. DaS ist. seitdem der „Reichsanzeiger" über die Neujahrsansprache des Kaisers an die commandirendcn Generale die bekannte Miltbeilung gebracht bat, anders geworden. Seitdem bat sich das officielle Organ dieser Partei unter einigen Wendungen und Windungen zu der Borlage bekehrt, und jetzt zeigt auch die „Kreuzzeilung" ibre Unterwerfung an, „nachdem sich der Kaiser in seiner Ansprache an die com- mandirenden Generale auch persönlich entschieden auf den Standpunct der Borlage gestellt hat". Daß sie nicht über zeugt ist, erklärt die „Kreuzzeilung" ausdrücklich: „An unserem Standpuncte halten wir fest, d. h. wir sehen die von uns vertretenen Vorschläge, wie sie auf der Grundlage der dreijährigen Dienstzeit ruhen, nach wie vor als die geeignetsten an und machen daraus nicht im mindesten ein Hehl. Viximus et -islvavimus »nimam! Wir haben unsere Schuldigkeit getbau und lehnen die Verantwortung ab, aber nach den neuesten Vorgängen müssen wir leider erkennen, daß diese unsere Austastung zur Zeit weder varlamentarisch-politisch, nocti militairisch das Maß von Unter- sliitzung findet, dessen sie bedarf, und daß es sich aus diesem Grunde jetzt nicht mehr um daS handeln kann, was an sich als das Beste erscheint; darauf vielmehr kommt es an. für das nach Lage LerDinge vergleichsweise Annehmbarste, d.st.sür die unveränderte Regierungsvorlage einzutrete», damit völlig Unannchm bares ausgeschlossen werde. Aber überzeugt oder nicht, die „Kreuzzeitung", die sich von der Gesinnung ihrer Parteigenossen jedenfalls überzeugt bat, stellt sich auf den Boden der unveränderten Regierungs vorlage, noch bevor der Reichskanzler in der Commission weitere Aufschlüsse über die politische Lage und die Nolhwendigkeit der dem Reichstage angesonncncn großen Opfer gegeben bat! Und ähnlich, wie die „Kreuz zeitung", lassen sich auch freiconservative Stimmen vernehmen. Tie Situation, in welcher rer Reichs tag morgen seine Arbeiten wieder aufnimmt, ist also richt unwesentlich von der Situation vor den Weih igchtSserien verschieden. Man wird aber kaum aniiehmen önnen, daß die parlamentarische Lage einer Verständigung zünftiger geworden sei. Nachdem Graf Caprivi eine Unter- tützung gefunden, die er kaum erwartet haben dürfte, vird seine ohnehin geringe Neigung, von der Vorlage 'iwaS abstrcichen zu lassen, schwerlich gewachsen sei», lind andererseits wird man von einer Partei, die schon vor den in Aussicht gestellten geheimen Mitthcilungcn zur unveränderten Annahme der Vorlage sich entschließt, nicht erwarten dürfen, daß sie auf VermittelungSanträge sich einläßl. Besonders gespannt muß man bei dieser Sachlage auf die Haltung des Centrums sei», dem ja der Ausschlag zusällt und das in eine recht prekäre Lage kommt, wenn ihm bei etwaigen Neuwahlen die Conservativcn als unbedingte Anhänger der Militairvorlage gegenübertreten. ES ist daher »n höchsten Grade wahrscheinlich, daß die Diplomaten deS Centrums trotz ihrer entschiedenen Behauptung, sie würden iiir nichts zu haben sein, als für eine Herabsetzung der Dienstzeit Erhalb der gegenwärtigen Präsenzzisscr, mit verstärktem Cifcr den Versuch unternehmen, eine Concession herauSzudrückcn, die ihnen erlauben würde, ihre Gefolgschaft in das conservative BewilligungSlager überzusühren. Daß wenigstens bei dcr„Kreuz zeitung" und ihren Anhängern die Abneigung gegen solche Con- cessionen nicht groß ist, ist bekannt. Sie würden gewiß mit den letzten Resten aus der Culturkampszeit aufräumcn helfen, wenn sic dadurch das Cenlrum veranlassen könnten, der kaiserlichen Ansprache an die commandircnden Generale sich zu unter werfen »nd dadurch einen weiteren Anspruch auf Dankbarkeit sich zu erwerben. Morgen tritt auch die französische Dcputirten- kammer wieder zusammen und man erwartet in Paris, daß von diesem Tage ab der Panama Vulean wieder in vermehrte Tbätigkcit treten wird. Hur Verhütung ninnbigcr Straßcn- scenen sind von der Regierung besondere Maßregeln getroffen worden. Nack einer telegraphischen Meldung von heute werde» in allen größeren Städten Frankreichs die Truppen consignirt sei». Der Ministcrratk beschloß außerdem, fortan leine antisemitischen Volksversammlungen mcbr zu dulde». Ten Anlaß hierzu hat ohne Zweifel der stürmische Verlauf der letzten derartigen Versammlung gegeben, wegen deren der berüchtigte Margniö de Mores ein heftiges Schreiben an den Polizeipräscctcu richtete, worin er die Polizei beschuldigte, daß sie cS selbst gewesen sei, welche die Skandalsccnc» absichtlich bervorgcrnscn habe, um eine Handhabe zur Aus lösung der Versammlung zu bekommen. Was den ehemaligen, ebenfalls der Tbeilnabmc am Panamaskandal bezichtigten ArbeitSministcr Vak Hanl betrifft, so scheint cS, als ob man gegen ihn Ernstliches nicht zu unternehmen vermöge, denn cS wird beule auö Paris telegraphisch gemeldet, daß keine positiven Beweismittel gegen ihn Vorlagen und er sich »och immer in Freiheit befinde. Zwischen dem Justiz- minister Bourgeois und dem Untersuchungsrichter Fran- gncrillc ist cs zum Zerwürfnis! gekommen, weil der Letztere nach der Auftastung des Ministers zu schneidig vergeht und alle in der Paiiamaangelcgenheil nur irgendwie com- promitlirtcn Persönlichkeiten in die Verfolgung hincinziehcn will. Am Sonnabend verbörlc Franquevillc den Redactcur des Amtsblattes JczierSki, den früheren Leiter von Freycinct'S Blatt „Tclegrapbc", das von der Panama- Gesellschaft bekanntlich 200 000 Francs erbiclt. Nach Aussagen Blondins wäre diese Summe auf directcS Begehren Freycinct'S, der sich hierbei deS Botschafters Herbette als Vermittlers be diente, auSbczahlk worden. jFür den am l o. Januar beginnenden ersten Panainaproccß, der nur den Bankerott der Gesellschaft betrifft, sind 80 Zeugen vorgcladen. Man erwartet in diesem Proceß bereits erhebliche Enthüllungen der Beziehungen der Gesellschaft zu Parlamentariern. Wie vorauSzuscbcn war, kommt der Panamaskandal in seinen öffentlichen Wirkungen der socialkemokratischcn Partei zu statte». Bei einer gestern staltgefundenen Ersatzwahl in Carmcau-Albi erhielt der So cialist JaurieS 1820, der Republikaner Heral 3928 und ein zweiter socialistischcr Candidat 107."> Stimmen. Tie Verhandlungen zwischen der österreichischen Regierung und der deutschen Linken haben »nlcr an scheinend freundlichen Auspicieu begonnen. Beide Tbcilc hegen das lebhafte Interesse, recht versöhnlich und objcctiv zu erscheinen. Graf Taasfe, dem man von höchster Stelle nach seiner bekannten Rede angedeutet hatte, er habe damit einen Fehlgriff gethan und die Linke ganz unnötbigerwcisc beleidigt, ist jetzt citcl Liebenswürdigkeit und Entgegenkommen: i er zog absichtlich außer dem ibm ganz ergebenen Finanz I minister Stcinbach auch die Minister Marquis von Bacqucbem und Freiherr» von Gautsch zu den Bcratbungcn heran, um sich für sein Bemühen, eine Verständigung zu Stande zu bringen, aus Zeugen berufen zu können, die nolorisch eine den Deutschen freundliche Gesinnung hegen. Tic Führer der Linke» bade» »lit einem Gcgcnzug geantwortet; von den Herren v. Plcncr, v. Chlumccly und Heilsberg ist auck Gras Kuenburg zugc- zogc» worden, dessen gerader Sinn auch seine Gegner e»t waffnei, dessen Rücktritt unter den Zeichen bobcr Gnade seitens des Kaisers erfolgte. Man bat kann seitens der Regierung das victbcrnscne Programm vorgelcgt, welches, wie cS beißt, allerband Wichtiges, wie Anerkennung des Besitzstandes der deutschen Staatssprache — nnd daneben auch eine staatliche Phrase gegen de» Antisemitismus — ent ballen soll. Hprr von Plcncr und seine Freunde cr- klärlen, daß man auf Grundlage des Programms verhandeln könne; cS liege aber in der Natur der Sache, daß von seiner Seite außerdem Forderungen gestellt würden, ven deren Annahme Alles abbängc. 'Allem Anschein nach bat Gras Taasse mit einer böslich zustimmendcn Ver bcugung geantwortet. 'Auch er wird Alles ni ernste Er wägung ziehe»: Preßfreiheit nnd Festhalte» an dem beklebenden freisinnigen Schulgesetz, 'Abwehr der Forderungen des böhmischen StaatSrechtS und directe Wahlen in den Landgemeinden unk wie sonst die Forderungen der deutsch-liberalen Partei beißen mögen. Im Grunde könnte man sich einigen, wenn cS nur ein Mittel gäbe, um die Deutschen zu überzeuge», daß ihnen die diesmaligen Versprechungen ge halten werde». Denn das Spiel, das gestern von Neuem anging, ist lediglich die Wiederholung dessen, daS zur Zeit des böhmische» Ausgleichs getrieben wurde. 'Auch damals unterschrieb man eine» Pael, unter welchem der Name des Grasen Taasse steht. Aber was ist von diesem Vertrage auSgcsübrt? Tie Hauptsache, die administrative Zwcitbcilung Böhmens, ist von der Regierung absichtlich verzögert worden. Wer also verbürgt die Unlerferligung deS neuen Vertrags ? Es ist sicher, daß dies dem Grasen Taasse mit vollster Deutlichkeit auScinandcrgesctzt wurde oder doch klar gemacht werken wird. Für ihn handelt es sich sichtlich darum,dieVcrbanklungc» bis über die Budgetdebatte binzuzicben, denn er befürchtet irgend einen neuen Schifsbruch bei einer der Abstimmungen, und er glaubt annebmeii zu können, daß die Liukc wahrend der Unter handlungen nicht leicht eine Feindseligkeit begeben werte. Man hört denn schon jetzt, daß es geraume Zeit kosten werde, bis die Einigkeit erzielt ist. So wie der Polcnsübrer JaworSki und Gras Hobenwart wäbrcnd der Krisis von dem Minister Präsidenten vorgeschoben wurden, um seinen Kamps mit der Linken auszusccbtcn, so werden sie sich auch jetzt gefälliger weise benützen lassen, um diese Partei hinzubaltc». UebrigcnS steht cö in der Hand dcö Grasen Taasse, das Mißtrauen zu banne». Er beschleunige die Arbeit und bilde daö Eoalilions cabinet, welches die Geschäfte aus Grund des neuen Pro gramms zu führen hätte — und Alles kan» sich zum Vesten wenden. Die Tentschcn haben die Bedingungen deö ersten Vertrages deS böhmischen 'Ausgleiches gehalten; cs ist au der ankeren Seite, sich diesmal aufrichtiger zu erweisen, als bisher Die Unruhen nnd Tumulte in den nördlichen Pro vinzen der Niederlande nehmen nach de» neuesten, von dort vorliegenden Nachrichten eine» immer schlimmeren Charakter an in denen zu in. Rübe herrscht nur »erb in jenen Ortschaften, > ihrer Aufrcchtbaltnng starke Polizei- und Militair- > kräfte vorhanden sind. Tie Ruhestörungen gewinnen übrigens mcbr und mehr einen anarchistischen Anstrich, der wieder einmal zeigt, welcher innige Zusammenhang zwischen SocialiS- muS und Anarchismus in Wirklichkeit besteht. Daö socialistische Hauptblatt „Recht voor'Allen",welchcs von Tome l a-N i e uw e n- b u ns rcdigirt wird, bat sogar den Arbeitern die Anweisung crlbcill, wie Dynamit und andere gcmcingcsährlichc Spreng stoffe erzeugt werden können. Das erwähnte Hetzblatt sagt zwar nicht geradezu heraus, das; die Arbeiter Dynamit zur Er reichung ihrer Ziele verwenden sollen, aber man kann dies doch zwischen den Zeilen lesen. Tic Tynamitarden rübrcn sich denn auch von allen Seite». So erhielt der Pastor der lutherischen Kirche in Sappermecl, Provinz Gro ningen, einen Drohbrief, welcher die Sprengung seiner Kirche durch Dynamit in -lussicht stellt. Tie Arbeitslosen geben sich überall Gcwalttkätigkcitcn hin. So umringte in der 'Näbc der Statt Lccuwardcn ein Haufe betrunkener Tocialiste» mehrere Soldaten und mißkandelte dieselben der Art, daß einer der Mißhandelten inö Spital gebracht werden mußte. Die Brandlegungen der größeren Bauern höfe werden >»i Großen betrieben und nur selten gelingt eS, der Verbrecher habhaft zu werden. Daß die socialkemo- kratiscbc Hetze die Hauptschuld an kiesen bedauerlichen Vor gänge» trägt, ist unzwcisclbast. Aber die Regierung und daS Parlament sind von oincm Tbeile der Schuld ihrer seits nicht srcizusprcchcn. Der Nothstand in FricSland nnd Groningen ist nämlich durchaus keine neue Erscheinung, und frühere Regierungen haben ebenso wie die gegenwärtige ver absäumt, irgend eine Abhilfe zu schassen. Der jüngste Besuch der Königin Wilbelniine nnd der Königin- Regcnlin in Nordbvlland konnte keine Besserung der Lage schaffen, weil die daselbst herrschende Bewegung nicht anti- dynastisch, sonder» rein social ist. Abhclscn kann hier nur zunächst eine NotbstandSvorlage, welche wenigstens über die jchwcre Winterszeit lünauskilft, sodann aber die genaue Untersuchung und Prüfung der Ursachen des frcisischcn VolkS- clcnkS. Wenn Regierung und Parlament nicht zu diesem Mittel greise», dann wird sich in Nordbolland unzweiselbast über kurz oder lang ein Permanenter revolutionaircr Zustand hcrauSbilten. Je näher in England die ParlamcntSsession hcranrückt, desto mehr concentrirt sich dort daS Interesse, bis zum Aus schluß fast aller übrige» Angelegenheiten, aus die Home- Rulc Frage. Der Entwurf der Bill ist bekanntlich von einem Spccial-Eomitö deS MinisterratheS ausgcarbcitcl worden und bat kürzlich unter den Eabinctsmitgliedern circulirt. Trotz der Kürze der Zeit, die den Ministern zur Vorbereitung ibrcr schwierigen Aufgabe noch verbleibt, dürste derselbe, ehe er demHausedcrGemcincnvorgclcgt wird, noch manche wesentliche Abäudcruiigcn erleide», lieber den Inhalt des folgenschweren Gesetzes ist die tiefste und bisher tbatsäcblich in keiner Weise durchbrochene Verschwiegenheit beobachtet worden. HerrGlad- srouc legt den denkbar größte» Werth darauf, daß sein neuer Homc-Rnlc Plan nicht wieder, wie derjenige von >88«! vorzeitig in die Oesscntlichkcit gelange, und es sind zu diesen! Zwecke die umfassendsten Vorsichtsmaßregeln getroffen worden, die sich bisher auch absolut bewährt haben. Alle von an geblich Eingeweihten gcniachtcn Enthüllungen oder mebr oder minder dunklen Andcntuiigcn über den Inhalt dcö Homc- Rulc Bill-E»twurscS beruhen aus Erfindung uud sind einfach Produetc oft nicht allzu scharfsinniger politischcrEombinationS- F-riill-ton. Für die Ehre der Familie. Roman von Clarissa Lohde. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) „Sic hat daS Schweigen, daS Ihr ibr auferlegtet, treu bewahrt", warf die Commerzicnräthin begütigend ein. „DaS hat sie; aber daß sie eS vermochte, hat sic mir nickt liebenSwerther gemacht. Und dann, ihre Acbnlichkcit mit ihrer Mutter!" „Die doch nur eine äußerliche ist." „Wer kann das heute schon sagen? — Auch Wolden'S Frau bat zwölf Jahre, ohne das; ibr etwas Besonderes vor- ziiwerscn gewesen, mit ihrem Galten gelebt, hat ihm vier Kinder geboren, um dann doch, als die Versuchung an sie bcrantrat, Alles, Gatten, Kinder, Pflicht und Ehre, zu ver gessen." „Tu kannst unmöglich AehnlichcS von Adele bcsürchtcn." Der Eommerzienrath trat dicht an seine Fran heran: „Nickt? — Ist sie nicht die Tochter ihrer Mutter und glaubst Du, die Erbschaft deS Blutes ist nichts? — Auch die Mutter jener Frau hat, wie ich gehört, keines besonderen RuseS genossen, wie ibre ganze Familie." „Karl! — Wie hart daS klingt! — Ist unsere ElSbetb, ist Margot nicht desselben BluteS?" Er schüttelte mit überlegenem Lachen den Kopf. „Das ist etwas Anderes, ElSbclh ist von uns und Margot von meiner Schwester erzogen, und siehe sic an, diese beiden Licht gestalten, sie tragen ganz die Hüge meines armen unglücklichen Freundes, nichts erinnert be; ihnen an die Frau, die ihnen das Leben gab." „Aber sie bat eS ibnen doch gegeben." Ter Eommerzienrath sab sich durch diese einfache Be merkung seiner Frau in die Enge getrieben und das machte ibn unwillig. Leicht mit dem Fuße ausstampscnd, rief er: „So drebe Dick» doch nicht immer i», Kreise herum. War eS dock Dein Wunsch, daß Arnold ElSbetb hcirathcn sollte, ch hätte sie wahrlich lieber an Becker gegeben, nun mußt Tu Dich auch mit alle» Folgen abfinkcn." „Becker würdest Du das Grheimniß anvertraut haben?" fugte sie. „Er ist ein Mann, unabhängig. vornrtheilSsrei, cS würde bei ihm sicher aufgehoben gewesen sein", sagte er wiker- strchend. „Dennoch bin ich entschlossen, daß cS auch ibm. sollte er sich um Margot bewerben, verschwiegen bleibt. Es hat Mitwisser genug." „Spcrncr bewahrt cS heilig." „Als echter Edel- und Ehrenmann, der er ist", antwortete der Eommcrzienralh mit warmer Anerkennung, „davon bin ich überzeugt. Doch wirst Du cinschcn, daß die Verhältnisse hier anders liegen. Adele wußte um den Fehltritt ibrcr Mutter, sie hätte sich selbst eines VertraucnSbruchcs gegen de» Mann schuldig gemacht, der ibr mit seiner Hand so viel ge boten bat, wenn sie über die Vergangenheit geschwiegen hätte. ElSbetb hat keine Ahnung davon." „Aber wir wissen eS." „Sie heißt nicht mehr WolLcn, sic ist unsere Tochter, hat nichts mehr mit jener Frau, mit jenem Namen gemein. Noch einmal, Sophie, las; die Todtcn rubcn, las; sic be graben und vergessen sein. — „Ich will cs so", fügte er, als seine Fran noch Einwendungen machen wollte, mit einer Stimme und einer Miene hinzu, welche jede Einrede ver bot, und verließ das Zimmer. Seufzend blickte ihm seine Fran nach. Eine schwere Last, wie die Ahnung kommenden Unheils legte sich auf ihre Brust. Je näher sic den Präsi denten und namentlich die Präsidentin von Engelhard kennen lernte, um so klarer ward ihr, daß diese schwerlich die Ein willigung zu der Verbindung ihres SobncS mit ElSbeth ge geben haben würden, hätten sie die traurige Geschichte der Ehctrcnnung ihrer Eltern gekannt. Dem ehrlichen, geraden Sinne dieser vortrefflichen Fran erschien aber just um dessen! willen dieses Verschweigen als ein schweres Unrecht und sic fürchtete, daß daraus nichts Gutes erwachsen könne. Aber auch de»; Eommerzienrath Rösickc war keineswegs wohl bei der Sacke, welche Sicherheit er auch seiner Frau gegenüber zur Schau tragen mochte. Er, der Mann vom strengsten Ehrbegriff, der sich in seiner geschäftlichen Thätig- keit, wie in seinem Privatleben nie das leiseste Abweichen rem Pfade der Ehrlichkeit nnd Aufrichtigkeit gestattete, batte sich seinem geliebten, einzigen Jugendfreunde zu Gefallen dazu verstanden, die Wahrheit zu timschleiern, und war dadurch in ein Gewebe von Lügen geratben, in das er sich nun selbst verstrickt sab, ohne die Möglichkeit, mit Anstand berauSzukommen. Es hatte ihn nicht länger im Zimmer seiner Gattin geduldet, er mochte auch nicht nach der Fabrik, nickt nach den Geschäftsräumen geben; in; Park aus- und abschreckend, wohin der Ton der mächtigen Schmiede hämmer, die in seinem Ticnst arbeiteten, nur gedämpft drang, sann er der traurigen Geschichte, ihrer Entwickelung und Verstrickung mit gesenkter Slirn und schwer alhmender Brust nack Sein Vater, der Begründer der Maschinenfabrik, der er jetzt Vorstand, und die unter seiner Leitung einen bedeutenden Aufschwung genommen, batte den Sohn, nacktem er die Sckule durchgcmacht, aus die Gcwcrbcakadcmic geschickt. In dieser Zeit war die enge Freundschaft mit Erick Welten entstanden, der aus der Provinz nach Berlin gekommen war, um Jura zu stndiren. Auch nachdem die Zeit des täglichen Beisammenseins vorüber und Jeden sein Berus ganz ver schiedene Wege führte, waren sic i» naher Verbindung ge blieben und batten sich so häufig gesehen, als die Verhältnisse cS nur gestattete». Erick Wolken, der von Hause aus nickt unbemittelt war, batte sich schon als Assessor mit einem sehr schönen, gcisl vollen Mädchen vcrhciratbct, für welche er die lcidcnschasl lichstc Liebe empfand. Die Ebc schien eine durchaus glückliche, die junge Frau beschenkte ihren Mann schnell hintereinander mit einem Sohn und einer Tochter unk wurde i» den Orten, »ach welchen er als Richter und später als Rail, versetzt ward, stets der Miltclpunct der Geselligkeit. Fast jedes Jabr kam die Familie nach Berlin nnd wountc dann bei Rösicke, der sich inzwischen auch verbciratbct und »ach deS Vaters Tode die Leitung der Fabrik übernommen hatte. Rach einem längcren Zwischenräume wurde Wolden'S ein Zwillingspaar geboren; bald daraus begann Stephanie zu tränket», und der Arzt schickte sic für einige Monate an die Riviera. Tic Kinder blieben unter der Obbut einer Er zieherin nnd Wärterin beim Vater zurück Mit Beginn des Frühjahrs reine Wölben nach Nizza, um seine Frau abzuholcn. Wenige Tage darauf erhielt Rösickc ein Telegramm, daS nur die kurzen Worte enthielt: „Komm, ich bedarf Tcincr!" Unverzüglich maclcke er sich aus den Weg und fand seinen Freund in Verzweiflung. Seine angebctetc Stephanie war am Tage vor seinem Eintreffen mit einem angeblich sebr reichen Deutsch Amerikaner, der schon während der letzten Monate ihr unzertrennlicher Gesäkrtc gewesen war, ans Nizza verschwunden. Für ihre» Galten batte sic einen Brief zurückgelasscn, in welchem sie ihn beschwor, ihr nickt nackzuspüren, sie frei zu geben, denn ibr Geliebter sei >br Schicksal, sic könne nimmer von ibm lassen und wolle an seiner Seite lieber Notk und Elend, als mit dem Gatten das bisher geführte behagliche, aber jür sic stets »nbcsricdigte Leben ertragen. Eine Bitte um Verreibung, eine flüchtige Erwähnung der Kinder, die sie in seinem Schutze wokl geborgen wisse, das war Alles, was die von Leidenschaft verblendete Frau dem verlassenen Gatten zu sage» wußte. Wolde» war zerschmettert. Ter Vcrrath der Frau, welche den Mittelpunct seines Daseins auSgemackt, tras ihn bis inS innerste Mark; außerdem sab sich aber der in bobcin Grade ebrliedcnde Mann auch in seiner Stellung, in der Zukunft seiner Kinder bedroht und beschwor den Freund, ibm behilflich zu sein, die Schmack wenigstens von den un schuldigen Hänxter» der Kinder abzittvenden „Ick werke Ibun, was ick kann", versprach Rösickc, „dock daS muß überlegt werden, ernstlich überlegt. Vor Allem laß »nS diesen Ort verlassen, der nur Schmerzliches für Dich bringt. Daheim wirst Du ruhiger werden." Rösickc hatte Reckt gehabt, Wolde» gewann äußerlich seine ganze Ruhe wieder, innerlich aber war er ein ge brochener -Rann. 'Nack reiflichen Erwägungen batte er sich entschlossen, seinen Abschied zu nehmen und nach Berlin zu ziehen. Dadurch glaubte er am ersten lästiger Erklärungen wegen des Fernbleibens seiner Frau übcrboben zu sein. Zwar schwirrten allerhand Gerüchte durch die Stadt, aber mau fand dech keinen stichbaltigen Grund, WolrenS Er klärung, das; nach Ausspruch des Arztes seine Frau noch im Süden für längere Zeit verbleiben müsse, den Glauben z» versagen. Ter Dame, die das Hauswesen wäbrcnd der Abwesenheit seiner Gattin verwaltet batte, gab er ihre Ent lassung unk cngagirlc für Berlin eine neue, die von der Vergangenheit nichts mehr wusste. — Die Kinder endlich, die nicht aushörtcn, nach der Mama zu fragen, nament lich die ältesten, Adele und Paul, vertröstete man auf ein Wiedersehen, an das Niemand mehr glauhtc. Ta war cS eines Abends, als Adele unsrciwilligc Zubörerin einer Unterredung zwischen Rösickc und ihrem Vater wurde. Als Acltcsic der Liebling des Vaters, pflegte sic oftmals ihre Freistunden im Studirzimmcr desselben zuzubringen. Auch heute war sic in der Abendstunde in dasselbe ge gangen — in dem Gedanken, den Vater dort zu sinken. Dieser war aber sortgcgangcn, und sie setzte fick, wie eS ihre Gewohnheit war. aus einen Schemel im Schatten eine« KaminschlrmcS, hinter dem ein Helles Feuer flackerte. Hier wollte sic den Vater erwarten, und cS dauerte auch nur wenige Minuten, da kan; er von seinem AuSgang schon wieder zurück, doch nicht allein, sondern in Begleitung des Freundes. Er war sehr erregt und sank mit einem schmerz vollen Anfstölinen, daS dein .siinde tief in die Seele drang, in einen Slutst am Fenster. Adele wollte ausspringcn, zu ihn; eilen, aber eine innere Scheu, sich als Zeugin dieses SchinerzenSauSdrucheS zu bekennen, hielt sie zurück, vielleicht auch kindliche Neugier, sic mochte sich in diesem Augenblick wohl selbst nickt klar machen, was sic antrieb zu bleiben, zu hören. „Fasse Dick. Erich", suchte Rösickc den Aufgeregten zu beruhigen „Tn »lußtcft daraus gcsaß^ sein, von dieser Seite der »och Schmerzliches zn erleben. Sie wünscht mit dem Elenden, der sich als reicher Mann gegen sic ausgespiclt bat »nd allem Anschein nach ein Abenteurer ist, »ach Amerika z» geben: die Mittel fehlen ihr, nun wendet sie sich an Dick. Was bleibt ibr auch Anderes übrig? Ziirückkebreit darf sie nicht, sie bat ibr Geschick sich selbst bereitet und muß cs tragen. —" (Fortsetzung folgt.)
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