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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.01.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-01-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930112020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893011202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893011202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-01
- Tag1893-01-12
- Monat1893-01
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SV4 di« Erfüllung ihrer Forderung dem Cabinrt unmöglich gemacht; überdie« hat da« Dynamit-Attentat zu Dublin am Weihnachtsabend die Sympathien für die irischen »Märtyrer" in den englischen Gefängnissen nicht verstärkt. Die konservative Partei hat den Kampf gegen Home rule für Irland angesichts de- bevorstehenden Zusammen tritt- de» englischen Parlament- mit erhöhter Kraft wieder ausgenommen. Der .Standard" findet, daß die Rede des ColomalmioisterS Lord Ripon, über die wir kurz berichtet haben, die Zweifel verrathe, die da- Cabinet selbst über de» Erfolg der Homerule-Vorlage hege. Es sei brmerken-wcrtb, daß Ripon über den Inhalt der neuen Bill sich gründlich au-geschwiegen habe; Glaestone wolle offenbar selbst die Ge heimnisse enthüllen, die er sogar vor seinen beste» Freunden geheim gebalten habe. Am 20. d. M. findet ein Festessen bei Lord Sali«bury statt, da- eine Programmrede deö früheren Premier- bringen wird. Der Sultan hat neuerdings den Russen durch eine sozusagen symbolische Handlung deutlich zu versieben gegeben, daß er nicht daran denkt, sein Recht, die Meerengen für fremde Kriegsschiffe verschlossen zu halten, irgendwie einschränken zu lassen. Cs ist das bekanntlich dadurch geschehen, daß der Sultan dem amerikanischen Kriegsschiffe, welches den neuen Gesandten der Bereinigten Staaten nach Konstantinopcl bringen sollte, die Durchfahrt durch die Dardanellen ver weigerte. Der Ceremonienmeister Ibrahim Bei bat de» Gesandten in einer türkischen Nacht von Smyrna abholen müssen. Auch die „Nowoje Wremja" hat dem erwähnten Borgang diese Bedeutung beigelcgt, und zu bemerken ist aller dings, daß, ehe Rußland den Sultan mit seinen Forderungen bedrängte, eine so peinliche Ausrechthaltung der Meerengen sperre für Kriegsschiffe nicht üblich war. MemtscheS Reich. tz. Plauen, 11. Januar. Gestern Abend wurde vom nationalliberaleu Verein der Beschluß gefaßt, gegen die Zulassung der Jesuiten einen Protest an den Reichs tag gelangen zu lassen. Aus dem gesummten 23. sächsischen Reichstagswahlkreise sollen hierzu schleunigst Unterschriften gesammelt werden. ^ Berlin, ll. Januar. Abg. von Eynrrn wird, wie wir hören, in der Steuercommissicn deö Abgeordnetenhauses einen auSgcarbciteten Gesetzentwurf zur Einführung einer Erbschaftssteuer als ErgänzungSstcucr in Erweiterung der Bestimmungen des ErbschaslSfleucrgesetzes vom l!»./21.Ma> 1801 einbringen. Danach soll der Ansall, »ach Abzug der Schulden und Lasten, wie folgt versteuert werden: l) für Verwandte in aus- und absteigender Linie bei 1 beweg liches Vermögen mit lft, Proc., bei ll unbewegliches Ver mögen mit l Proc., 2) für Geschwister und deren Nachkommen: bei l mit 4 Proc, bei ll mit 3 Proc, 3) bei Onkel und Tanten und deren Nachkommen bei l mit 5» Proc., bei II init 4 Proc., 4) für Großonkel und Tanten und deren Nachkommen bei I mit 8 Proc, bei II mit 6 Proc., 5) für alle anderen Personen bei I niit ll Proc., bei II mit !t Proc. Der H. 4 de- Erb- schaslSsteuergcsctzcS wird dahin erweitert, daß jede Schenkung an einen Erbberechtigten einer Vermögens Ucbcrtragung von TodeSwege» gleich zu halten und in ihrem Capitalbelrage dem Vermögensiiachlaß znzurechnen ist. In der .Begründung" heißt eS u. A. nach einer Zusammenstellung der in andern Ländern mit der Erbschaftssteuer erzielten Einnahmen: „Eü dürste nach diesen Resultaten in anderen Ländern Wohl die An nahme gerechtfertigt erscheinen, daß die für Preußen vorge schlagenen Steuersätze mindestens den als erforderlich von der Regierung zur Durchführung der Steuerreform bezeichnet«» Betrag einbringen werden. Ein Mehr- oder Minderbctrag der Äeuer dürfte sich Lurch das in anderen Ländern einge führte Zuschlags- bezw. AbzugSsystem in Proccnlen leicht reguliren lassen. Der Wunsch, taö sundirte Einkommen höher zu treffe» alö da» unfundirte, wird durch die Erbschaftssteuer erfüllt." — Im BnndeSrath haben die Ausschüsse ihre Tbätig keit ansgenoiiimen. Wie man kört, wird sich der BundcSralb mit der geschäftlichen Behandlung seiner alo .geheim" bc zeichneten Drnllsachen zu beschäftigen habe». Es heißt, cs zeicn darüber ganz bestiinmtc Normativvorschrijten geplant, über die ein Beschluß gefaßt werden soll. — In dem Artikel de» .Neuen EurscS" der sich mit der militairischen Bedeutung BelfortS beschäftigte, war auch gesagt, daß der Verzicht aus Belsort einen der Gründe der niemals bcglichencn Vrrstimmungcn zwischcnBiS - marcl und Moltke abgegeben habe. Die .Hamb. Nachr." bestreiten jetzt, d«ß überhaupt eine dauernde Verstimmung zwischen beiden Männern verbanden gewesen sei. Mit Bezug hieraus beißt eS in einer esficiöscn Eorrespontenz. .dies mag für den Fürsten Bismarck in höherem Grade zntrcssen, als für den Grasen Moltke Der greise Feldinarschall vermied eS, sich über sein persönliches Verhältniß zu dein anderen großen Gehilfen Kaiser Wilhelm'« I auSzusprcchcn, und auch nach der Entlassung des Fürsten pflegte er die Mittbeilnngen der Blätter über die neuesten Interviews schwei gend, zuweilen kopfschüttelnd, zu lesen." Die Gelehrten des „Kladderadatsch" hätten den Feldniarschall Mvllke bei der Wagen sortrollen, in dem anch der Commerzienralb Platz genommen, welcher sich noch im letzten Augenblick entschlossen Halle, seine Frau zu begleiten. „DaS Geschick ist mit unS; Alles glückt über Erwarten", flüsterte ElSbetb der Schwester zu, die nur durch einen tiefen Seufzer antwortete Etwas später gingen die Schwestern in den Park, von wo sie »ndemerkt ans die Straße zu schlüpfen gedachten. Ans den, Wege dabin begegnete ihnen, aus der Fabrik kommend, Becker, und Margot war eS, als rufe ihr eine Stimme zu: .Da« ist auch eine Fügung. Vertraue Dich ihm an; stelle Dich unter seinen Schutz." Als habe Elsbetd ihrer Schwester diesen Gedanken von der Stirn gelesen, so heftig ergriff sie deren Arm und zog sie, den Gruß des Ingenieurs freundlich, aber flüchtig er widernd, schnell mit sich fort. Becker, der Miene gemacht hatte, bei den jungen Damen sieben zu bleiben und sich ihnen vielleicht anzuschließcn, vcr- mvchte sich diese kurze Abfertigung nickt zu erklären und schaule ihnen kopsschüttelnd »ach Es würde ,bm ein großer Trost gewesen sein, bälle er sehen könne», welch' einen traurigen, vorwurssrollcn Blick Margot auf ElSbetb richtete .Wir haben keine Zeit zu versäumen," sagte diese halb entschuldigend, .eS ist bald acht Ubr. Laß u»S in eine Droschke steigen." Eine Halde Stunde daraus stiegen sie am Potsdamer Platze aus. Der Fremde wartete ihrer bereits an der verabredeten Stelle Trotz de- lauen AlcntS batte er sich in einen Mantel gehüllt und die Mütze tief in die Augen gedrückt: er lüstete sic auch nur wenig, als er an sie beranlrat. .Gut, daß Sie kommen", begann er, sich nach allen Seiten »inschauenk, in flüsterndem Tone, „cs würde niir schwerlich möglich gewesen sein, niorge» mich noch einmal hier eiiiznsinden, denn meine Zeit ist gemessen Aber meine arme Fra» scbnt sich zu scbr nach ihren Kindern, ich mußte ibr diese letzte Freude gewähren, trotz der großen Opfer, die ich ikr damit bringe." „'Wo befindet sich unsere Mutter?" fragte ElSbetb, ebne auf seine Rede weiter cinzngcben „Da- darf ich Ihnen erst sagen, sobald Cie sich ent schloffen baben, mich zu begleiten, antwortete der sich Heialt nennende Mann. Zeitung-lectüre nicht schärfer auf- Korn nehmen können, ak« e- der vielgewandte OssiciosuS gethan hat. — Boin Reich-tag-abgeordneten Ge hlrrt wird der .Post" mitgetkeilt, daß .der Kaiser die Gnade gehabt habe, seine Zustimmung zu der Kundgebung de« Herrn Abgeordneten über die HecreSvvrlage in der „Post" durch ein sehr huldvolle-, an ihn gerichtete« Telegramm auszusprechen". — Die Mitglieder de« Börsen-UntersuchungS-AuS- schusse« sind von dem Vorsitzenden zum Wiederbeginn ihrer Sitzungen aus Donnerstag, den 12. d. M., Mittag- 12 Uhr, i» das NeichSbankgehäude berufen worden. Es wird, dem .ReichSanzciger" zufolge, mit der Vernehmung von Sach verständigen aus dem Gebiete der Productcn-Börse sort- gesahren. Ten Anfang machen Interesscntcngruppen der Getreide-Börse — Landwirthe, Müller, Kausleute. Man hofft, die Abhörung von Sachverständigen m der bevor stehenden Tagung beendigen zu können. — Die „Kreuzzeitung" schrieb in Nr. 578 zu dem neuen conservativen Programm: „Als einen glücklichen Griff müssen wir e« betrachten, daß der Peograinmenlivurs an der Stelle, wo er von der Locialdemokratie spricht, eine Aenderung erfahren bat. Dem Hosprediger Stöcker gebührt Las Verstienst, den Parteitag hierzu bestimmt zu haben. Mit Recht betonte er, daß wir nicht jeden socialdemokratifchen Wähler der vaterland-losen Gesinnung zeihen dürfen, daß vielmehr Tausende derselben durch die Art ihrer Wahl nur der allgemeinen Unzufriedenheit mit den augenblicklichen wirtbschastllchen Verhältnissen Ausdruck geben wollen. Diese zu belehren, ist eine der vor nehmsten Aufgaben der Conservativen. Sie würden sich aber ihre Erfüllung in absehbarer Zeit unmügljch machen, wenn sie ihnen, als Feinden der staatliche» Ordnung, mit den Machtmitteln der Staats- gemalt drohen wollten." Danach darf man wobl erwarten, bemerkt die „Post", daß die Herren Hofprediger Stöcker und Freiherr v. Hammer- stein sich jetzt möglichst schleunig in da« Saargebiet be geben werden, um die conservative Belehrung bei den dortigen Svcialdemokraten praktisch anzuweuden. Es wäre nicht mehr alö Pflicht und Schuldigkeit dieser Parteiführer, nunmehr daS von ihnen verbesserte Programm auch zu erprobe». — Bezüglich der Reife- und Abschlußprüfungen nach dem sechsten Jahrgänge höherer Schulen bat der Euliuöministcr neuerdings in einem sämmtlichcn Provinzial- schulcollegicn zugestcllten Bescheide bestimmt, daß das Ergebnis; dieser Prüfungen erst bei der Verkündigung der Versetzungen am Schluffe des Schuljahres mitzntheilen ist. Daran« folgt, daß die geprüften Schüler nach wie vor die Anstalt z» besuchen haben und ihrer Disci.'lin bis zum Schlüsse deö Schuljahres unterstehen. — Die .Nat.-Lib. Corr." kann nach zuverlässigster Er kundigung versichern", daß von einer Nachgiebigkeit der Regierung gegenüber den Forderungen der au-srändigen Bergarbeiter keine Rede sein kann und daß die wirk samsten Maßregeln zur Aufrechterhaltuug der Ordnung ge troffen sind. — Der Ober-Berghanptmann und Ministerialdirektor im Mini sterium für Handel und Gewerbe, Freund, ist von Saarbrücken hier wieder »iugetrosfen. * Breslau. II. Januar. Die „Breslauer Zeitung" meldet: Nachdem das Befinden des Herzogs von Ratibor sich i» der letzten Woche so verschlimmert hatte, daß die Kinder nnd Brüder de» Herzogs an das Arankcnlager berufen werde» mußten, ist seit Sonntag eine merkliche Wendung zum Bessern eingelretc». * Münster, ll. Januar. Die hiesige Handelskammer beantragte bei dem Eisenbabnminister telegraphisch sofortige Tarif-Maßnahme» zur Erleichterung de« Bezüge« schle sischer, belgischer nnd englischer Kohlen. Zahlreiche Gen darmen sind in die Indnstriegegend beordert. Eine Schwadron Kürassiere und ein Bataillon stehen zum AnSmarsch in da« Koblengebiet bereit, falls dort weitere Ausschreitungen slattsinden. * Ans dem Rnhrgebict, 11. Januar. Heute Nachmittag traten in einen partiellen ÄnSstand ein: die Belegschaften der Zecken „Dorstfeld", „Germania" Schacht l. und II. und „Gras Bismarck"'; außerdem ans „Pluto" anch der Schacht „Wilhelm". Im klebrigen ist die Lage unverändert. Es streiken aus etwa 25 Gruben 13c>00 Mann. — Die Acticn- Gescllschast für Bergbau und Hllltcnbetricb „Phönix" bei Rllh'.ort hat den Betrieb wegen EoakSmangclS thcilwcise eingestellt. — Die heute in Essen abgehaltene zweite Berg arbeiter Versaiiimlung beschloß einstimmig, am AuSstand im Essener Revier sestzubalten. — Zwei für morgen nach Bochum cinbernfenc Bergarbeiter Vcrsammlniigcn wurden im Iulercsse der öffentlichen Ordnung polizeilich untersagt. * Düsseldorf, ll. Januar. Vom ll. Husaren- und 5. lllanen-Rcgiment sind die Mannschaften de« drillen Jahr gangs. sowie vom Infanterie Regiment Nr. 3!t ein combinirte« Bataillon zui» Abmarsch in das rheinisch-westfälische Kohlen revier dcsignirt. Die Mannschaften werden seil gestern in den E'ascrnen in Bereitschaft gehalten. * Darnistnvr, I I. Januar. Zahlreiche Abgeordnete brach ten der „F. Z" znsolgc bei der Zweiten Kammer einen Ge setzentwurf auf Einführung der sacnltativcn Feuer bestattung ein. * Karlc-rntze. ll. Januar. Ter Kaiser wird morgen Vormittag 1» Ubr eine Truppenübung bei Ettlingen ab halten. sodann nach Karlsruhe kommen und Hierselbst bi- zum Abend verweilen. » Aus dem Laargediet, 11. Januar. Die Zahl der Streikenden nimmt ab. Heute sind 13316 Mann an- gesahrc», 2145 mehr als gestern. Dir sofortige Ent la ssung von 442 Mann »hat großen Eindruck gemacht. Einzelne Gruben sind heute wieder vollzählig anzefabren und auf an deren fehlen nur wenige Mann. Von den rund 3» 000 Berg leuten streiken also heute nur noch etwa- mehr als die Hälfte, während Anfang- voriger Woche nur 4—5000 Mann arbei teten. — Sehr ungelegen kommt dem RechtSschutzverci» der Hirtenbrief des Bischofs vr. Ko rum gegen den Auk- stand. In „Schlägel und Eisen" heißt eS: „Interessant ist die Stellung der ultrainontanen VolkS- beglucker. Der Bisckws Koruin erließ gegen die Streikenden einen Hirtenbrief, in dem er die kathvliichen Bergleute ermadnt, sic sollten sich von den dem Aussiond zu Grunde liegenden Verführungen der Kirchenseinde zurückhaltcn. Kurz vorher halte aber eine maßgebende »ltramontane Zeitung, die „Germania", die Forderungen der Aus ständigen für berechtigt erklärt. Sie befand sich also im directe» Gegensatz zu dem Büchos. Was liegt aber in den Worten des Letzteren? Eine Protection der siscalischen Gruben durch die Kirche, mit andere» Worten: eine Beschirmung des Geldiack« der capitalistüchen Wirtlffchait gegen die Bestrebungen der Bergleute. Teutticher kann der lange vorne, boltene Mantel erheuchelter Arbeiterkreundtichkeit wahrlich nicht gelüstet werden. Der Fall läßt die wahre Absicht der ultramoutanen Volks- bcglücker im richtigen Lichte erscheine» und zeigt deutlich, daß ihre Politik nur aus Schacher gerichtet, aus Schacher gegründet ist. Scho» bei Berathung der neue», nunmehr Gesetz gewordenen Bcrg- novelle haben die Grubenarbeiter Gelegenheit gehabt, diese Erscheinung zu beobachten, und nunmehr bleibt auch der handgreiflichste Beweis nicht mehr auS." Armer Herr Dasbach! so von seinen früheren beste» Freunden verkannt zu werden! * Mrtz, 10. Januar. Ter bei der Bergarbeitexbewegung im Saargebiet vielgenannte Rechtsanwalt Heyder ist ein Mann, der in Metz von Niemanden ernst genomnien wird. Er hat eS im Laufe der Jahre dabin gebracht, daß er seine ursprünglich nicht nnbedeutcnve Praxis vollständig verlor, so daß er sich, wie die „M. N. N." berichten, von seiner Frau, die eine gutbesuchtc höhere Töchterschule hält, ernähren lassen muß. Er hat bis jetzt so ziemlich allen Parteien an- gebört, zuletzt war er Antisemit und vor den jüngsten GemcinderatbSwahleii Sccialdemokrat. Die Socialremvkratcn schütteln ihn aber in einem Schreiben ihres hiesigen Ob mannes an den „Mcssin" ab, indem sie mittbeilen lasse», daß sie nichts gemein haben wollten mit einem Manne, der selbst nicht wisse, was er sei und welcher Partei cr an gehöre. * Ttrnffburg, 12. Januar. (Telegramm.) Der Kaiser ist heute früh 8 Ubr von hier nach Karlsruhe abgereist. Eine officielle Verabschiedung fand auf dem Bahnhose nicht statt. — Zu dem Abendessen, welche« gestern die Frau Fürstin Hohenlohe in Abwesenheit des bei seinem erkrankten Bruder, dem Herzog von Ratibor, weilenden Statt halters zu Ehre» des Kaisers veranstaltete, waren etwa 25 Personen eingeladen. Der Kaiser sprach dem Staatö- sccrelair v. Puttkammer seine Anerkennung und Be friedigung an« über den herzlichen unv glänzenden Empfang bei seiner völlig nnerwartele» Ankunft, und beauftragte den selben, der Straßburger Bevölkerung dies amtlich milzutheilen. * Stnttgart, ll. Januar. Tie Erste Kammer wählte den Fürsten von Hohenlohe-Langenburg zum Vice- Präsidenlcn; die Zweite Kammer de» Abgeordneten Hohl zum Präsidenten. Oeslerreich-Nnaarn. * Wir». 11. Januar. Cardinal Prinz Hohenlohe ist heule bier eingetrvfsen und im Tominikaucr-Klostcr ab- gcstiegen. Derselbe wird nach einem mehrtägigen Aufenthalt nach Schieß Randen in Schlesien weiter reisen. * Lemberg, 11. Januar. Die Verhandlungen wegen der MajoritätSbildun^ nehmen laut „Dziennik PolSki" einen schwierigen Verlauf, da Hohenwart erklärte, ras RegierungS- programm nicht acceptiren zu können. * Prst, 11. Januar. In der heutigen Sitzung de- Abgeordnetenhauses trat EötvöS in längerer Rede für die Ausdehnung des Wahlrecht« mit besonderer Rücksicht auf die Arbeiter ein. Frankreich. * Pari», ll. Januar. Nikol empfing heute Nachmittag den Besuch tcS britischen Botschafter« Lord Dusserin, welcher erklärte, die Mission Sir West-Nidgeway'S »ach Marokko habe nicht den von der Presse behaupteten Charakter. DaS englische Cadinct sei dabei von keinem, dem gemeinsamen Interesse nicht entsprechenden GesichtS- puncte geleitet worden. Ridacway bade die Instruction er halten, sich in alle» Europa inleresgrendcn Fragen mit dem Vertreter Frankreichs in Marokko zu verständigen. — Panaina-Proeeß. Die Gerichtssitzung begann kurz nach 12 Uhr. Ter Zuichau.'rraum war übersüllt. Der Präsident verhörte Fontane, welcher erklärte, cr sei bis 1885 beauftragt gewesen, die Verbindungen der Pouaina-Gejellschast mit der Presse zu unter halten, von diejer Zeit ab !ei cr nur der Geheim'ecretcnr von LesscpS gewest». Das Verhör Fontanes führte zu keinem IcmerkcnS- werthen Zwischenfall. Fontanes versicherte, er habe bis zum Jahre 1885 nur M00>) Franc« an die Presse vcnhcilt. Cvltu erklärt« bA seiner Vernehmung, daß er mit den äußere» Angele^, heilen der Panama-Gestllschast nicht- zu thun, sondern den inneren rein technischen Dienst zu versehen gehabt habe. — Ter Präsident vernahm sodann den Angeklagten Eissel in Betreff der äummen von je zwei Millionen, welche er an den Director d«1 „Temps", Hebrard. an Recnach und an einen Unternehmer o»r- bezahlt habe. Eissel antwortete, er habe de- Einflusses und der Unterstützung Lieier drei Personen, sei eS als Unternehmer, sti es als Banguiers, für das Gelingen des Unternehmens bedurst. Liege, der 18 Millionen besragl, welche Eissel für seine Arbeiten er. halten, die nicht vollständig ausgesübrt wurden. erwiderte der- selbe, er Hobe dieses Geld in Gemäßheit seines Vertrages und als Cvmpensalion für aauz zuiällige, nicht vorherzuiedend« Ausgaben behalten. Der Präsident erklärte, «in solcher Vertrag hätte annullirt werden müssen. — Der Experte Flory er. läuterte die Schlußfolgerungen seines Berichtes dahin, daß Eissel 33 Millionen aus seine bezüglichen Unternehmungen in Empsaaz genommen, davon aber nur etwas über 4 oder 5 Millionen ans Arbeiten und ebensoviel als Coiuiniision on seine Theilnedmer ve» wendet Hab- Nach längere» Erörterungen zwischen dem Präsident», und dem Experten über die Rolle der Unternehmer wurde di« Sitzung auf morgen vertagt. Belgien. * Brüffrl, 11. Januar. Ministerpräsident Beernaert erklärte in der heutigen Sitzung des Bcrfassungs- auSschusseS. die Negierung werde dem Könige die Aus lösung des Parlamentes Vorschlägen, falls der von der Re gierung vorgelegteWahlreformonlwurf abgelehnt wird. (M.Z> Schweiz. * Zürich, 11. Januar. Die italienische Regierung hat behufs Förderung der schweizerischen Ausfuhr nach Italien die Errichtung einer italienischen Handelskammer in Aussicht genommen. Italien« * Rom, ll. Januar. Tic Aufregung wegen der gexlanlea Verminderung der Universitäten ist im Zunehmen begriffen. Viele, auch militairische Abgeordnete, darunter der General Mocenni, welche früher den Nefvrmplänen zugestimmt, baben jetzt ihre Gesinnung geändert und treten öffentlich gegen die Regierung auf, indem sie erklären, mit allen Mitteln gegen die Aufhebung ter kleinen Universitäten kämpfen zu wollen. — Sehr beachtenswert!» für die Stimmung, mit welcher man im Vatican die Pariser Ereignisse rer folgt, ist der heutige Leitartikel der „Voce della Berila", be titelt: „Wer wird Frankreich retten?" Das Iesuilen- organ führt aus, daß da« Heil Frankreichs allein bei ter Rechte» stelle; jeder Feldzug gegen den Parlamentarismus würde am praktischen und positiven Sinne der französischen Wählerschaft scheitern; die Wählerschaft wisse, daß sie der conservativen Partei vollauf vertrauen dürfe. Spante«. * Madrid, 12. Januar. (Telegramm.) Der Minister- rath beschäftigte sich in seiner gestrigen Sitzung mit der marokkanischen Frage und beschloß, den ststnz «zu» energisch aufrecht zu erhalten. Orient. * Belgrad, ll. Januar. Anläßlich der bereits gemeldeten in Semendria, Cacar und Zajsear bei den Wahlen vor- gckcnimenen Ruhestörungen sind zahlreiche Verhaftungen vcrgcnommen worden. Aste». * In Birma haben die Eiiglander gegen die auf ständischen Katschins eine Schlappe erlitten. WieavS London gemeldet wird, griffen nach einer dort eingelanaten Nach richt au« Rangun die Katschins am 6. Januar mit großer Macht den britischen Posten inSima, nordöstlich von Bhamo an. Haupt- manii Morton, ter Befehlshaber der britischen Besatzung, sowie fünf SepoyS fielen im Kampfe, ver mit Ziirlickwerfung der Angreifer endete. Letztere ließen fünf Tobte auf dem Kampf plätze. Die gegen die Katschins oj.'erirende britische Streit macht wurde um 150 Mann verstärkt. Amerika. * Washington, 12. Januar. (Telegramm.) Auf Grund deS vom Senat angenommenen Gesetzentwurfs, betreffend die Ouarantaine, werdciz ^alle Eonsuln der in gesundheitlicher Beziehung in Frage kommenden Städte angewiesen, über een Gesundheitszustand ihrer Stätte Bericht zu erstatten. * London, 12 Januar. (Telegramm.) Die „Times" meldet auö Philadelphia: Der Gesetzentwurf, betreffend da« Einwandernngsverbot auf 1 Jahr, ist aufgegeben worden. Reichstag. * Unserem im Morgenblatte enthaltenen Berichte über die gestrige Sitzung des Reichstags tragen wir bezüglich der beiden letzte» Redner »och da« Folgende nach: Abg. Bocckel (Antistmit): Wir halten eS nicht für ausge schlossen, daß sicki noch in letzter Stunde eine Majorität für die Müilairvorlaac finden wird, deshalb müssen wir auch zu dieser Vorlage Stellung nehmen. Wir erklären uns gegen dieselbe. Wir thun Lies nicht im Interesse der großen Brauereien, die mir von der Börstiijpcculatioii ins Leben gerufen worden sind und dem Mammonismu« huldigen, der unser wirthschaftlichc« Leben „Ich denke, mein Herr, Sie dürften unS vertrauen", »ubr Margot »nmulhiz auf. „Verlangen Sic doch auch Vertrauen von nnS." „Ich verlange eS nicht", aniwortctc cr, und seine Worte klangen jetzt treuherzig »nd einschmeichelnd. „Sie sind völlig frei, zu tbun »nd z» lassen, was Ihnen guldünlt. Ich handle nur im Namen Ihrer Mutter." „Er spricht die Wahrheit", mahnte ElSbetb leise die noch immor zögernde Schwester. „Bringen Sic unS zu unserer Mnller, wo sic cnick sein möge. Nun ich weiß, daß ich sie noch besitze, bade ick, ein namenloses Verlangen, sie z» seliciii mir ein einzige« Mal an ihrem Herzen zu ruhen.' Tic blauen Auge» leucknet'» in einem sck'wärmerisihen Glanze, ei» höhere« Roth hatte die Wangen gefärbt, ihre Gestalt schien zu wachsen. Mil Besorgniß sab Margot, welche Exal tation sich der Schwester bemächtigt hatte. -Hcrald sab nach der Uhr. „Ick, bin bereit, kommen Sie." Er schritt daüig voran, dem Potsdamer Bahnhof zu. „Aber wir müssen doch wissen", wandte sich Margot in der Vorballc noch einmal zu .Heralk, „wann wir znrnck- kchrcn können —" „DaS siebt ja ganz bei Ihnen, meine Damen", ent- gcgneie er, »nd Margot ineintc wieder, einen leisen Spett an« seinen Worten hkranSzuböre». „So lange, als eS Sic bei einer Mutier ball, die Sic seit den ersten Kinderjakren cnlbebrciH mußte». — Freilick', viernndzwanzig Stunden müßten Sie ihr webt niindcstenS opfern." „Vicnintzwanziz Stunden?" Die Unsrigen werden sich z» Tode ängstigen, wen» wir die Nacht fortbleiben", warf Margot ganz crschrocken ein. „Es stellt Ihnen ja vollständig frei, umznkchren!" sagte Herald jetzt Tie Worte klangen hart unv trocken, sehr rersck'ieden von dcm vorhin so weiche», überredenden Tone. „Tann aber halten Sir mick, nicht länger auf. Ich sagte Ihnen bereits, meine Zeit ist gemessen — Können Sie sich nicht entschließen, dann wird Ihre Mutter sterben müssen, ohne Sic gesehen zu baben. — Denken Sic dann, untere 'Begegnung sei ein Traum gewesen! Lebe'» Sic weiter, wie Sic bisher gelobt haben. Sic waren so glücklich ohne " „Aber ick, werde eS nie, nie mehr sein können!" rief ElS- bclb lncl leidenschaftlich vibrircntcr Stimme, „wenn ich diesen Wunsch meiner Mutter nicht erfüllt hätte." Margot zögerte noch immer: „Deine Eltern! — Arnold!" rief sie, mehr besorgt um die Schwester, als um sich selbst. „Meine Mutter!" war ElSbctb'S Entgegnung. „Sie werden sich zu Tode ängstigen." „Eine einzige Nackt, während sie Ihre Mutter viele Iabre hindurch vergeblich um Sie bangen und seufzen ließen." Durch seinen Ton klang jetzt cine gewisse Schärfe, Margct'S zabcr Widerstand, den ex nicht "erwartet hatte, machte ihn ungediildig. „Entschließen Sie sich", drängte er. „Ick gebe mit Ihnen", erklärte ElSbelh bestimmt und legte ihre Hand in seinen sich ibr earbietendcn An», Margot ergriff ihre andere -Hand und sab ste bittend an. Eie machte sich von ibr loS »nd rief: „Kein Wort weiter, Margot, tbue was Du willst, mein Entschluß ist gefaßt, ,ch gehe zu meiner Mutter!" „Und ick, gehe mit Dir", sagte Margot traurig, aber fest, „mag über uns kommen, waö da will, ich verlasse Dich nickt." „Sie baben wirklich nickt nöthig, die Sacke so bochtrazisck, zu nehmen, meine junge» Damen", scherzte Herald, „eS handelt sich um eine scbr vorübergehende Abwrsenceil." „So laß »nS wenigsten; eine Zeile ter Erklärung an unsere Pslegeellcrn schreiten", bat Margrt. „Wie ^>e wollen." Er zog mit artiger Gebcrdc cine Postkarte a»S seiner Brieftasche und überreichte sie den Schwestern. „Doch ohne nähere Angaben, wenn ich bitten darf. Ick besorge während dessen die Fahrkarten." ElSbetb hatte die Postkarte ergriffen und warf hastig einigt Worte an die Eommcrzienrätmu varanf. „Aengsiiat Euch nicht, wenn ich unk Margot diese Nackt fortbleiben. Wir sind an sicherem Orte, zu dem eine heilige Pflicht uns rief. EcSbeth und Margot." „So", sagte Margot, nach der Karte greifend, ich werde sie selbst zum Briefkasten tragen —" „Ich gehe mit Dir!" ries ElSbelh, der Tavoneilenden folgend. Als sie von ihrem raschen Ganze zurückkehrtcn, harrte Herald ihrer schon in der Tbür. „Der Zug wird in fünf Minuten abgehen", mahnte er. „Uud die Fahrkarten?" „Hier sind sie —Er zeigte dieselben, um sie jedoch gleich wieder in die Tasche zu stecken. „Sie haben Auslagen für »nS gehabt?" sagte Margot, ibr kleines Portemonnaie ziehend. Hcrald machte cine ab- wehrende Bewegung, und ElSbelh sagte verweisend: „Wie kannst Du jetzt an solche Kleinigkeiten denken, in solchem bedeutungsvollen Moment!" „Ich bin durchaus kein reicher Mann", stimmte Herald „abor soviel besitze ich dock noch, um meiner Frau den einzigen, letzten Wunsch z» erfüllen." Er wandte sich mit seiner Rede jetzt ausschließlich an ElSbelh. Sie griff t:e Schlußworte seiner Rere auf. „Den letzten Wunsch, sagen Sie?" „Ich darf eS Ihne» nickt rerhehlen, sic ist dem Tode geweibt; w.rS sie noch aufrecktt hält, ist die Hoffnung, Sic zu sebe». In verzehrender Ungeduld erwartet sie meine Rückkehr, komme ich allein — so fürchte ich, sie überlebt da- nicht." „Eilen wir!" ries ElSbell, in fieberhafter Erregung ihren Arm in den Herald'S legend, um dessen Lippen ein unmerk- lichc- Lächeln spielte. Auf dem Perron herrschte ein betäubende- Durchein ander, ein Rusen, Drängen, Stoßen, Schieben, LaS auf die Schwestern um so beängstigender wirkte, als sie nicht wußten, welcher Zug sie ausnchmen sollte, welchem Ziele er sic zusübren würde. „Einsteigen! Einsteigen!" bieß eS wieder, und jetzt eilte ihr Begleiter mit ihnen die Wagenreihe entlang, bis cr ein leeres Coupe entdeckt halte, in das er sic schob. Wenige Minuten später schloß der Schaffner mit lautem Krack die Tbür. DaS dritte Glockenzeichen ward gegeben, ein Pfiff, der Zug setzte sich in Bewegung und fuhr aus der tageSbell beleuchteten Halle weiter und weiter in die stille Landschaft hinan-, über welche jetzt der Mond ausgezanaen war. Er lugte durch die Wipfel der Bäume, übcrgoß mit seinem magischen Lickte Feld und Flur, gleist und glitzerte aus den eisernen Schienen und r- hatte den Anschein, al- wolle er sick mit der sich daraus cinherwälzenden zischenden Schlange mit den rothglühenden Augen in einen Wettlaus einlaffcn. Vielleicht al- getreuer Cckhart zum Schutze der armen ver irrten Kinder! (Fortsetzung folgt.)
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