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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.01.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-01-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930121020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893012102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893012102
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- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-01
- Tag1893-01-21
- Monat1893-01
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472 waltenden Umständen eine ungemein schwierige. Nach den Vorgängen im Streik von 1889 mußte sie anfangs eine etwas unsichere und schwankende sein, da der Ober ventilationsstrom von oben zuweilen von ver schiedenen Seiten kam und keine constante Richtung batte." Die Beamten haben also gewußt, was sie zu thun halten, waren aber nicht in der Lage, nach ihrem Ermessen zu verfahren, da sie sich sagen mußten, daß eine Corrcctur von oben die Bergleute in den phantastischen Vorstellungen, die sie sich von der WillenSmeinung der niaßgrbendcu Stellen obnchin machten, nur neck, bestärkt werben müßten. Die Be- nierluugen des Abgeordneten Frhr. v. Stumm, denen wir uicht beizulreten vermochten, erscheinen darnach denn doch in einem etwas anbereu Lichte, und der Handels- Minister, der ihm gegenüber sämmtliche Maßnahmen der BergwerkSvcrwattung vertheidigtc, hat dieser ein Lob ge spendet, ans das sie allem Anschein nach keinen Anspruch macht. Vielmehr dürste man glauben, daß zweckentsprechender batte vorgegangen werden tonnen, wenn man an Ort und Stelle von Ansang an die Autorität aebabt hätte oder zu besitzen versichert sein durfte, die der Minister, um den Abg. v. Stumm zu widerlegen, als unentbehrlich für die localen Verwaltungsbehörden bezeichnetc. Frhr. v. Berlepsch sagte: Tie locale Verwaltung hat die Verantwortung zu tragen und eö handelt sich darum, daß sie vor Allein SelvsthewußNein bat. Sclbstbewußtsein und die Möglichkeit, die moralische Verantwortung zu übernehmen, sind aber für Beamte aus geschlossen, die aus Erfahrung wissen, daß jeden Augenblick ein olympischer Donnerkeil ihre Anordnungen zersetzen und sie selbst den Untergebenen in dem Lichte inhumaner, den Intentionen der höchsten Stellen widerstreitender „Tyrannen" zeigen kann. UebrigenS machte Herr Psähler daraus auf merksam, Laß auch im jüngsten streik von dem Minister die Theorie von der Selbstständigkeit der BergwerkSverwaltung nur unvollkommen in die Praxis übergesührt worden ist. Er hat der Verwaltung volle Befugniß eingeräumt, nach Gut dünken zu verfahren, zugleich aber hat er, nach seiner eigenen Mitthiilung, das ihm von der Verwaltung vorzclegte Verhaltungs-Programm gebilligt. Ein „Gut dünken", das der Genehmigung des ReichSkriegShosrathS, parckou, des Ministeriums in Berlin, bedarf, ist ein einiger maßen schwer zu begreifendes Ding. Tie Sache lag aber ossenbar so, daß die wesentlichen Tirectivcn von Berlin aus gegeben wurden, während die localen Behörden dieAusgabe hatten, ihnen unter ihrer Verantwortung im Einzelnen gerecht zu werden. Daß diesmal Uebcreinstiiiimunz zwischen ihnen und dein Ministerium herrschte, ist ei» glücklicher Zufall. Tie Beamten mußten gewärtig sein, daß cö auch anders koinmen könne, und diese Ungewißheit erklärt es vollauf, wenn sie anfangs unsicher und schwanlend waren. Ein..OberventilationS- stroin, der zuweilen von verschiedenen Seiten kommt und keine bestimmte Richtung hat", ist koch eine Erscheinung, auf die inan uutcr dem neuen EurS jederzeit gefaßt sein muß. Und nicht nur in der BergwerkSverwaltung. — Während der heutigen Vormittagsstunden arbeitete der Kaiser allein. RachmittagS l Uhr erthcilte derselbe dem Hofcuchhäiidler Töche, Inhaber der Firma Mittler ck Sohn, die nachgesuchte Audienz. — Der löleibejehlsh-iber in den Marken, Generaloberst der Jnsamerie v. Pape, vollendet am 31. Januar sein 80. Lebensjahr. Iu Ehre» dieses Tages soll iur Kaiserliche ein größeres Festessen slallsiuLen. — Die zweite Lesung deS Entwurfs eines Reickö- Seuchengcsetz.s, w che im ReichSamtc des Innern unter Miiwlriuug von Eomuuifarieu der betheuiglen Eentralstcllen dcs Reichs und Preußens slatigefunren hat, ist am Mittwoch zum Abschluß gebracht worden. Es darf nunnichr als sicher angenommen werden, daß Anfang Februar (»ach andere» Meldungen schon in tiefen Tage::. D. Red.) der Bundes- ra t b mit dem Entwürfe b.'faßt werden wird. Bei der durch die Vorgänge der letzten Tage wiederum erlist in Erinnerung gebrachte» Dringlichkeit der Sache liegt cS in der Absicht, die Erledigung ter gesetzgeberischen Aufgabe jedenfalls noch in der laufenden Tagung dcs RcichölagS berbeizusühreu. Diesem dürste dah'r zu der Fülle seiner Aufgabe» noch eine neue von »ich! zu uulerschätzeuber Bedeulung und Schwierigkeit in Aussicht siel en. — Ter preußische Finanzniinister hat dem Abgeordneten haus? zwei Rachlräge zu den communalen sinauzstalislischcn Tabellen zugelle» lass.», welche er zur Klarstellung der Folge» des Abs hlusses der Steuerreform bat zu- sammeiislellen taffe». Ter crstere erläutert, wie die Verwandlung der staatlichen Realsteuern in Eommimal- stcnern linier Berücksichtigung deS Wegfalles der Eom- mttnal-Einnahmen ago dem Ertrage der landwirtbschasl liche» Zölle bezüglich der Stadtkreise wirken wird. Der zweite enthält Verickttgniigen einer früher gegebenen Nach- weisulig. Danach war die gesammlc Geiileiiltceiiikoinmc»- stener (Zuschläge und besondere Geiiieiiiteeiiikomiueiistelier zusammen) in Procenleu der Staats-Einkommensteuer ail-gedrllckt gleich 0 bi« 50 Proc. in 154 Gemeinden, über 50 bis IVO Proc. in 841 Gemeinden, über IVO bis 200 Proc. in 632 Gemeinden, über 20V bis 300 in 263 und über 300 Proc. in 158 Gemeinden. Von den Gemeinden der ersten Kategorie würden nach Ueber- weisung der SlaalSrealslcnern ihre gesammte Einkommen steuer licrabsetzen können aus 0 Proc. der StaatScinkommen- steuer 149, bis 50 Proc. 5 Gemeinden, von der zweiten Kategorie aus 0 Proc. 265, bis 50 Proc. 55 und von 50 bis 100 Proc. 21, von der dritten Kategorie aus 0 Proc. 221, bis 50 Proc. 08. von 50 bis 100 Proc. 188, von 100 bis 200 Proc. 125 Gemeinden, von der vierten Kategorie aus 0 Proc. 51, bis 50 Proc. 18, von 50 bis IVO Proc. 17, von 100 bis 200 Proc. 144 und von 200 bis 300 Proc. 30, von der letzten Kategorie endlich auf 0 Proc. 21, bis 50 Proc. 10, von 50 bis 100 Proc. 8, von 100 bis 200 Proc. 28, von 260 bis .300 Proc. 54 und über 300 Proc. 37. — Um die Wirkung der Realsteuer- überweisung wenigstens für die Stadtkreise noch ru- lressender darzustclle», bat der Finanzminister weitere Er mittelungen veranlaßt und wirb auch deren Ergebnisse dem nächst zur Kenntniß deS Landtages bringen. — Nach dem neuesten preußische» Etat beträgt die Summe derjenigen Beträge, welche in den verschiedenen preußischen Verwaltungen aus die Fürsorge für Beamte und Arbeiter in Fällen von Krankheit, Unfall, Invalidität und Alter unmittelbar verwendet werden, nicht weniger als rund 19,5 Millionen Mark. 14 Millionen entfallen davon aus die Eiscubahnverwallung, 4,8 Millionen auf die Berg-, Hüllen- und Salinenverwaltung, 295 000.2 auf die Forst verwaltung, 75 000 „L auf die Bauverwallung. Im Etat der laudwirkhschastlichen Verwaltung sind außer den Beiträgen für Kranken-, Unfall-, InvaliditälS- und Altersversicherung noch 12 000 .2 zu Remuncraliouen für die Vorsitzenden der Schiedsgerichte der laud- und forstwirthschafllichcn Unfall versicherung vorgesehen. — Die Meldung, daß der Posensche KreiSschulinspector Schwalbe wegen jeiner Verfügung über den polnischen Privatunterricht von der Posener Regierung zum Bericht ausgefordert und die Verfügung bis zur Entscheidung sistirt sei, wird überall unliebsames Aussehen machen. Wie die „Voss. Ztg." hört, hängt diese Schwenkung mit einer längeren Audienz zusammen, die Herr von KoSciclski, der „Ewil- Atmiral" der polnischen Fractio», kürzlich beim Kaiser gehabt hat. Daß Herr von KeSciclski durch seine Zugehörigkeit zur polnischen Fraclion nicht gehindert worden ist, für die Entwickelung unserer Marine kräftig cinzutrelen, hat er in der vorigen Tagung des Reichstages be wiesen. Auch sonst hat er sich in militairischcn Fragen besonders nachgiebig gezeigt. Die Folge war aber, daß er bei seiner Fraclion im Ansehen bedeutend sank und in der jetzigen Tagung zu Vertrauensstellungen nicht wieder gewählt wurde. ES kann deshalb auch aus die persönlichen Aus lassungen tcö Herrn v. KcScielSki wenig Gewicht gelegt werden, da zu vermuthc» steht, daß sie sich mit der Haltung der polnischen Fractio» auch in anderen Fällen nicht decken. Aber abgesehen von diesen persönlichen Fragen bandelt eS sich bei dem Erlaß deS Schul- ralhS Cckiwalbe um eine viel tiefer greifende Angelegenheit. Es muß sich entscheide», ob die Regierung dem immer gefährlicher um sich greifenden Pvlcnibnm Einhalt gebieten will, oder ob sie untkälig zusieht, wenn weite germanische Landstriche der polnischen Propaganda verfallen. Eine Auf- bcbnng res Erlasses gegen die Ucbcrgrissc deö polnischen PrioatunterrichlS käme einer Anssortcrnng an die polnische Parle: gleich, diese Propaganda noch zu erweitern. — Vor einer Volksversammlung, die von de: Frauen- AgitatlonScomniissivn eiuderuseu worden und vcn gegen 2000 Frauen und Mannen: besucht war, erognele am 19. d. M. »n „Schullheiß" (Ehaulleeslraße, sruyer „Eiclellec") Fra» Clara Zetkin au« Stutt gart einen Vvriragseyklus mit einem Vorträge über das Thema: „Die Frau des Proletariats und der Militarismus". Rach einer lebhaften TiScnjjion »ahm die Versammlung eine Resolution a», i» welcher sie erklärt, in Bezug aus den Militarismus und die gegenwärtige MMlairvvrlage au> dem Bvdcn der iulernationaleu Locialdenivkratie zu siehe,, und der diesbezügliche» Resolution des ioeiatdemokraiti'chc» Parteitages znzuslimmcn. In einer weiteren Reivlntion verpflichteten sich die Anwesende», dahin zu wirke», Laß die Fraucnbeioegung immer mehr Anhänger gewinnt. >V. Eltaildriiz, 20. Januar. Ter „Gesellige" meldet: Im Wahlkreise Bereut-Pr. S t a rgard-D irs chau schenken neben den Polen säst allein die Antisemiten der kommenden Reichstagswahl Bcachlung, und zwar bade» sie ihre» FclkzugSplan jetzt geändert. Bon der Eandidatur Paasch ist Abstand genommen und der polnische Eandidat Herr o. Kalkstein Klonowken befragt worden, wie er sich dem antisemitischen Programm gegenüber verhalte. Da Herr v. Kalkstein erklärte, er »keile letzteres in vielen Puncten, so wollen die Antisemiten jetzt für den Polen eintretcn. — Sollte sich die Mittheilutig des Graudeiizcr Blattes bestätigen, so wäre damit eine Satire auf da» antisemitische „Germanrn- thum" geliefert, wie sie blutiger gar nicht gedacht werden kann. * Ratei, IS. Januar. Eine Versammlung von etwa 80 Gutsbesitzern und Landwirthen aus dem Wirsitzer, Brom- beraer und benachbarten Kreisen, einberuscn von Major v. Witzlcben-Wiylcben und Gras v. d Goltz-Ezavcze, fand hier am Dienstag statt. Es kam die Lag« der Landwirtb- schast zur Besprechung, und es wurden Mittel zur Abhilse bcralhen. Man beschloß, eine weitere Versammlung in Bromberg abzuhalten. Zur Unterstützung derjenigen politischen Presse, welche die Wahl unabhängiger con- servatrvcr Männer jeden Standes, die energisch die land- wirthschaftlicken Interessen im Parlament vertreten und sich daraus verpflichten, dauernd in Verbindung mit ihren Wäblern zu bleiben, fördert, wurden 1000 *2 gezeichnet. Jedes Mitglied deS zu bildenden Vereins soll 15 Proc. der Einkommensteuer zu Partcizwecken, speciell zur Begründung und Unterstützung dieser Presse zahlen. * vrcmeu, 19. Januar. Der Senat bat, anstatt der Aufforderung der Bürgerschaft zu einer Neuredaction der Verfassung zu entsprechen, ein umfassendes Werk vorgelegt, das außer einer Reihe nothwendiger Neuretactionen und durch die ReichSentwickelung gebotener einfacher Abänderungen der bestehenden Verfassung auch einige tiefeinsckneidende niaterielle Neuerungen beantragt. Dazu gehört in erster Linie die Wiedereinführung deS Adels, der bisher im Bremi schen Staat durch Verfassung abgcschafft ist. Dem allgemeinen Widerspruch, dem dieser Vorschlag begegnet, gab auch die gestrige Sitzung der Bürgerschaft Ausdruck, wo dieser Gegenstand zum ersten Mal verhandelt wurde. Zwar wurde der ganze Gegen stand an eine Commission verwiesen, die Entscheidung also noch nicht getroffen, aber da alle Redner dagegen waren, so weiß inan schon im Voraus, daß die Bestimmung abgclehnt wird. Tie Socialdemokraten haben aus diesem Anlaß das allgemeine Stimmrecht beantragt, während die Linke bean tragte, daß aus allgemeinem Stimmrecht die doppelte Anzahl Vertreter zu wählen, den Ständen aber nur die Hälfte der selben zu geben fei. (Voss. Ztg.) * Toltiniind» IS. Januar. Ter Beschluß der Wahl- prüfungS-Abtheiluna des Reichstages, die UngiltigkeitS- erklärung der Wahl deS Abg. Möller zu beantragen, wird im hiesigen Wahlkreise sehr unangenehm empfunden werden. Der Abg. Möller wurde erst nach einem sehr heiligen Wahlkampje gewählt. Im ersten Wahlgange wurden 38SSt giltige Stimmen abgegeben, von denen ter national- liberale Eaubitat Möller 1l8l5, der Socialdeiuokrat lO 122, der klerikale Eandidat 10 191, der freisinnige 4157, ein demokratischer Eandidat 1294 und ein Antisemit 1092 erhielt. In der engeren Wahl, in der nur 36 88t Stimmen abgegeben wurden, siegte Möller mit 19 867 Stimmen über seinen socialdemokratischeu Gegner, auf den 17 014 Stimmen entfielen. Die Proteste, aus Grund deren die Wabl im vorigen Jahre zunächst beanstandet wurde und die Wabl- prüsungS-Eommission jetzt zu ihren: Anträge aus Ungittig- kcitöerkläruuz gekommen ist, gingen, wie die „M. Z." !n Erinnerung bringt, von: Eentrum aus, Lessen Anhänger be- bauptetcn.taß nicht dersccicrldcmokratische, sende:» ih: Eandidat zur engeren Wahl gelangt wäre, wenu nicht gewisse Unregelmäßig keiten vorgckommcn waren. Der aus der Stadl und dem Landkreise Dortmund, sowie dem Kreise Hörde bestehende Wahlkreis zähste bereits nach der Volkszählung von >885 2ll 405, nach der von 1890 aber gar 251 900 Einwohner. Erwägt mau, daß in Folge des neueste» Aussiandes die Ge- müther eines großen ThcilcS der dortigen Arbeiter sehr erhitzt sind, so kann man sich verstellen, daß die überwiegende Mehrheit der Wähler, sogar wohl diejenige Partei, von der die Proteste auSgezangen sink, über die Möglichkeit, in einen neuen heftigen Wahlkampf eintretcn zn müssen, keines wegs sehr erfreut sein wird. Da die evangelische Bevölkerung des Kreises zwischen 6l und 62 Proc., die katholische zwischen 37 und 38 Proc. beträgt, so sind die Aussichten für einen klerikalen Eandidaten sehr gering. In dem Falle freilich, daß er mit rem nationalliberalcn zur engeren Wahl käme, könnte er auf einen Sieg hoffen, wenn sich die Sccial- demckraten für ihn erklärten. Viel wahrscheinlicher ist aber, daß auch bei einer neuen Wabl der soeialdcmokratische Eandidat mit dem natioalliberalcn zur Stichwahl gelangt. * Bon», IS. Januar. Ter um die liberale Sache in unserer Sladt hochverdiente Liberale Bürgervcrein vcr- anslallele gestern im Dreikaisersaal deS Kölner Hofeö eine Erinnerungöfcier an dieWieberausrichlung des deulschcn Kaiserreichs. * Stuttgart, 20. Januar. Der Landtag hat sich heute bis Anfang März vertagt. In der Abgeordnetenkammer trug sich vorher eine äußerst erregte Scene zu. Abgeordneter Essich - Besigheim kündigte dem Abgeordneten Hauß- niann, der in der gestrigen Kammersitzung beantragte, Essich'S Wahl wegen vieler gesetzwidriger Beeinflussungen für ungiltig zu erklären, eine Herausforderung zum Duell an. Hauß- mann bezweifelte hierauf die Tatisfaetioasfihigkeit Essich'S. Der Kammerpräsident fragte Haußmann, ob er eine Beleidigung beabsichtigt habe. Haußmann antwortete, er habe hierzu keinen Anlaß gehabt, wohl aber die Duelldrohung zurück- weisen müssen. OefterretchUngar«. * Wien, 20. Januar. Der BvtschastSratb Prinz von Ratibor ist nach Reuden abgereist; man bringt seine Ab reise mit einer Verschlimmerung in dem Befinden seiner VaterS, des Herzogs von Rattbor, in Verbindung. — An dem gestrigen Diner bei den» deutschen Botschafter Prinzen Reuß nahmen Theil: die Minister von Schim born, Bacquchcm, von WelserSheimb, der Botschafter Gras Nigra und die Gesandten von Belgien, Serbien und Rumänien. — Der Polenclub beschloß, die Regierung aufzusorkern, die galizische Grenzwache nach dem Muster ccr russischen zu errichten und baldigst zwei Regimenter an der ostgalizischen Grenze auszustellcn. — Die „A. W. Z." kommt nochmals aus die Meldung deS ungarischen Blattes zurück,wonach dcrKaiser den französischen Botschafter Decrais angeblich beleidigt baden soll, indem sie schreibt, der Kaiser habe durch die besondere Auszeichnung, welche er aus dem Ball der Stadt Wien dem Botschafter und seiner Geniablin soeben zu Theil werden ließ, in seiner bekannten, ritterlichen Weise ehrenhafte Genugthuung für jene lügen haften Ausstreuungen gegeben. — Graf Hohenwart theilte gestern im Club der Eonservativen mit, der Obmann des Polenclubs Iaworüki habe dem Grasen Taasfe erklärt, daß die Polen nur in eine solche Mehrheit eintretcn, an der auch der Hohenwartclub als Ganzes Theil nehmen kann. Diese Mittheiluna fand lebhafte Zustimmung. * Ein aus Pest cingegangenes Privattelegramm erklärt die Meldung der OpposilivnSprcsse, daß anläßlich dcs Hirlen- brieseS des Bischofs von Rosenau eine Ministerkrisis aus- gcbrochen sei, und daß insbesondere die Stellung der Minister LeS EultuS und der Justiz wegen der Weigerung deS Königs, den Bischof all nuckieuckum verliunr zu citiren, erschüttert sei, für unwahr und gänzlich aus der Lust gegriffen. Frankreich. * Paris, 20. Januar. Der „TcmpS" bemerkt zu dem Schreiben des Grasen d'Haussonville über die orleanistischc Partei: Graf d'Haussonville gestehe eigentlich, wenn auch wider Willen, zu, daß das republikanische Regime in Frankreich in einem solchen Grade eingewurzelt sei, daß man Unrecht thäte, dasselbe mit Gewalt beseitige:: zu wollen. Die „LlbcrtS" sagt, der in dem Schreiben t'Haussonvillc's dargelegte Plan sc: klar und geschickt und habe das Verdienst, aufrichtig zu sein. Freund und Feind seien gewarnt. Wäre eine Dictatur möglich und erstände irgend ein Cäsar, so würde Frankreich vor Schrecken über die gegenwärtige morastsihe und die drohende demagogische Anarchie sich vielleicht in seine Arme werfen. Die Prinzen von Orleans seien jctock: nicht von den: Holze, aus dem nian Cäsaren schnitzt—De: neu ernannte Botschafter Span ienSEastillo überreichte beute dem Präsidenten Earnot sein Beglaubigungs schreiben. In den bei diesem Anlässe ausgetauschten An sprachen wurde der Wunsch betont, daß tue Beziehungen beider Länder :n gegenseitigem Interesse eine weitere freund liche Entwickelung uebmen mögen. — Die Anarchisten be schlossen, öffentliche Kundgebungen bei den RccrutenauSbebungen zu veranstalten. Die Polizei hat iusolzetcssen energische Vor kehrungen getroffen. Belgien. * Brüssel, 18. Januar. Die Frage der Verfassungs- durchsicht kommt immer noch nicht vorwärts, und der RcgierunzScntwnrf hat auch zur Klärung der Lage nichts beigetragen. Tie Regierung hatte gehofft, daß sie durch das Zugcsräiikniß des WablprüfungSsystcms die gemäßigt-liberale Abgeordnelcngriippe Frörc-Orban gewinnen werde, hat sich aber da:»: arg getäuscht. Fröre-Orban bat im Ausschüsse den Regie- rungsentwnrs für unannehmbar erklärt und der Regierung vor- acworsen, daß sic lediglich auf die Vermehrung der bäuerlichen Wäbler bedacht sei. In der Noch wendet sich die Regierung nun mehr an die Radicalen, denen sie das Zugesiändniß machen will, die Walilprüsuug aus den Nachweis des Lesens und Schreibens zu beschränken, so baß der RcgierungSentwurf dem allgemeinen Stimmrecht so nahe als möglich käme. Es ist aber kaum anzunebmen. daß die radikale Gruppe sich mit diesem Zu- geständniß begnügen wirk. Lebnen auch die Radicaleu die Unterstützung ter Regierungsvorlage ab, so bleibt den: Ministerium nur noch die Kammerauflösung übrig, und der Ministerpräsident Bcernacrt bat damit im Ausschüsse auch schon gedroht. Die Lage bleibt also nach wie vor höchst unsicher. Niederlande. * Amsterdam, 20. Januar. In Franekcr (Provinz FrieSland) fand eine socialistische Kundgebung aus dem Eise statt, lieber 1000 Anhänger der socialistischcn „Von Ihrer Mutter", ries er, mit slammendem Auge auf sie zntreteud, „auch Sic sind eine Wolken —" „Das diu ich und werde es nie verleugnen. Mit Ihnen aber habe ich nichts zu tlmn." „Das wollen wir sehen", zischte er. „Aus jeden Fall haben Sie nicht das Stecht, bindernd zwischen die von dem Herrn Eoiiimerzienralh und mir sestgeslcllten Vereinbarungen zu treten." „Ab, Sic wagen noch?" kam jetzt der Eommerzicnrath der erschrockenen Frau zu Hilfe. „Scben Sic denn nicht, dass Ihr Spiel hier auSgespieli ist? Mit der Rückkehr der von Ihnen enlsübrlcn Märchen ist jede weitere Verhand lung gegenstandslos geworden. Wir haken nichts mehr mit einander zu schassen." Dabei griff er mit einer Geberde der Verachtung nach dem ans den: Tische liegenden Vertrage und warf ibn, mit der Hank nach der Thür weisend, Hcrald vor die Füße. — Dieser war aschfahl geworden, wie erstarrt schante er ans das Papier, dann hob er cS langsam auf, fältele eS zu sammen und steckte cS in die Scitenlasche seines UebcrrockeS. Im selben Augenblicke winden im Nebenzimmer, dessen Thür offen geblieben, zögernde Tritte, leises Flüstern hör bar; die Eoiinncrzienrälhin zog eine sich leiso sträubende jugendliche Gestalt über die Schwelle, ans Beckcr'S Arm gestützt, folgte die andere. Hcrald stieß einen Fluch auS: „Verdaniinle Weil'erwnlhschast: sie haben sie doch cittschlllpsen lassen Jetzt ist Alles verloren!" „Papa, Papa, vcigieb niir!" schluchzte ElSbetb, dem Eommcrzienratk :»> Fußen sinkend und beinübt, seine Hand zn ergreifen. — Ta tras der dciteii Schwestern Blick aus Hcrald und erbleichend Wieden sie zurück. Margot flüchtete sich inslinclniäßig in Bccker'S Arme, der sic fest an sich drückte mid >dr znslioterte: „Ruhig, ruhig, mciiic Margot, D» bist bei mir, ich vertbeibige Tick', wenn »erdig, gegen eine ganze Welt!" Vertrauensvoll schmiegt sie sich an ihn, baS Wieder sehen hatte sic vereinigt, so selbstverständlich, wie baß auf Regenwcller wieder Sonnenschein folgt ElSbctl, barg anfschlnchzciid ihr Antlitz an der Schulter der Eommerzicnrätbiii. Der Eoiiimerzienralh deutete mit finsterer Stirn ans die Gruppe hin. „Selien Sie denn noch immer nicht, wie überflüssig Sic hier sind?" wandte er sich zu Hcrald. In diesen kam jetzt plötzlich Loben. Haß. Dntb, Ver zweiflung wühlten in seinen Zügen. Seine Fäuste ballten sich. „Ich gebe", knirschte er. „aber wir sind noch nickt am Ende, Herr Eommcrocnrat!', noch nicht. — So lcick>t tritt man die Ausvrück'e einer Mutter nicht mit Füßen. — Sie werken noch von mir kören." Damit wandte er sich und verließ das Zimmer. Draußen aber im Vestibül verließ ibn plötzlich die Kraft. Er mußte sich einen Augenblick an den Vronzccandclabern auf dem Treppenabsatz halten. — War cS den» wahr, konnte eS denn wahr sein, daß ihm der letzte Rettungsanker entglitten, auf den er alle, seine einzige Hoffnung gesetzt? Gah eS »och eine Rettung? Er sing an, daran zu zweifeln. Wäre aber keine Rettung mehr möglich, so blieb ihm doch eines: die Süßigkeit der Rache an riesen gcldstolzen, ans ibre bürgerlichen Tugenden so eingcdildeten Menschen. — Die Larve sollte fallen — auch sie batten gefehlt, — auch sic inußten die öffentliche Meinung fürchte» und diese öffentliche Meinung sollte ibn: zur Waffe diene», sie »iedcrzwingen, sie am Ende dock seinen Wünschen noch willfährig machen. Ein Höhnisches Lächeln umspielte seine Lippe», als er daS HauS verließ. Drohend erhob er die Faust gegen dasselbe: „Noch ist der Kamps nicht z» Ende, Herr Eommerzienralb. Wir wollen sehen, wer vcn uns Sieger bleibt." lll. Eapitel. Zitternd vor Freude und Schmer; zugleich lag ElSbetb im Vlrine Arnold'S. — Er war seglcich bcrbcigccilt, die Ge liebte zu begrüßen, und in diesen: Augenblick seligen Wieder sehens war Alles vergessen, der Groll gegen die Heimlichkeit, ihr Mangel an Vertraue», sein gekränktes Ehrgefühl über diese seltsamen, das Lickt scheuende» Fainilienvcrhältnisse seiner Braut. Er hielt sic in den Armen, und wie er ibr nun in das sanfte, thräncnfciickte Auge sab. übcrkam eS ihn wieder mit der ganzen Allgewalt des EmpliudenS. das ihn, seit er ibr zum erste» Male in einer Gesellichast begegnet war, sympathisch zu ihr hingezegen balle. Sie war beute ganz Hingebung, ganz Liebe Aller llcbermulh schien durch die ernste Erfahrung rer letzten Tage von ihr gewichen und der Hauch der Schwcrmutb, der sich über das süße junge Antlitz gebreitet hatte, verlieh ibr einen nur noch bcrückcnterc» Zauber. „Mein Liebling, mein süßes Herz, welche Sorge hast Du mir bereitet!" „Verzeihe", bat sie immer wieder, „verzeihe. — Aber be greifst Tu nickt, daß ick gebandelt bade, wie ick handeln mußte? Ick batte eine Mutier, Arnold, Du, der Du Deine Mutter so sehr liebst und achtest — Du begreifst, was ta- bciligc Wort „Mutter" in sich schließt — und kiese Mutter, die ich für tobt hielt, die inimcr als ein Traumbild in mir lebte, sie rief mich an ibre Seite. Mußt« ich diesem Ruse nicht folge»? — Sage selbst!" Er kiißle ibr die Augen, tic mit so bang fragendem Aus druck zn ibi» ausdlicklcn. „Ich begreife, daß Du zu ibr gingst", sagte er weich, „aber Du hättest da- nicht ohne der Eltern, ohne mein Wissen thun sollen. Tu bist noch zu jung, um über solche Fragen entscheiden zu können." „Ich war eS, Arnold", sagte sic, den Blick senkend. „Jetzt bin ich eS nickt mehr. — Die Stunden, die ich in jenem Orte verlebt, haben mich gereift. — O Arnold, wäre ich noch dieselbe, die ich gewesen, die kindisch übermüthige ElSbetb. die Ibr schaltet und dock dabei liebtet. — Weißt Tu. mir ist, als könnte ich nach dem, was ich erlebt, nie mehr froh werden." „Einbildung, Kind, Einbildung. Die Wunde, die Dir geschlagen ist, wird wieder vernarbe», Du wirst das Ver gangene vergessen —" „Stic, nie!" rief sie, Arnold'S Hand erfassend und sie heftig in der ihren pressend, „das glaubst Tu selbst nicht. — Und wenn ick, vergessen wollte, bleibe ich nicht immer das Kind meiner Mutter?" „Aber auch Deines VaterS", sagte er weich, — „und Dein Vater war ei» Ehrenmann —" „Meine Mutter aber hat ibn verrathen und auS Schmer; über diesen Verrat!, ist er vor der Zeit inS Grab gesunken. — Kann auf de» Kindern solcher Ehe ein Segen ruhen? — Arnold!" rief sie plötzlich und richtete sich hoch auf, ihm angstvoll ins Auge schauend. „Arnold, in Deiner Hand liegt mein Schicksal. Ist tic Tochter von MrS. Hcrald noch wcrth, Deine Gattin zu werden?" „Welche Frage, Liebling?" — Er drückt» sic noch inniger anS Herz. „Lag doch diese Gedanken, die Dein so schon zu sehr angegvisicnc- Gemülb nur »och mebr ausrcgen. Warum solltest Du nicht wcrth sein, meine Gattin zu werden, Tu süßeS, holte?, reine- Geschöpf!" „Und daS Erblbcil dcs BluIcS? — O Gott, Gott — dieser surcklbarc Gedanke macht mich noch wahnsinnig!" Sic schlug die Hände vor das Gesicht und weinte bitterlich. „ElSbetb, Liebling, — faste Dich, sei vernünftig!" — Er nahm ibr die Hände vom Gesicht und blickte ihr ernst in die lbränenschimmcrnden Augen. „Ich werde veranlassen, daß man nach einem Arzte schickt, Tn bist krank." „Nein, nein, aber wenn Du erlebt hättest, was ich er lebte, Tu würdest ebenso denken. — O, wie ich mir daS Bild der Mutter immcr auögemalt habe, so sanft, so lieb und schön, — und nun sab ich sie, ein verblichenes Gesicht ohne Seele, — die Liebe zu »nS nur Heuchelei, eine Megäre im Zorn, und Alles um sic verkommen, wie sie selbst, ihr HauS. ihre Kinder, meine Geschwister — entsetzlich." Wie rin Grauen schüttelte cS sie. Und auch Arnold starrte bleich und stumm vor sich bin. Auch in ibm stieg von Neuem das kau»: bekämpsle Gesübl deS Widerwillen? gegen die Berührung mit der Verkommenheit auf. Aber er kämpfte eS tapfer nieder und wieder küßte er ihr Augen und Mund mit leidenschaftliche»: Feuer. „Sprich nicht davon, ick bitte Dich. Denke jetzt nur daran, daß wir uns wieder haben nach zwei bangen Tage» der Trennung. Genießcn wir die selige Stunde, sie ist unser —" „Und wer weiß, wie oft sie noch wiederkchrt", fügte Elöbeth erschauernd hinzu. „Wirst Du schweigen? — Jetzt nichts mehr von Trauer und Schmerz, komm, Tu nncht Dich zerstreuen, wir wollen zusammen in irgend ein Eoncert oder Theater gehen, in ein Lustspiel, eine Posse, wo Du lachen mußt. Lachen ist Medizin." Er umschlang sie und zog sie mit inS Nebenzimmer, wo er die ganze Familie noch versammelt fand. Becker saß mit Margot Hand in Hand, und obgleich auch sie noch bleich und angegriffen anssah, leuchtete doch das Glück aus ihren Augen. Alle, auch Sperner, nahmen den Vorschlag Arnold'S freudig an. — Jeder süklte das Bedürsniß, die letzten Tage vergessen zu machen, von dem Traurigen nicht weiter zu reden, das ganz naturgemäß immcr und immcr wieder Thema des Gespräches wurde. Mau hatte im Tbcater noch BillctS zu einem vielgesebenen Lustspiele erkalten. Rack der Beendigung der Vorstellung schlug der Eommerzienralb gegen seine sonstige Gewobnbeit vor, noch in eines der vornehmen Restaurants unter de» Linden zu fahren und dort zu Abend zu speisen. Er selbst stellte das Menu zusammen, bei dein auch der Champagne: nicht fehlte, aber dennoch vermochte keine rechte Heiterkeit auszukonimcn. „Warum Paul nickt wenigstens gekommen ist?" wandte sich die Eonimcrzieinälbin an Becker, der den Auftrag über nommen hatte, den: jungen Maler von der Wiederkehr der Schwestern Mittbeilung zu machen und die Aufforderung zu dem geplanten Theaterbesuche zu Überbringer:. „ES ist viel zu rücksichtsvoll," mischte sich Adele ein, „daß er überhaupt aufacsorkcrt wurde, da er sich seit gestern weder bei Euch neck bei mir hat sehen lassen, der herzlose Mensch!" „Anch ich fand ihn nicht zu Hause", berichtete Becker, „und da mir Niemand ans mein Läuten öffnete — seine DirthSleute mußten auch gerade abwesend sein —, steckte ich das sür diesen Fall bereitgehaltene Billet m den Briefkasten." Arnold, der eben von einem ibm befreundeten Künstler begrüßt worden war und einige Worte mit demselben wechselte, wurde von diesem ebensallS nach Paul gefragt. (Fortsetzung folgt.)
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