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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.01.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-01-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930124024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893012402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893012402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-01
- Tag1893-01-24
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Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Taris. Extra'Beklagen (gesalzt), »nr mit der Morgen-Ausgabe, ohne Lostbesörderung 60,—, mit Postbesörderuag 70.—, Annahmeschluß für Anzeigen: «bend-Ausgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Sonn- und Festtags früh '/,9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anirtgru sind stet» an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von L. Polz in Leipzig. Dienstag den 24. Januar 1893. 87. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Abr beabsichtigen, ein eigene- Stadtbanamt j» errichten nid alsbald zur selbstständigen Leitung desselben einen Ztadt- iaumelstcr mit einem Jahresgehalt von 2000 .M anzustcllen. Onalificirte Bewerber werden ersucht, ihre Meldungen- unter Beikugung von Zeugnisse» und Lebcn-laus bis zum 2ö. kommenden Uonals bei uns einzureichcn. Solche Bewerber, welche bereits bei dem Bau einer Wasserleitung thälig gewesen, erhalten den Vorzug, kirchberg, Len IS. Januar 1893. Ter StaStrath. Bouneß, Bürgermeister. Am I Januar I8S3 ist in Hallt a. 2. eine goldene Uhr nebst kette gestohlen worden. Auf der Rückseite der Uhr ist ein Schmetterling eingravirt. Die Glieder der Nelle sind abgenutzt, das letzte Glied ist angelöthet. Vor Ankauf wird gewarnt und um Ermittelung und Anzeige zu den Acten I. V. e. Ü4 93 gebeten. Halle a. 2-, den 17. Januar 1893. Ter Erste Staatsanwalt. politische Tagesschau. * Leipzig, 21. Januar. Die Versuche des Centrums und der Deutschfrcisiniiigc», kos Wahlrecht in Preußen anläßlich der Steuerreform rollig zu deniokratisiren, sind in der Coinmission durch Cvnseroative und Nationalliberale, oder das „Biindniß der drei allen Eartclparteicn", wie die „Germania" sich ärgerlich niSlrllckt, abgewehrt worden. Im Plenum kann das Schicksal kein anderes sein, und die Annahme der Regicrungö- rorlage in allen wesentlichen Stücken ist damit gesichert. Lb diese Wendung eine Rückwirkung aus die Haltung kt« Zentrums gegenüber der Steuerreform haben wird, muß »dzewartel werden, »ölhiaenfallS kann man diese Partei auch dinbei entbehren. Die Mehrheit des Abgeordnetenhauses in llcdireinstiiiiniunz mit der Negierung wollte weder eine pluto- lntischc noch eine demokratische Berschiebung; der erstercn ist Nnch die Regierungsvorlage genügend vorgebeugt, die letztere ull es gegen Ccntrum und Freisinnige abzuwchren, waS mit erfolg geschehen ist. Die demokratische Richtung im Centruin znzt sich jetzt bei jeder Gelegenheit als die ausschlaggebende, mit LieS kann wenigstens den Vortheil haben, zur Gesundung miserer Parteiverhältnisse und zur Zerstreuung mancher schäd lichen Illusionen beizutragen. In die Gewerbeordnungsnovelle vom 1. Juni 1891 sind klannllich nicht nur Bestimmungen ausgenommen, welche den ürbeitern neue Rechte gewäbren, sondern auch solche, welche ihnen Pflichten auserlesen. Allerdings sind der letzteren Bc- sommungcn im Berhältniß zu erstercn recht wenige, auch suib dieselben meist facultativ, während die erstcren fast »rchweg obligatorisch sind. Zu den fakultativen Vorschriften zchören auch die. welche zur Hebung der Zucht unter der jungen Arbeiterschaft dienen sollen. Noch beim letzlen BcrgarbeiterauSstand im Saargebiel bat mau gescben, teß gerate die jungen Arbeiter die hetzerischsten Agitatoren smt, eine Thatsache, die übrigens in jeder socialdemokratischcn Mksversammlung ihre Bestätigung findet. Eine Hebung der Mt unter den inngen Arbeitern würde deshalb auch zur Mderung des socialen Friedens beitragen. Der älteren Arbeiterschaft selbst ist insofern in der Gewerbcorviiungs- iioville Gelegenheit zur Einwirkung auf die junge Arbeitcr- ilbast gegeben, als eS den ArbeitcrauSschüssen gestaltet ist, für Ui Verbalten der nicht großjährigen Arbeiter auch außerbalb des delriebcS Anordnungen zu treffen. Ob nach dieser Richtung inzwischen schon viel geschehen ist, ist nicht bekannt geworden, wohl auch nicht wahrscheinlich. Ziemlich sicher aber war bisher, daß von der de» Gemeinden in der Novelle gegebenen Befugnis; zur Hebung der Zucht unter den jüngeren Arbeitern leider wenig Gebrauch gemacht war. Tie Gemeinden können nämlich durch Statut fcstsctzen, daß der von minderjährigen Arbeitern verdiente Lvbn an die Ellern oder Vormünder und nur mit deren schriftlicher Zustimmung oder nach deren Bescheinigung über den Empfang der letzten Lohnzahlung unmittelbar an die Minderjährigen gezahlt wird, auch dass die Gewerbetreibende» de» Eltern oder Vormündern innerbald gewisser Fristen Miltbcilung von den an minderjährige Arbeiter gezahlten Lobiibelrägcir zu mache» haben. Nunmehr scheint eS, als ob die Gemtmteii sich etwas niebr mit der Losung der ihnen hier auf socialem Gebiet gestellten Ausgabe be schäftigen wollen. Wenigstens wird auö Süddeulschlaiid von verschiedene» Gemeinden berichtet, welche die Auszahlung des LobneS an Minderjährige im Sinne der GcwcrbcordnungS- novelle durch Statut geregelt haben oder z» regeln beabsich tigen. Ei» solches Vorgehen kann, vorausgesetzt, daß Maß regeln getroffen werden, daß der Lobn der Kinder auch wirklich für diese verwendet wird.nnr Anerkennung finde» und sollte zur Nacheiferung ansporncn. Wenn den minderjährige» Arbeitern etwas mehr Sinn für Autorität cingestößl wird, als sie gegenwärtig im Allgemeinen besitzen, so dürste dies nicht nur für Staat und Gesellschaft, sondern vor Allem für die Arbeiter selbst von günstigen Folgen begleitet sein. Seit einigen Tagen fließen die Nachrichten über den Panama sc an dal spärlich. Es ist aber wahrscheinlich, daß durch den bevorstehenden großen Proceß gegen die in die Anklage verwickelten ehemaligen Minister und Parlamentarier und durch die Aussagen des Cornelius Herz der Scandal wieder neue Nahrung erhält. Nack der Vcbanptung des BlaltcS „Lidrc Parole" macht der Justizministcr Bourgeois die verzweifeltsten Anstrengungen, um noch im letzten Augenblick die Epminister Rouvicr, Tk^vcnct und Roche außer Bersclgung setzen zu lassen. Und eS scheint, als ob diese Anstrengungen von Erfolg begleitet seien, denn eS wird soeben aus Paris gemeldet, daß mehrere Morgcnblättcr wissen wollen, das gerichtliche Verfahren gegen die drei genannten ehemaligen Minister Werve cingcstcUl werden. Dem „Fi-zaro" zufolge würde dies auch betreffs Blondin'S der Fall lei». — Tic znr Aus lieferung dcö Cornelius Her; nölbigcn Formalitäten sind nun gänzlich erfüllt worden. Die betreffenden Actcnstückc sind dem französischen Botschafter in London zugcstcllt. I» Bezug ans Herz wird weiter gemeldet, daß. da er sehr unter der Neugierde der übrige» Hotelgäste zn leiten bat, von seiner Familie ein in der Nachbarschaft gelegenes Hotel ganz für ibn gemiethct worden ist. — Ein Freund von Cornelius Herz hat ibn über die freundschaftlichen Beziehungen zwischen diesem und CriSpi um AnSkunsl ersucht und darauf dem Rcdaclcur eines Londoner Blattes zngesagt, höchst wich tige Briese CriSpi's an Herz zu übermitteln, aus welchen sich ergeben soll, daß Herz eine Annäherung zwischen Italien »nd Frankreich berzustcUcn suckle. CriSpi habe im Verlaufe dieser Beziehungen Herz den LazaruSorden verleihen wollen, waS nur durch de» jähen Slurz Crispi'S vereitelt worden sei, doch habe demKönig taS Teeret bereits zur Unterschrift Vorgelege». — Herr Ri bot glaubt übrigens die Haupt- gesäbrlichkcilen des PanamascandalS überwunden zn haben, »idem er anläßlich dcö Empfanges einer Abordnung seiner Wähler sagte, die Republik werde de» Panamascantal sieg reich übcrslebcn; die Regierung denke nicht daran, die Kam mer vorzeitig aufzulösen. Die auS Italien cinlrcsfenden Nachrichten lassen die Zustände der dortige» Notenbanken noch viel schlimmer erscheine», als inan biöbcr angenommen balle. Namcnllich in der Verwaltung der Banca Roinana sind Mißslänke bcrvorgetrclen, die aller Beschreibung spotten. Der ebemaligc HaiidelSminisicr Mieeli, welcher in der Sitzung vom 20. De- eembcr die Administratoren der Banca Romana vertbeitigte, erzählte mit größter Trcuberzigkeit, daß Tanlongo ihm erklärt habe: „Wir verwallcn die Bank ganz patriarchalisch." Da die Kammer undändig lackte, fügte Mieeli, welcher eine Perle von Biedermann ist, bi»;»: „Meine Herren, patriarchalisch bedeutet ebrciibasl" Er täuschte sich. Tanlongo, welcher die Banca Roinana in patriarchalischer Weise ad- miiiistrirtc, bandelte stets »ach Gultünke», obne sich um die Statuten der Bank und die Gesetze des Staates z» kümmern; aber er verwaltete nickt ehrenhaft, wie die Jnspcction der Banca Romana beweist Es ist fcstgcstcllt weise», daß die Banca Romana «>1 Millionen Lire im Um laus mehr batte, als daS Gesetz gestaltet, und man weiß noch nimi, welches Ende viele Millionen genommen baden. Des halb ist der Gouverneur der Bank, Senator Tanlomzo, »nd der Cassircr Lazzaroni wegen CassendicbstablS und Falsch»»^ vcrbaftct worden. Die Acten-Fälschung besteht darin, dag sie 130 Millionen circuliren ließen, während in dem vo» ilne.l geschriebenen Aet nur 7'» Millionen Lire genannt sind. Tanlongo bat sich nicht anders zu vcrtbeidigen gewußt, als mit der Drohung, sein „goldenes Buch" zu veröffentlichen, in welchem die Beweise siirviele, an politische Männer »»dvoii solchen empfohlene Personen gezablte Wechsel zu finden sind. Aber dies ist eine Vcrtbeidigung, welche zu nichts sübrt. Bor allen Dingen bilden die an Politiker gezahlten Wechsel eine zu kleine Summe im Vergleich zu der aus der Casse der Bank verschwundenen; und dann, wenn insolventen Personen l Wechsel ausgestellt wurden, so liegt die Schuld nickt ans der > Seile derer, welche dieselbe» empseblen, sondern fällt einzig und allein aus die zurück, welche die Statuten der Bank ver- ! letzten, indem sic Geld an Personen verlieben, welche nickt im > Stande waren, eS zurückzuerstatten. In jedem Fall baden , die wenigen comproinillirtcn politische» Persönlichkeiten daS ; Geld als Anleihe und nickt als Trinkgeld erhalle». Und : daö ist sicherlich kein Verbrechen. l ES ist vielleicht kein zufälliges Zusammentreffen, daß daS - Umsichgreifen schutzzöllner,icker Neigungen in > England in demselben Maße von Statten gebt, als in den : britischen Colonic» daS Bestreben schärfer bcrvortrilt, sich , von der politischen Obcrbcrrschast des MnIterlanteS, welche : dort vielfach als Bevormundung empfunden und inißjällig , vermerkt wirk, loöznmachcn. DaS sreibändlcrischc Manchcster- l tb»i» hat sich unzweifelhaft um den Aufstieg der britische» , Weltmacht z» der Höbe ibrer Entwicklung die größten Vcr , dienstc erworben; was eS aber nicht vermochte und waö lei» s menschlicher Witz je fertig bringen wird, ist, den irdische» Ver hältnissen an einem beliebige» Puncle ibrer Bahn plötzlichen , Stillstand auszlinötbigkii. Alles Irdische ist i» stetem Flusse. , ist daher stelcr Wandlung »ntcrworsen. Mancheslerlhuin und e Freihandel baden ihren Aufgang, ibrcn Höbepiinct gehabt , und sind nach Erklimmung desselben »lit unscblbarcr Consc > giienz in den absteigenden Knote» cingclrcte». Ans dem Fest t lande geschah dies schon vor Jahren, England, die Hcimalb . und daö festeste Bollwerk jenes wirlbschasllichcn Prineips, , schickt sich erst jetzt an, an dein Ui»dilt»»igSproccß von dem r Grundsätze des Gehen und GcschcbenlassenS zu zeitgemäßere» - WirthschaslSformcil lbeit zn »cbmeii. Tie Notbwcndigkeit - einer Revision der überlieferte» Handels- und Wirlb- sckaslSpolilik drängte sich den helleren Köpfen der Ratio» seit dem Augenblicke aus, wo der Eiilwickcl»»gsgaiig der Colouien soweit gediehen war, daß sie dem Mutterlande gegenüber Concurrcnzsähigkeit erlangten. Noch ist die Sache ja nicht dabin gekommen, daß England sozusagen daS Messer a» der Kehle stände, aber daß die Tendenz in dieser Rich tung gebt, lehrt jeder Blick in die einschlägigen Verhältnisse, und wenn man eS in England bei dcni bisherigen thatcnlosen Zuschauen auch fernerhin bewenden läßt, so ist eS nur eine Frage der Zeit, wann Großbritannien mit den wichtigsten seiner überseeischen Besitzungen durch kein anderes Band mebr verknüpft sein wird als dasjenige der SlammcS- unv Eprachgcineinschast. In die Bewegung zu Gunsten von „stur trnck'' treten daher nickt blo« rein wirtb- sckastliche, sondern auch politische Impulse ein, nnter- siützl von alle» Deile», die mit Unbcbagen das sichtliche Locker- werden des GesügeS der drilischcn WeltmachlsteUung b<- trackle». Die Siärte der conservaliven Opposition und die Sckwächc der liberalen Regierung hat zui» nicht geringsten Tbcile auch mit darin ibrcn Grund, daß im conservaliven Programm, dem auch die liberalen Unionistcn zuslimmcn, die Erbaltung der britischen Weltmachlstcllung — Imperium et liberlivi — an erster Stelle siebt, wäbrend Gladstone'S Home- rulepolitik unter den obwaltenden Zeitumständen nur zu leicht den Cbarakler eines Danaergeschenkes annebnien könnte. UebrigcnS darf man sich unter den Plänen der englischen Schutz- zölliicr durchaus keine beschränkten Kräbwinkeleicn verstellen. Ein System. das England und seine Colonien in ein organisches Ganzes »nibildcn will, besitzt iniinerhln eine den Erdball unispaniicndc Tragweite und kann daher nicht wobl als eine Sondcrvcrtrctung von KirchtburmSinleressen bezeichnet werden. Möge dem aber sei», wie ihm wolle, der ent scheidende Punel bleibt die Thatsache, daß in England Frei handel und Manchcstertbuiil stetig an Terrain verlieren, und daß der Zcitpunct vielleicht nicht mehr fern ist, >vo auch die ofsicicUe Welt Englands dieser Thal- fache in weilcrgebcntcnl Maße als bisher wird Rechnung trage» müssen. An Symptomen, die dafür sprechen, fehlt cS wenigstens nicht. In Egypten hat eS immer eine Partei gegeben, welche bemüht gewesen ist, der Occupation der Engländer Schwierig keiten zu bereiten. Diese anti-englische Partei setzt sich a»S Franzosen, Franzosenfrrundon und den Unzufriedenen der höheren Ei»gcborcnci,classcii, Beamten wie Grundbesitzern, zusammen l»it glaubt, daß die Stunde gekommen ist, in der sie immer kühner ihr Haupt erbeben kann. Sie dürfte sich jedoch i» einigen sebr wesentlichen Puncten täuschen. Die Zeiten Arabi PasckaS, wo das Schlagwort: „Egypten den Egyplcrn" in der Armee sowohl, wie in der Bevölkerung fruchtbaren Boden fand, sind vorüber. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ball zu den Engländern, durch die sic von der Bedrückung befreit wurde, und der Uebcrmuth AbbaS PasckaS könnte leickt das damals noch frivole Wort der „Times", der Kbcdive werde da» Schicksal Ismail Paschas tbeilcn, zur Wahrheit werte» lassen. Mit Recht sagt der „Lpcclator": „So lange wir in Egypten bleiben, müssen wir darauf bestehen, daß die von uns cingeschlagcne Politik dort ausgcsübrt wird. Diese Politik ist: Reformen einzu- sübren und eine gute gerechte Verwaltung aufrecht zu er halte». Daß wir erst eine Verantwortlichkeit übernehmen »nd dann diese Veraiilworllickkeit vermeiden sollen, würde an Wahnsinn grenze». Entweder geben wir Egypten aus oder wir bcstebcn darauf, daß das von uns im Interesse deS Landes angesangene Werk fortgesetzt wird, daß daS Gute, was wir bisher geschaffen, nicht zerstört werde. Dafür haben wir zu sorgen. Ter Kbcdive bat Gelegenheit gehabt, sich davon zu überzeugen, daß er Egypten im Interesse seiner Unlcrlhancn regieren muß und nicht so, wie eS von de» Frnilletsn. Für die Ehre der -Familie. Roman von Tlarissa Lohde. s!a»rn»k »erlolni. (Fortsetzung.) 17. Capitel. Baren von Spcrner und seine Gattin bewohnten in Lbrrlottenburg eine in oer Sopbienslraße, inmitten eine» peinlich großen, sehr wohl gepflegten Gartens gelegene, iLene und bequem eingerichtete Villa. Sie waren ans diese Leise fern genug von Berlin, um durch das geräuschvolle reeiben nicht belästigt zu werden, und doch wiederum so nabe, daß sie ohne allzu große Beschwerden Alle», was sic re» den Genüssen der Hauptstadt zu haben wünschten, sich verschaffen konnten. ES war ein milder, wonniger Maitag. Ans der mit vnem dunlgestrristcn Zeltdach gegen die Sonnenstrablen ge stützten, mit schönen Cvniseren und anderen Ziersträuchern ringsum besetzten breiten Veranda, welche beinahe die ganze ASckseiie deS Hauses cinnahm und den Blick über den Harten gewährte, saßen in Hellen Sommerkleidern die Laronin «perner und ihre Schwester ElSbetb. Unweit von tuen spielten auf einem Rasenplatz die beiten Kinder der Larenin, der fünfjährige Arthur »nd die dreijährige Meta »Hier der Aussicht ibrer Bonne. Ta- Jauchzen derselben traug zu den beiden Damen hinüber, ließ die Augen der Roller i» Keller Freude ausleuchten und entlockte auch Ätbelk ein flüchtiges Lackeln, das jedoch schnell genug wieder kiiier ernsten, schwermiitbigen Miene Play machte. Beite Schwestern batten vor sich aus dem mit einer ge- >dlklen Decke überbangencn Tisck Arbeitskörbchen sieben und dielten jede eine Stickerei in der Hand, aber nur die Baronin idal dann und wann einige Stiche; ElSbetb ließ die Arbeit zrr bald in den Schooß sinken und schaute träumerisch in t« lachende Frühling-welt, ohne von ihren Reizen viel zu -ewabren. .Elsbeth", begann die Baronin nach einem längeren Stillschweigen, wäbrend dessen sie daS schmal und bleich ge- »«rtene Gesicht der Schwester verstohlen von der Seite » betrachlet hatte, „ick will eS Dir nur gestehen, nickt obne Absicht habe ich Dich mir heute von Tante Rösicke loS- gcbcttelt, die Tich nach den hinter ihr liegenden Tagen der Angst und Sorge um Dich nur ungern eine Stunde von ihrer Seile läßt." „Wenn Du schon „bekennst", so solltest Tu die dolle Wahrheit sagen", ciilgcgnelc ElSbetb mit einem schwachen, traurige» Lächeln „Dn hast mich nickt loSgcbettclt, sonder» die Mama bat Dich aufgcsordcrt, mich iiiitzuiicbmen, um — mit mir zn sprechen, mir zuzurcden oder wie Ihr das sonst nennen wollt!" „Nu», wenn Du daS gemerkt hast, desto besser", scherzte die Baronin, aber ihre Munterkeit war nicht ganz echt, „dann brauche ich nicht erst um den Brei herumzngeben, sondern frage Dich geradezu: Elsbeth, WaS ist mit Dir?" Sie rückte der Schwester näber, lcgle einen Arm um ihre Taille und blickte ihr liebevoll ins Auge. „Ich begreife nicht, wie Tu noch fragen kannst!" erwiderte ElSdeth und suckle sich der Umarinung der Baronin zu ent ziehe». „Wie töiinkc ich anders sein nach Allem, was ich be gangen, erlitten, erfabren — lind zu besürchten babe!" Sic sprach die letzten Worte scheu und zögernd und blickte sich um, als sürckte sie, gekört zu werde». Statt der Antwort rief Frau von Sperner die Bonne und die Kinder berbei »nd saeste, ans die Uhr blickend: „Fräulein Martka, ich balle eS sür das Beste, wenn Sic mit den Kindern jetzt einen Spaziergang macken, damit Tie wieder bier sind, wenn der Herr Baron zurückkonimt." Nachdem die Bonne mst de» Kindern ins Haus gegangen, wandte sie sich zu ibrer Schwester »nd fuhr fort: „So, jetzt sind wir ganz »ngcslört, denn »leinen Mann habe ich auch mit guter Manier sortgesckafft." „Sder er ist aus einen Wink von Dir gegangen!" seufzte ElSbetb. „Gleichviel, er ist fort und wir sind allein, also rede» wir vertraulich; ick will, um eS kur; zu macken, sogleich an Deine Worte anknüpfen: Du sagst, waS Tu begangen, er litten, erfabren und zu befürchten hast. Nun, Tu liebe Selbstquälerin, WaS hast Du denn begangen?" „Adele! —" „Eine recht, reckt große Unbesonnenheit, durch welche Jbr un» in die größte Angst und Sorge gestürzt habt", fuhr die Baronin fort, aber Elsbeth unterbrach sie: „Ick bade Dir bereits gesagt, daß ich allein die Schuldige bin; ich habe Margot mit sortgeriffen, sie ist nur mit- gekommcn, weil sie mich nicht allein gehen lassen wollte." „Ter Streich macht Euren Herzen so viel Ehre, daß man Euch nickt lange darum zürnen kann; Ihr seit wahr lich härter dasür bestraft worden, als Ihr eS verdient habt; nun isl'S aber genug, wir haben Euch von Herzen vcr ziehen." „Ihr — ja Ihr habt mir verziehen, aber —" sie schmiegte sich an die Schwester. „Aber — wer nicht? Arnold?" fragte die Baronin. „O doch, doch!" versicherte ElSbetb mit einer Hast, als wolle sie nicht nur die Schwester, sondern sich selbst überreden, „er ist so gut, so schonend, aber dennoch — dennoch, ich kann eS nickt in Worte fassen, aber ich füblc eS, er ist anders wie sonst. Er liebt mich, liebt inick aus richtig »nd treu »nd dennoch ist eS mir oft, als stehe zwischen uns etwas, das ibn von mir zurückschclicht!" Sie warf sich in die Arme ihrer Schwester und schluchzte beslig. Die Baronin streichelte ibr das Haar »nd suckle sie liebevoll zu beruhigen. „Du mußt Dick nicht solchen Ein dildunzen bingebc». Arnold mag ja keine» ganz leichten Ttand bei seinen Eltern, besonders bei seiner atclstolzcn Mutter haben —" „Sie bat mich seit meiner Rückkehr »och nicht aufgesordert, zu ibr zu koiiiiiieii", schattete ElSbetb ein. Sie bat die Verbindung überhaupt nickt gern gescbe», daS wußten wir ja, aber Arnolds Liebe zn Dir, ibre Liebe zu dem einzigen Sobn hat doch den Sieg über die Vor- urtbeile davongetragen, und —" „Und wenn eS keine Vornrtbcilc wären?" siel ElSbetb lebkast ein und fügte, als die Baronin sic verwundert an- dlickte, hinzu: „Verstehe mich reckt, Adele, ick ioiecke nicht von der Abneigung der Präsidentin gegen die Verbindung ibreS SobncS mit einem bürgerlichen Mädchen. Wäre ick die Tochter meiner guten, braven Adoptiveltern, so wäre eS etwas anders." „ElSbeth!" „Ich bin cs nicht. Ich bin die Tcchter einer Mutter — o Adele, Adele, die Zunge sträubt sich ja, eS auszusprecken, waS ich erlebt, was ich erfabren, und niebr »ech, was ich crratben und vcrmulbet babe. — Margot bat Dir ja gleich, als wir vom Charlottenburger Vabnhos gestern früh zuerst zn Dir eilten, unsere Erlebnisse erzählt. — Erlasse mir die Wiederholung!" „Ich verlange sie nicht von Dir» mein armes Kind," sagte tief erschüttert die Baronin, „aber Du darfst Dich durch diese Erfahrungen nicht allzusehr Niederdrücken lassen. — Nimm Dir ein Beispiel an Margot. Sie hat taS Gleich gewicht ibrer Seele sebr bald wieder erlangt, und Trost in ihrer Liebe, an der Brust dcö braven Becker gesucht und ge funden." ElSbetb schüttelte traurig den Kopf: „Glücklich preise ich sie, daß sie daS vermag — ich kann cS nickt —" „Tn nicht, — und warum nicht, Elsbeth?" „Weil ich eine andere Natur bin als Margot — weil ich nie, nie den Gedanken verwinden werde, daß cS eine Sünde ist. wenn ick als Tochter meiner Mutter einem ehrenhaften Manne die Hand reiche —" „Tkorhcit, ElSbetb, Tborheit! — Wir brauchen unS nicht vor dem angeerbtc» Blute zu fürchten — glaube cS mir. — Ware eS denn nickt gegen alle Gedankcn der göttlichen Liebe, wenn wir »leimen, der Schöpfer ließe unschuldige Kinder sür die Sünden der Ellern büßen? — WaS wir auch an Erblbcil von böse» Neigungen und Fcblcrn mit bekomme», die Kraft, sic zu besiegen, ist mit denselben in unsere Brust gelegt." „Und dock, Adele — bast nicht auch Dn daS ererbte Blut in mir gefürchtet, bast Du mich nicht oft gewarnt und mich kokclt gescholten?" „Nur, ui» auch i» Dir die Kraft deS Willens zu stärken —, deren Te.zc» ich selbst empfunden batte." Der Baronin Stimme war leise geworden, sie schaute wie in Erinnerung versunken vor sich nieder. „Dn selbst, Adele? So hast auch Dn —?" „Die Versuchung kennen gelernt. — Ja. ElSbeth, ja!" Sie zog die Schwester näher a» sich beran: „Dir will ick bekennen", flüsterte sie ibr nun mit ver- ballcncm Aibem ins Obr, „WaS ich sonst Niemand bekannt babe als meinem Golt in bitteren schmerzlichen Tbräncn. Ja, Elsbelb cS gab einen Moment in meinem Leben, wo ich am Abgründe stand. Du weißt, ich war noch sebr jung, als ick Sperner, dem so viel ältere» Manne, die Hand reichte und ibm ib» den Schutz seines Hauses folgte, ich, die ich bisher keine Heimalb gekannt, die unicr Fremden sich nützlich zu machen gesucht halte. Ob die grenzenlose Dankbarkeit, die ich für ihn sübltc, Liebe war. danach fragte ich mich nicht — ick gelobte ibm vor kein AUare Treue." „Und cn«decktest erst zu spät", unterbrach sie ElSbetb mit bebenden Lippe», „daß es doch nicht Liebe war, waS Du für ihn empfunden?" — Adele senkte traurig den Blick. „Ich meinte cS zn entdecken. — In einer der viele»
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