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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.01.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-01-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930125025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893012502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893012502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-01
- Tag1893-01-25
- Monat1893-01
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Leipzig, den 24. Januar 1883. Königliche Staatsanwaltschaft. 8l. A. Li. 1,83. III. 80. vr. Groß. politische Lagesschau. * Leipzig. 2ö. Januar. Die Miliiaircommission ist mit ihrer Gcneral- di-cussion auch gestern noch nicht zu Ende gekommen und wird Donnerstag darin sorlfahren. Irgend welche Ergebnisse dal die Sitzung ebensowenig gehabt als — abgesehen een den faßbaren Borschlägen res Herrn v. Bennigsen — die vorhergegangenen. Man müßte denn die Bemerkung des Reichskanzlers, die „Vorlage sei entgegenkommend durchdacht und in ihren Forderungen auf das niedrigste Maß ein gerichtet", als die Ablehnung des nationallibcralcn Vcr- mittclungsvorschlagcs aufsasscn. Dazu liegt jedoch keine zwingende Beraniassmig vor. Obwohl der Volkspartciler Paner diesen Antrag erwähnt batte, ignorirtc ib» Gras Eapripi auch gestern und wiederholte nur, daß die zweijährige Dienstzeit innerhalb der jetzigen Friedensstärke siir die Regierung unannehmbar sei Man weiß also nicht, ob seine, einer Aus- lesungsdrohung ähnlich scheine Erklärung: e» bandle sich um die Erhaltung Deutschlands, die man „eventuell auch gegen die Bolksstimmung" wahrnebmen müsse — für den Fall der Ablehnung der Regierungssorderungen oder für den Fall der Nichtannahme des Bcnnigsen'schen PorscklagS ab gegeben ist. Für den letzteren bat, ohne cs zu wollen, gestern der Generalmajor v. Goßler plaidirt, der zugeben mußte, daß die Habt der Dienstuntauglichen seit 1888 gestiegen ist. Die Unmöglichkeit, die von der Regierungsvorlage vorgesehene Re- cruteuzahl, ohne Herabsetzung der Ansprüche an die Tüchtigkeit, aufzubringcn, batte Herr v. Bennigsen nebst den wirtbschasllichcn und finanziellen Bedenke» in den Vordergrund seiner kritischen Erörterung gestellt. Herr v. Goßler behauplele zwar, daß wir die 66 600 Man» jährlich zur Verfügung hätten, er kennte dies aber nur, indem er sich über die Unbedenklichkeit kleiner körperlicher Fehler und des Hinuntergchens unter das bisherige Körpermaß verbreitete. Daß bei dem starken An wachsen unserer Bevölkerung die Zabl von 60 000 später er reicht werken wird, ist unbedenklich zuziigcbcn. Dies aber stricht gegen die Vorlage und für eine allmäligc Durch sübrung der Neuorganisation. — Die „Nationaltibcrale Eerr." schreibt zu den Verhandlungen der Mililaircommission: „Die Eoimnission bat bis jetzt eine durchaus dilatorische Taktik befolgt und die Entscheidung ist daher auch lamn von der Stelle gerückt; cs wird bezweifelt, ob man die ngenllicbe Entscheidung überhaupt in der Eommissson er warten dürfe oder erst in der zweiten Plenarberathung. Man hört von allerlei Versländiguiigsversuchen hinter den Eonlisscn, ebne das; sich deren Nichluiig und Erfolg bis jetzt genauer scststcllcn ließe. Bei der EentrumSpartei, in welcher die ungeschickte Führung des Herrn Lieber wachsendes Mißfallen zu errege» scheint, soll Herr von Sch or leine r- Alst eifrig für emc Verständigung wirken." Tie Macher des Pananiasca ndals sorgen dafür, daß, falls eS einmal den Anschein gewinnt, als ob das öffentliche Interesse an diesen schmutzige» Ereignissen geringer werbe, die Aufregung durch neue SensarionSnachrickten wieder Nahrung findet. Heute wird aus Pari« telegraphisch ge meldet, daß der „Figaro" eine ausführliche Darstellung teS Falles Herz gictt. Danach wurden die 1885er Wahlen radicalerseilS mit seinem Gelbe gemacht, da»' seiner Unterstützung wurden 180 radicale Ageordnele gewählt, auf die er den größten Einfluß batte. 1886 wollte Lessep» die LooSanleihe von 600 Millionen machen; seit 13 Monaten hatte er vergeblich die Regierung zur Vorlage des Gesetzentwurfs zu bestimmen gesucht. Da machte Herz sich anheischig, die Vorlage durckzusetzen, verlangte aber zehn Millionen für diesen Dienst. Lesseps willigte freudig ein und gab ein Zahlungsversprechen über zehn Millionen, das auf Herz' Verlangen auch von Baron Reinach unterschrieben wurde, dessen Unterschrift damals viel wen!, war. Vierzehn Tage nach dem Handel war der Gesetz entwurf vor der Kammer; da diese indeß ungünstig gestimmt schien, zog LessepS selbst sein Gesuch zurück und fand Herz mit 600 000 Frcs. ab. 1888 nahm Lesteps seinen Plan wieder auf. Diesmal bediente er sich Re in ach's und A r to n's zur Vermittelung der Bestechungen. Als Herz dies erfuhr und den Erfolg der Bemühungen sah, forderte er die volle Be zahlung der zehn Millionen von 1886. Man weigerte sich ansangS, wurde aber durch seine wilden Drohungen eingeschücktcrt und zahlte ihm im Juni und Juli 1888 je l Million. Herr erfuhr jedoch, daß Lesseps Reinach 3 300 000 Frcs. gegeben habe, und er forderte von Reinach die augenblickliche Auslieferung der restlichen 1 300 000 FrcS. die er für sich unterschlagen habe. Um zu beweisen, daß er die 1 300 000 FrcS. nicht für sich behalten, sondern vertheilt bade, diclirte Reinach nun die bekannte Liste und schickte sic E löm enccau unter doppeltem Umschläge, damit er sie seinem Freunde Herz zugebcn lasse, mit dem er in täglicher Verbindung stand; die Liste wäre also keine Rache, sondern eine geschäft liche Rechtfertigung behufs Erlangung einer Fristerstreckung gewesen, und Elsmenceau hätte von ihr thatsachlich keine Kenntniß gekabl. I» Herz' Händen diente die Liste als Erprcffungswerkzeug, womit er wirklick die Zahlung der vollen 10 Millionen durchsetzte. — Weiter meldet man aus Paris von heute, der „Siöcle" nehme von dem dort ver breiteten Gerücht Nvtiz, daß der Vertbcidiger von Lesseps, Bardo up, der gestern im Verlause seines Plaidoyrr» aus- führte, die Ausgaben für „Veröffenttichungszwecke" seien keine Unterschlagung und für sämmtliche großen Arbeiten seien die Voranschläge überschritten worden, in seinem heutigen Plaidoyer sensationelle Mittheilungen machen werde. — Die „Libre Parole" bcbanptct, daß bis jetzt »och lange nicht alle Tbcilnehincr der Panamavorgänge entlarvt seien. Wenn, so schreibt das Blatt, der Untersuchungsausschuß zum Beispiel in den Büchern des Bankhauses Prcppcr das persönliche Ecnto Picppcr's ebenso wie das Reinach'« prüfen wollte, so würde er darin eine große Zahl von Name» bekannter Deputirter finden. Da scheint also noch viel Sckmutz ans Tageslicht kcmnicn zu sollen. Der mehrfach erwähnte diplomatische Zwischenfall, der durch die Hetzereien der Pariser Blätter gegen die dortigen Vertreter der Drcibundsmächtc entstanden ist, scheint noch nicht erledigt zu sein. AuS Wien wird heute telegraphisch gemelkct, daß die Erklärungen des französischen Minister« des Aeußern, Devellc, gegenüber dem österreichischen Bot schafter Grafe» Hoyos, die dortigen RegiernngSkreisc durch aus nickt befriedigt Kaden. Man sinket es befremdend, daß DcvcUe kcn russischen Botschafter Mobrenbeim wegen der Angriffe der Pariser Presse i» aller Form um Entschuldigung bat, während die gegen die Botschafter des Dreibundes ge richteten Verdächtigungen ungerllgt blieben. Eine gegen Frauk- rcick gericktete Note des „Fremkcnbl.", des Organs des Wiener Auswärtigen Amtes, war nur deshalb in einen, verbaltnißmaßig böslickc» Tone gehalten, weil man Rücksicht auf de» augen blicklichen schwierigen Stand der französischen Regierung nimmt. In dem Artikel des „Frcmdenbl." wird gesagt, die Rücksprache Devcllc'ö mit dem österreichischen Botschafter Grasen HoyoS sckeinc den Zweck zu haben, eine klarere Präcisiruiig der Stellung der französischen Regierung zu vrovocircn gegenüber den Insinuationen der französischen Presse, als ob eine Jntrigue der Tripelallianz gegen das gegenwärtige französische Regime im Werke wäre, welche die Panama-Affaire als ein Mittel lür ibre Zwecke zu benutzen versuchte. Eine Klarstellung von autoritativer Seite sei um so notbwendiger er- chicnen, als EommnniqusS von ossiciöscm Ursprünge zuerst der Ausweisung einiger fremde» Journalisten aus Paris die Deutung gegeben hätte», als ob dies ein Act notbwendiger Abwehr gegen die obengcdachte Jntrigue wäre. Diese gegen die Tripelallianz zum Mindesten nicht ohne Bei hilfe der gouverncinentalen Blätter ersonnenen Verleumdungen und nnsiiinigen Allsstreilungen hätten zwar von Anfang an in ernsten politischen Kreisen keinen Glauben gesunden, aber die heutigen Pariser Angelegenheiten seien für ernste Politiker nicht tonangebend. Es wäre jedenfals gut, wenn die französische Regierung in richtiger Erkennlniß der dösen Saat den gegen die Mächte der Tripelallianz und deren Bot- sckafter erhobenen Verleumdungen, von denen sie wisse, daß sie erfunden seien, offen und loyal entgegentreten, und die bezüglichen Ausstreuungen aus der Well schaffen würde. AuS der telegraphischen Mittheilung über die vom eng lischen Minister des Innern, ASguith, verfügte Freilassung deS Iren Egan ging nicht hervor, ob die Entlassung an« dem Zucktbaujc aus dem Wege der Begnadigung oter durch Ablauf der Strafzeit ersolgte. Aus den jetzt vorliegende» ausführlicheren Mittheilnnge» ergiebt sich, daß der mit Daly zusammen wegen Dynamitverschwörung vcrurkheiltc Egan aus Anordnung deS Ministers freigelasscn wurde, nachdem er von den 20 Jahren Zuchthaus, zu welche» er verurtbcilt war, 10 verbüßt hatte. Die Entlassung ersolgte durch de» Minister des Innern, weil Egan i» einem englischen Zuchthaus ge fangen saß. Die Maßregel bedeutet einen Appell an das Wohlwollen der irischen UnterbauSmitgtieder für Gladstone'S jetzt vor der Entscheidung stehendes Homernle- Projcct. Im Parlamente wird Mr. ASquith die Be gnadigung jedensall« noch zu recktfcrtigen haben, da sie im Hinblick aus das Dubliner Dynamitatientat vom Weihnachts abend jedenfalls abjälliz krilisirl werden wird. Deutsches Reich. V. Riesa, 25. Januar. Hier ist durch den conscrvativen Verein eine Petition, welche sich gegen die Wicderzulassniig der Jesuiten richtet, an den Vertreter deS Wahlkreises i»i Reichstage, Herrn Kainmerherrn Freiherr v. Friese», mit einem Begleitschreiben und dem Ersuchen abgeschickt worden, daß derselbe mit aller Kraft und Entschiedenheit die Zulassung dieses Ordens bekämpfe» möge. * Löbau, 24. Januar. Unsere Stadt hat ebenfalls eine Petition an den Reichstag gericktet, »m dieZurückberusung der Jesuiten zu verhindern. 7073 Unterschriften sind ge- Wonnen worden. Zs Falkenstein. 24. Januar. Auch in hiesiger Stadt wird gegenwärtig eine Petition an den deutsche» Reichstag gegen Wiederzulassuiig der Jesuiten in Umlauf gesetzt, welche bereits mit zahlreichen Unterschriften versehen ist. Q Berlin, 2l. Januar. Es ist zweifellos, daß die An regung zur Wiederaufnahme der HandelSvertrags-Ber- bandluiigcn von Rußland ausgegaiigen ist, wclckeS wohl z» der Ucberzc»gliiig gekommen sei» dürste, daß bei Ausrecht- erbaltiing der Differentialzölle, besonder« bei Getreide ihm gegenüber, andere, in dieser Beziehung besser situirte Länder, ihm den Rang ablaufcn könnten und eS. über lang oder kurz, bei der Frage unserer Kornversorgung, ganz in de» Hinter grund gedrängt werden könnte. Nach den ofticielle» statistischen Angaben beträgt im Jabre 1882 der Antbcil Rußland« am Getreide-Import »ach Deutschland nur noch 22,6»/, der Gesamintcinfuhr, während der Import im Jahre 188t noch 64«/, auSmachte. Wenn auch hierbei andere Umstände mit- prechen, so die schlechte russische Ernte »»l dem darauffolgenden Ausfuhrverbot und unsere eigene befriedigende Ernte im abgclaufencn Jahre, so ist dock nicht z» verkennen, daß andere Getreide erzeugende Länder mit dem Zollsatz von 3,50 gegenüber Rußland mit dem höheren Zollsatz aus- nhr- und coneurrciizsähiger werden. Dieser Ucberzengung cheint sich Rußland mcbr und mehr klar zu werden, und so lebt zu hoffen, daß es auch unseren Wünschen in weit gehendem Maße enrgcgcnkoiiimcn wird, wenn es diese für eine Landwirtbsckaft großen Vorlheile einer Gleichstellung in den Zöllen erreichen will. Wie wir erfahren, bat denn auch Rußland seinerseits bestimmte Vorschläge an Deutsch land gcmackt, zunächst allerdings nur tabingebend, was eS an Zugeständnissen von uns wünscht. Die Aufgabe unserer Unterhändler wird es sein, dafür zu sorgen, daß die Vor- tbcile, die uns cingeräumt werden, in gerechtem Verhältnisse zu den Opfern stehen, die in erster Linie unsere Landwirtbsckaft durch Preisgabe der Differentialzölle auf sich nimmt. Möge eine glückliche Hand diese Verhandlungen führen! Gestern sind die Interessenten au« der Eisenindustrie um ibre Ansichten befragt worden; Keule kommt da» Textil gewerbe an die Reibe, morgen und wahrsckeinlich nock über morgen werden sich andere Jntercssentengruppen anscbließen. Dann wird eine Sichtung des gesammelten Materials vor genommen und es beginnen, etwa in nächster Woche, die eigentliche» Berathiingc» im Reicksamt de« Innern. Es ist nicht ausgeschlossen, daß unsererseilS, in Antwort aus die russischen Vorschläge, dann unsere Gegenforderungen an Rußland in genau sorniiilirtcr Weise gestellt werden. - 88. Berlin, 21. Januar. Jn Stuttgarl ist vor Kurzem der Posten deS Sladlschuttheiße» (Oberbürgermeisters', der lange Zeit ausschließlich von nationalen Persönlichkeiten besetzt war, an einen Candidaten der Demokraten, Herrn Rümelin, übcrgcgange». Das neue Stadtoberhaupt erklärte bei seiner Einsetzung, politische Meinungen würden seine Amtsführung nicht beeinflussen. Wie der Demokrat Wort bält, zeigt ein Vorgang, der »i der württemberaiscke» Hauptstadt nicht geringe Erregung hervorruft. Mitglieder der deutschen und conscrvativen Partei batten wie alljährlich die Ver anstaltung eines Festmahls zur Feier deS kaiser lichen Geburtstages beschlossen. Da bisbcr regel mäßig den Vorsitz bei diesem Feste der Stadtschult- hciß geführt, so wurde er diesmal Herrn Rümelin an- getragcn, weil man darüber einig war, daß die Kaiserfcier keinen Parteickarakler tragen dürfe. Der parteilose Ebarakter de- Herr» Rümelin in seiner Eigenschaft als Stadtvorstand war in dein Schreiben, welche» kic Bitte um llebcrnabmc deS Vorsitzes anssprach, ansdrücktick bervorgeboben. Herr Rümelin fühlt sich aber offenbar mehr als Demokrat, denn als Scbullbeiq, er lebiite ab. Der Entschluß des demokra tischen Vertrauensmannes aus dem Bürgcrmeistcrsessel richtet seine Spitze nicht nur gegen Kaiser und Reich, sondern auch gegen de» König von Württemberg, der soeben den Geburtstag des Kaisers zu einem allgemeinen Sckulfcicr- lag gemacht bat, was er unler König Kart nicht gewesen ist. Seit König Wilhelm einer demokratischen Größe, die ihm kic Ilntcistützung der „VollSparlci" für eine parli- cularistischc Politik osscrirt Halle, eine einpsiiidliche Lection aiigcdcihen ließ, bat fick dieser Monarch nämlich das höchste Mißfallen der Demokratie zugezoge». Die Versicherung jenes .Demokrate»", daß die Volksparlci in Wirtlichkeit nickt demokratisch, sondern nur partieularistisch sei, erfährt durch das Verhallen des Stnitgarier Stattschultbeißen eine aber malige Beglaubigung. Vor Allem partienlaristisch ist aber auch der Ultramontanismuö, und Diejenige», welche von der Volkspartei etwas gegen da« Vordringen de« EentruniS erwarten, können aus der neuesten „demokratischen" Leistung erseben, daß bei der Geistcsvtrwandlsckast dieser beiden Richtungen die Hoffnung aus eine edrlicke Bekämpfung deS Klerikalismus durch die Volksparlci eitel ist. Feuilleton. Für die Elire der Familie. Roma» von Llarijja Lohde. Nacblruci vkibolcn. lForlsetzimg.) Und diele ssarkgeistige Frau balle trotz ihrer inneren Er regung Gewalt geling über fick, um den Schwager, der im Salon, den Hut in der Hand, ihr eiitgegentrat, mit dem gewohnte» cciivciitioiicllcli Lackeln zu begrüßen. „Wtlckc Ueberrasckung! Ick glaubte Sie noch in Peters burg!" „Ich bin beute Morgen mit dem Courierzugc hier an- xekommc»", ciiigegnele der Generalccnsiil in einen, Tone, welcher rer Präsireniin das Blut in den Adern erstarren ließ. Jbr Blick streifte verstohlen da« Antlitz des Schwagers. Ter sonss immer freundlich und verbindlich lächelnde Lebe mann, der so tu sagen, Gott einen guten Mann sein ließ, und es ganz i» der Ordnung fand, wenn Jeder obnc allzu viel Skrupel von de» Toigen dieser Erde so viel genoß, wie er nur babbast werde» kountc, blickte heute kalt und sinster. Er sab bleich aus, die Lipven waren znsammcnzcvrcßt, seine Sllinnie und Haltung hauen elwaS mühsam Beherrschtes, vergleichbar der Rübe vor dem Sturme. Tic nächste Aeuße- runz ver Präsiden!»« entfesselte denn auch diesen Sturm. Len abnungSvrller Angl« ergriffen, kam fast wider Willen der Name ihrer Schwester über ihre Lippen: „Und Lctavia?" fragte sie. „Ab, Sie wissen also nickt?" „Um Gott, waS ist geschehen? WaS soll ick. wissen?" „Daß Ibre Schwester ein ehrvergessenes Weib ist, die meine Abwesenheit benutzt bat, um mit ihrem Galan da« Leite zu suchen", schrie Hegencr, alle Mäßigung vergessend. Tie Bränden»» griff niit der Hand nach dem Herzen und sank mit eine», leisen Aufschrei aus den nächsten Stuhl. Arnold rille hinzu, sic zu stützen »Ich bitte Sie Rücksicht zu nehmen," sagte er mit ge preßter Stimme. „Sie sprechen zu der Schwester Ihrer Gattin —" „Ter ich dock die Wahrheit, die schon stadtbekannt ist, nickt länger verbergen kann", rief Hegencr. „Es ist nickt wakr", ries die Präsidentin, wie abwehrend die Hand ausstrcckcnd: „So kann Lctavia, so kann eine Allcncck nickt gebandelt haben!" „Daß sic c« kan», dafür hier der Beweis!" ries Hcgener, einen Brief a»S der Tasche ziehend und ihn ror die Präsidentin auf den Tisch werfend. Mit angstvollem Blicke streifte diese die schrägen charakteristischen Schriftzügc auf dem starken, mit einem Monogramm geschmückten Billetpapicr — cs waren die Octavia's. „Lesen Sie, wenn ich bitten darf", fuhr Hegencr mit ranker Stiinme fort. „Der Inhalt dürfte auch Ihre» Sobn interessiren; denn der elende Enlfübrer, der daS Gastrcckt, das ick ihm in »icincui Hause gewährte, dazu auSgenuyt bat, um mir das Her; meiner Fra» zu steklcn, in der Maler Wolken, der Bruder von deS Eommerzicnrath Rösickc Atovlirtockier, der Verlobten Ihre« Sohns." — Die Präsidentin stöbnte leise auf. Sie schob den Brief Arnold bin: „Lies Du", sagte sie, „wir muffen den Kelch auStrinken bis zur Neige." Mit zitternden Händen ersaßte Arnold den Brief. — Er batte diesen Schlag lange geabnt, denn lange schon flüsterte die Gesellschaft von einem Bcrbältniß zwischen Paul Wolde» und der schönen eleganten Frau von hegencr. Noch zögerte er indessen mit einem fragenden Blick auf den Generalconsul. Hatte dieser doch den Brief nicht ihm, sondern seiner Mutter gegeben. „Lesen Sie immerbin", nickte ihm Hegencr mit er zwungenem Gleichmut!» zu. hinter dem sich doch nur zu durchsichtig der lockende Zorn verbarg, der ihn erfüllte: „Ter Inhalt dieses Briese« kann kcine«wez- als Gebeimniß brbandelt werken Er bildet ein kostbare« Beweisstück in dem SibeikungSproceß, den ick beute nock einleiten werde." „O, dieser Skandal! Lieber Scknvager, ick bitte Sie, übereilen Sie nickt-, bedenken Sie." — Tie Präsidentin bob wie beschwörend die Hände. „Ick erfülle damit nur den innigsten Wunsch Ihrer Fra» Schwester, wie Sie a»S der Lcctüre ihres Briefes er fahren werden", und Hegencr wandte sich mit einer cius- sorkcrnden Handbcwcgnng an den Assessor. Mit gedämpfter Stimnic las dieser: „Lieber Ludwig. „Wenn dieser Brief in Deine Hände gelangt, habe ick Dein Haus verlassen, um nie dahin znrückzukehren, dann habe ich einen stillen Ort anßerhalh DciilscklaiitS ausgesucht, wo ick warte» will, bis das Bant, WclckeS uns verknüpft, gelöst ist. Alle dafür erforderlichen Schrille überlasse ich Dir; jedem Ricklcrspruchc, der gesäül wird, nnlcrwcrfe ich »nick in« Voraus. Ludwig, ich bin Dir untreu gewesen; nickt in dem engen, landläufigen Sinne, wie die Well und die Gesetze cs verstehen, davor bat mich mein Stolz, hat mich der Hinblick ans meine Ellern, auf meine Herkunst be wahrt, in einem Sinne, der für mich weit ernster, weil ent scheidender ist. Ich liebe einen Anderen, liebe ihn mit der volle», beiße» Glull» einer ersten Liebe, eines eben erst er wachten Herzen« und doch mit der ganzen Erkcnntniß der reifen Frau —" „HUbsckeS Bekcnnlniß, da« eine Frau ihrem Gatten nach beinahe zehnjähriger Ehe ablegt", schaltete hier Herr von Hegencr ein und sab die Präsidentin, welche sich bei den Eingangsworten des Briefes wieder etwas ausgerichtet batte, berauSsordernd an. „Aber es kommt noch besser, lesen Sie nur weiter." Arnold tbat da». „Ich bin Deine Frau geworden ebne Liebe; verzeihe mir, Ludwig, ick wußte damals nicht, waS ich tbat, welches Un recht ich gegen Dich beging, das bade ich erst erkannt, als ick nun an mir erfuhr, waS eS beißt, einen Mann lieben, als ick inne ward, welche reichen Schätze die Fra» dem wahrhaft geliebten Manne entgegenzubringen hat. Dock Dn hast sic nie vermißt, und wenn etwa- meine Schuld zu verringern vermag, so iss eS dieser Umstand. WaS D» verlangtest, da« bade ick Dir gegeben. Tu sucklest in mir die Tochter einer altakcligen Familie, die dem neuen Wappen, das Du er strebtest, eine» gewissen Glanz verlieh —" Hegencr stampfte mit dem Fuße und murmelte einige un verständliche Worte in den Barl. „Du suchtest in mir die Fra», die Deinem Hanse vor- znstcben verstand, mit der Du Dich in der Welt zeigen konntest, »nt die Tu dafür mit allem Luxus »mgadst, welchen Dein Reicht!'»», gestattete. Ick bade Deine Erwartungen in dieser Hinsicht nickt betrogen, ick bin aber auch sonst eine ansmcrksame, freundliche »nd nie »»bequeme Gefährtin gewesen, dieses Zcngiiis; wirst D» mir gehen, wie ick eS anerlenne, daß Du für mich stets viele Nücknckt und Nach sicht gehabt. Die Welt nannte nüsere Eke stets eine glück liche und — sic lönntc cS in de» Augcn und nach dem Urtbcil dieser Welt vielleicht bleiben, wenn — wenn ich anders geartet wäre. „Ich kann nickt leben in der Lüge. Ich kann nickt Leine Gattin heißen, alle Vortbcilc, alle Ehren genießen, welche mir Liese Stellnng bringt, mit dem Bewußtsein, daß ich Dich betrüge. Meine Fraucnchrc, mein Stolz verbiete» mir das. Ich verlasse Dein Hans »nd danke Dir für Alles, waS Tn niir gewährt in den Jahren unseres Zusammen- lcl>enS. Ich bitte Tick nickt, verzeihe mir diese» Schritt; wie ick Dich kenne, ist Dir das »»möglich, aber ich bitte Dick, gicb mich frei so schnell wie möglich um Teinetwillcn, wie um meinetwillen „Muß ich Dir den Namen des Mannes, dem mein Herz gehört, »och nennen? Du selbst hast ilm mir zugeführt; seine Mcisserband bat mein Porträt auf die Leinwand gezaubert. Es ist Paul Wolken." Hier stieß die Präsidentin einen tiefen, schweren Seufzer aus und Arnold ließ daS Blatt sinken. Herr von Hcgener »abm eS ihm aus der Hand und laö in immer steigender Erregung, so daß seine Stimme zuletzt etwas kreischendes bekam, weiter: „Leit Woche» weiß ick, daß ick ihn liebe, »nd daß er dieses Gefühl mit dem ganzen Einsatz seiner heißblütigen Künstlernatur erwidert; ich bade idn von mir scrngebaltcn, ich habe gekämpft und gerungen. Der Brief, der Deine Ankunst meldet, bat den Ausschlag gegeben. Ich kann Dich nickt Wiedersehen; ick ruse Paul zu mir »nd lege mein Schicksal in seine Hand. Ob er mick annchmen, ob er
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