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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.01.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-01-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930127028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893012702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893012702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-01
- Tag1893-01-27
- Monat1893-01
- Jahr1893
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Verlöre« gegangen sind di« Arbeitsbücher de« Bäckerlehrling» Max Otto Emmrich, geb. 3.11. 76 in Möckeru Möckern 1802); de« Arbeilsburschen Heinrich Arthur Brückner, geb. 20.. 11. 77 in Leipzig (Leipzig 2370.1802); de» Tischlerlehrlings Max Hempel, geb. 27/5. 7ü in Lengen« seid 'Leipzig 81/1800'; de« Arbril»burschen Carl Friedrich Stcbelist, geb. 18.,'11. 75 in Zeugseld (Wurzen 1800); der Arbeiterin Emma Lina Fischer, geb. 21./L. 75 in Echas- sledt (Leipzig 1l36>l8v0); der Arbeiterin Anna Rogier, geb. 31. 8. 75 in Markranstädt (Leipzig 1080 1800); de- Lausburschen Johanne- Martin ZschSbitz, geb. l./IO. 72 (Leipzig 264,1887); der Arbeiterin Ernestine Bertha Becker, geb. 28./0. 77 in Bennewitz (Alt-Schöncseld 1802) und der Näherin Hedwig Alma Bichl, geb. 16 6. 76 in Lonne- Witz (Leipzig 22333 1802). Wir bitten, diese Arbeitsbücher im Aussindungssalle Naschmarkt Nr. 2, Erdgeschoß, abzuliefern. Leipzig, am 24. Januar 1893. Der Rattz her Stadt Leipzig. I)r. Georgi. Petzoldt. Gesucht wird der am 16. März 1866 zu Groitzsch geborene Steinmetz Karl Mobrr» Wagner, welcher zur Fürsorge sür seine Familie anzuhaltcn ist. Leipzig, den II. Januar 1803. Drr Rath der Stadt Leipzig. Armenamt, Abth. II. -1. 8. V, 146. I. A.: Res. Ist. Fincke. Frke. Politische Tagesfchau. * Leipzig. 27. Januar. Die Militaircommission deö Reichstags hat auch in ibrer gestrigen Abendsitzung die Generaldebatte »och nicht zu Ende geführt unk die ganze Angelegenheit keinen Schritt Weiler gefördert. Wir erhallen darüber folgenden telegra phischen Bericht: „In der Mililaircoininission wurde gestern Abend die General debatte über die Militairvorlage fortgesetzt. Freiherr von Stumm vertrat die Ansicht, das) die öffentliche Meinung sich langsam, aber entschieden, auch in Süddeutschland, zu Gunsten der Militair vorlage verändere. Redner sagte u. A., da« inan die ganze Zahl der Ersatzrejervislen, also 65 000 Mann, jährlich i»S Heer ein« stellen könne. Durch unsere Streitigkeiten über die Vorlage wachse nur der Chauvinismus in Frankreich. Gegen Stumm wandte sich Herr Richter, der in anSsührlichcn, mitilairtechnischen Darlegungen den Comproinistvorschlag Bennigsen s, die Propojilioncn Stumm's and die Ilritcrien der Vorlage energisch bekämpfte. Die zwei, salirige Dienstzeit sei vom Standvnnet der Freisinnigen als Schluß, stein der Heeresorganiiation zu betrachten. Gras Laprivi erklärte zunächst daß er die Presse benutze, weil er im Laufe der Jahre sich Erzeugt habe, daß sie nothwendig sei, besonders um in den Wahl kreisen Aniliürungen über die Absichten der Regierung zu verbreiten. Tic Rheinlinie müsse unter allen Umständen vcrlheidigt werden. I>r. Buhl lnat.-!ib.) verwahrt sich als Bayer gegen die Aeußcruna deS Ilr. Lieber „Lieber bayerisch sterben als kaiserlich verderben" und betheuert die unbedingte Reichstrcue drr Bayern. Er legt sodann den Standpunct der national-liberalen Partei dar. In vielen Punclen sei er mit der inneren Politik des Reichskanzlers nicht ein verstanden, aber eine Verstärkung des Heeres sei nothwendig, wenn sein engeres Heimathiand nicht einst zum Kriegsschauplätze werden solle. Ein Widerspruch bestehe zwischen einzelnen Aussührungen von Hinze und Richter. Thalsächlich bestände ein Unterschied in der Präsenzstärke zwischen dem Bcnnigsen'schea uud dem Angebot der Freisinnigen nur in Höhe von etwa 30000 Manu. Wenn Hinze 26OO0 Mann mehr Rerrulen und außerdem, wie bisher, die 17 000 Ersatzreservisteu glaube a»ri>rben zu können, so könne inan ebenso aut die von Bennigsen vvrgcschlagoncn 40 600 Recruten haben, unter Wegfall der Ersatzreserv«. Für die Regierungsvorlage im vollen Umfange könne er sich nicht erklären, doch hatte er den Bennigseu'- schen Vorschlag für ein acceptablr» Compromiß; allerdings halte er aber an der gesetzlichen Festlegung der zweijährigen Dienstzeit fest. Redner schließt mit der Mahnung, den Eonflict zu vermeiden, besonders auch wegen des Eindrucks aus da» Ausland. Nachdem noch General Goßler und Major Wachs die Aussudruugeo Richter'- zu widerlegen versucht, wird die Generaldebatte aus Sonn abend vertagt." Wie man sicht, verinicd eS der Zerr Reichskanzler wiederum, sich darüber au-zusprechen, ob er seinerseits den VermitteluiigSvorschlag Bennigsens für „acccptabel" hatte. Dagegen erklärte er, „ini Laufe der Jahre" sich überzeugt zu bade», daß die Benutzung der Presse nothwendig sei. Hoffentlich wird Graf von Caprivi im Verlaufe weiterer Jabre darüber sich völlig klar, wie die Presse zu benutzen ist. Wie sie nickt benutzt werden sollte, bat die Behandlung der gegenwärtigen Militairvorlage zur Genüge dargethan. Im Reick, Stage benutzte der freisinnige Abg. Or. Barth den Titel über das Gehalt de« Reichskanzler«, um eine Debatte über die HandclsvertragSpolitik hcrvvrzurnfen. Er gab zu, daß die Zeit zu kurz sei, um ein statistisch begründete« Uribeil über die Wirkung der Handels verträge zu fällen, aber er glaubte auS den Berichten der Handelskammern schließen zu können, daß die große Mehrheit von Handel und Industrie die Bortheile dieser Politik anerkenne. Die letzten Debatten deS Abgeordneten Hauses sortsetzend, trat er den Behauptungen der Agrarier über schlimme Folgen für die deutsche Landwirtbschast entgegen und befürwortete eine weitere Ausgestaltung der HandelövertragSpolitik. Graf Kauiy (cons.) bestritt in gewohnter Weise die Richtigkeit der Anschauungen de« Vorredners über die Wirkung der Handelsverträge, sowie über die Lage der Landwirtbschast und erhob von Neuem den Vorwurf, daß unsere Unterbäudler beim Abschluß der Verträge zu nachgiebig gewesen seien. SlaatSsecretair v. Marschatl wies dem gegenüber ans die Lage hin, in welcher man sich seinerzeit angesichts des t. Februar l802 befand, eine Lage, die dadurch charak tcrisirt wird, daß man nicht auf günstigere Positionen sür unsere Ausfuhr hoffe», sondern nur eine verderbliche Verschlechterung derselben zu verbüken suche» tonnte. Po» den weiteren Aussübrungen deö StaatSsccretairS ist be merken»«, erth, daß er Milthcilung von der Tbatsache machte, daß mit Rußland über einen Handelsvertrag verhandelt wird, vbne indeß eine Meinung über die Aussichten dieser Verhandlungen zu äußern. Im weiteren Verlause der Debatte spannen die Abga. Rickcrt, v. Fregc, Willbrandt, v. Schalscha den allen Kampf über Handelsverträge, Gelrcidrzöllc, Nolh der Landwirthschaft u. s. w. fort. DerPanamascandal hält nach wie vor dieGemüther in Paris in Aufregung. A»S dem von uns i»i Auöznge mit getheiltcn jüngsten Artikel des „Figaro", welcher mit „vicki" »nterzcichnct war, beben wir noch hervor, daß Ende August 1888 der Scandal beinahe einen verbängnißooUen Umfang angenommen hätte Cornelius Herz hatte gehört, daß Reinach von der Panama-Gesellschaft 3 300 ooo Francs er halten batte, während er an ihn nur 2 Millionen ab- gesührt hatte, ^erz sordcrle nun von England aus, wo er sich damals eouimcrfrische befand, die vollständige Aus zaktung der gesammten sür ihn bestimmten Summe. Reinuck, begad sich darauf eilig in sein Bureau im Bank- Hause Eohn-Reinach, wo er seine Schriftstücke über Panama aufbewahrte, und diciirte dem in den letzten Tagen viel genannten CommiS Paul Stephane in Abwesenheit seine« eigentlichen SecretairS die genaue Liste über die Verwendung der fehlende» 1 300 000 Franc«. Nach dieser Liste baden u A. empfangen der rhematige Minister Barbe 550 000 FrcS., Albert Grevy, JuleS Rocbe, An »e und Floquet je 20 000 FrcS.. Rvuvicr 00 000 FrcS., Leon Renault 25 000 Frc« , Proust 20 ooo FrcS. re. Als die Liste dictirt war, ließ Reinach sie sofort durch Stephan« zu Clömenceau tragen, der sie an Herz übermitteln svllte. Da der Dircctor der „Justice" ver sichert, daß er die Liste nicht erhalten habe, so ist cS wabr- sckfeinlich, daß Reinach sie ibm unter doppeltem Umschlag zugescndet hat, so daß er sie beförderte, ohne ibren Jnbalt zu kennen. Reinach versuchte keineswegs irgend einen Vortbcit durch diese Mitlheitung zu erlangen; Herz verlangte Rechen schaft von idi», und er beeilte sich, sie ihm zu geben, um damit zu beweist», daß er durchaus nicht« von den 3 300 000 Francs für sich behalten hatte. Es war in seinen Augen ein einfacher Cassenauswei«, nichts medr. Herz aber beutete sie aus, indem er seinen bisherigen Mitschuldigen zn seinem Opfer machte und ihn in der rasfinirlesten Weise folterte und so schließlich in Verzweiflung und in den Tod trieb. — Nach «ine», Pariser Telegramm von beute will der „Malin" wissen, der Jlist>znii»ister Bourgeois würde in der heutigen Sitzung der Deputirtenkammer die Zahl der jenigc» Parlamentsmitglieder mittbcilc», gegen welche die Anklage in der Panama-Angelegenheit nickt aufrecht erhalten wird. Mehrere Morgendlätter bezeichnen als solche Devell«, Jute« Roche und Aröne. — lieber die gestrigen Verhand lungen in der französischen Deputirlenkammcr, die mit einem Erfolge Ribol'S und seiner Ministercollegen geendet haben, in deni ihnen dir Geheimfonds bewilligt wurden, finden die Leser unter .Frankreich" Ausführlicheres. Zn England ist bekanntlich seit einiger Zeit eine Be Ivrgung im Gange, die daraus abzielt, die Einwanderung von hilflosen Fremde» zu verhindern, Zu diesem Zweck hat sich eine besondere Gesellschaft gegründet, dir den Namen „Xsuocintiou kur l'xovoiiting tkv Immiprntian ok llosliluto Xlioln;" führt und jüngst eine außerordentliche Sitzung abhielt. Hierbei wurde darüber beratken, welche Mittel zu ergreifen feien, um den Zweck, den die Gesellschaft im Auge bat, ru erreichen. Ein Bericht über die stattgrsnndenen Berathnngen erschien nickt i» den Zeitungen Es verlautet jedoch, daß beschlossen worden sei, das Parla ment aufzusorkern, die Frage der Einwanderung in Erwägung zu ziehen. — Dir „World", welche einen Artikel über diesen Gegenstand unter dem Titel: „Hinaus mit den Fremden!" veröffentlicht bat, ist der Meinung, daß das Haus der Gemeinen — wenigstens in den ersten Monaten der Session — nicht Zeit haben werde, dieser Frage seine Aufmerksamkeit zu schenken. Dagegen werde da« Hau« der Pairs genug Muße finden, um eine Gesetzvorlage hinsichtlich deS betreffenden Gegenstände« in Bcratkung zu zieben. In dem Lberhanse ist die Meinung darüber gcthrilt Lord Derby z. B., der als Vertreter der luis-ior-luii-o-Theorie bezeichnet werken kann, ist mit Vielen der Ansicht, daß bi« fetzt noch keine Veranlassung oorliegt, Maßregeln gegen die unbeschränkte Einwanderung z» ergreifen, obwohl er zugiebt, daß diese unbeschränkte Einwanderung viele Gefabren im Gefolge hat. Lord Dnnraren dagegen und viele Andere sind für sofortiges Einschreiten. Die „World" wünscht, daß, wenn das Parla ment sich mit der Frage der Einwanderung hilfloser Fremder beschäftigt, es auch seine Aufmerksamkeit den italienischen Leierkastenmännein, sowie den deutschen und französischen Straßenmusikanten, die die Straßen Londons als ihr Eigen- thum betrachten, zuwenden möge. Die Staatsverfassung de« CantonS Bern enthält u. A. die Vorschrift, daß die Mitglieder der Staatsbehörden bei ihrem Amtsantritt einen Eid ni leisten haben, testen durchaus religiöse Formel in der Persassung selbst nieder- gelegt ist. Am 17. November v. I. stellte der neugewählte Großrath Steck — beiläufig dcmerkt, ein hervorragender socialdemokratisckcr Führer — da» Begehren, es möge ibm gestattet werden, den Amt Seid in bürgerlicher Form, d. b. unter Weglassung der Worte „So wahr mir Gott helfe" zu leisten, da er die religiöse Ueberzeugung, welche die vor geschriebe»« Eidesformel vorauSsctzc, nicht habe. Mil 136 gegen 40 Stimmen verweigerte jedoch der Große Rath den Antrag Stcck'S, worauf dieser den Saal verließ. Daraufhin wandte sich Steck unter Berufung aus Art. 4'.« der Bundes Verfassung an den BundeSratb. Dieser erklärte »ach An hörung beider Parteien und nach Würdigung aller in Betracht fallenden Verhältnisse die Berufung einstimmig als begründ et, wobei er im Wesentlichen von den felgenden Erwägungen auS- ging. Der angcrnfcne Artikel der Bundesverfassung spricht im Allgemeinen den Grundsatz der Glaubens- und Ge wissensfreiheit ans und bestimmt insbesondere, daß die Ausübung bürgerlicher oder politischer Reckte durch keinerlei Vorschriften oder Bedingungen kirchlicher oder religiöser Natur beschränkt werden dürfe. Mit Rücksicht auf diese Bestimmung sei von der Bundesversammlung bereits 1874 beschlossen worden, daß die GerichtSpcrsonc», denen ihre Ueberzeugung die Leistung eine- EikcS nickt gestattet, an dessen Stelle ein Handgel nbde ablcgcn können. UcberdicS erklärte der BundeSratb in wiederholten RccnrSentschoidnngen, daß ein Bürger ohne Recht-nachtheil die Leistung eines religiöse» Eide« verweigern könne; die« gelte sowohl vom gcrichllicken (pro- ceffnalen) Eid wie auch vom AmISeid, da das individuelle Recht der Glauben«- und Gewisscnssreihkit auf allen Gebieten dasselbe sei und als solche» geschützt werden müsse. Des halb könne auch nicht die Bekleidung eines öffentlichen Amtes oder die Ausübung amtlicher Functionen an die Vorbedingung der Leistung eines religiösen Eide» geknüpft werden. Der von der bcrnischon Vcrsassung gcsordcrte Eid trage unzweifelhaft einen religiösen Cbarakier. Der betreffende Artikel de, Berner Verfassung sei, soweit er die Leistung deö religiösen Eide« verschreibe, durch die nonc BnndeSversassnng außer Kraft gesetzt worden; damit sei keineswegs gesagt, daß durch die Bundesverfassung die Leistling des religiösen Eite« verboten werde. Der AmlSoid möge im Canton Bern nach wie vor in der in Art. !»'.» der Verfassung enthaltenen Formel geleistet werden; nur dürfe der einzelne Bürger hierzu nickt verpflichtet werde». Die Angelegenheit des Herrn Steck dürfte wobt endgiltia erledigt sein; denn es ist nickt an- znnebmeii, daß der Große Rath gegen die Entscheidung deS BundeSratb« an die BuiitcSvcrsaminlnng recurrircn wird. Die hochgradige Aufregung, welche mehrere Tage lang in London und in Kairo wegen der cayp tischen Frage herrschte, hat, äußerlich wcnigstcnS, nachgelassen und einer ruhigeren Auffassung der Dinge Platz gemacht. Die englische Regierung acht, unbeirrt durch die Versuche Frankreichs, den Gang der Ereignisse in Egypten durch diplomatische Schritte zu beeinflussen, ibrc» geraden und entschiedene» Weg. Sic verstärkt dir OccupationStruppen »nd sinket bei ihrem ent schiedenen Vorgehen die Zustimmung sämmtlichcr Parteien des Landes. Der „Standard" betont, die von der Regierung er griffene Maßregel werde die Egyptcr sowohl wie die übrige Welt überzeugen, daß England durchaus nicht die Absicht Feuilleton. Für die Ehre der Familie. Roman von Llarissa Lodde. «lasdnick »erkoien. (Fortsetzung.) 20. Capitel. Als Arnold beim Nachbauscgeben über den Potsdamer Platz an dem Easö von Josty vorbcigimz, wurde er von einem der dort im Freien an der Straße mit anderen bei kiiiem Glase Bier sitzenden Herren angcrusen. Es war der selbe junge Künstler, der ihn am Abend vorher Unter den Linde» nach Paul gefragt hatte. „So gehen Sie Loch nicht so stolz vorüber, bester Assessor!" rief er. „Nein, nein", mischten sich nun auch die Anderen ein, „nun wir Sie endlich einmal fassen, lassen wir Sie nicht mehr los. — Man sicht Sie ja gar nicht mehr! —" Arnold erkannte den alten Freundeskreis, in dem er vor seiner Verlobung so oft in heiterem Gespräche gesessen, und so wenig er sich heute ansgelogt fühlte, glaubte er dock die freundliche Aufforderung nicht ablebncn zu könne». „Jetzt aber fort mit der sorgenvollen Miene de« an gehenden EbcmanncS. Engelhard", begrüßte ein junger Jurist und Sludicngeuosse ibn übermüthig. „Ja, ja, da« kommt davon, mein Lieber, wenn man seinen Grundsätzen untren wird und dem schönen Jung- gesellen,'lande abschwört. Ebesland, Wchcstand." .Bei ihm heißt c» schon Brautstand, Wehestand!" be merkte ein Anderer. .Silentium!" rief nun der junge Künstler und legte den Finger ans de» Mund, „hier wird nicktS Unangenehmes be rührt, sonst entflieht uns der kaum gefangene Vogel wieder." Arnold suchte die Neckerei mit Gleichmulb auszunehmcn. .Ja, sprechen wir von etwa« Anderem", sagte er. „Es zieht dock sicher in dieser vielbcwegten Zeit interessantere Dinge zu besprechen al« meine »»bedeutende Persönlichkeit — Dort liegt di« Abendzeitung — haben Sie sie schon ge lesen, wa« giebl e» Neue»? —" »O nickt«", entgegnet« der junge Künstler, einen raschen Blick mit den Anderen tauschend, und schob da« Blatt, eine« jener bekannten, den großstädtischen Klatsch mit Behagen breit- trctenden Blätter fort. „Politisch Lied, ein häßlich Lied. Flüchten wir unö lieber i» das Gebiet der Kunst. Haben Sic denn schon die Ausstellung der neuesten Bilder bei Schutte gesehen ? Lauter Moderne —" „Wie können Sie das Engelhard fragen. Er ist so conservativ, daß er die sogenannte moderne Kunst ver abscheut." „Nur die", sagte Arnold scharf, „die daS Moderne im Häßlichen und Gemeinen suckt! Dagegen freilich empört sich mein Gefühl." Am Nebentische hatte sich ein Herr, der dort mit seiner Dame saß. deS fortgclegten ZcitungsblatteS bemächtigt. „Ha. ha. ha", lackte er jetzt so laut auf, daß die Nach barn sich erstaunt umsahen: „Fra», lieS nur dieses hier, da« ist eine kostbare Geschichte. Also auch der stolze Commer- zienrath Rösicke nickt ganz zweifelsohne —." Bei Nennung diese« Namens fuhr Engelhard empor. — Ehe man ihn daran verhindern konnte, stand er bochansgerichtct vor dem unvorsichtigen Plauderer. „Ich bitte dringend, sich hier jeder unliebsamen Aeußerung über den Herrn Commerzienralk Rösicke zu enthalten — " Der Auarredete, ein offenbar dem niederen KaufmannS- standc Angebörender, erschrak sichtlich. „Bitte sehr um Verzeihung", entschuldigte er sich in ängstlichem Wortschwall. „Ick will gar nickt« gesagt haben. Aber hier der Artikel — wenn Sie sich selbst überzeugen wollen, daß ich nicht zu viel gesagt — hier steht e« deutlich, Commcrzienratb R., der kürzlich durch die Verlobung seiner Pflegetochter mit dem Sobne eine- unserer höchsten Ver- waltung-beamten, dem Präsidenten von E„ in nabe Be ziehungen getreten ist, — das kann doch kein Anderer sein, als der Coinmerzienratk Rösicke —" „Genug, genug!" stieß Arnold bervor und griff hastig nach dem Blatte; aber die Hand, mit der er eS faßte, zitterte so bestig, daß er nach der Lehne de« neben ihm stehenden Stuhle« greifen mußte, um sich zu halten. „Ich bitte Sie. Engelhard", raunte der an seiner Seite stehende Jurist dem mit sabler Blässe sich Bedeckenden zu: „Lasten Sie die Sache fallen — und setzen Cie sich — nur keine Scene hier —" Arnold folgte geduldig dem ihn fortziebenden Freunde, während da« Ehepaar eingeschüchtcrt seinen Platz räumte. „Lesen Sie jetzt nickt den häßlichen Artikel", bat nian ibn. — „Wir wollten ihn Ihrem Gefickt entrücken, jedoch der böse Zufall wollte «< ander«. Bor böswilligem ZeitnngS- klatsch ist beut ja Niemand geschützt, selbst die höchsten und vornehmsten Personen nicht. Nehmen Sic cS philosophisch, Engelhard — bei Lickte besehen ist das Meiste nicht so schlimm, wie eS im ersten Augenblick scheint Und nun stecken Sie das Blatt in die Tasche — wenn Sie cS nicht anders wollen; ich werde den Oberkellner darüber ver ständigen, aber verderben Sie sich für de» Rest tcS Abends die Stimmung nicht noch mehr. Morgen, nachdem Sic anSgeschlascn haben, werden Sie Alle- gelassener ansebcn, glauben Sie mir!" Arnold knöpfte statt aller Antwort seinen Nock zu und griff nach seinem Hut: „Ich danke Ihnen für Ihren guten Rath; aber eS ist doch besser, sür Sie »nd sür mich, daß ich gehe" Keiner wagte ibn »lebr zurückzubalten; kenn Jeder sah ihm die Pein, die er innerlich ansbielt, auf dem Gesichte geschrieben. „Armer Engelhard!" sagte der Jurist, dem Davoncilenkcn nachsebcnd. „Es ist eine harte Prüfung, die dem Engel- hard'schen Stolze durch diese öffentliche Gehässigkeit auf erlegt wird." Ja, eine harte Prüfung war cs. »nd nicht allein sür Arnold'- Stolz, sondern auch für seine Liebe. Der verhängnißvollc Zeitungsartikel, die Racke Herald'S, den der junge Assessor ii> seinem Stübchen im Elte»»banse, in da- er sich lautlos geschlichen batte, mit bebenden Händen auScinantersaltetc und la«. lautete: In unserer Stadt haben sich kürzlich Ereignisse zuge tragen, welche die höbe Bcanitcnwclt. wie die Kreise der höheren Bourgeoisie gleichzeitig berühren und wohl geeignet sein dürsten, reckt ciacnthüinliche Schlaglichter auf die letzteren zu werfen. Einer unserer Großindustriellen, Herr Coinnierzicn- ratb R, dessen Ehrenliasligkeit und strenge Wahrhaftigkeit sprichwörtlich sei» soll, stierte vor Kurzem den großen Triumph, seine Adoptivtochter mit dem Sohne eines hervor ragenden VcrwaltungSbcamtcn auS altadliacr Familie zu ver loren; die Elter» de- jungen Mannes sollen sich dieser Ver bindung auch lange widersetzl haben, die Schönheit der Braut und wolst noch mcbr der Reichthum deS EommerzienratheS haben aber endlich den Sieg davongclragen. Weniae Wochen nach der Verlobung verschwand eines Abend- die Braut und »nt ihr eine bei einer Schwester de« Herrn N. lebende Zwillingsschwester auf unerklärliche Weise, und ebenso plötzlich und räthselhasl tauchten die beiden jungen Damen nach Verlauf von zwei Tagen wieder auf. Sie sollen, wie ver lautet, in Gesellschaft eine» Herrn einen etwa» romantischen. um nicht zu sagen abenteuerlichen HcrbsiauSflug nach dem Harze gemacht naben. Wie nun bekannt wird, haben sie daselbst ibrc Mutter aufgesnchr, welche sie bisher für tott dielst», denn sic sind die Töchter des hier verstorbenen KrciS- gerickt-ratbs W, dem vor einer Reibe von Jahren seine schöne, leichtfertige Fra» mit einem Deutsch-Amerikaner davon- gcgangen ist. Der ehren- unk wahrhaftige Herr Conimcrzicn- rath R. bat es mit diesen Eigenschaften vereinbar gesunden, nicht nur die Kinder seine« verstorbenen Freunde-, deren Vor mund er war, in dem Wahne ;n erziehen, daß ihre Mutter todt sei, sondern er bat die Tanschnnz auch den Männern gegenüber aufrecht erhallen, welche sich um seine Mündel »nd seine Pflegetochter (eine ältere Schwester ist an einen Baron von Sp. verbeiralhct) bewarben Die Geschichte der Flucht der ekemaligen Fra» W. erlebt übrigen«, wie wir au« sicherer OncUc ersabren, gegenwärtig eine neue Auflage. Tic schöne goldblonde Frau von H., derselben altadlige» Familie angcbörig wie der Ver lobte, die Gattin eine- unserer Gclttürsten, deren Portrait aus der letzten AnSstcUnng so großes Aufsehen erregte, hat da» Han« ihres Gemahls verlassen, um dein Schöpfer diese« Bilde«, dem Bruder jener reizenden ZwilliiigSschwcstcrn, an- zngehörc». Man kann gespannt daraus sein, ob der Verlobte, besonders aber dessen stolze Familie nach den Ersabrungcn drr letzten Tage noch an dem leichtfertigen Blute der W.'S, und nachdem sie von dem Ebreninann R (o gröblich getäuscht worden, sesibalten wird. Geld deckt Vieles zu, und da« be sitzt die Akoplivlockier des reichen R freilich in Fülle; und beut zu Tage leider spielt der Mammon auch in jenen Kreisen, die «Kren Schild sonst unanlastbar kielten, oft eine ausschlaggebende Rolle — Wir »nsererseit» würden das sebr bedauern, den» gerade in jetziger Zeit sollten Personen, die i» so exponirlcr Stellung sich befinde», daraus kalten, ihren Nus sich makellos zu bewahren. 2l. Eapitel. Am andern Morgen, als Arnold wie gewöhnlich, wenn auch mit Ubernächligen Zügen sich bei seinen Ellern am FrühslückSIische einsant, »ras sein erster Blick neben dem Platze de« Vater- auf dasselbe Zeilungsblatt, da« ibm eine schlaflose Nackt bereitet batte. Die Präsidentin saß mit niedergeschlagenen Augen da. sie hob den Blick nickt, als Arnold ibr einen „Guten Morgen" bot, sondern reichte ibm nur die Hand hin, die kalt und schwer in der seinen lag.
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