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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.01.1893
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-01-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930130017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893013001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893013001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-01
- Tag1893-01-30
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BezugS-Pret- z, ter Haupterpeditioa oder den im Stadt- dqlrk «ad de» Vororten errichteten diu«- a k n» k, »t I t ^51 rSgassr 8. cheatag» ununterbrochen 8 bi» Abend« 7 Uhr- ialr«: riim. (Alfred Hahn), LtSswaß» 1, » LS,che. »rt. und königSplätz 7. Morgen-Ausgabe. Anzeiger. Organ für Politik, LocalgeMte, Handels- und Geschäftsverkehr. Anzeigen-PreiS Die 6 gespaltene Petitzeilr LO Pfg. Reklamen unter dem Redactionsstrich «»ge spalten) ÜO^, vor den Famtiienuachrichten (6 gespalten) 40^. Größere Schritten laut unserem PreiS- derzeichnlß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Vellage» (gesalzt), nur m!t der Morgen-Ausgabe, ohne Dostbeförderung ^i 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluk für Änjeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Sonn- und Festtag» friih V,9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen ie eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Montag den 30. Januar 1893. 87. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Lekanntmachung . für die Herren Vormünder. Die be, dem Unterzeichneten Königlichen Amtsgericht in Pflicht flehenden Herren Vormünder werden hiermit veranlaßt, die wegen ihm Pflegebefohlenen zu erstattenden Erziehungsberichte bis »nm S1. Januar 18»3 anher einzureichen. Formulare »u diesen Berichten sind von den Herren Vor mündern, »eiche autzerhald der Stadt Leipzig wohnen, von dem Herrn Ortsrtchter ihre» Wohnorts, von de» übrigen Herren Vor mündern aber, wie früher, in dem AmtSgertchtSgrbände, Zimmer Ar. 78, 80a, 82, 118 und 117, zu erhalten. Bei der Ausfüllung der gedachten ErziehungSberichte ist neben vollständiger Beantwortung der vorgedruckteu Fragen noch weiter, and zwar: ». bei ehelich geborenen Pflegebefohlenen der volle Name, Stand, letzter Wohnort «nd daS Tode-jahr de» verstorbenen Vater» anzugeben, d. bei »»ehelich Geborenen sind die Worte beizufügen „unehelich geborrn". Wegen geisteskranker Personen, die nicht in einer Irren- oder PeriorgungSanstalt untergebracht sind, ist ebenfalls Bericht und zwar über ihre persönlichen Verhältnisse zu erstatten. Die hierfür bestimmte» besonderen Bcrichtssormulare werden im Amtsgericht»- jünmer Nr. 117 ausgegeben. Auch wollen die Herren Vormünder etwa «iutretend« Wohnungs- veröaderungen hier zur Anzeige bringen. Leipzig, am IS. Decrmber 1892. La« Königliche Amtsgericht, «dthetlang V. Kunze. Lg. Politische Tagesschau. * Leipzig, 29. Januar. Unangenehmer denn je macht sich da« alcickzeitigeTagen ton Reichstag und Abgeordnetenhaus fühlbar. Zu den fast alltäglichen Plenarsitzungen in beiden Häusern kommen noch die bedeutungsvollen Verhandlungen zweier großer Com missionen, der Militaircommission im Reichstag, dev Steuer-, commission im Abgeoronetenhause hinzu. Da« ist eie' Ucbermaß, welche« nach verschiedenen Richtungen schädlich wirkt. Die Kraft der Abgeordneten, zumal derjenigen, die beiden Parlamenten augehören, wird aufs Aenßerste angespannt, und der mangelhafte Besuch, der sich gegen wärtig in beiden Körperschaften zeigt, ist zum Tbeil aus da« Uebermaß der Ansprüche an die Arbeitskraft der Abgeordneten zurückzuführen. Aber auch da» Interesse de» Volk-, de« großen, mit politischen Dingen sich be schäftigenden Publicums, ist diesem Uebermaß an geistigem Stoff nicht mehr gewachsen. Es giebl wenig Menschen, die Heit und Lust haben, täglich mehrere lange Plenar- und OommissionS-SiyungSberichte zu lesen und zu verdauen. Das politische Interesse erlahmt und die Parlamente verlieren einen großen Lhril ihre- Wcrtbcs, der in der Aufklärung und Belehrung de« Volk- über staatliche Angelegenheiten besteht. Es ist nun freilich leichter, diese unerfreuliche Erscheinung zu be klagen, als sie zu heilen. In manchen mit große» Arbeiten weniger überlasteten Sessionen mag eS auch erträglich sein. Im Allgemeinen aber herrscht dir weitverbreitete Empfindung, daß bei uns nachgerade zu viel Parlamentarismus getrieben wird, daß die Formen und Gewohnheiten unserer gesetzgebenden Körperschaften zu schleppend und weitläufig geworden sind, daß Selbstbeschränkung und rasche» Fortschreiten zum Ziel wünschenSwertb wäre. Wir daben la in Deutschland mit seiner Gesammtvertretung und allen einzelnen Landtagen größere Schwierigkeiten zu überwinden als irgend ein anderer Staat. Aber eben darum müssen wir sorgsam darüber wachen, daß unsere parlamentarischen Einricktungen sick in Grenzen halten, in denen sie die ihnen zukommende Wirksamkeit noch erfolgrcick au-üben können. Es wird bei uns viel zu viel geredet, es wird zu viel unsachliche Parteiagitation getrieben und e« werden zu viel Gesetze gemacht; es werden fortwährend tagc- lange, praktisch völlig unfruchtbare Erörterungen über alle möglichen Anliegen des politischen, grsellsckaftlicken und wirth- sckasllichrn Leben» geführt, hundertmal dieselben Gesichts punkte und Wendungen von denselben Rednern vorgedrackt. Das ermüdet und ist für unsere parlamentarischen Eiurich- lungen nicht von Nutzen. Die Militaircommission des Reichstag« hat endlich tie Generaldebatte geschloffen. Sie ist ohne jede« praktische Ergebmß verlaufen und dal nichts zur Aufklärung über die fernere Entwickelung der Angelegenheit beigetragen. Die Wühlerei, welche von der klerikalen Partei in Ocstcr- reich-Ungarn eifrig betrieben wird, um die liberale Partei in Ungarn zu sprengen und dadurch da« ihr verhaßte Cab inet Äekerlr zu Fall zu bringen, macht sich seit einigen Tagen in hohem Grade bemerklich. In der liberale» Partei selbst bat sich gegen die Einführung der Civilebe Widerspruch erbeben und drei Mitglieder haben bereit« ihren Austritt erklärt. Es sind da« die Abgeordneten Thomas Pechy, Graf Ladislaus Szapary, der Sobn de« früheren Ministerpräsidenten und Laiinvvic. Di« Besorgmß ist nicht von der Hand zu weisen, baß diese« üble Beispiel bald Nackiabmung finden wird. In einer am Freitag abgebaltenen Conferrnz der liberalen Partei gab der Ministerpräsident Vr. Dekrrle gegenüber den Gerückten der letzten Zeit über den Standpunct der Regierung tie Erklärung ab, daß dir Regierung an ihrem Programm sest- balte. dem dir Partei in allen Theilen zugrstimmt habe. Dieses betrackte er al« Grundlage de« politischen Wirkens der Re gierung und der Partei, »fall« einzelne Mitglieder Bedenken gegen tie Kirchenpolitik der Regierung baden sollten, sei die» neck kein Grund, au« dem Partriverbandr »»«,„treten. Diese sollten dir Regierung in den übrigen Tdrilen ihre« Programm» unterstützen und keine Sonderconserenzen abbalten, sondern in ter Partei Alle« in« Reine bringe». Mit AuSnabme der zmvlvtr» drei Abgeordneten, dir erklärten, nicht im Verband »« Partei verbleiben ,« töernen. haben sammtlichr Mit- M« bl« Erklärung« wikirle« gebilligt. Di« Pefter Blätter benrtheilten Wekerle'S Erklärungen in der Partei- conferenz in getbeilter Meinung. A»f der einen Seite Werken diese Erklärungen als wirkungsvoll und überaus ge schickt bezeichnet, da nur drei Mitglieder an« der Partei auStraten; cS sei dies für dir Regierung jedenfalls ein be deutender Erfolg, Wenn auck freilich nur ein zeitweiliger. Andererseits wird nunmehr gesagt, die Civilebe sei jetzt dahin gelangt, daß sie, gleich der Berwaltuiigsrcfori» im Vorjahre, grungsätzlich aufrcchterl,alten, aber tbatsächlick fallen gelaffe» wurde. Bei den drohende» Zwistigkeiten müsse tie Regierung jedoch auch mit vorübergehenden Erfolgen zufrieden sein. In Italien erregt die Verhaftung des Commendatorc Monzilli, Ncffortchcf im Handelsministerium für Bank- angelegenbeiteii, großes Aussehen. Monzilli soll Mitschuldiger von Tanlonao, dcS bisherige» Direktors der Banra Romana, sein, deren Schäden er dem HandelSminister verborgen habe. Trotz seines verbältnißmäßig bescheidene» Gehaltes hatte er eine Villa in Castelgandolfo gebaut und führte ein luxuriöses Leben. Monzilli ist der Bestechung angeklagt Auf seine Ver anlassung wurde unter Luzzatti die zehntägige Abrechnung unter den Banken al'geschaffl, wrlckr der römischen Bank ihre illegiale Emission erleichterte. Monzilli sollte i» wenige» Tagen zuni Generaldirector befördert werden. Er batte auch einen be deutenden Antbeil an den letzten HandelSvcrtragSverhandlungen, wofür er einen hoben preußische» Orten erhielt. Die Reibe der Verhaftungen ist damit kaum abgeschlossen. Unzweifelhaft hat sich die Stellung der Regierung durch die Maßnahme gebessert. Das bat sich bereits klar und deutlich gezeigt durch die gestrige Abstimmung i» der italienischen Deputirtenkammer. Wie schon kurz telegraphisch gemelkct, nahm die Kammer nach langer heißer Debatte mit 271 gegen 151 Stimmen, also mit großer Mehrheit, die von Giolitti beantragte Ver tagung der sämmtlichen, auf Einsetzung eines parlamentarischen UntrrsuchnnqsauSschitffeS gerichteten Anträge auf .2 Monate an Das Cabinet Giolitti bat sonach in dieser heiklen An gelegenheit einen glänzenden Sieg über seine Gegner errungen und die Stellung des CabinctS hat dadurch an Festigkeit unzweifelhaft bedeutend gewonnen. Vom Panamascandal ist heute ;n melden, daß gegen wärtig in Paris die Gerichtsbeschlüsse in Betreff der in Untersuchung gezogenen Parlamentarier den Gegenstand des Tagesgespräche« bilden. Die endgiltige Entscheidung, ob Rouvier und die übrigen in die BestechnngSsache Verwickelten, gegen die der GeneralstaatSanwalt daS Verfahren nicht ein gestellt hat, vielleicht aus der Anklagebank zu erscheinen baben werden, wird erst am nächsten DieuStag erfolgen; an diesem Tage wird die Anklagekammrr über die VersolgungSanträge deS Untersuchungsrichters Beschluß fassen. Man glaubt all gemein. daß die Anklagekammer auch betreff» Nviivier'S Einstellung des VerfabrenS beschließen wird. Rouvier erklärte, zallS die Anklagckammcr seine Verfolgung be schließen sollte, werde er die Verhandlung des ProeeffeS vor dem Senat als obersten Gerichtshof begehren. In der Wohnung von Andrieux wurde beute eine Durchsuchung vorgenommen, um eine angebliche Liste bestochener Parla mentarier aufzustndeii. Die Durchsuchung blieb jedoch er- gebnißloS. Die „Republigue sranc,aisc" fordert die Regierung auf, den Abgeordneten Delabaye wegen Verlcniudnnz der Republik und des Parlaments gerichtlich zu verfolgen. Die Boulangisten sind zufrieden, baß Rouvier angeklagt wird. Die Opportunisten sagen angesichl« der Einstellung des Verfahrens gegen Roche, Aröue und Tbövenet, eS sei ein unerhörter Leichtsinn von der Regierung gewesen, gegen sie in theatralischer Weise vorzugrkc», ohne sich die Mühe zu nehmen, den Thatbesland auch nur flüchtig zu prüfe». JuleS Roche, der augenblicklich unwohl ist, wird die Absicht jligcschricben, in der Kammer einen Austritt kerbeizusühre», nm sich für die ihm grundlos angclbaue Schmach zu rächen. A röne war am Freitag bei seinem Erscheinen in der Kammer Gegenstand wärmster Kiintgednngrn seiner Freunde; Alles drängle sich um ihn, drückte ihm die Hand »nd uuiarmle ihn. Aber auch Rouvier wurde vielfach ähnlich ausgezeichnet, und man hörte in vielen Gruppen Verwünschungen gegen dir Regierung, die diesen wackeren Republikaner geopfert habe. — „Figaro" entwickell die Lehre, es sei besser, daß „einige Parlamentarier ihre übrigen» unansehnlichen Check» behalten, als daß man durch Fortsetzung dcS PanamascandalS Frankreich noch länger vor dem Auslände entehre." Man kann eS dein Sultan gewiß nicht verdenken, wenn er dir Okkupation der Engländer in Egypten nickt gerade mit vergnügten Augen betrachtet »nk nach einer Gelegenheit nuSschant, um der Herrschaft der Notbrücke im Lande der Pharaonen ein Ende zu bereiten. Bor der Hand hat daS jedoch noch seincgroßcn Schwierigkesten, und eS giebt viele Leute, die überhaupt nicht wünsche», daß da« englische Regiment in Kairo durch die Indolen; der Muhammedaner ersetzt werde. Unter solchen Umständen kann eS nicht ver- wunvcrn, wenn die seiten- der Pforte an die jüngsten Ercig niste in Eghpten geknüpfte Aclion keinen große» Erfolg auf weist. Man bat sich darauf beschränkt, den Beschluß zu fasten, durch den türkischen Botschafter in London, Rustui» Pascha, an Graf Roseberh die Anfrage zu richten, zu welchem Zwecke England seine Truppen in Egypten verstärke, und ob England glaube, daß sich die- mit der Oberherrschaft kr« Sultans und mit ter Selbstständigkeit de« Khedive vereinbaren laste Ferne wurde beschlosten, neue Weisungen an Mnlbtar Pascha zu senden. Der Sultan bat jüngst auch den russischen Botschafter Nelidvw in Audienz empfangen und mit demselben eine längere Besprechung über die ez^ptisLe Angelegenheit gehabt. Botschafter Relidow bat den Sultan in seiner Ansicht be stärkt, daß ein längere» Verbleiben der Engländer in Egypten Mit seiner Souverainetät unvereinbar sei. Man glaubt, daß der Sultan die OcrupationSfrage jetzt auf« Tapet bringen und von England eine bestimmte Erklärung verlangen werte, wann e« Egypten zu räumen gesonnen sei. Von Seilen Ruß land« bofft man, daß der Sulla» »ach den letzten Ereignissen in Egypten Und der dabei von den Mächten de« Dreibundes beobachteten Passivität sich Rußland und Frankreich annäbern werde. Wir sind überzeug», daß da« Alle« fromme Wünsche bleiben werden Deutsches Reich. vrrlin, 29. Januar. DaS Abgeordnetenhaus hatte gestern eine lebhaft bewegte Sitzung. Zunächst erörterteAdg. Arendt (sreicons.) beim Gebal» deS Präsidenten des StaatSininisterilims die Trennung diese» Amtes vom ReichSkanzlcramt, die sich nicht bewährt bade; auch bezüglich der Finanzen sei eine Personalunion zwischen Preuße» »nd dem Reich zu wünschen. Die Bemerkung, daß diese Dar legungen nur im eigenen Raine», Nicht sür die Partei, er- olgte, bestätigte der FractioiiSgenosse de» Redners, Abg. v. Zedlitz. Bei dem Etat dcS Ministeriums de« Innern kam eS dann wieder zu einer langen »nd erregte» De batte über die Jndensraqe. Abg. Graf Limburg- Slirum (cons.) tadelte den Minister wegen des Erlasses vom 7. Dccember 1892, der dem Landralh dcS Friedeberger Kreises wegen der Unterstützung eines Wahlaufrufs zu Gunsten des Abg. Ahlwardt bei der dortigen ReichstagS- wabl Mißbilligung auSsprach. Dir Conservirtiven bätlen dies als eine Kränkung empsiinke» »nd eS habe dem Ansehen der Regierung viel geschadet. Minister Graf Eulendurg be leuchtete die Gründe, welche die Negierung zu diese», Er laß bewogen hätten. Ablwardt bähe die Regierung in der schärfsten Weise angegriffen, und diese könne »>ckt dulde», daß Beamte die Wahl solcher Männer öffentlich unterslützle»; ie werte in ähnlichen Fällen stets so verfahren. Abg. Ho- ,'re ck t (iiat.-lib.) wies dieantisemitiscke Bewegungschars zurück; ie führe schließlich zur Gewalttliätigkeit. Mit der Religio» habe der Antisemitismus nichts zu tbun; er sei nickt edel, nicht deutsch, nicht christlich. Die Conservativen hätte» einen verbangnißvollen Jrrthilin begangen, alS sie sich in ihrem Programm für diese Bewegung erklärlen. Abg. Rickert (freis.) ging noch schärfer gegen die antisemitische Aushetzung und die Unterstützung derselben durch die Conservativen vor; er geißelte namentlich die vom Deulsche» Bauernbund be triebene Agitation und erhob den Vorwurf, daß dieselbe vo» hohen Stellen unterstiitzt würde. Abg v. Minnigerodc (cons.) vertlicidiglc daS Auftreten seiner Partei in der Jndcn- sragc; Ausschreitungen mißbillige auch sie; sie verlange aber in erster Linie eine christliche Obrigkeit. Abgeordneter v. Waldviv (cons.) schilderte die vo» den Freisinnigen im ArnSwaldcr Wahlkreis betriebene Hetze. Abgeordneter v. Plötz (cons.) verkheidigte die Bestrebungen de» Deutschen Bauernbundes. Die öonservativen Reden riesen dann wieder eine scharfe Entgegnillig de» Aba. Rickert hervor. Abg. Stöcker (cons) suchte die antisemitische Be wegung von seinem hinlänglich bekannte» Standpunkt auS zu rechtfertigen, wobei er sich namenilich gegen den Abg. Hobrccht wandte. Abg. Meyer-Berlin (freis.) führte auS, daß man Ailsschreililiige» einzelner Inden nicht dem ganzen Judenlhnm zur Last lege» dürfe und schloß mit einer sckarien Kc»uzeichn»iig Ablwardt'S. Weitere AuSsiikrnngen der Abg. Crenicr (cons), Rickert »nd Stöcker vermochten der Sacke keine »e»e Seite niebr abzugewinnen. — Mit Rücksicht ans da« Hobe politische Interesse, welche« die Debatte beanspruchen darf, tbrile» wir nack den Berichten der „Rat.-Ztg." von den wichtigsten Reden Einige« im Wortlaut mit: Abgeordneter Graf Liniburg-Stiruni (konservativ): Bei diesen, Titel muß ich auf die Tbätigkelt des „Reichs- und Staalsauzcigcrs" eingehe». Es sind da i» der letzten Zeit Publi kationen erfolgt, die mir nicht dahin zu gehören scheinen. Tos größte Aussehen erregte die Veröffentlichung >e»er be- rühmten Depesche, welche geeignet war, die gesellschaftliche Stillung deS größten Mannes in Deutschland zu unier- graben, einer Depesche, in welcher jeder Satz mit Frage» und A»s- rusungszeichrn verleben war Ferner will ich erinnern an die Veröffentlichung der Depesche, welche sich aus einen Er- preß'ungsversuch init gefälschte» Quittungen bezog und welche den Effect Halle, einen sonst hervorragenden, sehr tüchtigen Beamten, der in einem Augenblick vlelleichi die Dinge nicht so aulgesaßt halte, wie sic ausgesaßt werden svlllen, bloß zu stelle». Nachher vertraute inan diese»« felde» Veamlen einen wichtige» Posten an. Es handeiic sich »in eine Sache, von der Jeder sagen miißle, es war »in Schießen mit Kanone» »ach Spatzen. Es lonntr sich mir um einen gemeinen Ervrcffungsversuch handeln. Ter drille Fall, de» ich im wecicllcn Austrage meiner politischen Freunde erwähne, bezieht sich aus eine Veröffentlichung de» „RcichSaiizcigcrs" von« 7. December Es wurde da mitgethciit, daß der Minister de- Innern Vera», lassunq genommen habe, de» Landratii de» Friebebergcr KreiieS wegen Unterzeichnung eines Wahlaufrufes seine ernste Mißbilligung z» erklären. Ich betone vorweg, daß Ich die Thai- sacke, daß dem Beamten die Ansicht der Negierung in einer miß billigenden Weise inilgelheilt wurde, einer Kritik nickt unter,ziehen will. Wir daben der Negierung jeder Zeit zngestimdeii, daß sie die Lisciplinarmiliel gegen die Veamlen frei anwenden darf; eine starke Reaicruna muß daS Recht dazu haben. Meine Parlri Hai auch in den letzten Jahren keine Fälle zur Sprache gebracht, in denen die Diseiplinargewalt benutzt worden ist, um repressiv gegen tue politische Tdäligkeil von Beamten vorzuaehen. Aber in diesen« Falle ist noch dazugekommen, daß dieser Verweis publlclrt worden ist, und da dieses Disciplinarmittel gesetzlich nicht vorgesehen ist, so nehme ich für unS daS Recht ln Anspruch, diese Sache «» kritisiren. Die Publicalio» hat zwei Seiten: Einmal die Verschärfung der DiScipliuarmaßregel. Ta muß ich sage», daß »ach unserem Gefühl diese Verschärfung eine», tüchtigen, allen Beamte» gegenüber nicht verstanden wird. Es hat in uiiscrcm Kreise verletzt und den Ein druck verstärkt, daß man glaube, als könne man Eonservaüve exceptionell schleckt behandeln. (Heiterkeit link-; sehr richtig! recht».) Tie Sache Kal aber noch eine andere Seile. Die Veröffentlichung löniite die Bedeutung einer Stellungnahme der Regierung zu den politischen Wabien haben, n»d da muß ich sage», daß ich es nicht sür richtig dolle, wenn die Regierung i» solchen Fällen bei der Wahlagitation gleich von oben herab mit solcher Entschiedenheit »nd In solcher Hast Stellung nimmt. Ich bin der Meinung, daß sich das zusaninienbrlngen läßt mit den befremdenden und vom Jan» gerissenen Aenßerungen des Reichskanzlers Über dieselben Dinge im Reichstag. Wir man zu diesen politischen Fragen sieben mag, die Meinung wird man wohl daben können, daß eine starke, selbstbewußte Regierung voll kommen in der Lage ist, die Dinge sich selbst ablplelen zu lasse». Tlese drei Fälle baden etwa- Geineiniames. Es macht den Eindruck, alS ob man in den Fällen etwas dätte erreichen oder th»n wollen, sie machen den Eindruck de- nicht lleberlegien, Nervöse», nicht dessen» waS man von einer ruhigen selbstbewußte» Regierung hätte erwarten können, welche sich über ihre Kraft vollkommen klar ist. Ich dap wohl mein Bedauern Über diesen Eindruck au-svrechen. Dlc Sache tat doch nicht de» Effect gemacht, den man gewünscht hat. Sie dat dem «„jeden und der Popnlnritlit de« Manne- nicht geschadet, sondern vedauern hrrvorgerulen. Ich habe den dringenden Wunsch, daß der „Reich«» »ad Staat-aazelger" ein Blatt sei, für welch«« wir die Mittel bewilligen, damit die Regierung stark dafiehe, nickt aber, damit eS durch ungeschickte Verwerthung benutzt werde, die Regierung zu schwäche». (Lebhafter Beifall recht?.) Ministerpräsident Graf Eulenburg: Zunächst kann ich dein Vorredner darin bristimmen, daß der „Reichs- »nd Staatsanzeiger" mit Vorliebe von der Regierung gebraucht wird und zwar nur in Fällen, wo eine Knndgebinig der Regierung geboten oder dringend «»gezeigt ist. Ich hoffe auch, auf sein« Zustimmung rechnen zu durseii, wenn ich aus die Depeschen, die aus den Fürsten Bi s marck und den Welsensonvs Bezug daben, nicht näher ein st ehe. Er weiß, daß die Beröfsentlichnngr» nicht von mir aus- gegangen sind »nd die richtige Beleuchtung dieser Verhältnisse nicht wohl von einen. Andere» erfolge» kann, alS von dem, von dem sie auSgegange» sind. Um so näher liegt mir eine Antwort ans die Anregung de- Vorredners bezüglich der Veröffenl- iichung über die Wahl in Ar » swalde. Es wurde gesagt, der gleichen Tinge würen Zeichen von Nervosität, von Ueberhuslimg, von nicht vollständiger ilebcrlegung. Mir ist fremd, woraus diele Behauptung gegründet ist. Aus die Form nud den Inhalt der Veröffentlichung lann sie sich nicht gründe». Die knrze Notiz lautete: „Der Minister deS Innern dal dem Landralh des Friede- derger Kreise» wegen Unterzeichnung eines Wahlausruss für Recior Ahlwardt seine ernste Mißbilligung ausgedriicki." Ich glaube, kurzer und riusacher kann eine wiche Notiz nicht sei». Wen» ferner der Vorredner den Verdacht äußert. Laß die Regierung darauf ausgehen könnte, die Eonservative» oder gar würdige alte Beamte, wie den Landrald vo» Bonistedl, besonders schleckst zu behandeln, W denkt er vielleicht nn seine eigene Erfahrung «Heiterkeit links. Unruhe recht»!. Ich will aus diele Seite der Sache nickt mehr eingeden. Ich muß aber sagen, daß es nicht unsere Absicht war, »ach irgend einer Richtung für oder gegen eine Partei vorzu- gehen, sondern es bandelt sich um die Veruriheilniig und Kenn zeichnung einer Handlung, die diesem Eandibale» gegenüber im Wahlkreise erfolgt war, und wen» inan sich vergegenwärtigt, was. von diesem Manne in seinen Pamphirtrii gegen die Regierung, gegen die Armee, gegen die gesammle Verwaltung veröffentlicht worden war, dann bin ich der Meinung, daß man nicht allein berechtigt war, zu sagen, daß es siir einen Beansten, der an der Spitze des Kreises war, nicht gebörig war, für die Wabl eines solchen Mannes «inzulrelen Beisall links), sondern man war dazu ver- pslichlkt lBeilall links). Die Regierung darf dergleichen Dingen gegenilber nicht zweideniig sein. Wen» sie gleichzeitig gegen die Angriffe, die Herr Ahlwardt in der Oeffentlicksieit gegen uns gemacht hat, zu meinem Bedauern nach dem Strafgesetzbuch nicht in der Lage war, schärfer vorzngehen, und es gleichzeitig geschehen ließ, daß Beamte sür jeiac Wadi clntretc», du»,: wäre bas Urlheii berechtigt gewesen, daß die Negierung lm Stille:! die Handlung,weise und die Agitation dieses Herr» nickst so mißbilligt, wie sie cs verdient. Darum geschah die Veröffentlichung (Sehr richtig! links«; ich lonn diiizujetzen, z» meinem Bedauern »ilihle ich sie machen. Ich habe nngedeiilct. daß der Monn, de» sie tras, ei» würdiger und edren- wertder Man» ist, der deshalb, weil er sich in kiiieiu Piincle bei der Wahl nickst so verbauen dat, wie cs nach meiner Ucberzeugiing richtig ist, nickt das Vertraue» verlier!. ES ist nicht gern geschehen, es war aber eine absolute Nothwendigleit, nud vorkom- inende» Falls wird eS ganz gewiß wieder ebenso ge- schekrn. (Beisall links.) Abg, Hobrccht inatlib.): Mir ist gestern eine Trnckschrisi ans dem Friedeberg-Arnswalder kreise zugegniige» von eine,» dortigen Gutsbesitzer, welcher niitldeill, daß er im erste» Wadl- nnge seine Stimme mir, il» engeren Wadigangc aber Herr» lhlwardt gegeben bnbe. Das ist die äußere Veranlassung, a»S der ich das Wort erbeten habe. Ich Kälte es aber auch so aeihaii, nm Namen» meiner politischen Freunde meine Zu stimmung zu den AiiSsührungen des Ministerpräsidenten z» geben. Auch ich trenne von der letzte» Angelegenheit, die sich aus die Wulst in Friedeberg-Arnswalde bezieht, völlig die frühere Publicalio». Deiil Vedauern über jene bela» nie Vcrösscntlichung bezüglich des lriihcre» Reichskanzler- stimmt leine Partei lebhafter bet, als die unsrige. (Tehr richtig!) Aber ich glaube, der Gegenstand hängt mit dem, aus den es dock, eigeistiich dem erste» Redner ankain, nur sehr lose zusammen. In der Druckschrift sagt der Verfasser, daß er sich wegen der Verwert', tickkeit der von freisinniger Seite »»-gegangenen Machinationen eiilschloffcn habe, sur Herr» Ahlwardt zn stimmen. >,Hvrt, döri! rechts.) Ich sürchte, diese Beurthellung der freisinnigen Agitationen ist eine richtige. Aber dennoch mochte ich er klären, daß die Schlußsoigerung, zu der der geehrte Herr gekommen ist. keine richtige war, und daß dieselbe auch von olle» meine» volitischen Freunden acinißbilligt wird. Ahlwardt ist der Vcr- treter de? jetzigen Antisemitismus und dlcirr verdient nicht, mit irgend einer Partei — mit irgend einer anderen! — aus gleichen Fuß gestellt z» werden. Er appellirl an die niedrigsten Instinkte der Masten, er dat schon gar kein denkbare» mögliche« Ziel, seine Wirkung ist die Deprn- valivii der Verfolger sowohl wie der Bersolglen »nd schließlich müssen rode Exeesse daraus entstehen. Wir freuen uns, daß die StaaiSregieriing sich die Gesahr vergegenwärtigt, uni die eS sich handelt. Wir können von hier aus nur das Eine ihnn, wir muffen dafür sorgen, daß auS unseren Kreisen diele agitatorische Bewegung keine Förderung und Unterstützung erfährt. Und, meine Herren, die nächste Ausgabe aller Gebildete» und aller Paricien muß doch die sein, der Ausreizung roher VolkSlekdenschastcn ent- gegenzuwirken durch Beispiel »nd durch Wort. iBravo! links.) Wenn beule die Verfolgung der Hexen von irgend welche» gebildeten Kreisen nur einige Nachsicht fände, — aus euieni Mangel an Anllaaern und Zeuge» wurde das Anzündr» von Scheiter- Kaufen nicht liNterbleiben. (Hört, hört! links) Das haben wohl auch die besonnenen Führer der Conscrvalive» vor Augen gehabt, als sie ln den Entwurf ihres Programms den Sah dineinbrachlen, der Ausschreituilgen des Anlilciiiili muS verwirft. Aber daß dieser Satz auf Grund der ansdriicllichen Forderung gestrichen wurde, die conlervalivc Partei muffe agita torischer Vorgehen, oder demagogischer, wie es da heißt, daß er ge strichen wurde angesichts der Vorgänge in, Proceß Ahlwardt, das hat eine große und sehr dedauerttche Bedeutung, Die antisemitische Bewegung hat nichts mit einem reiigiöleii Bedürfnis! zu tdu». Das Verlange» nach einer Vertiefung »nd Befestigung unsere- kirchlich-religiösen Lebens steht sogar >m inneren Wider- svrucki mit diesem Treiben und mit der Verunglimpfung einer Religion, an der doch nun einmal Tausende unterer Mitinc» chen bängen lZuruse rechts.) Ihr Zweifel darüber wird beteiligt durch die Erklärung, die Ahlwardl und seine Freunde ausdrücklich abgegeben hoben; ihnen ist der gelauste Jude um nichts mehr wcrtb, als der ungetanste. Es ist ausdrücklich erklärt worden, daß es aus die Abstammung, die Rasse onkomint. Mir scheint sogar Herr Ablwardt ausrichttger zu sein, als diejenigen, welche ihm Vorschub leisten und dann doch die Hände ln Un schuld waschen, wenn diese »iiausbleiblichen Exeesse einirele», — die s.ch der antiiemittichen Agitation bedienen und blos nickt wünschen, gerade „Unter de» Linden" von de» Antisemiten gegrüßt zu werden. iHriterkeit link» ) Sie widersprachen mir, vis ich eben behauptete, diese ganz« Frage dabe nicht- zu tdnn mit einem kircd- llch-retigiöfen Bedürfnis!. Ick dabe hierfür »och einen Beweis an der Berathung des IuflizelaiS. Bei der zweiten Lesung drs Justizetat» wurde mir «ine Broschüre des Proseffors der Theologie I)r. Strack mit dem Wunsch« übergeben, sie zur Sprach« zu bringen. E« war rin» Beschwerde über dl» Justizverwaltung. Er
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