Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.02.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-02-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930213022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893021302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893021302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-02
- Tag1893-02-13
- Monat1893-02
- Jahr1893
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Vezugs-PreiS k> d« Haaptexpedition oder den im Stadt, teztrk i,ad de» Bororten errichteten «>,»- ! bestellen abgeholt: vi»rteI,Shrlich^4.äO, kei zweimaliger täglicher Zustellung tn» tzau» 5.50. Durch die Post bezogen sür Deatschland und ».etrerretch: vierteljährlich > 8.—. Direete tägliche Kreuzbondjenduug ind Ausland: monatlich 8.—. lieMorgni-AuSgabe erscheint täglich '/,? Uhr, die Abend-Aurgade Wochentag« 5 Uhr. Ledarlion »nd Lrpedition: J,tzanne«,affr 8. Lie lkrpedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abend» 7 Uhr. Filialen: ttt» -lrmm « Sortim. (Alfred Hahn). Universitütrstraffe 1, Louis Lösche. Katharknenstr. 14, pari, und KSnIgSplatz 7. .V? 80. Abend-Ausgabe. äprlgtr.Tllgtblalt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, tzandels- und GeWftslxMir. AnzeigenPreiS Die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Rectamen unter dem Redaetioa-strich <4 ge- spalten) 50^. vor den Familieuaachrichten (6 gespalten) 40/4. Gröbere Schriften laut unserem PretS- verzeichniß. Tabellarischer und Zifferasatz »ach höherem Tarif. Extra-vktlagen (gefalzt), nur mit de. Morgen. Ausgabe. ohne Dostbeförderuatz 60—, mit Postbesörderung 70.—. Ännalsmelchluß für Anzeige«: Abend-AuSgabe: Vormittag« 10 Uhr. Morgen«Au-gabe: Nachmittag» 4Uhr. Sonn- und Festtag» früh ",0 Uhr. Bet den Filialen und Annahmestelle» j« ein« halbe Stund« früher. Anzeige» sind stet» an dl» Er-editta« zu richten. Druck und Berlag von <k. Potz tn Leipzig. Montag, den 13. Februar 1893. 87. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 13. Februar. In einer ziemlich lebhaften Sitzung hat die Mititair- commission am Sonnabend den „allgemeinen Theil" ihrer Beratbungen geschlossen. Es war an diesem Tage mehr von der Marine als dem Landherr, um daS cS sich dock bandelt, die Rede, eS wurde über Wesen und Zweck der Franckcnstein'schen Klausel gesprochen, Direktor Aschenborn von, Reichsschatzamt lezle den Finanzen der Zukunst die Karlen, der andere Weis sager, Herr Richter, ldat dasselbe, natürlich mit entgegen gesetztem Ergebniß u. s. w. Herr v. Bennigsen zog daS Facit der finanziellen Berathung, indem er bemerile, da« sie keinen praktischen Zweck gekabt bade. Charakteristisch für den neuen CurS ist eS, daß der nationalliberale Führer, der seiner Zeit die Franckenstein'scke Clausel aus das Entschiedenste bekämpft hatte, sich veranlagt sah, den Bertreier der Regierung sebr deutlich daraus aufmerksam zu machen, daß die Hereinzirhung der Clausel in diese Debatte und ihre Behandlung als czuantit« nLgligvudle wenig politisches Geschick vcrralhe. Herr Lieder stellte sogleich die agitatorische Nutzanwendung der RegierungSlaktik in Aus sicht, die bayerischen Klerikaldemokralen werden auch sicherlich nicht verfehlen, aus den „bedenklichen Anschauungen der Reichsfinanzvcrwaltung" Capital — gegen die HeereSrcform zu schlagen. Nun ist das Vorspiel zu Ende und cS wird sich bald Herausstellen, ob die Regierung bei den morgen beginnende» Berhandlungcn über den Inhalt der Borlage in der „Kunst des Erreichbaren', wie man die Politik »ul Recht bezeichnet hat, sich reifer zeigt als bei der diplomatisch finanziellen Erörterung. Wie e« scheint, gedenkt die Mehr zahl der Parteien, sie zuerst zu einer bindenden Erklärung über die zweijährige Dienstzeit zu veranlassen. Es sind zu diesem Zwecke bereits drei Anträge eingcbracht ein socialdemokratischer, welcher die zweijährige Dienst, zeit sür alle Truppcntheile verfassungsmäßig festlcgcn will, ein deutschsreisinniger, der diese Verfassungsänderung nur für die Fußtruppen fordert, und ein Antrag Bennigsen, auf gesetzliche Einführung der zweijährigen Dienstzeit auf so lange, als die letzt sestzusetzcnke Friedensstärke nicht ver mindert wird. 8. l der Regierungsvorlage besagt bekanntlich, der erhöhten Friedensstärke liege „die Voraussetzung zu Erunde, daß die Mannschaften der Fußtruppen im Allgemeinen zu einem zweijährigen activrn Dienst bei der Fahne gehalten werden". DaS ist überhaupt keine Gesetzessassung, sondern nur die Feststellung der Thatsache, daß die Regierung de absichtigt, die Fußtruppen zwei Jahre dienen zu lassen und auch das nur „im Allgemeinen". Diese Willkür der Militair- verwaltung werden höchstens die Cvnservativcn und ein Theil ter Reichspartei zulasse», sie widerspricht überdies der amtlichen und halbamtlichen Begründung deS Entwurfs, in der die wirth- schastlichen Segnungen der zweijährigen Dienstzeit eine so große Rolle spielen. Der socialdcmokratische Antrag ist natürlich nur demonstrativer Natnr. Diese Partei würde daS ganze Ersetz auch dann verwerfen, wenn es die zweijährige Dienst zeit für alle Truppcntheile verschriebe. 'Der Unterschied zwischen dem deutschfreisinnigen und dem nationallibcralen Anträge ist kein sachlicher, sondern nur ein formaler. Nach Ablauf deS jetzt zu beschließenden Gesetzes über die Friedens stärke stünde nämlich die Regierung vor der Wahl, die zwei jährige Dienstzeit gesetzlich weiter zu bewilligen oder sich eine Truvpenverminderung und überhaupt den Wegfall der jetzt verlangten Neuorganisation gefallen zu lassen. DaS Letztere würde militairisch zu einem Chaos führen und politisch die schwersten Gefahren herausbeschwörcn, eS muß also daS Erstere eintreten, auch ohne verfassungsmäßige Fest setzung. Gegen diese sprechen zwei Erwägungen, eine taktische und eine grundsätzliche. Die Conscrvativcn wären sür kein Conipromiß zu haben, das die Bestimmungen der Verfassung über die Dienstzeit ändert. Sie baden zu entschieden ihre principielle Abneigung gegen die Aushebung der dreijährigen Dienstzeit kundgegebe», als daß man ihnen, wenn man überhaupt etwas zu Stande bringen will, zumutben dürste, dem thatsäcblichen Verzicht auch die grnndsätzliche Preiögebung hinzuzusügcn. Ein principiellcs Bedenken gegen die Verfassungsänderung wird aber auch aus vielen Seilen gehegt, wo inan, mit den Deulscbsreisinnigen, die zweijährige Dienstzeit und, gleichfalls mit den Deutsch- freisinnigen, deren Beschränkung aus die Fußkruppen will. E« würde durch die Ausnahme der zweijährigen Dienstpflicht sür die Fußtruppen eine Ungleichheit in die Verfassnngsurkunte getragen, und zwar nicht, wie bei den Einjährig-Freiwillige», zu Gunsten, sondern zu llngunsten einer qualisicirte» Minder heit. Nicht, wie Herr v. Bennigsen vvrschtägt, ei» befristetes Gesetz, sonder» die Verfassung würde dann — als etwa» unabänderlich Scheinendes — vorschrciben, daß die zu de» rcitenten Truppen Aiisgebobencii ein Iakr länger zu diene» haben, als die große Mehrzahl der andere» Dienstpflichtige». Und zwar tritt die Mehrbelastung ein sür Ausgebobeiic, welche sich durch körperliche und ankere Vorzüge auSzcichne». Hat man doch gesagt, die Baucriiburschcn, die Fubrknechie u.s. w. sollten dafür bestraft werden, daß sie kräftiger sind und mit Pferden umzugchen wissen. Diese Kehrseite der zweijährigen Dienstzeit für die Fußtruppe» ohne jedes praktifche Bedürf- niß in der Verfassung hervortrete» zu lassen, empfiehlt sich nicht. Der Unterschieb muß >a tbal'ächlich gemacht werde», aber eS gehört eben auch zu de» undefiiiirbare», unineßbaren Dingen, daß eine in dem Grundgesetze, welche- von den Rechten und Pflichten aller Deutschen handelt, ausgesprochene Ungleichheit härter empsunten wird, als wenn sie tuich die Praxis oder die gewöhnliche Gesetzgebung-Maschinerie in zeitlich beschränkter Weise herbcigesübrt wird. Diese Erwägung tritt zu der praktischen, daß eine Versassungsänderung niemals die Zustimmung einer bei der jetzigen Zusammensetzung de« Reichstags uncnlbchrlichen Partei und wohl auch nicht die der Regierungen erhalte» würde. An diesem Puiicle wird übrigens auch ei» Conipromiß nicht scheitern, auch nickt an dem Ilmsang de- Briinigscn'schcn VcrmitlelungSvorschlagS. Dir entscheidenden Frozen siub, ob die Regierung überhaupt eiitgegenkommen will und ob ein Theil des CentrumS und der Teutschsreisinnigcu mit Rücksicht aus ikre Mandate ent- gegenlouiiueu zu dürfen glaubt oder nicht. Einstweilen betet das Centrum um den Umscstl des DeutschfreisinnS und dieser um das gleiche Ercigniß beim Centrum. Was natürlich i» den leitenden Parteiorganen nicht hervortrilt. Wir haben schon gemeldet, daß daS neue spanische Cabincl mit seiner auf Ersparnisse im Militär budget und die hierdurch allein mögliche Wiederherstellung des finanziellen Gleichgewichts im Staatshaushalt lnnauo- lausenden Rcsormpolitik in den davon betroffenen milita>rischen Kreisen auf große Schwierigkeiten stößt. Es ist deshalb von Interesse, zu wissen, welche Vorschläge der spanische Kriegsminister, der die volle Zustimmung seiner College» aus seiner Seite hat, den CorteS zu unterbreiten gedenkt. BeacktenSwerth sind namentlich die Maß nahmen des Krieg-minister- zwecks Verringerung des ungeheuerlichen OsficiercorpS von 500 Generalen und 2l 000 Osficiercn. Die große Kriegsschule von Toledo — die Fachschulen der Artillerie, Cavallerie und Ingenieure nehmen nur dann Fähnriche auf, wenn dieselben aus der toledanischen Kriegsschule militairisch vorbereitet sind — soll zwei Jahre lang keine Zöglinge ausnehmen dürfen Die GeucralSchargen werde» verringert werden, indem die Gencraliiispeelionen der Infanterie, Cavallerie, Artillerie, deS GeniecorpS, der Intendantur und des SanilälSwesens abgesckassl werde»; Gendarmerie und CarabineroS > Zollsoldaten » werden in eine einzige Inspectio» zusammengczogen. Die über flüssige» Comitös, an deren Spitze Generale steken, zum Beispiel das der Vcrlbeidigung, res Ersätze-, der Bewaffnung, der Taktik n. s. w., werten ebensallS aufgelöst. Mir wenigen AuSnahinen, wie in Centa, Mclilla, im bc festigten Lager unweit von Gibraltar und aus den cauarischc» Inseln, werten säinmtlichc Militair - Gouverneuients auf gehoben. Wurden tocki die >0 spanischen Provinzen bisher von je einem Civil- und einem M>litairgouvcr»eur regiert; tcr Letztere sungirte auch in solchen Provinzen, in welche», wie in Aslnric» und Cncereö. gar kein Militair liegt. Ferner wird taS Militaircabinct der Köiiigiu-Regciitin mit dem OssieierS- pcrsonnl der beiten Leibwachen vereinigt. Damit dic Einziculing so vieler Generalckargeu tas Avancement tcr 3l ooo Lsficicre nicht beeinträchtige unk damit tic Fähigkeiten der vorhautencn Generale aus aiigeniessencr Höhe erhalte» bleibe», müssen dieselben fortan »ach Znrücklegung des 05. Lebens jahres ihre Entlassung aus kein aeliven Dienst nehme». Die spanische Armee wirk fortan aus sieb e»A rmeecorpS bestehen. Die vorhandenen Ol Iiisantericreginlenter werten in I I Di visionen und 28 Brigaden foriuiri. Die 22 Iägcrbataillviie werten 5 Brigaden biltcn, welche ausschließlich in Centa,Melitta, vor Gibraltar, aus den Balearen und aus den canarische» Inseln stehen sollen. Bei tcr Cavallerie.Artillerie und dem GeuiceorpS werden gewisse Stellungen — je zwei Schwadronen und je zwei Batterien wurden bisher von einem „Coinmantaiitc" i Major) befehligt — abgeschasst und dafür die Anzahl der Mannschaften vermehrt. In sämnillicheii militairischen Bureaux wird tas Personal um mintestcns die Hälfte, bei einigen um drei Viertel verkürzt. Die LfsicierssteUe», welche durch den llebertritt aus der aetiven Armee in die Reserve vaeant werde», sollen solange nicht besetzt werten, bis das aetive Lsfieiercorps aus die uncnlbehllichc Zahl zusammen- gcschinolzen ist. Die italienische Depulirtcnkammcr hat sich in einer ihrer letzten Sitzungen ausnahmsweise nicht mit tcr Bank- krisis, sondern mit tcr Angelegenheit des Hafens von Biscrta beschäftigt. Der Inlerpellant betonte, daß Biscrta als Krieg-Hafen eine ständige Gefahr für Italien bilde. Die Lage diese- OrtcS sei für Frankreich günstiger als Toulon, und sowohl Sicilien wie Sardinien seien einem Handstreiche aiiSgesetzt, aber auch die östlichen und westlichen Miitclnieer- küsten bckrobt. Man glaube de» Beruhten tcr französischen Blätter nicht, daß die Hasciiarbeikcn in Biscrta rein kanf- iiiännnischen Interessen diente» Man habe daber das Recht und tie Pflicht, obne an einen Angriff zu denken, die Verthcidigung vorzubercitc». Der Kriegönnnistcr vermied cs, sich bei Beantwortung der Frage in Details cinzulasseii, gab jedoch beruhigende Versicherungen i» Bezug auf tie Befestigungen in Sicilien. — Was die Bankkrisis anbelaiigl, so brachte jeder Tag ter vorigen Woche auch neue Enthüllungen über straffällige Unregelmäßigkeiten bei tcr Banca Romaiia. Zn den Vertretern tcr Forderung einer parlamentarischen Untersuchung-conlinissiou gcböri jetzt in erster Linie CriSpi, dein cS vor allem darauf ankciumt, sestzustellen, daß wäbrend seiner Minister- präsitcntschasl die Baut nicht zu Ausgaben veranlaßt worden sei, Feuillctsn. Der Sonderling. 7s Roman von P. FelSberg. NachdniL vkrbolm. (Fortsetzung.) DaS Volk besitzt einen feinen Instinct in Deurtheilnng Derjenigen, die «bin Wohlwollen oder abgeneigt sind; eS ist stark in seiner Liebe und dankbaren Verehrung, aber fest und gefährlich in seinem Haß gegen Stolze und Hochmütl'ige, deren Verachtung cS doppelt und dreifach mit Gleichem ver gelten kann. Die Kinder de- Pächters, die setzt schüchtern, aus der Ferne dieGescllschast betrachtend, die krausenBloiibköpschen zusammen- stecklen, meinten ernsthaft: „DaS stolze gnädige Fräulein ist da, wir wollen lieber wieder sortgchen." „Aber da- Baroneßchen will nicine Arbeit sehen", rief ein- und da» andere setzte rasch hinzu: „Und mein Gedicht über hören und mit mir rechnen." DaS waren nun wichtige Dinge für die Kleinen, und darum wagten sie sich auch ganz langsam vor mit ihren Büchern und Heften, bis endlich Rosa sie bemerkt batte und ihnen freund lich zunicktc. „Verzeihen Sie, Doctor, da kommen meine Kinder", lächelte sie und stellte »ui, die kleine Gesellschaft ter Reihe nach vor Sie gaben alle mit großem Anstand ihre Händchen, die sehr sauber gewaschen waren, wie Rosa mit Freuden bemgrkte „DaS ist reckt, daß Ihr gekommen seid, ehe Ihr z»r Schule gebt; nun wollen wir gleich sehen, wer am besten gelernt hat, ter bekommt auch seinen Lobn von mir." Die Art. wie Rosa mit der Kinkcrsckaar umging, gefiel IusluS außerordentlich. Er liebte Kinder, obwohl er sich nickt gar zu viel mit ihnen befasse» konnte, aber ein gutes Wort fand er dock immer; sie hatte» ihn alle gern, stinc wohlwollenden Blickt vcrrirtben dem kleinen Volk, daß er ihm gut war. So war e- auch jetzt ; sie blickten ganz zutraulich zu ihm auf. nur Gertrud betrachtete» sie scheu, wa« IustnS nicht entgehen konnte. Er erhob sich und nabm rasch Abschied von den jungen Damen. Heule reichte er zuerst Gertrud dir Hand, blickte ihr abermals tief in die Augen, wie in einer stummen Frage, sür die sie jedoch kein Verständnis zu baden schien, da sie gleichgiltig an >dn> vorübersehen wollte und e» dock nickt konnte; beinahe feindselig folgte sie der Gewalt seine« Blicke«, und sie entzog ihn, catch vir Hand, welche er warm um schlossen gehalten. „Aus Wiedersehen, mein gnädiges Fräulein", sprach er leise und wandte sich zu Rosa und den Kindern, von denen er herzlich sich verabschiedete. Die Baronin gcleitrte ibn ins HauS, ihm die Papiere ihre» verstorbenen Gatten auSzuhändigen. „Es wäre ein Segen für Felde», wenn Sic Graf Schönburg sür die Idee begeistern könnten, welche meines seligen Galten Lebenszweck geworden war, der indcß nicht zur Verwirk lichung gelangte, weil er immer vergeblich auf die Rückkehr des Grafen gehofft, mit dessen Hilfe allein sich die Idee auS- führcn ließ." Mit diesen Worten übergab die Baronin IusluS die Schrift ihre» Gatten, die ihr ein thenreS Vermächliiiß war. Doctor IustnS dankte mit herzlichen Worlcu für das ihm geschenkte Vertrauen, küßte ehrfurchtsvoll die Hand ter Baronin und ritt dann inS Dorf, nach seinen Kranken zu seben. Er kam noch zeitig genug nach dem Schlosse, um vor dem Diner, welches um 5 Ubr angericktct wurde, einen Blick in die hinterlaffenen Schriften des Barons zu Wersen. Der Inhalt und die Art und Weise deS Verstorbenen, seinen Gedanken Ausdruck zu geben, fesselte» ihn bald so sebr, daß er nur ungern sich erhob, als der Diener erschien und ibin meldete, da« daS Mahl seiner karre. Gedankenvoll schritt er dem Schlosse zu und betrat in ernster Stimmung den Speisesaal. Er batte Zeit genug, bis der junge Ofsieicr erschien, sich zu sammeln, um demselben mit einem gleichgiltigen Wort entzegenzutreten. „Doctor, endlich da — scheint eine blühende Praxi» zu werden für Sie Haben Sie interessante Fälle hier — was?" „Interessant nicht, aber traurig. Ein Arzt wird hier kaum helfen können, wenigsten» nickt allein. Ein Genie muß da eingreisen, um dem Elend zu steuern." „Verderben wir un» um Gotte» willen nickt den Appetit mit Schilderung von dem Elend andererl Sorgen Sie dafür, lieber Doctor, daß mein Onkel ein paar Kundert Tbaler spendet; darauf kommt eS ibm nicht an, mir auch nicht — wahrhaftig nicht! Hier, Doctor, nehmen Sie, geben Sie, wo e» Notb thut; bin selbst in der Klemme, aber die paar Dinger kann man schon entbehren — aber nickt sprechen darüber, Lumperei, Bettelei mag ich nickt leiden." Der Officier batte den Hnbalt seiner Börse, der in mehreren Goldstücken bestand, vor Iustu» hingeschüllet; dann begann er mit Behagen den Burgunder zu schlürfen, ter vor ibm im Glas« funkelte. Während der Mahlzeit brachte wiederholt Iustu» da» Thema auf die Notb in Felben, sprach von den Ideen kr« Baron«, dir der ganzen Umgebung znm Segen grreichrn sollten, aber er fand kein williges Ohr bei dem jungen Manne. „Verschonen Sie den Onkel mit solchen Dingen. Bitte Sie, Doctor, was grbcn »ns im Grunde genoniiiien die Leute in Felten a»! Die jungen Damen im HerrenbauS aiisgrnvninie», interessirt mich kein einziger. Schöne- Mädchen, die stolze Gertrud, Rasse, wird irgend einen alten General beiratben, tau» ist sic versorgt; eigentlich schade uni sie, gefällt mir, stolz wie ei» Salan, liebe da« — immer kolossaler Triumph, solch spröde» Herz zu besiegen." Der Gras begann nun, manche» seiner Triumphe zu erzähle», ohne,Namen zu nenne»; DiScrction war ibm wirk liebe Elneusachc. Doctor Iustu» schnitt das Tbema ab mit der direkten Frage, wie der Neffe de» Grasen sich tie Zliklinst denke, im Fall der kränkliche Herr ihn zum Erben einsetzen sollte. Die Helle Rötbe der Freude schoß in daS Gesicht de- OffieierS, seine schönen Auge» blitzten, und seine seinen, weißen Hände zupften nervös an dem kecken Schiiurrbart, a!S er vcrnabi», wie groß der Reichthum seines Onkels war, welche Eiiiküiiste derselbe bezog „Wirklich-Doctor, solch Vermögen ist fürstlich! Der Onkel könnte leben wie ein Gott, statt Grillen z» fangen — werd' cS ander« machen, die Welt soll von mir reden; liebe Sonder ling zu sei», aber anderer Art Geld, Reichtbuni ist da, »>» auSgegeben zu werden, sich Genuß zu schaffe»; Doctor, Sie sollen als mein Leibarzt staunen, was ein Mensch mit solchen Revenue» schaffen kann." ,.O ja — sebr viel Glück — daS habe ich jetzt cinsehcn gelernt", gab langsam Iustu» zur Antwort. Tie Phantasie des jungen Verschwenders begann herrliche, farbenprächtige Bilder zu entwerfen von dem Leben, das er zu führen gedenke, wenn da» Erbe seines Oheims ihm zu- gesallcn sei. Der Wein, der zu schwer war sür seinen augenblicklichen GcsnndbcitSzustaiid, weitete ihm das Herz, da« eS schwelgte in unbegrenzter Wonne bei dem Vor- genuß der Zukunft, die so bezaubernd vor ihm sich aufgelban. Doctor IustnS lauschte ihm mit gesenkten Augenliekern; ein ernster Zug lag über seinen Mienen, den Gras Güntbcr nicht eber beachtete, als bis der Arzt kurz fragte: „Und wann. Herr Graf, gedenken Sic mit Ihren Gütern so ge- wirtbsckastet zu baden, daß dem Erben de» Majorat» nicht« bleibt, um die Schuldenlast zu decken, die darauf lieg», die alle Einkünfte verschlingen wird?" „Doctor, da» verstehen Sie nicht", gab er leicht- mütbig zurück Iustu« erhob sich, da« Diner war längst beendet, er schritt die von den einzelnen MinisterrcfsortS nicht verantwortet werden konnte». Die Verhafteten Tanlongo und Lazzaroni haben auSgesagk, daß die in der Bank fehlenden Millionen in Form von Bestechung-gelber» ausgegebrn wurden, um einflußreiche Personen und die öffentliche Meinung sür die Interesse» ter Bank günstig zu stimmen. In Rußland ist bekanntlich der Zar unbeschränkter Sclbstkerrsck'er, gegen dessen UkaS eS keine Berufung giebl; er spricht wie das Schicksal das letzte Wort. Davon wissen nicht nur tic Russe» selbst, sondern mehr noch die Polen uno tie deutschen Bewohner der russischen Ostsee- provinzcn zu erzählen, deren nationales Sonderleben von llkaS z» llkas trotz aller passiven Gegenwehr nach und nach erstickt wird. Jetzt ist auch auf die alte deutsche Uni versitätsstadt Dorpat da» Geschick in Gestalt eine« zcniscbcn llkases nietergesahren; sic soll ihren rühmlichen tentschc» Namen mit dem russischen Namen Iuriew ver tauschen. Es bängt nicht immer viel an einem NamcnS- wechjcl; aber i» diesem Falle bedeutet er den traurigen Ab schluß eines laugen, schweren Ringens, welche- damit endet, daß ein Stück alter deutscher Cullur unter dem eisigen Hauch der Russlsicirung unrettbar erstarrt. In alten russischen Cbro»ikeu führte die liviändische Universitätsstadt den Namen Iuriew: man wird sich fortan daran zu gewöhnen haben, daß cs lein Dorpat mehr, sondern nur noch ein Iuriew giebt. DaS russische Ostseedeutschlhum wird mitsammt dem Namen au»> gctilgt. Und gerade an den Name» Dorpat knüpften sich die letzten schone» Eriiinerui.gen des geistigen Zusammenhanges zwischen Deutschland und der deutsche» DiaSpora in Ruß land; eS war ein beständiger Wechselverkehr zwischen den deutschen Hochschulen und derzeitigen von Dorpat, ein Austausch von Lehre und von Lehrern; in Berlin und Jena dociren noch gegenwärtig zwei hervor ragende Professoren, der Chirurg Bergmann und der Geschichtsforscher Brückner, deren Katheder früher in Dorpat standen, vv» älteren Zeiten abgesehen, aus denen dir Namen Baer und Mädler in unsere Tage hrrüberleuchtrn. Ein ehrwürdiges Merkmal leheiiSsähigen DcutschthumS in Rußland war die Moskauer deutsche Vorstadt, die Sloboda; als cs auSgclöscht war, blieb tie Dorpaler Universität als letztes bestehen. Auch dieses ist nun zerstört. Die Russi- sieiruiigSarbeil ist unbariilherzig, unerbittlich, sie kehrt sich nicht daran, daß Deutschland groß und mächtig geworden ist und daß daS Schicksal Dorpats in Deutschland Unwillen und Trauer wecken niuß. Es ist bekannt, daß schon seit längerer Zeit Versuche gemacht wurden, die Blutfehden zwischen de» Montene grinern und deren Grenznachbarn, den Albanesen, aus friedlichem Wege zu schlichten. Namentlich die türkische Regierung hat eS an Beinühuiige» nicht fehlen lassen, diese« Ziel zu erreichen und so den lebhafte» Wunsch, an den Grenzen de- türkischen Reiches ruhigere Zustände zu schaffen, i» Erjülluug gehen zu laßen. Schon vor mehr als vier Jahren kam cs zwischen den Stämmen, die daS Grenzgebiet von Gusinje Plava bis zur Meeresküste bewohnen, zu einem feierliche» Friedensschlüsse, der bis zu dem heutigen Tage ein- gchallcii wurde. Damit war auf eincin Theile der Grenze die Ruhe bcrgestellt,allein dieBewohner des andere»TheileS, der sich vo» Gusiuje-Plava bi» nach Bosnien erstreckt, lebten weiter in Blutfehde, und cö kam daselbst wiederholt zu hestigeiiZusammcn- slöße» zwischen Albanesen und Montenegrinern. Kürzlich ist cS nun gelungen, auch hier Leu Friede» berzustclle». Es ge schah Lies in besonders feierlicher Weise. Die monlenegrinischen langsam vor Güntbcr auf »nd nieder und begann in ernsten, rubigcii Worte» ibm vorzuballen, welche Pflichten er zugleich überuebme mit den Rechte» de« ReichtbumS. Aehnlick, wie vor kurzem Rosa zu ibm gesprochen, sprach er jetzt zu dem jungen Mann, der ihn lächelnd anhörtr. „Doctor. baben Sie die« meinem Obeim auch schon ge predigt? Unsinn, was geben uns die anderen an, ich bin nur vcranlwortlich für das Geschlecht der Schönburg«. Es soll ausblühc», Doctor, mein Wort z»»i Pfände, ich will dafür Sorge trage» Eine staiikeSaemäßc Ebe soll mich nicht hindern in iiicincn Plänen. Da» ist Pflicht sür mich, bin» dem Onkel schuldig, »achzubole», was er versäumt bat." „.-Zn Ihrem Vorlbeil; wenn er leibliche Erben besäße, dann würden Obre Pbanlasicn sich me erfüllen können — »nd cS wäre beinah' schade darum", lächelte Iustu» mit einer kleine» Beimischung veräcbllichcn HobneS. Eine Weile stand er still an der geössnelcn Thür des Speise- saalcS, die kinansjübrte ans die Scbloßtcrrasse. Er blickte ernst und nacbtcnNich ans den Park, binübcr zu den kleinen, ent zückend eingerichteten Häuschen, die bicrbcr gezaubert schienen mit all chrer fremden Pracht, welche ibm plötzlich wie eine eitle Spielerei erscheinen wollte. Er tackle nach, wie wenig der jetzige Graf Schönburg und MajoratSbcrr daran gedacht, was seine Pflicht war, wie rr ei» balbcs Menschenleben ver träumt in tcr Ferne, in rubclosem Umberschweisen, sein Geld vergeudet hatte in kostbaren, sremdartigcn Dingen, die sich liier bäliften dicht neben den Heimstätte» des Elend» und der Nolh. Rassinirter LuzuS, Ucbcrflnß, Fülle hier, und da drüb'» i» Felten darbten Menschen ui» das tägliche Brod! „Rosa, Rosa, wie recht hast Du, ein Egoist, sonst nichts!" Er schämte sich, daß ein armes, kranke» Mädchen ein Recht Halle, den Grasen Schönburg, de» stolze» MajoralSbcrrn, zu verachten, der — sein Freund war. „Nvch ist e- Zeit", dachte er weiter, und in seinen Augen leuchtete cS auf in edler Be geisterung, in Gedanken an die Pläne, die er heule einem edlen Mcnscbe» uachgcdacht, welcher sic entworfen zum Heil derer, die unter seine» Augen Nolh gelitten Er sollte sich nicht ver rechnet baben, indem er auf tie Hilfe seine» reichen Gut»- nackbarn zählte. Er selbst, der Edle war z» jedem Opfer be reit gewesen, damals, als er noch opsern konnte; heute war eS ander«, beute darbte» die Wiltwe und die Töchter de» Mannes, der stet» an anderer Glück gedacht hatte. „DaS Verinäctstniß Eure» Vater» soll auch Euch zum Segen gereicken". flüsterten leise Doctor Iustu»' Lippen, und ein warmer Blick ruhte ans dem allen Herrenhaus, da« in der Ferne sichtbar war. (Fortsetzung solgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite