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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.02.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-02-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930222022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893022202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893022202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-02
- Tag1893-02-22
- Monat1893-02
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Diese — vorläufige — Ablehnung erfolgte am vorigen Donnerstag, aber die Berathung des tz 2 kann am kommenden Donnerstag noch nicht beginnen, den» vorder soll der vom Abg. Richter gestellte Antrag, die Resultate der finanzpolitischen Erörte rungen im Bericht fcstzulegen, beratben werden. Es ist unter diesen Umständen natürlich nicht daran zu denken, daß die Militairvorlagc noch vor Ostern im Plenum zur Verhandlung kommt. Bon Seilen der Regierung enthält man fick, wie eS scheint, bis jetzt jeder Einflußnahme auf eine Beschleunigung der Bcrathungen und eS ist erklärlich, daß dieses passive Berbalten zu allerlei Gerüchten Veranlassung giebt. So wurde gestern, wie man »ns schreibt, in parla mentarischen Kreisen allen Ernstes behauptet, der Reichs kanzler würde die Vorlage, falls sic nicht bereits in der Eommission in vollem Umfange genehmigt würde, noch vor Sstern zurückziehen. Wir vermögen die Grundlage dieser Auffassung nicht zu controliren, halten cS aber doch für unsere Pflicht, davon Notiz zu nehmen. Inzwischen setzt das Centrum im preußischen Abgeordnetenhause ein Vorspiel für die Reichstagsdebatte über den Antrag auf Aufhebung deS IesuitengesetzeS in Scene. Die Petitionöbewegung gegen diesen Antrag ist zum größten Thcil ein Werk des „Evange lischen Bundes", den dieserhalb der EenlrumSabgeordncle Tauzenberg schon neulich angegriffen batte. Als vorgestern die Abgeordneten Sattler und Schmelzer den angebotencn Kampf ausuahmen, geberdetcn sich die Herren vom Eentrum, als ob sie die Angegriffenen seien, und tbatcn sich auf ihre „Friedfertigkeit" dem Protestantismus gegen über außerordentlich viel zu Gute. Ob das stolze Wort: „Katholisch ist Trumps" in einer Volksversammlung oder auf einem katholischen Eongreß gefallen, ist in der Sache ganz gleichgiltig-, von der besonderen Friedensliebe deS Een» tnimS zeugt dasselbe gewiß nicht. Der conservativen Fraction schien aber diese Auseinandersetzung mit dem Eentrum aus politischen Grünten unbequem und so sab sich Graf Liwbnrg- Elirum als Führer derselben zu der Erklärung veranlaßt, daß sie sich mit dem Evangelischen Bunde nickt identificirc! Der Herr EultuSminister übprhörte die Eentrumsangriffe auf die „irreligiösen" Hochschulen, die sich gleichfalls stark an jener Petiticnsbewegung bcthciligen, und mußte gestern sich von dem Abg. Friedberg daran erinnern taffen, daß er den deutschen Hochschulen eine Vertheidigung schuldig sei. Der „Freisinn" bclheiligtc sich weder an der Abwebr der Angriffe auf den Erangelischen Bund, noch an der Zurückweisung der Borwürfe gegen die deutschen Hochschulen. Das Eentrum kann also aus dem Berlaus dieses Beispieles einen günstigen Schluß aus den Berlaus der Hauptaction im Reichstage ziehen. Bekanntlich haben die Klerikalen im vorigen Iabre, um dem Reichskanzler keine Verlegenheit zu bereiten, auf die Erledigung deS Jcsuiten-AntrageS.verzichtet — weil sie damals auf die Durchdringung des Zedlitz'schen Schulgesetzes specu- lirlcn. Als sie sich in dieser Erwartung getäuscht sahen, quittinen sie, wie erinnerlich, sofort durch Äblehnung einer Panrercorvctte. Jetzt glauben sie augenscheinlich, daß dem Grafen Caprivi von Seiten der Agrarier so viele „Verlegen- beilen" bereitet seien, daß eine Eentrunissorderung dem Kanzler kaum noch als eine Verlegenheit erscheine. Vordem erklärte zwar Gras Eaprivi, daß er dem ultramontanen Anträge nicht zustimmen würde. Aber wie „stabil" sich die Regie rung neuerlich zeigen wird, bleibt abzuwarten. Wenn in der vorigen Woche der Herr Reichskanzler Beranlassung nahm, zu betonen, daß wir schweren Zeiten entgegenaehen und daß darum die Regierung Festigkeit beweisen müsse, so wird ihm wohl von keiner Seite widersprochen werden. Die Zeiten sind aber bereits seit drei Jahren recht schwere, und Biele sind der Meinung, sie seien besonders deswegen so schwer, weil der „neue Eurs" noch immer nickt al- fest erkannt ist. Wir sind darum ganz einverstanden damit, daß der Iesuitenanlrag baldigst zur Verhandlung kommt, damit dein Grafen Caprivi die erwünschte Gclegenbeit geboten wird, sein Programm zum Ausdruck zu bringen, und damit endlich klar werde, wohin wir steuern. Auch die Entscheidung über die Militairvorlagc dürfte dadurch erheblich beschleunigt werden. Im ReichStagSwahlkreiS Liegnitz hat vorgestern eine Ersatzwahl für den verstorbenen freisinnigen Abg. Lange stattgefundc». Der Wahlkreis war bis l88l nationalliberal, seitdem ununterbrochen dculschfreistnnig vertreten, gehört somit zu dem ältesten und bisher sichersten Besitzstand der letzteren Partei. Bei der Wahl von 1890 wurden 10 240 freisinnige, 0746 freiconservative, 5173 socialdemokraiische, 129 antisemitische und in der Stichwahl 14 505 freisinnige und 7172 freiconservative Stimmen abgegeben. In einer darauf erfolgenden Nachwahl wurden 10 546 freisinnige, 5588 freiconservative, 4522 socialvemokratische und 15l antisemitische Stimmen abgegeben, so daß der freisinnige Eandidal im ersten Mahlgang siegle. Bei der vorgestrigenWabl standen sichl Eandi- date» gegenüber: der freisinnige Stadlrath Jungfer, der social» demokralischc Schneidermeister Kühne, der antisemitische Rechtsanwalt Hertwig und der conservative Gras v. Roth- kirch. DaS Ergebniß liegt augenblicklich noch nicht genau zifsermäßig vor, dock ist an einer Stichwahl zwischen dem freisinnigen und dem antisemitischen Eandi- datcn nicht zu zweifeln. Die letzten Angaben lauten: 9726 freisinnige, 5048 antisemitische, 4814 socialdemokralischc, 1153 conservative Stimmen; wenige Ortschaften stehen noch aus. In der Stichwahl werde» die Freisinnigen, da ein Eintreten der Socialdemokraten für den Antisemiten nicht zu er warten ist, voraussichtlich das Mandat noch einmal retten. Die freisinnige Partei hal bis jetzt einen kleinen Rückgang er litten, die Socialdcmokraten haben sich annähernd behauptet. Daß die Eonservativeu, wenn sic auch eine von vornherein hoffnungslose und auch gar nicht ernsthaft betriebene Eandidcttur ausgestellt haben, auch hier wieder vor deu Antisemiten die Flinte vollständig ins Korn geworfen haben, ist für di« Ent wicklung deS heutigen Eonservatiourus bezeichneuL. Dem antisemitischen Eandidaten soll sein Eintreten für Aufhebung deS IesuitcngesetzeS in dem ganz überwiegend evangelischen Wahlkreis viel geschadet haben. Die Freisinnigen mögen das Mandat behaupten, immerbin bestätigt auck diese Wahl, wie wenig Ursache sie haben, in der gegenwärtigen Bewegung und Stimmung mit zuversichtlichen. Hoffnungen in einen Wahlkampf einzulreten. Der socialdemokratische und anti semitische RadicaliömuS hat ihnen auch hier wieder scharf Zugesetzt. Da die belgische Deputirtenkammer am 28. d. M. die Berathung der Verfassungsdurchsicht beginnt, so hat der König eS an der Zeit erachtet, nvchmajs seine mahnende Stimme zur Versobnlichkeit zu erheben. Er wünscht eine Einigung der Parteien in der Stiminrcchtöfragc, um endlich der Un sicherheit im Lande ein Ziel zu setzen. Inzwischen arbeiten in Brüssel die liberalen Vereine mit einem wahren Feuer eifer, um dem am 26. d. M. in Brüssel stattfindenden Refe rendum die größte Betheiligiing zu sichern. Die Kosten dieser Volksbefragung im Bezirke Brüssel stellen sich auf etwa 30 000 Frcö. Von der Opserwilligkeit der fortschrittlichen Kreise zeugt es, daß infolge einer Kundgebung der Brüsseler liberalen Vereinigung, cS seien noch lO OOO FrcS. an Kosten sür das Referendum erforderlich, sogleich 6500 FrcS. ein geschossen worden sind. Die Organisation-Verhältnisse deS franzö sischen Heeres werden in dem kürzlich von dem Deputieren Cockery Namens des ButgetauSschuffeS der Teputirten- kämme, dem Plenum erstatteten Bericht m sehr lichtvoller und eingehender Weise geschildert. Herr Eochery berechnet, daß Frankreich im Kriegsfälle eine Streitmacht von 1650 Iiisanlcricbatailloncn, 600 EScadronS, 750 Feldbatterien aiis- zustellen vermöge, ohne die Ersaytruppentheile aber ein schließlich der Neservercgimenter. Das französische Herr zädltc 1869 an Insanterie 372 Bataillone. 238 EScadronS. 232 Batterien gegen 727 Bataillone (diese Zahl steht so im Bericht, ist aber augenscheinlich falsch calculirt.da die Zahl derBalaillone nur 584 beträgt ohne Marine-Infanterie), 448 EScadronS und 484 Batterien in, Iabre 1893. Der Bericht fügt aber treffend hinzu, daß der große Unterschied zwischen der mili- tairischen Leistungsfähigkeit Frankreichs von 1870 und 1893 nicht nur in den vorstehenden Zahlen zum Ausdruck kommen, sondern darin, daß Frankreich jetzt in der Lage sei, an her bem noch Millionen auSgcbildeter Soldaten inS Feld zu stellen, während 1870, abgesehen von der mangelhaft organisirten Mobilgarte, keine Reservearmee verfügbar war. In dem Bericht wird nackgewicsen, daß Frank reich allein sür sein Landhcer — die ebenfalls nach Milliarden zählenden Ausgaben für die Flotte sind dabei gar nicht berücksichtigt — in den Jahren 1871 bis 1893 im Ganzen 15 Milliarden 368 Millionen Franc« aufgcwendet bat. Es treten noch hinzu 1 Milliarde 620 Millionen für Pensionen und 875 Millionen sür strate gische Eisenbahnen, so Laß sich die militairischcn Ausgaben auf r»nd 18 Milliarden belaufen. Hiervon fanden 2 Milliarden 891 Millionen Verwendung für die Instandsetzung deS Materials; l l Milliarden 774 Millionen zur Unterhaltung der eigentlichen Streitkräste „Man wird" — bemerkt dazu eine deutsche militairische Stimme — „diesen Bericht nicht aus der Hand lege» können ohne das Gefühl der Be wunderung sür den Patriotismus und die Opserwilligkeit deS französischen Volkes, zumal wenn man in Betracht zieht, daß alle diese enormen Summen angesichts einer allgemeinen Schuldenlast aufgebracht worden sind, wie sie kein Staat der Well in diesem blnifange trägt. Fernerhin muß berücksichtigt werden, daß seit 22 Jahren d,ese beispiellos großen finanziellen Aufwendungen für das Heer gemacht wurden, ohne daß jemals der geringste Druck seitens der Regierung aus die Vertretung de« Landes nötbig gewesen oder eine McinungS- verschirdenbrit zwischen den maßgebenden Factoren ein- gelreten wärt." In Portugal ist wieder einmal eine MinistcrkrisiS ausgebrochen; der Ministerpräsident Diaz Ferreira bat, wie bereits berichtet worden, die Auslösung der Kammer verlangt und, weil der König seine Einwilligung versagte, sein Ab schiedsgesuch eingercicht; daraus hat der srüdere Minister präsident und Führer der Regencradores, Serpa Pimentel, Lein Könige den früheren Minister, jetzigen General-Procu- ralor Hintze Ribeiro sür die Bildung eines neuen EabinctS in Vorschlag gebracht. Derselbe ist zum König berufen worden, lieber die Gründe dieser Krisis liegen heule in der „Franks. Ztg." die beiden folgenden Meldungen vor: Paris. 21. Februar. Al« Ursache der Demission de- portu giesischen Ministeriums Diaz Ferreira, dessen Stellung schon sehr geschwächt war, bezeichnet man hier die Enthüllungen betr. da« Alkohol-Syndicat, das im vorigen Jahr unter den Auspicieu der Regierung gebildet wurde. Es scheint auch ein ministerieller Deputirier und ein Administrator jener Bank coiilproniiitirt zu sein, deren Generalversammlung Diaz Ferreira vor wenigen Wochen zum Präsidenten wlederwähltc. London, 2l. Februar. Gemäß einer Meldung der „Times" auS Lissabon von heute verlautet dort, der Grund, weshalb Diaz Ferreira dir Vertagung der Eorlc» verlangte und aus die Weigerung de» König» seine Demission gab, war eine Reklamation der deutsche» Negierung, welche gegen irgendwelche Lösung der Frage der äußere» Schuld protestirte, der von den BondholderS nicht vorher zugestimmt wäre. Welche dieser Meldungen die richtige ist, muß vorläufig dahin gestellt bleiben; ebenso zweifelhaft ist der Ausgang der Krisis. Bekanntlich folgen die Eabinette in Portugal so schnell aus einander, weil keines im Stande ist, bas finanzielle und politische Chaos zu entwirren und geordnete Zustande wicderherzustellen. Der im vorigen Jahre gefaßte Beschluß, ein Drittel der Zinsen der Staatsschuld zu bezahlen, ist nicht auögefllhrt worden: cS war inzwischen in Lissabon auch die Rede davon, die Hälfte der Zinsen oder gar nichts zu be zahlen. ES ist eben Niemand im Stande, auS dem Wirrsal einen Ausweg zu finden. Wer also auck die Erbschaft Ferreira'« antreten wird, eine rasche, weitreichende Besserung der finanzcllen Verhältnisse in Portugal ist nicht zu gewär tigen, und nur blinde Leichtgläubigkeit könnte, angesichts deS bisherigen Verhaltens der portugiesischen Volksvertreter, hoffen, daß man in absehbarer Zeit in Lissabon die moralische» Ver pflichtungen gegen die SlaatSgläubigcr anerkennen werde. Eine Art Modell deS socialdemokratischcn ukunststaateS hat vor Kurzem aus brasilianischem öden, unweit der Stadt Palmeira, das Licht dieser nüchtern realistischen Welt erblickt. DaS Ding trägt den stolzen Namen „Anarchia" und zählt etwa ein balbcö Hundert Bewohner — Anarchisten —, welche den Sitten und Bräuchen dcö ver rotteten Europas den Rücken gekehrt und beschlosicn haben, der Menschheit das erhebende Schauspiel einer völlig neuen V und glückliche» Gesellschaft zu gewähre». Die Leute haben sich unverzüglich aus Werk gemacht. Ein Tbcil macht daS Land urbar, während der andere Tbeil, Professionistcn, sür Her stellung von Kleidung. Schuhwerk rc. sorgt. Geld braucht Anarchia nicht — wenigstens bis jetzt nicht. Mit seinen brasilianischen Nachbarn stände sich das neue Gemeinwesen soweit recht gut, wen» jene nur nicht von ibm die Entrich- - tu»g gewiffer Gebühren sür Benutzung und Jnstaudhaltung der durch daS Gebiet AuarchiaS sübrcndcn Verlchrsstraßcn verlangten. Dazu aber muß doch Geld angcschafft werden, Anarchia sieht sich also noch im Flügclkleide seines unschuldS- vvllen Daseins genvlkigt, Steuern auSzuschreiben, wie der ver kommenste Bourgeoisstaat der eapitalistischen Welt. Aber damit erreichen die Schmerzen der Anarchisten keineswegs ihr Ende. Die Letzteren haben die Erfahrung machen müssen, daß sie mit ihren sclbstgescrtigten Gcrälhschaslen dem Boden des Urwaldes auf die Dauer nicht gewachsen sind. Die euro päischen, in erster Reihe die Pariser Genossen, solle» ihnen also eine Garnitur der modernsten landwirthschaftlichen Maschinenconstructionen zukouuuen lassen, ferner das Material zur Errichtung einer Schneide- und Sagemühle, sowie zur Anlage eines Bergwerks. Alles das aber kostet Geld, Geld und wieder Geld, ein in Anarchia strengstens verpönter Artikel. So wagen dann die biederen Bewohner Anarckia'ö ganz schüchtern an die Emission einer — Anleihe zu denken, in AppointS ä 25 FrcS., rückzahlbar in drei Jahren. DaS Pariser Anarchistcnblalt „La Revolte" kündigt den Plan mit äußerster Behutsamkeit an, wagt aber beileibe keine Empfehlung desselben, aus Furcht, börscnschwind- lerischer Durchstechereien gczieben zu werden. Ohne Anarchia im Geringsten zu nabe zu treten, lau» man dock sagen, daß sie im Punctc der Steuern und Anleihen sich von den Bourgeoisstaaten deS alten Europa grundsätzlich schon jetzt in Nichts mehr unterscheidet. Waö soll das erst geben, wenn einmal zehn oder zwölf Jahre ins Land gegangen sein werden! Deutsches Reich. * Dresden, 21. Februar. Die Vorbcreilun>zcn für die Anfang März in Dresden zusainmeiilretcndc Sanitäts- Eon seren; werden, wie man dem „Pirn. Anz." mittheilt, im Aufträge der sächsischen StaatSrcgicruug durch Herrn Geh. RegierungSrath v. Eriegern geleitet. 88 Berlin, 2t. Februar. Herr v. Bennigsen bat am Montag ein Schreiben an den Vorsitzenden der Militair- Eommission gerichtet, worin er sich wegen Krankheit für die Der Sonderling. 15s Roman von P. FelSberg. Nachdruck verbolni. (Schluß.) Am andern Tage, als er wiederkam, und Rosa ihm be seligt entgegenlächelte, da sprach er, sie scharf anblickenv: „Gut, daß Sie wieder gesund sind, Baroneß, ich kann Sie so mit ruhigerem Gewissen meinem Nachfolger überlasten." „Ihrem Nachfolger?" fragte Rosa und erblaßte. Ihre Blicke dingen erschreckt an seinen, Antlitz. „Ja, ich muß fort, zu dem Grasen, er bedarf meiner; so bald das Richtfest vorüber ist, werde ich Feldcn und daS Schloß verlassen müssen," sprach er weiter und beobachtete l»it klopfendem Herzen, wie Rosa» Blicke sich senkten, wie cS um ihren Mund zuckte, und sie sich rasch abwandtr, eS ihm zu verbergen, wie schmerzlich bewert sie war. Rosa sprach kein Wort; sic schämte sich der Tbränen, die ibr in die Augen gestiegen waren, die er nicht sehen durfte. Ein liebender, zärtlicher Blick Justus' umfing sie, ihre zarte Gestalt, ibr feines Köpfchen und daS liebe Gesicktcken mit den seelenvollcn Angen. Er lächelte und freute sich der Oual, die er ihr bereitete, um zu prüfen, ob sie ibn liebe Er sah, wie sie jetzt die Hand auf das Herz preßte und wie sie, überwältigt von dem plötzlichen Schmerz, sich in die Ecke des SopbaS warf und die ThrLnen nicht mehr zurück- kalten konnte Doctor IustuS trat näher. Er legte seine Hand aus ihren Scheitel und "beugte sich nieder zu ihr: „Welch böser Anfall ist daS wieder, Rosa, Sie sind doch noch nicht gesund!" „Ich will eS auch nicht — ick will sterben —" „O nein, Rosa! Glauben Sie mir, Sie werden gesund »nd glücklich", svrach er zuversichtlich in so bedeutungsvollem Tone, daß Rosa erbebte und ibn nicht anzusebcn vermochte So warm und innig halte er noch nie zu ihr gesprochen; wie glücklich sie dieser loa seiner Stimme machte, wir prophetisch ihr seine Worte erschienen, die allein sie schon mit einer nie geahnten Seligkeit erfüllten! Ein Schwindel drohte ihr die Sinne zu rauben. Gewalt sam faßte sie sich und war ihrer Mutter dankbar, daß sie gerade jetzt inS Zimmer trat und sie erlöste auS dieser pein lich süßen Situation Leö Alleinseins mit dem Manne, den sie liebte mit aller Macht ihres warmen Herzens, und dein sie cS doch verbergen wollte. „Wieder Tbränen, Rosa, ich dachte, Du wärst jetzt ganz wohl?" forschte erschrocken die Baronin und schloß Rosa i» ihre Arme. „Eü war ein leichter Rückfall in das alte Herzleiden, bald wird eS besser sein. Rosa, ich kann Sie also nicht verlassen, wie ich eS gewollt. Der Graf muß dann wohl noch etwa» warten, bis ich komme," lächelte IustuS und sah voll Innig keit Rosa in da« erglühende Gesichtchen. Er nickte ihr zu, drückte ihre Hand bedeutungsvoll und ging mit leichten, elastischen Schritten so rasch hinaus, daß die Baronin ihm kopfschüttelnd »achsah. In IustuS' Brust jubelte es wie Lerchensang. Es war Frühling in ihm geworden; ganz plötzlich über Nacht war er gekommen, ein neuer, wonniger LiebeSsrübling voll Sonnen licht und Pracht. Mit all seinem Zauber zog er ein in daS Herz deS gereiften ManneS, daS so lange gelitten und gekrankt an tciner ersten Enttäuschung. Wie ganz ander» war die Empfindung für Rosa als die jenige, welche er einst für deren Schwester empfunden; reizte ibn deren Schönheit, ihre jungfräuliche, stolze Herbheit, so überwältigte ibn jetzt Rosa« Liebe, die er nicht gesucht, die ibm entgegengebracht wurde, ohne daß er eS gewollt, wie eine große, glückliche Ueberraschung, auf die er nicht gehofft batte. Wenn er ging, würde sie sterben, sagte er sich ohne Eitelkeit, mit der Klarheit de- Arzte», der richtig den Zustand eine« Patienten erkannt. Wenn er blieb, sie an sein Herz zog, ibr sagte: „Rosa, sei mein, mein geliebte» und liebende» Weib!" würde sie gesunken, emporblühen, gebegt und gepflegt von seiner Liebe. Sie war sein, ganz sein, da« süblte er; ihr Schicksal lag in seiner Hand allein, und er wollte eS gestalten zu einem schönen, einem beseligenden sür sie und sür sich. Er beneidete Günther Schönburg nicht mehr um Gertrud, die Kalte, Berechnende. Bald würde auch er Rosa an sei» Herz drücken, daö zarte, edle Mädchen, daS ihn erinnerte an die beste der Frauen, die er gekannt, an die Gräfin Schön burg — seine Mutter. Mit Freudigkeit wurden die Vorbereitungen zu dem Richt fest in Felde» getroffen. Groß und Klein freute sich daraus wie auf etwa« noch nie DagewescneS. Daö sollte ein Jubel werden sonder gleichen, meinten sie alle, und schleppten eine Unmasse Grün auS dem Walde inS Dorf, um die Häuser zu schmücken ; der gräfliche Förster hatte ihnen erlaubt, den Wald zu plündern. Es sah rührend auS, Felde» in seinem Festgewand. Die kleinen, ärmlichen Hütten in ihrem grüne» Schmuck, das alle Herrenhaus mit Guirlanden geziert und der großen Flagge mit dem Wappen der FelbenS, die fahl und verschossen auS- sab, aber doch der Dorfjugend noch gewaltig imponirte. Ge putzte Menschen wogten am Festmorgen in der Dorfstraße auf und nieder in erwartungsvoller Feststimmung. Lange Tafeln waren im Hofe de« Herrenhauses aufgestellt, und drüben vom Schlofft kamen Wagen mit Körben, und Diener waren geschäftig, zum Mittagsmahl alle« berzurichlcn. Ganz Felden war zu Gaste geladen und alle, die am Bau der Fabrik mitgewirkt. Auch Werden s und andere Gäste auS der Nachbarschaft kamen an und stiegen im alten Herren» kaufe ab. dessen Armuth beute Gelrud besonder» fühlte, und deren sie sich schämte. Sie, die Braut Graf Schönburg», mußte die Gäste in den Zimmern mit dem alterlbümlichen. lächerlich einfachen HauSrath empfangen, statt in glänzenden Salon«, wie eS sich zienile. Sie nahm mit lächelndem Stolze die Glückwünsche ent- gegen. Sie wurde beneidet, da« wußte sie, und dieser Ge danke ließ sie ibr schönes Haupt noch höher erheben; mitten au« ibrer Armuth hatte der brgebrt«, schöne Gras Günther, der Erbe des Grafen Schönburg, sic erwählt um ihrer selbst willen; da« konnte sie stolz machen. Al« Doctor IustuS kam, flüsterte Frau von Werden ihrem Gatten zu: „Wie verändert ist unser Doctor. wie verjüngt, wie strahlend glücklich, was mag ibm begegnet sein?" „Sr freut sich, daß sein gute» Werk gelungen", eotgegnete ihr Gatte. „Nein, da» ist c8 nicht allein. Er liebt, sicher, er liebt glücklich, und wir werden bald eine zweite Verlobung erleben, aber wo ist die Braut?" „Dein prophetischer Blick wird sie wohl bald herausfinden", lächelte Werden schelmisch, mit den Auge» seiner Gattin zu- blinzrlnd. „Schmähe mir nicht meine prophetische Gabe", sagte Frau von Werden, mit dem Finger drohend; „ich weiß es, ich habe doch reckt — er ist sicher der Graf selbst; ich kenne diese Augen, die sich nicht verändert baden." Werden lachte ungläubig. „Ah, und nun kenne ich auch die Braut. Sich' dort, Rosa ist «, unsere liebe Rosa'," Es gekörte nun wohl kaum Prophetcngabe dazu, um dies zu ergründen, kenn Doctor Justus gab sich durchaus keine Mühe, zu verhehle», daßZNosa Felden seine Erwäklte sei. Seine Blicke, seine zarte Aufmerksamkeit, sein beständiges Zusammensein mit Rosa verrietben cS, daß ein neues Menschenpaar sich gesunden in Liebe. Und Rosa glübte und wandelte wie in seligem Traum. Er lieble sie! Jeder Blick seines AugeS, jeder Ton seiner Stimme, jeder Druck seiner Hand verrietben eS ibr. Dann, als sie allein waren im Garten, blickte er sie forschend an und sagte: „Fräulein Rosa, ich habe eine ernste Frage an Sie zu richten." Rosa blickte zu ihm aus, und dann senkte sie erröthend da« Köpfchen. „Im Aufträge meines Freunde«, des Grafen", fubr er fort. Rosa blickte ihn wieder fragend an, und Doctor IustuS fuhr fort: „Mein Freund, Graf Schönburg, bat von Ihrer HerzenSgüte, Ihrer Menschenliebe gehört. Er verehrt Sie innig und läßt durch mich Sic um Ihre Hand bitten." ES klang beklommen, mit plötzlich zitternder Stimme, und angstvoll blickte IustuS in Rosa « Antlitz. Also da» war eS, dachte Rosa, deshalb war er so ver ändert, deshalb so aufmerksam und liebevoll, weil er der Werber war, der Vertreter de« Grasen Schönburg; nickt für sich warb er, für einen anderen, ibr fremden Mann. Dir Thräncn stiegen ihr wieder brennend heiß in die Augen, aber sie hob ihr Köpfchen stolz und sprach mit bebenden
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