02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.02.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-02-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930223023
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- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893022302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893022302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-02
- Tag1893-02-23
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Durch die Post bezogen sur Leulichlood und 4'enrrreich: viertel,ährlich 2l ü.—, Direkte tägliche Lreuzbandseadung i»S Lullaad: monatlich S.—. TieMorgev-AuSgabe erscheint täglich '/,7 Uhr, die Svead-AuSgabe Wochentag» ö Uhr. Ledatlion u»L LrpeLitiou: JotzanucSgasse 8. Lieikrpediüoa ist Wochentag» ununterbrochen gedffuet von früh 8 bi» Abend« 7 Uhr. Filialen: ttt« Me»«'» Gorttm. Hahn), UntversilätSstrabe 1, Louis Lösche. -aihariuenstr. 11, pari. und König-Platz 7. Abend-Ausgabe. UchMr.TllgMM Anzeiger. Organ für Politik, LocalgesWte, Handels- «nd GesMsverkehr. Anzeigen-Preis Die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter demRedactionSstrich llge- spalten) 50>^. vor den Familienuachrichtea <6 gespalten) 40 4^. Gröbere Schrisie» laut unserem Prei-« verzeichniß. Tabellarischer und Zifsernjatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen sgesalzt), nur mit de» Morgen-Ausgabe, ohne Vostbesörberung -54 60,—, mit Posibesördelung ^ 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Margen-AuSgabe: Nachmittags l Uhr» Sonn- und Festtags früh '/,9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je rill« halbe Stunde srüher, Anzeige» sind stets an die Expeditta» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. ^ss. Donnerstag den 23. Februar 1883. 87. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig. 23. Februar. Der Kaiser hat gestern, wie im Morgenblatle gemeldet worden ist, eine Abordnung der landwirtbschastlichen lsentralvereine der östlichen preußischen Provinzen em pfangen und ihr in wohlwollendster Weise versichert, daß die Wunsche der Ackerbau treibenden Bevölkerung nach Möglich stst berücksichtigl werden sollen. Er hat sich dabei auf DaS berufen, was er vor drei Jahren in Königsberg aus dem Festmahl des ostpreußischen Provinziallandtages gesprochen. Damals sagte der Kaiser u, A,: „Lin gutes segenbringcndes Königthum isi vor Allem sundirt aus der Grundlage eines fest und zuversichtlich zum Rechten strebenden, Ackerbau treibenden Volkes." Es dürfte sich jedoch für die Mitglieder der Deputation und ihre Auftraggeber empfehlen, sauch an Das sich zu erinnern, was der Kaiser am 18. Dccember 189l bei der Einweihung bes Teltower KreiShauseS sprach. Er erwiderte näm lich auf die Ansprache des Landraths u. A.: „Sie erwähnten der beiden Hauptelemente, der Lust und des Lickites, der Gaben unseres allgütigen Gottes, dieser Grund- ellmeute, dir für den Landivirth notwendig sind. Ich möchte glauben, daß der Geber von Lust und Licht diejenigen, die berufen sind, unter ihnen zu verweilen, iu ihnen zu arbeiten und sich ihr Lebtag darin zu bewegen, die gerne Lust und Licht als ihr Eigen belrachten wollen, auch mit einem weiteren Blick und einem weiteren Horizont geschaffen hat. Ich habe das Gefühl und ich hege keinen Zweifel, daß nicht nur die Landwirlhe speciell dieser Provinz, sondern Meines gesammten Reiches die Empfindung haben werben, daß nach wie vor wir zusammengehören, wir mit einander arbeiten und mit einander fühlen, und daß stets das hohcnzollernsche Wort »uuw euiqus auch im höchsten Maße aus di« Landwirthschast iu Anwendung gebracht ist." Bekanntlich waren an demselben Tage, an dem der Kaiser diese Rede hielt, die Handelsverträge mit Oesterreich-Ungarn, Italien und Belgien endgiltig im Reichstage zur Annahme gelangt. Daraus und aus die vvraufgegaugenen Verhandlungen bezog eS sich, wenn der Kaiser den obigen Aeußerungcn über die hohe Bedeutung der Landwirthschast noch hinzusügte, er bege die Ueberzeugung, daß da« hoheuzollcrnsche Wort bei den Landwinden fest IM Herzen sitze trotz aller Bersuchc, wie sie oon verschiedenen Seiten her zur Erzielung deS GegentheilS gemacht würden. Die Erklärung de- deutschfreisinnigen Abg. vr. Alexander Mayer» daß seine Partei für die Aushebung des Icsuitengesetzes eintreten werde, hat keineswegs den Beifall der gesammten deutschfreisinnigen Presse gesunden. Unter anderen Blättern dieser Partei tritt die „Boss. Ztg." jener Erklärung entschieden entgegen, indem sie u. A. aussuhrt: „Es kann allerdings nicht bestritten werden, daß auch unter dem Iesuilengesetz der jesuitische Geist sich in der katholischen Kirche be ständig auSgebreltet bat. Eine vollkommene Schranke gegen daS Eindringen des jesuitischen Geistes ausrichten zu wollen, ist unmöglich. Aber es kann wenigsten- verhütet werden, daß innerhalb des Reiches Milielpuncie geschaffen werden, von denen au« die consessionelle Ber- detzung systematisch gepflegt und geschürt wird. Reißt man den Tamm weg, so ergießen sich die Wogen des Jesuitismu« fessellos über das Land. Das zu verhüten ist nicht sowohl nothwendig, uni Len Protestantismus zu schützen, als um den allgemeinen Frieden inisrecht zu erhalten. Schon heute ist das Land durch die scharfe Lcheidung der Consessionen schwer bedroht und geschädigt. Volk und Regierung können nicht gleichgiltig zusehen. daß die religiöse Schei- düng das Reich noch weiter auseinanderrrißt. . . . Wie sich die Mehrheit der freisinnigen Partei entscheiden wird, ob für oder gegen die Aushebung des Jesuitengesetzes, bleibe dahingestellt. Wir meinen, die Dinge erfordern, dagegen zu stimmen. Das Reich ist nicht so stark, daß es muthwillig diesen neuen Ansturm des Jcsuitismus berausbeschwüren darf. Für den Jesuitenorden, wie er gegründet und im Laufe der Zeiten geworden ist, ist in Deutschland kein Platz. Toleranz in allen Dingen, aber nicht gegen dt« Intoleranz." Man darf gespannt darauf sein, welchen Erfolg diese Mahnung haben wird. Einen allzugroßcn wird man freilich nicht erwarten können, denn bei Neuwahlen muß die deutsch sreisinnige Presse doch auf Seiten der Partei stehen, auch wenn die letztere in Gegensatz zu einem Theile der Partei blätter sich gestellt hat. Soll aber das Eenlrum zur Unter stützung der freisinnigen Candidaten bewogen werden, so muß ihm ein Geschenk gemacht werden, denn das Eentrum thut nichts gratis. Während in Frankreich aus der Seile der Republikaner mehrfach angenommen wird, daßdiePanama A »gclegcnkeit im Begriffe stehe, zu „versumpfen", eine Auffassung, die bei den nächsten allgemeinen Wahlen für die Tepulirtcnkammer Lügen gestraft werten dürfte, sind die Boulangisten nach wie vor bemükt, jetzt bereits die Aufregung von Neuem zu schüren. Mit Vorsicht muß jedoch die Meldung des „Figaro" ausgenommen werden, nach welcher der Präsidentder Rep »bli? selbst als erster auf terZeugenliste des Panama-BestechungsprocesseS sieben soll. Earnot würde, wie von demselben Blatte behauptet wirb, darüber vernommen werden, ob er niemals die Liste der be stochenen Abgeordneten gekannt habe und ob bei ihm keine Schritte in dieser Angelegenheit unternommen worden seien. Das Bestreben der Boulangisten war von Anfang an darauf gerichtet, die Persönlichkeit Carnvt'S in den Panamascandal hineinzuziehe», was ihnen jedoch bisher nicht gelungen ist. Wenn die parlamentarische llntersuchungseommission davon Abstand genommen bat, den Präsidenten der Republik zu vernehmen, der seiner Zeit als Mitglied des EabinetS, das sich srüher bereits mit dcr Panama-Angclegcnbeit zu beschäftigen batte, eine durch aus correcte Haltung beobachtete, so wirk auch für das Gericht keine Veranlassung vorliegcn, daSZeugniß dcSEbeföderRcpublik in Anspruch zu »ebmen. Tie Geschworenen werden jedenfalls, ohne daß cs testen bedarf, über die gegen de» ehemaligen Minister der öffentlichen Arbeiten, Baihant, den früheren Minister der schönen Künste, Proust, den Dcputirte» Duguü de la Fauconnerie u. A. gerichteten Anklagen aufgeklärt werden. Sicherlich wird dann auch der Panamascandal neue Nahrung erbalten. Insbesondere darf man darauf gespannt sein, ob Elömenceau, der nach wie vor compromittirt er scheint. schließlich nicht doch genöthigt sein wird, fick' vom parlamentarischen Leben zurückzuzieben. Die Absicht, bei den nächsten Wahlen nicht mehr zu canditiren, wird dem radi- calen Parteiführer bereits zugeschrieben Heute tritt im Auswärtigen Amte zu Paris das Schieds gericht zusammen, daS die Frage der Fischereidcrechtigung im BehringSmeer ihrer Lösung zuführen soll. Die kculige Eröffnungssitzung wird blos formeller Natur sein, die eigent lichen Arbeiten sollen erst nach etwa vier Wochen beginnen. Bis dahin hoffen die Schiedsrichter ihren bisher noch lücken haften Actrnstoff vervollständigen zu können. Wie erinnerlich, machte man vor etwa einem Vierteljahre in Washington die unangenehme Entdeckung, daß die Regierung von einem ihrer Beamten mit falschen Nachweisungen über die Sce- hundSfischerei in Alaska bedient worden war. Da diese Nach Weisungen einen Theil der von den Vereinigten Staaten nach London gesandten BchringSmeeracten bildeten, mußte die Washingtoner Regierung nach London melden, daß sie un richtige Angaben gemacht habe und sie zu berichtigen gedenle Aus diesen, Zwischenfall erklärt es sich Wohl, warum die Schiedsrichter noch immer nicht im Besitze des vollständigen ActenstoffeS sind. Der frühere italienische Eonseilpräsident Erispi hat in jüngster Zeit, wie bereits mehrfach hervorgekoben wurde, keine Gelegenheit vorübergehcn lassen, bei der er nicht seinen Sym pathien für die französische Republik Ausdruck gegeben Kälte. Man durfte daher daraus gespannt sein, wie die französische Presse die jüngsten Kundgebungen Erispi'S gegenüber einen, Mitarbeiter des conservativcn „Fanfulla" aufnebme» würde, Kundgebungen, die gegen den gegenwärtigen Eonseilpräsidenten Giplitti gerichtet waren und ebenso wie alle sranzoscn- freundlichen Bctheuerungen des früheren Eonseilpräsidenten darauf abzieltcn, diesen „regierungsfähig" erscheinen zu lassen. In Wirklichkeit sprechen jedoch alle Anzeichen dafür, daß Erispi gerade das entgegengesetzte Resultat erzielt hat. Selbst wenn es ihm im Bunde mit der Opposition gelingen sollte, Giolitli zu stürzen, so würde allem Anscheine »ach weder Erispi »och der gleichfalls sich nach der Regierung zurücksebnende Rudini mit der Neubildung keS EabinetS betraut werden; vielmebr würde diese Ausgabe wohl Zanartelli zusallen, der an der Spitze seiner etwa neunzig Mitglieder umfassenden Partei gruppe bei einer großen parlamentarischen Schlacht den Ans chlag geben könnte. Die französische Presse läßt sich durch die Anerbietungen EriSpi's um so weniger täuschen, als sie ihm von srüber her mißtraut. „Man weiß", schreibt das „Journal des Döbats", „daß Erispi vom Größenwahn ersaßt ist, und man mißtraut seinen Verheißungen." Die Aeußerunzen desselben über die Tripelallianz müßten andererseits auch in Deutschland das ganze Verhalten Erisvi'S bedenklich erscheinen lassen. Dieser bat sich also in seinen Berechnungen vollständig getäuscht, was jedoch niclit ausschließt, daß er durch seine iystematische Opposition aUmäliz den Sturz Giolilti'S hcrbei- sübrte. Demnächst dürste Spanien wieder in den Vordergrund des politischen Interesses treten. Am !>. März finden die Neuwahlen für die Kammer und am 19. des genannten MonatS die Senat-Wahlen statt, worauf am 5. April der Zusammentritt der nengewählten EorteS erwartet wird. Es dürste bei den Wahlen und nachher manche tteberrascknng gebe». So werden beispielsweise die Possibilisten Eastelar's mit einem Wahlprogramm hervortrelen, worin ihre völlige Lossagung von de» republikanischen Gruppe» Pi y Margal?S und Zorilla's und die Anerkennung der Monarchie procla- mirt werken. Emilio Eastelar zieht sich nämlich von der politische» Bühne, aus welcher er jahrelang eine so bedeutende Rolle gespielt, ins Privatleben, beziekniigsweise an seinen Schreibtisch zurück, um sich ganz dem literarischen Schaffen zu widmen. An seiner Stelle werten zwei der hervorragendsten Mitglieder ber Partei, Seüor Almagro und der ehemalige spanische Gesandte in Paris, Abarzuza, die Leitung über nehmen und voraussichtlich — und das wird die zweite Ucker- raschung sein — in das nach der Eortes-Eröffnuug theilweise iimzugotaltende Eabine« Sagasla eintreten. Vorläufig ist dir Rede davon, daß der Iustizminister Meuters Rio« und der Minister deS Auswärtigen, Vega de Armijo, zurücktrrten dürsten. Ersterer, um das Senats-Präsidium, Letzterer, um jenes der Kammer zu übernebmen. Möglicherweise nimmt auch die Rceonstruction deö EabinetS einen weiteren Umfang an. In der Verständigung der gewesenen Eastelar'sche» Ge folgschaft mit dem konigstreue» Liberalismus Sagasta'S darf man wobl eine Kräftigung des letzteren erblicken, welche das liberale Eabinel bei der Lösung der seiner harrenden so schwierigen Aufgaben aus wirthschafllichcm und finanziellem Gebiete willkommen heißen wird. In Petersburg weilt bekanntlich gegenwärtig der montenegrinische Thronfolger. Prinz Tanilo. Seine An wesenheit am Ncwastrande hat der jugendliche Prinz dazu benutzt, um ein wenig Panslawismus zu treiben. Er empfing nämlich eine Deputation der Petersburger Slawischen Wobl- IhätigkeitS Gesellschaft, mit dem sattsam bekannten General Ignatiew a» der Spitze, und drückte ihr die „Dankbarkcil Tschernagvricns" für die den Montenegrinern erwiesenen Wohltbaten aus. Bei diesem Anlasse gab der Erbprinz au« den „Schwarzen Bergen", wie die „Nowoje Wrenija" mit- theilt, auch dem Wunsche Ausdruck, „daß dir russischen Freunde deS ruhmreichen Montenegro" den „Verleumdungen der österreichischen Blätter" nicht glauben sollen. Er und sein Vater, Fürst Nikolaus, seien stolz darauf, den Namen „der treuen und einzigen Freunde Rußlands" zu trage». — Man wird in Wien gut daran thun, die unbesonnene Aeuße- rung des jungen Thronfolgers eines noch jungen Staals- wesenS in Erinnerung zu behalte». Deutsches Reich. * Meerane, 22. Februar. In dem Bericht über den ain Sonnabend hier abgeballenen Vortrag des Herrn General- eerctair Patzig-Berlin ist eine Ausführung des Redners mißverständlich wiederizegcben. Er beklagte cS, daß ein erheblicher Theil der zum schaffen befähigten Elemente mehr und mehr in extreme Richtungen sich verloren hätte. Die eit 189» beliebte Regierungsivcisc habe dieses Zersplittern und Zerfahren nationaldeiikendcr Kreise nicht zu hindern, ge schweige denn zu bewirken vermocht, daß die extremen Elemente auf der Linken, soweit sic zu vositivcr Mitarbeit noch immer berufen gewesen wären, ihren ncgircndcn Stand punct verlassen hätten. DaS VcrsöhnungSprogramm von >890 sei demnach als gescheitert zu betrachten. Berlin, 22. Februar. Eine lange Sitzung nach der andere» findet in der Militairconimission des Reichstag« statt, ohne daß die Sache irgendwie der Entscheidung näher rückte oder auch nur Aussicht wäre, endlich einmal einen wesent lichen Schritt vorwärts zu kommen. Man hört jetzt sogar in parlamentarischen Kreisen die Bermuthung aussprcchen, die Angelegenheit werde, nachdem der Sommer heran- gekoinmeu, aus den Herbst oder auch ack cuIvn,lL8 graecLz vertagt werden. Selbst die „Vossische Zlg." hat dieser Tage einen von dem Oraan deö Herrn Richter scbr übel vermerkten Anariff gegen die VerschleppungSpoiitik gerichtet. Man kann auch keineswegs behaupten, daß die ganze Frage auf die biS- bcrigen Verhandlungen klarer »nk dem großen Pudlieum vcr ländlicher geworden sei. Ini Gegenlheil, in dem Schwall iiiilitairlechiilscker und finanzpolitischer Einzelheiten, die uns jetzt Tag für Tag vorgeführt werte», geben die großen Grundzüge der Reform dem Vcrstäntniß der weiteren Volksschichten mehr und mehr verloren, und man kann wobl behaupten, die Frage lag vor Monaten einfacher und durchsichtiger da als jetzt, »achtem seit dem t l. Januar die Eommission sich bemüht, Aufklärung und Belehrung zu schaffen. Wer eigentlich ein Interesse an dieser Ver- Ichleppnng Kat, ist schwer cinzuseheii. Es könnten höchstens diejenigen Parteien, namentlich die Freisinnigen und da« Eentrum, sein, welche die Sache gern scheitern lassen, aber doch die damit verbundenen Krisen vermeiden möchten und auf irgend welche ihren Wünschen entsprechende Wendungen der Zukunft rechnen. DaS mag im Partciinteresse liegen, zum Wokle deS Vaterlandes »nd zur Beruhigung der gus geregten Gemüther dient cS aber nicht. U vcrltu, 22. Februar. Ein ursprünglich an der Börse verlauldarteS, aber alsbald von der Presse übernommenes und so der Beachtung weiterer Kreise zugänglich gemachtes Gerücht will zu verstehe» gebe», daß Handelsvertrags- Verhandlungen zwischen dem deutschen Reiche und den Bereinigten Staate» von Amerika im Zuge seien. Befremdlicher Weise machte sich ein'hanseatisches Blatt zum Echo deS in Rede stehenden Gerüchtes und meinte sogar, zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten beuche kein eigentlicher Handelsvertrag Wer mit de» einschlägigen Verhältnissen nur etwas vertrant ist. müßte wisse», das; von einem vertragSlosen Zustande zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten keineswegs die Rede sei» kann, da der unterm l. Mai 1828 zwischen Preußen und den Vereinigten Staaten geschlossene Handels vertrag in vollem Umfange und mit voller Wirkung auf da» Deutsche Reich übertragen, auch die volle Rechts beständigkeit dieser Abmachungen vvni Jahre I8ck> vor ganz kurzer Zeit von beiten vertragschließenden Theilen ausdrück- lick anerkannt worden ist. Insbesondere tiirsie daran zu erinnern sein, daß auf Grund des besagte» Vertrages im Wege des einfachen NotcnauStanscheS zwischen dein deutschen Reich und den Vereinigten Staate» von Amerika die diesseitig anderen Staaten cingeräumte» ermäßigte» Zoll sätze auch den Vereinigten Staaten ziigeftandcn sind, daß desgleichen die Aushebung de« s. Z. gegen die Einfuhr Ums Geld. ff » 4- 1V !e>t»v»i»' Novelle von A. Hehl. Nachdruck vertote». Gold, Du Vater der Schmeichler, Tu Sohn der Schmerze» und Sorgen, Wer Dich entbehrt, hat Müh', Wer Dich besitzet, hat Leid. Sophokles. Die Mühen und Entbehrungen der Besitzlosen wurden jedem denkenden und beobachtenden Menschen recht ein dringlich vor Augen geführt, der an dem unfreundlichen März- Abend de« Jahres 18 .., an welchem unsere, der Wirklich keit entnommene Erzählung beginnt, die au« elenden Hütten teüedende Borstadt, da« Antoni-Viertel genannt, zur reichen, mallen Stadl k. am Rhein gehörend, passiren mußte. Wir sagen, passiren mußte, weil nur solche diesen Stadttheil sreguentirten, die ihr Weg oder ihre Geschäfte dahin führten; ebne Zweck oder zum Vergnügen kamen weder Stadt- noch Landbewohner in die« verrufene Viertel, in dem die Armuth banste und Alle-, was sie dem Wohlhabenden abschreckend macht, Elend, Schmutz und Rohheit in Massen vereinigt waren. In den übelriechenden Wasserlachen der ungepflasterten Straßen wUb>trn halbnackte Kinder gemeinschaftlich mit allerhand HauSthieren herum und ergötzten sich damit Cieiire in die Pfützen zu werfen, um dann höhnisch auf- iiilachen, wenn daS kolbiac Wasser koch aufspritzle, den Umberlagerndeu die Gesichter und den Vorübergehenden Schube und Kleider beschmutzte Man sih nur wenig Er wachsene aus der Straße, denn Alles, was arbeitsfähig und einigermaßen zu Hause entbehrlich war, erwarb sich seinen Unlerbalt in den Fabriken. deren rauchende Schlot« zwischen den breiten Schieferdächern der Sandstcinbauten, die in nicht allzu weiten Entfernungen »om Antoni Viertel stattliche Gruppen bildeten, wie schlanke Thürme weitbin sichtbar emxorragtrn. Nur hier und da erschien in den Hütlenreihen hinter einer blinden Fensterscheibe das graue Haupt eines alten Mütterchens, das ärgerlich nach dem wilden Treiben der Kinder auSblickte, während cS sich abmübte, einen weinenden Säugling zu beschwichtigen oder zerlumpte Kleider mit plumpen Stichen auSzubcssern. Wenn der Ucbermuth der verwahrlosten Schaar auf der Straße ihren Höhepunkt erreicht hatte, dann öffnete sich wohl auch solch ein schadhaftes Fenster, und die Hüterin der Hütte machte ihrer Entrüstung in einer Flutb von Schimpfreden Luft, die von der wilden kleinen Gesellschaft nicht schweigcnv bingenommen, sondern mit gleicher Münze hcimgezahlt, mit Spott und Schabernack vergotten wurden. DaS waren Seenen, die sich fast stündlich wiederboltcn und von den Bewohnern und Passanten dieses Ltadtlbeilö als etwa« Gewohnte« hin genommen wurden. Unter diesen morschen Hütten, die kaum noch den Name» menschlicher Wohnungen verdienten, nahm sich ein neue«, aus Stein gebaute» HauS, zweistöckig, mit blanken Fenstern und sauber gefegten Staffeln, mit grün- angcstrichcnc» Läden und solcher HauStbür, so stattlich aus, wie rin behäbiger Bürger unter einer Schaar Bettler lieber der Thür prangte ein breites Schild mit der Aufschrift „Gasthaus von Mathias Ecbund", unter demselben winkle eine Hand mit iibcrschäumendem Pocalr, und sic winkte nicht vergebens Durch diele Thür zogen sie ein, nachdem die Feier- abenvstunde geläutet, Männer und Weiber, die an- gleiche Joch gespannt, de« Tages Last und Mühe mit einander getragen, hier zogen sic rin. zechten, spielten, brüllten wüste Lieder und kehrten nicht beim, bi« ein gutes Tbcil ibre« sauer erworbenen Geld«« in Le» Säckel deS Wirthe« gewandert war. So lärmend e« de- Nach!« hier zuging, so leer und still war e« am Tag in dieser Schenke, die von anständigen Leuten gemieden wurde. Nur auSnadmSweis« verirrte sich ein Handwerks bursche, ein beimziebender Hausirer oder ein Individuum, da» mit ber Polizei aus gespanntem Fuße stank, zum „langen MatbeS", unter welchem Spitznamen der Wirth allgemein be kannt war Zu diesen Ausnahmen gehörte auch da« Weib, das, von dem Wirtd Abschied nehmend, die HauSstaffel berabstieg. einen grauen Sack, den eS aus der Schulter trug, mit kräftigem Ruck Höker b'nauszog und im Weitrrschreiien spähende Blicke nach rechts und links warf, wie um zu erforschen, ob irgend Jemand ibre Erscheinung schärfer beobachte. Sie war groß und stämmig, die Glieder zeugten von ungewöhnlicher Kraft und schienen die schwere Bürde, die sic trugen, kaum zu empfinden. Ihr fablcS Gesicht, dessen barte, verwitterte Züge einen unangenehmen Eindruck machte», war von Furchen durchkreuzt, die kleinen, grauen Augen lagen lief in ihren Höhlen, hinter buschigen Brauen und aiisgeschwollenen Litern halb verborgen, und blitzten bisweilen tückisch auf, wenn die Kinder sie mit dem Spottnamen „Lumpenstine. Lunipenstine" begrüßten und dann lachend in die offenen HanStbürcn flüchteten, weil sie sich vor den Fäusten der Verköbnten, mit welchen viele von ihnen schon Bekanntschaft gemacht, nicht obne Grund fürchteten. Doch Stinc strafte sie tieSmal mit Verachtung und verfolgte ihren Weg, ohne die Davoneilenden nur eine« Worte« zu würdigen. „Eile nickt so, Stine, nimm mich auch eine Strecke mit", ries ihr eine weibliche Stimme nach, deren weicher Klang seltsam contrastirtc gegen die scbrillcn, ohren zerreißenden Töne, wie sie hier aus menschlichen Kehlen kanien. Dieser Eontrast mußte auch einem jungen, seiner äußeren Erscheinung nach den gebildeten Ständen angebörcndcn Manne ausgefallen sein, der soeben au« einer der Hütten aus die Straße trat und sich neugierig umschautc, wer wobl die Rufende sei, die ihrer Stimme nach ber hier hausenden Menschenrasse nicht anzugehören schien. Er sah ein bleickeS, schmächtige« Weib, unter einer Last Holz mühsam daher keuchend, trotz der rauben Witterung barfuß, sauber, aber äußerst ärmlich in fadenscheinigen verwaschenen Kattun gekleidet, der, dünn und vielfach auSaebessert, unmöglich ge nügenden Schutz gegen Wind und Wetter gewähren konnte. Time blieb stehen, ui» die Andere zu erwarten, und vorüber gehend wich der Ausdruck von Härle und Bosheit aus ihrem Gesicht, um einem Anflug von Erbarmen Platz zu machen, da« sie nur selten empfand. Nachdem sich die Beiden guten Abend geboten, schritten sie in eifrigem bespräche fürbaß, der junge Herr folgte ihnen in geringer Entfernung und war so Zeuge einer Unterhaltung, die ihm, je länger er sie Hörle, desto interessanter wurde „So mußt Du Dich plagen, Liese, Du armes Wurm", ries die Lumpensammlerin entrüstet aus, „der schlechte Kerl schreibt Dir nickt, er schickt Dir nicktS und hat Dir auch nicht« gelassen, als daS Elend, mit dem Tn zu lämpfcn hast. Da soll doch gleich der —" „Fluche nicht, Stinc", siel ihr die Frau bastig ins Wort, „und verdamme ihn nicht, er ist nickt schlecht, er ist nur leichtsinnig — ach, recht leichtsinnig, er weiß nicht, wie wir darben muffen, wenn er cs wüßte — dann —" „Gäbe er Dir auch keinen Pfifferling", nahm ikr Stine barsch da« Wort vom Munde. „Vcrtbcidige ihn nickt, er hat Frau und Kinder seig ini Stich gelassen, ist bei Nackt »nd Nebel davongelaufen, treibt sich in der Welt herum und schwelgt vielleicht, während Ihr bungcrii müßt; daS ist mehr als leichtsinnig, daS ist schlecht. Weißt Tu, ich kaufe sie Alle nicht tbener, Keiner ist c,nen Schuß Pulver Werth, sie richten »nS zu Grunde und lacken uns dann höhnisch aus. Ist mir nicht besser ergangen, ich war auch vor Zeilen jung und sckdn. gerade wie Du, ich habe geglaubt und vertraut, gerade wie Du, und wie Du war ick von Herze» gut. WaS hat eS niir geholfen? Lug und Trug. Falschheit und lenslische Bosheit haben Fangball mit mir gespielt, bis ick selber böse wurde, bis ick in jedem Menschen einen Feind sab, all daS dumme Zeug sortwarf, was Einem in der Kint- bkit eingexrägt wird, von Recht und lliirechl, von Gott und Ewigkeit. So lange ich noch fromm war, ging »nr'S schlecht, so lange ich meinen Nacken beugte, ans die Gerechtigkeit Gottes wartete und an Vergeltung glaubte, so lange wurde ick mil Füsien getreten und hat sich kein Gott und kein Mensch meiner erbarnit. Seil ich aber deö TultenS und Darben« müde bin und endlich einsehe» lernte, wenn ick mir nicht selber Helsen könne, dann wäre ick verloren, seitdem ich meinen Bortheil in Acht nehme, wo und wie ich ihn finde, obne zu frage», ob darüber was >»> Katechismus stebl, seitdem bab« ich weder Nolb noch Mangel, es fehlt mir an nicht«." Liese musterte ihre Begleiterin mit prüfenden Blicken vom Kopf bis zu den Füßen. „Es ist wahr", versetzte sie kleinlaut, k„Du siebst behäbig auS. WaS hast Tu für warmes Schubwerk an, nagelneue Strümpse von der Iheuren Wolle, die sich unsereins nicht kaufen kann, Tein Rock ist von echtem Stoffe und Dein Kops»
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