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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.03.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-03-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930307027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893030702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893030702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-03
- Tag1893-03-07
- Monat1893-03
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Gröhere Schriften laut unserem Preis« verzeichnib- Tabellarischer und Ztffcrnsatz uach höherem Tarif. Extra-veilagen (gefalzt), nur mit de» Morgen - Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Jlnnalsmeschluk für Än)eigen: Abend-Ausgabe: Vormittags lO Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Sonn- und Festtags früh '/,9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« Halde Stunde früher. Anzeige» find stets an die Exprdtttan zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. .z? M. Dienstag den 7. März 1893. Amtlicher Theil. Lekannbnachun-. Auf die für daS Jahr 1892 festgesetzte Dividend« der Reichs- bankaathetle im Betrage von 6,38 Proc wird die Restzahlung mit Mark 86,40 für den Dividendenschein Nr. 6 vom 7. März d. I. ab bei der Aeichsbanthauptcasse in Berlin, bei den Reichsbankhauptsiellen, Aelchrbankstellen. der Lommandit« in Insterburg, sowie bei stimmt« lichen Reich«banka«benstellen mit Tasseneinrichtung erfolgen. Berlin, den 6. März 1893. Ter Reichskanzler. In Vertretung: v. Boetticher. Sekanntmachung. Da» 8. Stück des diesjährigen Besetz- und Verordnungsblattes für das Königreich Sachsen ist bei uns eingegangen und wird bis zum 22. tztefes MouatS auf dem Rathhaussaale zur Einsichtnahme öffentlich oushängen. Dasselbe enthält: Nr. Ü. Bekanntmachung, die Lehr- und Prüfungsordnung für die Byamasie» betreffend; vom 28. Januar 1893. Leipzig, den 4. März 1893. Der Rath »er Stadt Leipzig. Vr. Bevrgi. Krumbiegel. Politische Tagesschau. * Leipzig, 7. Mär,. Die Militaircommission des Reichstags hält be kanntlich heute wieder pro forma eine Sitzung ab, um dann eme Pause eintrelen zu lassen, i» der den Mitgliedern Gelegenheit gegeben werden soll, mit den Fractionen und den Wählern sich in Verbindung zu setzen. Inzwischen hat Herr Eugen Richter die Aufruhrparagrapben verlesen lassen, um diejenigen freisinnigen Abgeordneten und Wähler rinzusHlichtern, die nach einer Verständigung über die Msiitarrvorlage suchen. Einer seiner journalistischen Adju tanten des freisinnigen Dictators schreibt nämlich der „Bre»l. Zta." über da» Eintreten des Abg. Hinze für die verlangten 173 vierten Bataillone: „Niemand wird sich im Laude über da« Verhalten de«. Abg. Hinze mehr wundern, ai» die freisinnigen Wähler. Es giebt heute in Deutschland kaum einen freisinnigen Verein von irgend einer Bedeutung, der nicht eine Resolution gegen die Militairvorlage an den Reichstag obgesandt hat, und der nicht die Erwartung ausge sprochen hätte, daß die freisinnige Partei tm Reichstage die Inter essen de- Volkes dadurch wahrt, datz sie sich entschieden gegen eine jede Erhöhung der Frieden-Präsenzstärke erklärt, die hinou-geht über Len durch die Einführung der zweijährigen Dienstzeit ohnehin be dingten Ausfall an Mannschasten. Das Vorgehen de- Abg. Hinze steht daher zweifellos tm directen Wider spruch mit den Wünschen der gesammten Wählerschaft, einige wenige Aulnahmen vielleicht abgerechnet. Allgemein wird die Frage aufgeworfen, wa« Abg. Hinze mit seiner unbe- greislichen Stellungnahme bezweckt, und wohin er eigentlich zielt. Weiter entsteht die Frage, ob Herr Hinze auf eigene Verantwortung bandelt, oder ob er im stillen Einverständniß mit einigen andere» Herren au« der freisinnigen Partei des Reichstages sich befindet. In den freisinnigen Kreisen Berlin- ist der Unwille über daS Vor- geben des Abg. Hinze allgemein. Es dürste, falls in der Thal einige freisinnige Reichstagsobgeordnete geneigt fein sollten, sich in der Frage der Mtliiairvorlage in Gegensatz zu ihren Wählern zu setzen, an die letzteren die Nothwendigkeit herantreten, den be treffenden Herren bei Zetten reinen Wein etnzu- schänken über die bei der überwiegenden Mehrheit des Volke» herrschenden Gesinnungen. Ob und welche Lon- seq uenzen sich au- den jüngsten Vorgängen für die freisinnige Partei als solche ergeben, bleibt abzuwarten. Man sieht: den Gesinnungsgenossen des Herrn Hinze wird bereits der große FractionSbann angedroht, wenn sie sich emsallen lassen, bei der Umfrage ihre „Ansicht" nicht im Sinne des FractionSpapsteS zu äußern. Und ganz ähnlich macht es die ullramontane „Germania", die den Frhrn. v. Schorlemer-Alst ziemlich in derselben Weise behandelt, wie Herr Eugen Richter seinen FractionScollegen Hinze. Und dabei sind es gerade die ultramontanen und die freisinnigen Mitglieder der Militaircommission, die ihr Verschleppungs manöver mit der Nothwendigkeit motiviren, mit de» FractionS- gencssen und den Wählern sich in Verbindung zu setze»! Da« preußische Abgeordnetenhaus hat gestern in namentlicher Abstimmung die Forderung für die beiß um strittenen Berggcw erbegerichle mit l6L gegen 96Slin»nen angenommen. Die Mehrheit bestand aus deni Eentrum, den Nationallibcralen mit ganz vereinzelten Ausnahmen, de» Freisinnigen, einer Anzahl von Conservativen und Frei- eonservativen. Hätte daS HauS die Errichtung der besonder» Bceggewerbegerichlt verworfen, so hätte die Regierung nach dem Gesetze die Verpflichtung gehabt, die Bergarbeiter unter die Gcmeindcgewerbegcrichle zu stellen. Die Ausführung dieser reichSgcsetzlich beschlossenen Maßregel, über deren praktische Bewährung man freilich erst Erjabrungen wird sammeln müssen, kann vom preußischen Abgeordnekcnhause aus nicht verhindert werden. ES sollte aber, wie insbesondere die Rede deS Herrn von Minnigcrode deutlich erkennen ließ, wieder einmal ein Vorstoß gegen die NeichSpolitik ans einem der wichtigsten Gebiete, dem der socialen u»v Arbeiterfrage, unternommen werden Ten Herren auf der Rechten ist diese ganze Politik zu arbeitersrcundlich und sie erwarten davon keine Versöhnung, sondern nur neue Ansprüche und Ausschrei tungen der Arbeiter, eine Ermulhigung der socialdemokratischen Agitation. Es ist merkwürdig und nicht erfreulich, wie oft jetzt ein schroffer Gegensatz zwischen der Mehrheit deS Reichstags und der Mcbrheit oder mindestens einem bedeutenden Theil des preu ßischen Abgeordnetenhauses in den grundlegenden Fragen unserer wirlhschastlichen und socialen Politik hervortritt. Und dabei sieben die preußischen Conservativen an der Spitze der Opposition gegen Gesetze, die ihre eigenen Parteigenossen im Reichstag mit zu Stande gebracht haben Gegen daS^cwerbcgcrichlS- gesetz stimmten s. Z. im Reichstag nur Socialdeinokraten und Freisinnige. Jetzt versuchen die preußischen Conservativen einen Vorstoß gegen dies Gesetz, welche« angeblich nur der svciatdemokralischen Agitation zu Stallen kommen soll. In dem gegenseitigen Verhältniß der beiden großen parlamen tarischen Körperschaften ist neuerdings rin nicht erfreulicher Umschwung eingetreten. Die gegenwärtige Woche gehört in Frankreich dem Panama - Bestechungsprocesse. Morgen Mittwoch werden Baihaut und Genossen vor den Geschworenen des Seine-Bezirkes erscheinen und man sieht allgemein den Ver handlungen mit lebhaftem Interesse entgegen. Es wird ge hofft oder befürchtet, je nach der Parlcistcllung, daß der Proceß die bisherigen Enthüllungen ergänzen und volle« Licht über die unsauberen Machenschaften zwischen der Panama- Gesellschaft und der Volksvertretung werfen werde. Das allmälig erlahmte Interesse der öfsenilichen Meinung an der Angelegenheit ist durch die Mittheilungen des „Figaro" und deS „Gaulois" aus den Verhören vor dem Untersuchungs richter wieder sehr wirksam angestachelt worden. Einen Hauplschlaa gedachte in gleichem Sinne der bekannte Ab geordnete Millevoye zu führe», inte», er dem Iustizminister brieflich die Eindringung einer Anfrage über die rechtlichen und parlamentarischen Folgen, die aus der Betheiligung verschiedener politischer Persönlichkeilen, namentlich Cleinenceau'S, Rane's, Freycinet'S und Floquel'S, in der Panama Affaire entstehen tonnten, für die heutige Kammersihung ankilndigte. DaS Ministerium, da- diesen Schlag nur schwer parircn konnte, suchte ihm auszuweichen, indem eS die Annahme der Anfrage Millevoye'S für den Augenblick ablehnte und erklärte, ihm nicht vor Beendigung deS Besteck,ungSprocesscö Rede stehen zu können. Die Kammer hat denn auch beschlossen, die Berathung der Interpellation Millevoye bis nach Be cndigung deS Panama-Processes zu Bukarest beute a»S Pari« gemeldet, der „ - '„uh,„l worden, aus seien wichtige Papiere S b sch ag ahutt w r ^ denen der Panamascaneal neue ^ah»» S Goblet mabnt in der „Pente diepuUiqi Qvvor- sich keiner trügerischen Sicherheit ^ Stellung mit lunismus schick- fick an, l-c. ' E tlichen Re alie» Mitteln ,traft,ter Nkan.'szucht .n.v 'uwrdi.n.a-^, Lss^^7erlssre7'wenn 1"-' ikm ebenbürtige Kräfte enl- LenÄen" wollte.'.. Ter „G-u.°.s" u'nd"b-7eüttnd!r MWM-W-Z f-i!n, das beweise schon die Tha.sache daß er noch von ke.ner Seite gerichtlich beunruhigt worben sei. Krssg zwischen einem deutschen und fische» SckissSbcfcblshabcr — das ist der jungsle den ti- Pariscr Pressc in ihrer bekannten ^-n- sationsiiiaiiicr zu einem aufregenden VorfallDamvicr Der deutsche Capitain Pietsch von, ^ „Allemannia" batte in einem centralaiiierikaninbcn Hasen einen Constict mit dem französischen Capitain ^.crvain rc Dampfer „Canada": cs bandelte fick um einen ^atz Zun Anlegen im Hafen. Lcrva» langte vor einigen Tag ,, Havre an, wo er auf Pietsch, dessen Dampfer dort gl-'ck falls erwartet wurde, lauerte, um ihn zum Duell zu l°rtcrn. Bald daraus traf Capitain Pietsch ebenfalls in v-"re ein und empsing an Bord der „Allemannia" die Zeugen tcS Herrn Servain; er erklärte denselben, daß er dcn beleidigenten .luSkruck „Schweinc-Franzose" nicht km Bord der „Canada" gebraucht, auch nicht von geringer sranzösischcr Intelligenz, sondern nur von geringer Höflichkeit der Franzosen gesprochen habe. Wenn Herr Servain mit dieser Erklärung nicht zufrieden sei, so sei rr(P.) bereit, nachdem er seine „Allemannia" nach Ham- bürg geführt haben werde, ihm Sattssaction zu geben. — Heute hält es der Telegraph für nöthig, auS Havre zu „Ter deutsche Dampfer „Allemannia", besten Capitain Pietsch von dein Capitain der „Canada", Servain, eine Herausforderung znin Duell erhielt, hat de» Hasen heute früh I Uhr »ertasten und die Fahrt fortgesetzt. Die Polizei Halle Vorsichtsmaßregel» getroffen, da man Kundgebungen befürchtete. Es ist begreiflich, daß die Franzosen, nachdem ihnen der baldige Besuch eines russischen Geschwader« in Havre oder Cherbourg in so beslininite Aussicht gestellt worden war, eine herbe Enttäuschung erfahren habe», als diese Nachricht widerrufe» wurde. Es ist nun drollig, wie die Pariser Blätter diesem unangenehmen Dementi den ärgsten Stachel zu nehmen suchen. Der „XIX. Eibele" und ankere Blätter schildern den Sachverhalt in folgendem Lichte: Die Meldung stammte auS deutscher Oucllc uiib war in einer boshaften Absicht, damit sic von russischer Seile dementin werte, in die Welt hinauSgesandt worden. DaS russische Ge schwader, das gegenwärtig »och in der Ostsee vom Eise dlvckirt ist, geht Ende Mai anläßlich der Weltausstellung von Chicago nach Nordamerika und köiinle erst auf seiner Heimkehr nach Frankreich konimen. Soviel aber ist sicher, daß Rußland de» Kronsladter Besuch erwidern wird. Wann? weiß man noch nicht bestimmt, die beiden Regierungen werden sich darüber verständigen So tie rcgierringSsrcnndlickcn Blätter. Die „Librc Parole" aber hat eine andere Deutung: Sic behauptet, der Kronstadtcr Besuch sei bereits in Nancy durch den Großfürsten Konstantin erwidert worben und taS 87. Jahrgang. russische Geschwader komme vorläufig nicht, weil die Prahlerei der RcgieruiigSpresse de» Kaiser Alexander verstimmt habe und er zeige» wolle, daß er leine Partei zu begünstigen wünsche. Tie CorteS-Wahlen in Spanien haben, wie das nickt anders zu erwarten stand und wie das dort bei jedem CabinetSwechsel der Fall zu sein pflegt, den Sieg der neuen Regierung ergeben. Die neue Kammer wird wie folgt zusammengesetzt sein: 50 Republikaner, 60 Conservaiioe, l6 Carlistcn, 9 cnbanischc Autonomislen. Alle übrigen Deputieren gehören der ministeriellen Partei an. — Nack, weiteren hier cingegangencn Millkcilungen sind in Euba ll ministerielle, 9 conscrvative, 7 Autonomislen und 3 Unabhängige gewählt worden. In Portorico wurden ll ministerielle und 5 Conservative gewählt. Die Republikaner in Madrid versuchten gestern eine Kund gebung zu veranstalten, wurden jedoch von der Polizei daran verhindert. Mehrere Personen wurden verhaftet. Nach Petersburger Meldungen gedenkt die russische Regierung der Arbeiterfrage nabe zu treten. Bis jetzt bat sie sich, abgesehen von der Iriteiisrage, mit socialen Fragen nur wenig besaßt. Wahrscheinlich ist daö Vergeben der westeuropäische» Staaten bestimmend gewesen, sich einer Angelegenheit zuzuiveuteii, tie bei de» eigenartigen Verhält nisse» de« große» russischen Reiche« sicher mit großen Schwierigkeiten verknüpft ist. In Rußland bestehen die Arbeiter in der Hauptsache auö zwei große» Classe», auS den Handwerkern und den Fabrikarbeitern. Ans elftere, die unter sich unseren früheren Innungen ähnliche Körperschaften bilden, hal sich die bisherige Arbeiter gesctzgebuiig nicht erstreckt. Hingegen hat ein Gesetz vom 3. Juni- 1886 den Arbeitsvertrag zwischen Fabrikarbeitern und ihren Arbeitgebern dabin geregelt, daß cö sich, abweichend vom gemeinen Reckt, im Interesse de« Staates zwischen beite Parteien stellt und ihre Reckte und Pflichten auSgleicht, indem cS die Kickt mißbrauchte Freiheit der einen und die übertriebene» Ansprüche der anderen Partei zu beschränken s»ck,t. Tie Arbeitszeit ist bis jetzt nur für die Frauen und Kinder festgesetzt. Den Frauen ist die Nachtarbeit untersagt und die Kinder (bis zum fünfzehnten Jahre) dürsen nur acht Stunde» täglich und nicht mehr als vier Stunden hintereinander arbeiten. Tie bisherige Unfall- Gesetzgebung ist nur in den äußersten Umrissen gcballcn und umfaßt nur ganz allgemeine Fälle. Bestimmungen über die Versorgung aller und invalider Arbeiter giebt cs zur Zeit gar nicht. Früher kehrten die Fabrikarbeiter, die zumeist auö Bauern bestanden, im Alter oder bei cintrelcndcr ArbeilSunsähigkeil ein fach in ibr heimalktiebeö Tors zurück. Dies kann ikncn aber bei der völligen Verarmung der Bauerndörfer jetzt keine Zu flucht mehr gewähren. Besonders wirb die Regierung darauf bedacht sein müssen, der fürchterlichen Prostitution in den Fabriken vorzubeugen, die den ganzen Arbeitcrftand zu ver giften droht. Fabrikinspectoren sind jetzt schon vorkanten; sie sind mit einer Macht auSgestallet, die i» der Hand eines russischen Beamten außerordentlich gefährlich ist. Die Regie rung kann aus diesem Gebiete der socialen Gesetzgebung wirk lich einmal eine Kraftprobe abtegen. Die jüugste russische RegierungSkundgebung in Betreff Bulgariens wird in der europäischen Presse fast nur spöttisch behandelt. Es ist gewiß sehr schmerzlich, daß die Bulgare» das väterliche Herz des Zaren so betrübe» und daß sie die Ralhschläge Rußlands, das ihnen doch zahlreiche ha»b-x greisliche Beweise seines „Wohlwollens" gegeben hat, nicht befolgen, aber die Bulgaren sind nun einmal ein so verstockte« Volk, das sich selbst die Bcurlhcilung darüber zntraut, was zu seinem Besten dient. Sic werden von den cingcschlagencn Bahnen nicht abweichcn, wenn der „Regierungsb." »och so eindringlich von der Verleugnung der „heiligsten Tradi- Ilxsdnick »krboitn. FeuiUstsn. Ums Gel-. 101 Novell« von L. Hehl. (Fortsetzung.) Fräulein v. Stahl rang nach Athem und einige Augen blicke vergingen, ehe sie sprechen konnte. Ihre Stimme zitterte merklich als sie erwiderte: „Den schuldigen Betrag kann ich leider ^eute nicht begleichen, Herr Knicker, aber ick will Ihnen einen Vorschlag, bei dem Sie Geld und ich Zeit gewinne, machen." Sie zog ein Etui au« der Tasche, öffnete dasselbe und zeigte dem erstaunten Kaufmann einen kostbaren Brillant ring, dessen Steine vor den schielenden Augen Knicker'- blitzten und funkelten. „Besitzen Sie mehr so wertbvolle Schmucksachen?" fragte er, den gierigen Blick auf da« Kleinod geheftet. „Da wundere ich mich, daß Sie dieselben nicht längst verkauft haben, um mit dem Erlöse einen Theil Ihrer Schulden zu bezahlen." „Es ist daS Letzte, was mir noch blieb," antwortete Fräulein v. Stahl mit trauriger Miene, „ich trenne mich schwer davon, denn eS ist ein theuereS Andenken, der Ber- lobungSring meiner Mutter." „um welchen Preis wollen Sie denselben verkaufen?" fragte Knicker. „Verkaufen will ich ihn nicht, Herr Knicker, nur auf drei Monate m Versatz geben, damit Sie Geduld haben. Nach Ablauf dieser Hrist werde ich die Schuld, über die ich Ihnen einen Pandschem ausstelle, mit hohen Zinsen abtragrn und daS Kleinod wieder cinlösen." „In drei Monaten haben Sic ebenso wenig Geld wir beute", versetzte Knicker raub. „Leute Ihre- Schlage» ver stellen nicht, sich sparsam riinurichlen. Ihr Onkel lebt als reicher Eavalier und hat dock» nicht« al» seinen Hochmuth und seine Pension, die au-reichen würde, wenn er sich ver nünftig einrichten wollte. Er bewohnt eine Villa, er hält sich ein« Ditoerschaft, er spielt im Elub zu hoben Einsätzen und verliert gewöhnlich, er füttert zu allem llebersluß einen alten Gaul, der ihn bei Gravelotte getragen hat und hat oft kaum das liebe Brod! Wo will denn das hinaus? Haben Sie schon darüber nachgedackt, und sind Sie über Ihre Lage klar geworden?" Sic nickte stumm. „Dann begreife ich nicht", f»br Knicker unbarmherzig fort, „warum Sie nicht ein ernstes Wort mit dem alten Narren sprechen, der das Geld zum Fenster binauswirft, warum Sir nicht cinschreilen, che cs zum Aeußersten kommt." Mit sanfter, aber fester Stimme erwiderte sie: „Ich kann mich nicht entschließen, den edlen Mann, der wie ein Vater an mir handelte, mit einem Worte zu kränken, ich kann eS nickt ertragen, ihn in seinen letzten LcbenStagen von allem entblößt zu sehen. waS ihm zum Bedürsniß geworden ist. Ich arbeite von früh bis spät, um mein Scherstein zum HauSbalte bcizutragcn." „Sie sind eine geschickte Seidenstickerin, ich habe davon gehört", sagte Knicker. „Ist denn der Verdienst auch der Mühe werlb?" Sic bejahte. „Meine Arbeiten erfreuen sich seit neuerer Zeit einer gewissen Berühmtheit und werden besser bezahlt, als früher." „Und das sauer erworbene Geld ersparen Sie sich nicht, sondern überlaffen es dem allen Herrn, damit fertig zu werden." Sie war aus« Tiefste verletzt von der rauhen, formlosen Art, mit der dieser Krämer mit ihr zu sprechen wagte, und doch durfte sie ihn nicht in seine Schranken zurllckweiscn, sie mußte auch das hinnehmen, um günstige ZahlungS- en oder doch eine längere ZaylungSsrist von ihm zu erwirken. „Sie thun meinem Onkel Unrecht, Herr Knicker, er bat keine Abnung davon, daß ich um- Geld arbeite und wäre außer sich, wenn er es erfahren würde, denn er ist in prak tischen Dingen kurzsichtig und unerfahren wie ein Kind. Vom Werth de« Gelte» hat er leinen richtige» Begriff und für die Menschen und Verhältnisse der Gegenwart kein rechte« Ver- ständuiß. Doch da- gekört ja eigentlich nicht birrber. Ich sprach von den Erträgnissen, welcke meine Arbeiten abwersrn, und komme darauf zurück, um Sie darüber zu beruhigen, daß ich in drei Monaten »leinen Ring einlösen kann. Ich habe eine wcrthvolle Stickerei zu einem Lseiischirm fast vollendet, und gedenke, dieselbe der sogenannten Oelprinzcssin anzubietcn. Als neue Arbeit wurde mir durch Vermittelung der Frau Medicinalratb Dörnbach die Stickerei einer Fahne angebolen, für welche ich, wie Sie au« diesem Briese ersebe» können, 400 Mark erhalten werde. Ich werde scbr fleißig sein, Herr Knicker, und sobald ick das Geld verdient habe, zahle ick so fort den schuldige» Betrag mit Zinsen und löse den Ring wieder ein. Haben Sic so lange Geduld!" „Haben Sie Geduld!" wiederholte er mürrisch, „das ist da« alle Lied, da« mir immer vorgesungcn wird, wenn die Leute ^borgt haben und nicht zahlen können. Ich bekomme meine Waaren auck nicht geschenkt, und wenn ich nicht püncllich meine Wechsel einlöse, da»» komme ich um meinen Credit." Fräulein v. Stahl seufzte ries auf und untcrdrückle mit Muke die Tbräne», die gewaltsam hcrvorzubrechen drohten. Knicker ihat, atö ob er da« nicht merkte und er kielt daS Ettii nach verschiedenen Teilen, um daü Aeuer der Brillanten ru prusen. Daß der Ring sehr werlbvoll war, das erkannte er sofort und war entschlossen, denselben nicht mehr au« der Hand zu geben, stellte sich aber, der Besitzerin gegenüber, als ob ihm gar nichts daran gelegen sei. , „Diese Bisouterie-Waaren sind >,», die Hälfte im Werlbe geiuiiken, eS epistiren so viele und so täusckende Imitalionen, ^iß kaum neck Nachfrage nach echten Schmucksachen ist. Sie dauern mich, Fräulein v. Stahl, weil Sie arbeile». entbehren und dann Ihr Gelb in meinen löcherigen Beutel wersen. Ihnen -u Liebe will ich den R.ng kaufen und biete »! s" ' 200 ^iark.dafür. Hundert lind zwciund- lchuldig, da bekommen sie noch ackt- untsechzig Mark herauSB Cr kielt) ihr seine lange »L L7- Schritt zurück und die Entrüstung färbte ibrc Wange». „Ick sagte 2bn-n.schon, daß .ck den R.ng n.ckt verkaufe. Herr Kn cker Ock würde leichter ,edeS andere Opfer bringen als dies « Gebe» eLie mir da« Kleinod zurück, ich will Zusehen daß ,ck Jemand finde, der mir Gelb daraus leiht." " Knicker hatte dem zarten Wesen diese Entschlossenheit nicht zngetraut; er überlegte eine Weile sckweigend, ebe er, wie er sich ausdrückke, seinen letzten Vorschlag zu gütlichem AuSglcick machte. „Sic werden schon scbc», mein Fräulein, Sie lausen von Pontius zu Pilatus, bis Sic Geld anslreibc», von den dorrenden Zinsen, die Sic wahrscheinlich zahlen müssen, gar nickt zu reden. Ilmsonst übernimmt Keiner das Risico. Ick will in GottcS Namen und aus Barmherzigkeit für Sie den Rinff als Pfand aiincbmc», worüber ich Ibnen schriftliche Bescheiniguiig anSstclle. Sie dagegen geben mir über de» schuldigen Betrag Handschei» aus Stcmpclbogcn und schreiben statt bunkert und zwei unv dreißig, bnndert und fünfzig Mark, zahlbar in drei Monaten, verzinslich mit zehn Procent. Das sind noch gnädige Bedingungen." „Es sind harte Bedingungen, Herr Knicker", seufzte daS Fräulein. „Dieselben sind den Umständen angemessen", cntgcgnete er barsch. „Wer in so zerrütteten Verhältnissen lebt, wie Sie, darf froh sein, wen» man ihm überhaupt noch Vertrauen schenkt." Sie stand eine Weile unschlüssig, mit sich selbst im Kampfe, ob sie aniiebme» oder ablehnen sollte; endlich entschloß sic sich zu dem crstcrc». „Schreiben Sie", sagte sie tonlos, „ich muß wobl auf den Vorschlag eingebcn." „ES ist jedenfalls das Vernünftigste, was Sic tbun können, Fräulein v. Stahl", antwortete Knicker, durch die Aussicht großen Prosit etwa- besserer gestimmt. Cr suchte einen ^teinpelbogen hervor, setzte ein Schriftstück oben erwähnten Inhaltes aus und überreichte eS ibr zur Unterschrift. Sie las eS aufmerksam durch und schrieb dann niil zitternder Hand ihren Namen darunter. Lik», ter sich in den düsteren Hintergrund deS Laden- zurückgezogen batte, folgte den Verkandlungcn mit innerem Grinii» und verwandle keinen Blick von der unglücklichen Dame, deren riikrcndc Schönheit, deren traurige- Schicksal ibm tief zu Herzen gingen. Ein schöne» Cdelsräulcin vor seine», Bedränger zu schützen, da« war für Lip» ein großer Gedanke, die Holde, ohne daß sie c» abntc, vor Undcil zu bewahren, erschien ihm al« ein erhabene« Ziel, aller Mühe,
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