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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.03.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-03-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930310029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893031002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893031002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-03
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Wir bitten, diese Bücher im Ausfindungssalle an uns abzuliefera. Leipzig, den 8. Mär» 1893. Da« Pslizeiamt der Ltadt Leipzig. I. SSL. Bretfchnetder. ti>. Politische Tagesschau. * Leipzig. lO. Mär,. In der taktischen Behandlung der Mililairvorlage in der ReichStagScommijsion bat sich gestern ein voll stän diger und sehr überraschender Umschwung vollzogen. Tie Verschleppungstaktik ist plötzlich ausgegcben und es soll jetzt auf einmal säst da- Gegentheil eintrelen. Heute soll '.Abstimmung über die entscheidendsten Puncle stattsinden und dann an die erste Lesung nach einer kurzen Pause sich alsbald tie zweite anschließen, so daß die Eommissionsbexathung jedenfalls vor Ostern vollständig crlevigt wird, der Bericht nährend der Osterferien fertig gcslelll und alsdaid nach dem Wiederzusammcntritt des Reichstags die entscheidende zweite Lesung vorgenommen werten kann. Tie heutige Abstimmung und überhaupt die Commissionsberathung wird aller LorauS- sichl nach vollständig negativ endigen. Für diese Taktik haben Nch, im Widerspruch mit ihrer aanzcn bisherigen verzöaerndrn Haltung, daS Ceulrum und die Deulschsreisinnigen entschloffen; nicht einmal Lein wohlbegrüudeten Ersuchen de- Abg. vr. Buhl, wenigstens soviel Zeit zu gewähren, um in und mit den Fraktionen bestimmte neue Anträge sormuliren zu können, wurde entsprochen. Auch darauf wurde keine Rücksicht ge nommen, daß Herr v. Bennigsen noch von Berlin fern schalten ist, der doch bis fetzt eigentlich allein einen Ver jiandigungS-Anlrag eingebracht bat und besten Verdienst eS bklnehinlich ist, daß die DiScussion nicht userlv- ausartete und endlich zu einer Art von Abschluß gelangte. Die Frei- sinnigen sollen sich in ihrer FractionSsikung äußerlich geeinigt bade» und beute ihren bekannten Vorfchlag auf Jnnehaltung cer bisherige» Präsenzziffer einbringen wollen. Tie Beweg- .zriinte und inneren Beziehungen dieses überraschenden Um- fä-wungS sind nach verschiedenen Richtungen noch unklar und auch für wohlunterrichtete Parlamentarier undurchsichtig; insbesondere ist auch vie Stellung der Regierung dabei ganz zweifelhaft. DaS Centrum scheint die Führung über nommen zu haben. Wenn nicht wieder neue überraschende Wendungen eintretcn, wird man sonach bald nach Ostern der lünlscheiduna entgegensetzen dürfen. Die Aussichten aus Ver ständigung haben durch diese Wendung nicht gewonnen. Die soeben im badischen Ministerium eingetretenen Veränderungen werden begreiflicherweise viel besprochen und geben Veranlassung zu allerlei Vermuthungen über einen LMlemwechsrl. Die „Nat.-Lib.-Ccrr." glaubt einen solchen inä't besorgen zu müssen und motivirt diese Ansicht folgender maßen : „Schon die Ernennung des bisherigen CuItusininisterS Nokk zum Ministerpräsidenten, unter Beibehaltung seines bisherigen Nestort«, bürgt dafür, daß die Regierung auch fernerhin in einem xemaßigt-Iiberalen Sinne geführt werden wird. Auch die neuen Banner, weiche bei der Umgesiallung des Ministerium« herangezogen morden, werden keinerlei veränderte politische Färbung in bi« Ackerung bringen. E« sind dies der Kiaanzminister Buchen- berger, der sich bei verschiedenen Anlässen als rin verständiger und gemäßigter Wirtdlchastspolitiker erwiesen, und der Minister des großherzoglichen Hauses und der auswärligen An gelegenheiten v. Brauer. Wa« den Letzteren betrifft, so ist er politisch bisher nicht hervorgelreten, gehört aber ohne ausgesprochene Parteistrllung einer gemäßigten, vermittelnden Richtung an. Badener von Beburt, war er lange Jahre tm auswattigen Reichsdirnst deschüftigt, in Evniulatsünttern in Bukarest, Peters burg. Kairo, dann wiederdolt im Auswärtigen Amt, bi« er als Nachfolger de« jetzigen Elaot«srcrelairs v. Marschall da« Amt eine« badischen EeianLien in Berlin erhielt. Wenn in einigen Blättern die Ernennung eine« dadiichen Minister« d»«A ußwärtigea hochpolitisch gedeutet und als ein particularistischer Act, etwa wie die Wiederherstellung diplomatischer Vertretungen lm Autland», outgelegt wird, so ist dies rin« gänzliche Verkennung der Sachlage. Baden bat wie alle mittleren deutiwen Bundesstaaten stet« das Amt eines Ministers tur ouswärtlge Angelegenheiten beidrhalten, das in der Regel, n»e jetzt, mit anderen Restarts verbunden ist und besten Wirksamkeit sich keineswegs auf hohe auswärtig« Politik, sondern aus di« dund»«stoarlich« Stellung innerhalb der RelchSpolitit erstreckt." Wir sind weniger optimistisch. War es doch gerade Herr Nokk, der sich vor einigen Jahren in der Frage der Wieder- zulassung geistlicher Orden in Baven den Ultramoittanen entgegenkommend erwies und dadurch nicht nur die Begehr lichkeit und Siegeszuversicht der Letzteren erhöhte, sonkrrn auch in da- Laaer der Rrg>eruna«niajorität einen unheilvollen Riß brachte. Seitdem baden sich in Baden dir Parteivcr- hältnisse wesentlich verschoben, und zwar so, daß der Re gierung der Wunsch nach Transaktionen mit dem badischen Crntrum weit näher liegt, als dies damals der Fall war. Tie bisherigen Verhandlungen im Panama-Be st rchungSproceß lassen die Erwartung als begründet erscheinen, daß die Angeklagten von dem Erfühl durch drungen sind, nicht- mehr zu verlieren zu haben, und daß sie infolgedessen bemüht sein werten, möglichst viele ihrer nicht auf der Anklagebank sitzenden Mitschuldigen in ihren gesell schaftlichen und politischen Zusammenbruch mitrureißen. Namentlich Lesseps tritt in dieser Beziehung so vestinimt und energisch wie nur irgend möglich auf und eS kümmert ihn nicht im Geringsten, daß Männer, die noch vor Kurzem sich deS größten Ansehens zu erfreuen hatten, mit in den Strubel hinabgczogen werden. Jedenfalls wird der gegen wärtig vor den Pariser Geschwornen zur Verhandlung stehende Proceg noch maiuugfach« Enthüllungen an den Tag briagra. Einen üblen Eindruck hat c« hervorgcbracht, daß der Gerichlsvorsitzende di« Taktlosigkeit beging, Lestrps, als er er klärte, die Regierung selbst habe ibn zu seinen Ungesetzlichkeiten ermuthigt, am Reden zu verhindern und ihm mit der Auf forderung in das Wort zu fallen, er möge dir Regierung aus dem Spiel lasse». Deutlicher konnte sich die gereckl- sertigte Furcht der herrschenden Partei vor Bloßstellung einiger ihrer Häupter nicht verrathen. Dcr üble Eindruck, den dieser Versuch des Gericht-Vorsitzenden, die Aufdeckung der vollen Wahrheit über Panama zu bintcrtreiben, nold- wcndig erzeugen muß, wurde durch den Zwischenruf deS Ver- theidigrrs Barboux verstärkt: „Sit werken staunen, wie groß die Lifte der Bestochenen ist!" Der erste VerbanViungStag im Be- stechungSproeeß ergab eine neue Thatsache, nämlich die, daß Cornelius Herz bei Grtvy als Hausfreund verkebrte. Noch bemerkenSwertder als der Inhalt der Aussagen LessepS war deren Form. Lesseps macht, wie wir schon betonten, den Eindruck eine- Manne«, der entschlossen ist, jede Schonung bei Seite zu setzen und Alle« zu sagen, was er gegen da« Regieruna«personal weiß, an den, er sich für dir ihm wider- sahren« Behandlung — er bestätigte u. A. aucb, daß man ihn dem Untersuchungsrichter gefesselt vorgesüdrt hat — rächen will. Verschiedene Versuche de« Gericht-Vorsitzenden und de« oberste« Staatsanwalt-, ibm enigegenzutreten, wie- er überlegen zurück. AIS ihm beispielsweise der Vorsitzende vorftrUtr, er sii zu breit nad solle sich kürzer fassen, ant wortete LessepS höhnisch: „Ich habe za Zeit genug, ich habe fünf Jahre vor mir." DaS Ergebniß der spanischen Wahlen ist nun voll ständig bekannt. E« entspricht nicht ganz den Erwartungen der Regierung. Tie große Mehrheit, aus die sie rechnete, bat sie allerdings erlangt; denn daß irgend ein spanisches Ministerium bei CorteSwahlen in der Minderheit bliebe und dadurch zum Rücktritt gezwungen würde, scheint zu den Unmöglichkeiten zu gekören. Die Lösung diese- RäthselS ist sehr einfach. In Spanien verlieren alle Beamten ihre Stellungen, wenn da- Cabinet wechselt. Man kann daraus auf den Eifer schließen, mit dem sie sich an dem Wahlkampf betbeiligen. Hängt doch von dem Auöaanae desselben ihre Existenz ab und vor der Rücksicht aus Weib und Kind ver stummt jede- OppositionSgelüste. Da nun die Beamte» überaus zahlreich sind und Mann für Mann an die Urnen geben, während die übrige Bevölkerung vielfach gleickgilliz bleibt und ihr Wahlrecht nicht auSübt, da außerdem der Einfluß der Negierung auch außerhalb der dureankratisiben Sphäre mächtig wirkt, so erklären sich dir überwältigenden Majoritäten, die rin spanische» Ministerium wie das andere erzielt, ffbr leicht Es wäre ein Wunder gewesen, wen» Sagasta weniger Glück gobadt bätle »IS CanoraS dcl Castillo oder sonst einer seiner Vorgänger. In die Freude an der iniponirenden Mehrheit, über welche daS Cabinet in den neuen CorteS verfügen wird, Mischt sich jedoch ein bitterer Beigeschmack Die republikan ischc Partei bat bei den letzten Wahlen ungeahnte Ersolge davon- getragcn. In Madrid selbst hat sie sechs Mandate errungen, in Saragossa, Barcelona und Valencia je zwei. Unler den Vertretern dcr Hauptstadt befinden sich Nui; Zorilla, Sal- nieron und Pi h Margall — drei unerbittliche Gegner der Monarchie. Neben ihnen und dem ebenfalls längst bekannten Pcdrcgal erscheinen zwei nengewählte Gesinnungsgenossen: dcr berühmte Irrenarzt Ezquerko und der Akademiker Benot. Mit Mühe und Nolb sind außer den Republikaner», die zwischen fünfundzwanzig und siebenunvzwanziztausend Stimmen erhielten, zwei ministerielle Candidaten in der Hauptstadt durchgctrungen. Tie Anzahl der republikanischen Abgeordneten wird selbst in einer offleieUcn Madrider Depesche aus ncnnundtreißiz angeaeben. Eine solche Stärke bat die Partei seit der Wiedrranfrichtung L«S KönigtbumS nichl besessen Unter solchen Umständen wird Sagasta immerhin mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, um sich der Angriffe und Jntriguen seiner Gegner zu erwehren. Die Hauptsache ist, daß er Ordnung m den spanischen Finanzen schafft. Das ist nun freilich ein böse- Stück Arbeit. Um da« Gleichgewicht im spanischen StaalshauShalte kerznstellrn, bedarf es eines eisernen Willen«, der vor keinem Widerstand, keiner Unzufriedenheit zurückschrrckt. Jedermann in Spanien sagt: Es muß gespart werden. So bald man aber dort spart, wo es auSgieoig wirkt, nämlich am Krieg-bukczel, da regt sich die heftigste Gäkrung im OfsicierS- rorpS. Welche Ausgaben soll nun Sagasta einschränken, ohne sich Feinde zu machen? Da- ist die große Frage, vor der er steht Ob ibm die Ausgabe leichter wird, wenn er zwei Freunde Castelar's, die Herren Almagro und Abarzuza, m sein Cabinet ausnimmt? Man sagt, daß er c« beabsichtige, aber daS sinanzielle Problem bleibt darum doch die Sphinx, dir ihr gefährliche- Rälhsel aufgiebt und jeden Minister, der rS nicht lösen kann, unsanft von seinem Fauteuil schleudert Die Erregung der irischen Protestanten wegen des Gladstone sehen Homeruleprojrct« hat nachgerade einen Höhegrad erreicht, der nicht ganz unbedenklich erscheint. Au- den Grafschaften der Ulster - Halbinsel gelangen SituationSbericdte nach London, welche e« als de» festen Entschluß der Ulstcrmcn hinstellcn, unler keiner Bedingung sich dem Machlgebvte eines nationalistischen Parlament« in Dublin zu noterwrrsen und uöthigrnsalls der etwa gegen sie aufzubietenden Gewalt Gewalt entgegenzusetzcn. wcan hofft zwar mit Bestimmtheit darauf, daß, selbst wem, eS der Regierung gelingen sollte, di« Homcrulebill im Unter- hause zur Annahme zu bringen, dieselbe doch an dem Veto de- Oberhauses scheitern werde Sollte da« aber wider Erwarten nicht der Fall sein, bez«. sollte der Widerstand des Oberhauses durch einen PairSscbub überwunden werden so macht sich schon jetzt eine Masse protesianlischcr Irländer mit dem Gedanken de- Wegzuges von dem Boden Irland- vertrant. Und zwar find daS gerade solche DcvölkerungSelrmenle, welche wegen ibreS hervorragenden Bildungsgrade- und Besitze», ihrer politischen Intelligenz und reich-patriotischen Gesinnung eine gar nicht wieder auszusüllende Lücke hintrrlassen würden. Ta» prote stantische Capital Irland» kann aber absolut kein Ver trauen zu einer bcimischen Regierung Irland- gewinnen, welche tharsächlich in den Händen der Dillon' , L'Bricn und übrigen Fenierbäuptlinge liegen würde. Tie MassenauS- Wanderung de- protestantischen Capital» aber würde für bunderttausendr irischer Arbeiter den Verlust ihrer Arbeit und ihre- LediensteS bedeuten; alle diese Sckaarcn würden Er satz dafür in England suchen und so die ohnehin schon sehr bedenkliche (Überschwemmung de- englischen ArbcilSmarkteS bi« zur Unerträglichkeit steigern, da ihnen der Weg über den Ocean infolge der nordamerikanischcn EinwandcrnngSzesetze verlegt ist. DaS znrückblcibendc GroS dcr irischen Protestanten organisirl schon jetzt den eventuellen Widerstand. Es ist nicht daran zu zweifeln, daß in dem prolestanliscken Ulster der Zündstoff »lassenhafk lagert. Zahlreich« Erfahrungen der Vergangenheit zeigen zur Genüge, daß eS dort schon weit geringfügigerer Ursachen willen oft genug zu schlimmen Zusammenstößen der beiden nach Rasse und Religion einander crbseindlichcn Bevölkcrnng»bestand!he>lc gekommen ist. In Serbien fanden gestern die Wahlen zur Skupschtina statt. Es waren im Ganzen 134 Abge ordnete zu wählen, 104 in de» Landgemeinden und 30 in den Städten. DaS activc Wahlrecht hat jeder Serbe, dcr da- 21. Lebensjahr zurückgelcat bat, unbescholten ist und an Staalssteuern mindcsicnS 15 Dinar jährlich entrichtet. Wer diese Steuer im letzten Halbjahr nick'l bezahlt bat, darf nicht wählen. Früher wurden in die Wahlbezirke soviel Wabl- karlen, als Wähler vorhanden waren, geschickt, und die meist radikalen Bürgermeister gaben die Karlen häufig auch solchen ihrer Parteigenossen, welche wegen Nichlzahlung von Steuern keine solche batten erhalten sollen. Da eS sich dabei, wie erwähnt, meist um Radikale bandelte, hatte die jetzige liberale Regierung denPräftkten eine strenge Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften voraeschrieben, in Folge dessen viele Radicale wegen Steuerrückständc von der Wahl auSgeschloffen wurden. In Belgrad glaubt man deshalb auch, daß sich an der gestrigen Wahl ungefähr lOV 000 Wähler betbeiligen dürften, 85 VOO weniger al« da« letzte Mal. Da die Gemeinde- Vorstände bei der Leitung der Wahlen eine hervorragende Rolle spielen — dir Wahlen sinken in den Genikinde- bäm'crn statt — so haben die Liberalen während der letzten 0 Monate von den >312 Gemeinden Serbiens gegen 900 an stch gebracht. Als die Liberalen Ende August v. I. dir Regierung Übernahmen, übten ihre Parieigenoffen nur in 285 Gemeinden die Controle a»S. Dir Wahl findet nach dem Listcn-Scrutininm statt und erfolgt mittelst gefärbter Kugeln. Es ist rin« Minoriläten-Vcrtreluna vor gesehen. doch hängt dabei viel von der Ehrlichkeit der Wadl- cornmisston ab. In serbischen RegierungSkreifen wurde be rechnet, daß die jetzigen Machthaber de, den diesmaligen Wahlen 85 Proc. der Mandate erringen werden. Bi» jetzt liegt erst aus der Hauptstadt Belgrad die Miilheilung über da« Wablergebniß vor, daS, wie zu erwarten stand, für di« Regierung günstig lautet. Es wurden 2757 liberale, l034 radikale, 425 fortschrittliche und 43 zersplitterte Stimnicn abgegeben. E» sind demnach die Candidaten der Liberalen gewählt. Eine brmerkenSwertbe Thatsache meldet heute der Tele- grapb aus New-Jork. Dcr Präsident Cleveland hat den Vertrag, betreffend die Annretirung HawaiS, den der frühere Präsident Harnson dem Senat zur Beschlnß- sassung bez. zur Gutheißung unterbreitet hatte, wieder zurück- Feuilleton. Ums Geld. I3j Novelle von A. Hehl. NaKtrick »«rbotra. lgortjetzuna.) VI. Frau Knicker stand in elegantem Feicrlagsstaate mit ihren zwei ältesten Töcbterchcn vor der HauSthür und wartete un geduldig aus ihren Edeherrn, der mit einem GeschästSsreundr aus Hamburg in angelegentlichem, im Flüsterton geführten Gcsvräche im HauSplatze aus- und abgina und so Wichtige« zu verhandeln batte, daß er Weib und Kind darüber ver gaß — Wer die Familie Knicker nur an Werktagen geseben balle, der kannte sie Sonntag« nicht; denn da galt eS. den Leuten zu zeigen, wer man war und wa» man sich erlauben fcnnle. Dem Anseben in der KausmannSwelt und dem Credike war er förderlich, wenn nian sich dann und wann als Eben bürtige unter dir reichen Leute mischte. Bei solchen Gelegen- l cilrn strotzteFrauKnicker in Sammet und Seide. Lange Locken, Ne Werktag« in der Commodeschudlade lagen, wallten ihr Sonntags uuiS Haupt; eine dicke, vergoldete Kette, breite Armbänder, Obrringe wie MUHlrädcr wurden zur Schau getragen; auf dem stolz gehobenen Haupte nickten «in balde« Dutzend Federn und die plumpen Füße waren in enge Stiesel mit übermäßig hohen Absätzen eingezwängt. Dem ent« srrechend war auch der Gatte an Sonn- und Feiertagen als Gentleman auSs.asfirt; er brüstete sich in einem ausfallend bellen, modischen Anzug, batte einen grauen Filzbut schief auf der Platte sitzen, trug an der linke» Hand einen gelben Glarshandschnh und auf der Rase einen goldgefaßten Zwicker von Fensterglas, der an Werktagen einträchtig neben der Lockenperrück« seiner Frau in der Commodeschublade lag und den Knicker mit anderen Gegenständen einmal an ZahlungS- statt von einem salliken Schuldner genommen balle. Hiittr Frau Knicker ihrer Ungeduld nicht schließlich in sehr derben Bemerkungen Luft gemacht, so würde sie noch rin gute« Weilchen vor der HauSthür gewartet baden, bi« r« de» beiden Herren eingesaürn wäre, den projectirtrn Au«flug nach dem Stadtpark anzutreten, so sehr waren Beide in« Gespräch verliest; und nur die Befürchtung, e« könne bei dem cholerischen Tem peramente der Frau Knicker auf offener Straße ein eheliche« Gewitter zum Au»druche kommen, ließ eS ihnen geratben er scheinen, die vertraulichen Mittheilungcn auk rin« paffender« Stunde zu verschieben. Der Hamburger Geschäftsfreund, Herr Launer, ein gewandter Lebemann, eilte aus die erzürnte Schöne zu, erschöpfte stch in Entschuldigungen, bot ihr den Arm und verwendete unterwegs alle plumpen Schmeicheleien, die er für dergleichen Fäll« aus Lager hatte. Schön war dieser Launer und verführerisch in seinem Wesen, da« gestand sich Frau Knicker zu; sie wurde an seiner Seite sanft wie rin Lamm, ibre schwarzen, blitzenden Aeuglrin blickten zärtlich aus den Begleiter, und die Lippen, über welche gewöhnlich nur böbnische. zornige oder schmutzige Worte kamen, lächelten hold selig. wenn er sie anrrde!« Man kam noch rechtzeitig an Ort unk Stelle an, um einen günstigen Platz zu erobern, von Len, auS man alle Ankommenden Revue pasfiren ließ. E« war das einzige Vergnügen, da« der Aufenthalt im Stadtpark dieser Gesellschaft bot. ..Da« ist der Medirinalratb Dornbach", sagte Knicker zu seinem Geschäft-freunde, „ein lnstiaer Kumpan, bar'« auch, kann'« auch — die einträgliche PrariS in der Stadt und noch dazu eine reiche Frau. Man schätzt ihn auf acht- inalbunderttausend Mark- Knicker betrachtete sich die Leute und erwiderte lachend: »Eine reiche Heiratd ist nicht zu verachten; eS ist da« beste Geschäft, da« Einer machen kann. Ist dir lange Dürre, welche neben dem Medirinalratb geht, die so glücklich Lkgabt«?- .Ja" . . Launer warf der erröthenden Frau Knicker einen inten siven Blick zu und Beide lachten hödnilch auf. „Dir darf Geld baden Zu dieser Physiognomie gehörte unbedingt ein Geldiack, sonst hätte Keiner anqebiffen. Wer ist denn die Vogelscheuche, dir neben ibr gehl?" „DaS ist die Hosrätbin Rauch", erklärte Knicker, „eine Frau von >00 000 Mark." „Trotzdem möchte ich nicht der Hosrath sein", höhnte Lauoer. „Ra hören Sir, lieber Knicker, Ihre schöne Frau ausgenommen, sah ich hier noch nicht« Aparte«, da sollten Sir mal nach Hamburg kommen" — er schnalzte mit dem Finger, „da können Sie reizende Damen sehen." „Da- können Sie hier auch", versicherte der Andere, dem da« Liebäugeln deS Fremden mit seiner Ehehälfte nachgerade unangenehm wurde. „Wenden Eie nur den Kopf uni und blicken Sir nicht immer nach der Seit«, wo meine Frau sitzt. Von dort drüben her kommt di« elegante Welt. Besehen Sir sich mal dir Equipage, dir im Schritt« dort vorüber fährt, sind dir Fräulein«, welche darin sitzen, nicht nach ihrem Geschmack?" Launer drückte da« Glas in« Auge und fixirte die Borübersahrrnden. „Hm, ja, ganz nett^ recht hübsch, nicht zu verachten!" „Der stattlich« Herr auf dem Bock ist der Besitzer ber Equipage, der reiche Fabrikant Sykow, rin großer üLchlau- mrirr, hat überall dir Hauke iu, Spiel und e« glückt ihm Alle«, wa« er beginnt. Dir zarte Blondine ist seine Schwester, di« interefsaittt Brünett« mit den großen blitzenden Augen ist Fräulein Roland, rin« unserer Mirtverinnrn; er erhob sick und grüßt« ehrerbietig, während der Wagen im Skbritt vorübcrsubr. FrauKnicker ärgerte sich darüber und fuhr ihren Mann barsch an: „Da mußt Du einen solchen Krayjuß machen, da« ist ja di« Klein«, di« Nicht« hat, dir da« Gnavenbrod bei ihrer reichen Base ißt, die Nase ader so hoch trägt, al« ob sie di« Orl- prinzrsstn selber wäre!" HDi« Andere bat da- Geld und diese hat den Verstand: sie weiß sich Geltung zu verschaffen: ich möchte es nicht mir ihr verderben", begründete Knicker seine Höslichleit. Sein« Frau schnitt «ine Grimasse: „Hast Du dir Stahl im Wagen gesehen?" kragte sie, der Equipage nachschauend. „Wie kommt die armselige Person in diese Gesellschaft ?" „Sie wirk r« verstehen, sich angenehm zu wachen, dumm ist sie nickt ; mit reichen Leuten muß man r« halten", ent gegnet« Knicker verächtlich. Launer. der auf da« Zwiegespräch der beiden Gatten wenig geachtet, sondern vorgezogen hatte, dir Vorübergehenden zu betrachten, faßte plötzlich seinen Geschäft-freund am Arme, deutete nach einem auffallend geputzten Frauenzimmer, das in einiger Entfernung den Tisch umkreiste, an welchem Dörn bachs Play genommen batten und fragte in lebhaftem Tone: „Was ist daö für «in nette« Frauenzimmer?" „Nun, eine Magd", antwortete Frau Knicker an Stelle ihre« Mannes „Sir ist hübsch", bemerkte Launer schmunzelnd. „Und nichtsnutzig", setzte dir Dame gereizt binzu. „Sie bat sich im Dienste der Hosräthin Rauch die gröbsten Be trügereien zu Schulden kommen lassen und wurde in Folge dessen au- dem Dienste gejagt und gerichtlich verfolgt." „Behaupte nicht«, wa- Di, nicht drweisen kannst", fiel ibr Knicker verweisend in die Reke. „Die Hofräilun bat sich anfangs aus- hohe Roß gesetzt unk hat dem Mädchen mit Gericht und Gesängniß gedroht, b>S Elsa, die ein geriehenes Frauenzimmer ist, die Hobe Dame mit Gegendrokung znni Schweigen brachte. Dir Hosrätbin abnte nick», wie genau ihre Magd von den Geldgeschäften unterrichtet war, tie sie mit armen Leuten abichließl nnd sank eS geratbener, sich niil Elsa in Frieden au-einancer zu setzen und so ibr Still schweigen über den Wucher, den sie treibt, zu erkaufen, als ihre ÄeschLstsmarime an die Oessentlichkeil koninien zu lassen. Sie zahlte, was das Mädchen schuldig blieb und machte gute Mirne zum bösen Spiel. Jene ist seit Kurzem Ziinmer- mädcden bei der Oelvrinzessin, für uns eine srtie Kundschaft, die wir zu berücksichtige» haben; ihre losen Streiche gehen un« nicht« an." „Wenn da« Mädchen alt und häßlich wäre, würdest Du nick« so nachsichtig urtbeilen", bemerkte Frau Knicker spitzig Sic erhob sich, winkte ibren Kindern und erklärte, sie wolle rin wenig promenircn Kaum war sie hinter den Bäumen verschwunden, als die Ausmerkkamkeit dcr Zurück- bleibenden durck da« Erkcheinen einer eleganten Cavalcade in Anspruch genommen wurde. Herren und Damen ritten ini Schritt über den breiten Kit-weg, nach recht» »nt link- dir Grüße der Anwesenden artig erwidernd An der Spitz« de- HugeS befand sich Fra» L>li Falk, die graziöseste Reiterm, die man seben konnte Da- knapp anliegende Reitklrid von violettem Sammet bod ibre verführerische Gestalt vortheilhaft hervor; da» Barett von gleichem Stoffe
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