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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.03.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-03-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930314024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893031402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893031402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-03
- Tag1893-03-14
- Monat1893-03
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Aber der Altreichskanzler war doch auch in dieser Hinsicht ein wahrer Glückspilz im Vergleich zu seinem Nachfolger, dem Grasen Caprivi. ES ist jedenfalls noch in frischer Erinnerung, in wie bodenlos ungeschickter Weise die officiösen Federn sicb der Ausgabe entledigten, die Wähler auf die Militairvorlage vorzubercitcn, ihnen allmählich die Grund züge dieser Vorlage bcizubringen und Stimmung für dieselbe zu machen. Sie richteten eure unerhörte Evnfusion an und erweckten eine allgemeine Mißstimmung, die so tief ging, daß ihre Folgen noch heute in weiten Kreisen zu spüren sind. Erst alS die „Köln. Ztg." durch eine „Indiskretion" >n die Lage kam, den wesentlichsten Inhalt der Vorlage und ihre Begründung zu veröffentlichen, kam Klarheit in das von den Officiösen verbreitete Dunkel; aber die Mißstimmung wurde noch genährt dadurch, daß die Officiösen sich gcbcrketcn, als sei gerade durch die Beseitigung des von ihnen verbreiteten Nebels ein großes Unheil angerichtet worden. Wiederholt ist im Reichstage Klage über dieses verwirrende Treiben geführt worden; Graf Caprivi bat auch anerkannt, daß gefehlt worden sei; aber statt den Officiösen einen jener Jagdbiebe zu ver setzen^ in denen Fürst BiSmarck Meister war, schob er die Schuld auf die nichtofficiöse Presse. Man kann sich daher auch nicht wundern, wenn diejenigen Federn, von denen man eine Aufklärung darüber erwartet, was nun werde» soll, nachdem die erste Lesung der Militairvorlage in der Commission rcsultatloö verlausen ist, das alte verwirrende und verbitternde Spiel aufs Neue beginnen und über die Ab sichten der verbündeten Regierungen die widersprechendsten Gerüchte verbreiten. Solche liege» auch heule wieder vor. So lesen wir in einer Anzahl ossiciös bedienter Blätter: „Nachdem die „Freisinnige Zeitung" des Herrn E. Richter an- gekiindigt hatte, dcch in diesen Tagen die Frage der Reichstags- auslösung oder des Rücktrittes des Reichskanzlers der Ent scheidung erheblich näher gerückt sei, haben sich auch Blätter anderer Parteien einer solchen Alternative zugänglich erwiese» und sie je nach Wunsch und Einsicht so oder so zu entscheiden gesucht. Ein in Wirk lichkeit gar nicht gehaltener Vortrag des Reichskanzlers beim Kaiser und eine preusiischc Minislersitzung, in der cs sich nm andere Tinge als um die Militairvorlage handelte, wurden als bedeutsame Zeichen der Lage herbeigeholt. Man brachte auch schon, als ob die Schmierig keiten einer solchen Krisis spielcnd zn lösen seien, einen Nachfolger sür den Grasen Caprivi in der Person des Finanzministers I>r. Miguel in Vorschlag. Alle diese Vermuthungen beruhen aus einem Verkenne» der wirklichen Lage. Ter Rücktritt des Reichskanzlers steht nicht in Frage. Gras Caprivi wird voraussichtlich Reichskanzler bleiben, auch wenn von diesem Reichstage die Militairvorlage abgelehnt wird. Tas nach jeder Richtung negative Ergebnis; der ersten Lesung der Vorlage in der Commission hat nichts daran geändert, dag es sich um eine Verständigung oder um eine Reichstagsauflösung bandelt. Sehr wohl möglich er scheint eine Verständigung zwischen Conservativen und Nationalliberalcn, fraglich aber ist, ob einem solchen Com- promiß die zur Mehrheit »öthige Anzahl von Abgeordneten anderer Parteien beitretcn würde. Wer das verneint, steht über haupt vor keiner Alternative und braucht nur mit dem einen Falle, der Reichstagsauslösung, zu rechnen." Hieraus muß man doch, wenn man nicht die ganze Aus lassung sür eine Phrase halten will, die lediglich die Unklarheit des Reichskanzlers über den einzuschlagendcn Weg verbergen soll, den Schluß ziehen, Graf Eaprivi sei in Uebereinstiminüng mit den verbündeten Regierungen geneigt, eine Verständigung mit den Nationalliberalen und den Conservativen zn suchen, und drohe dem Centrum für den Fall, daß dieses nicht die den Nationalliberalcn und den Conservativen zur Mehrheit fehlende Zahl sür einen Verständigungsantrag stelle, mit Auf lösung und Ungnade. Nun lese man aber die weitere ossiciöse Meldung aus Baden: Ter „Bad. Pr." wird aus sehr guter Quelle Tnitgetheilt, daß sich die Rcichsregierung auf einen Com pro miß in der Militairvorlage im Sinne derVorschlägc v.Bennigsen'S nicht einlassen werde. Die Regierung werde sich unbedingt an jene Puncte halten, die ihr zur Slärkung der Wehrkraft nolhwendig erscheinen. Die Ablehnung ihrer Forderungen würde die Negierung zur Reichstagsauslöjnng zwingen." Es wird ja keinem Vernünftigen cinfallcn, dem Reichs kanzler zuzntraucn, cr habe die Officiösen zur Verbreitung so widerspruchsvoller und verwirrender Meldungen direct ver anlaßt; aber jedenfalls kann man ihm den Vorwurf nicht ersparen, daß er durch die erwähnte Zurückweisung der berechtigten Angriffe auf die ossiciöse Presse und durch sein eigenes Verhallen in der Militaircommission die Gewissen haftigkeit und die Klarheit dieser Presse mindestens nicht ge fördert bat. Er hat früher von den Officiösen überhaupt nichts wissen mögen, weil er die Bismarck Officiösen haßte; nachdem er selbst zu dem ihm unshinpathischc» Mittel gegriffen hat, kann cr sich der Aufgabe nicht entziehen, dafür zu sorgen, daß es unter ihm mit der Ossiciösenwirthfchast nicht noch ungleich schlimmer werde, als cs unter dem Fürsten Bismarck war. Graf Caprivi hat schwer genug zu leiden uiucr dem Ver gleich mit seinem Vorgänger; es liegt in seinem Interesse, daraus hinzuwirken, daß dieser Vergleich nicht »och un günstiger sür ihn ansfallc. Wir hoffen daher, daß cr bei der zweiten Lesung der Militairvorlage in der Commission die erste beste Gelegenheit ergreifen werde, seine Stellung in der jetzt durch das negative Resultat der erste» Lesung geschaffenen Lage klar zu bezeichnen und dadurch eine Mißstimmung zu beseitige», die nicht nur der Vorlage, sondern auch ihm selbst gefährlich werden kan». In Ungarn vollzieht sich gegenwärtig ein Ereiguiß, wie es in Deutschland schon Anfang der siebenziger Jahre statt- gefundcn hat — die Bildung einer parlamentarischen ultramontanen Partei. Nach den neueste» Meldungen ist cS der Abgeordnete Ugron, unter dessen Führung die gedachte Partei im Entstehen begriffen ist, die aber vor der Hand noch keine große Bedeutung erlangen dürfte, da sic nur etwa 30 Abgeordnete zählt. Was die bischöflichen Streitschriften anlaugt, so ist der allgemeine Eindruck sür den KleruS durchaus ungünstig. Selbst in klerikalen Magnatenkreiscn macht sich ein Schwanken bemerkbar, da daS Schreiben der Bischöfe allenthalben miß billigt wird. Ucbereinstinimcnd ist man der Ansicht, die bischöflichen Streitschriften seien von außen her dictirt worden, wo man sür di- ungarischen politischen Verhältnisse kein Verständnis; hat. Diese Erwägungen wirken nachdrucksvoll aus die liberale Partei, die zahlreicher und entschiedener als je im Reichstage ihre Stimme erhebt, während die Iiberalisircndcn Oppositionsparteien durch allerlei Hintcribürcn zu ent schlüpfen streben. — Zwischen dem früheren Premierminister Kolonial; Tisza und dem auö der liberalen Partei aus getretenen Abgeordneten Asboth ist bekanntlich ein Streit wegen der von Letzterem behaupteten Absendung einer Note der ungarischen Negierung an den Vatican im Jahre 1884 entstanden. In dieser Note hat angeblich die damalige Regierung die Unterstützung des Papstes zur Bekämpfung der Gegner der Regierung gewünscht. Koloman TiSza versicherte, er wisse von dieser Note nichts. Wie jetzt in ungarischen politischen Kreisen verlautet, ist allerdings im Jahre 1884 eine Note in dem vom Ab geordneten Asboth angedenlcten Sinne auf Begehren dcö damaligen ungarischcn CultusniinisterS Trefsort, aber ohne Wissen Tisza'S, nach Rom abgegangen. Tresfort bat auch eine Antwort erhalten, die er, als in sein Ressort fallend, Tisza ebenfalls nicht mittheiltc. Die neueste Phase der Panama-Angelegenheit, der Zwischenfall Soinoury-Cottu, bringt die Leidenschaft des französischen Volkes, welche schon auf dem besten Wege ganz einznschlafcn war, i» frische Wallung. TaS Mißtrauen gegen die Regicrungskl'eisc erbebt sei» Haupt so drohend wie je zuvor. Der Austritt des IustizministerS Bourgeois anS dem Cabinct Ribot wird als Beweis dafür angesehen, daß Herr Bourgeois die Flinte ins Korn wirft, weil cr einen nahen Schissbruch seiner Amtsautorität voraus sieht. Diesem vorzubcngc», erscheint der bcschrittenc Weg aber nur bedingungsweise geeignet. DaS jetzige Cabinct ist bis zu einem gewissen Grade solidarisch. Wenn Herr Bourgeois seine Haut in Sicherheit zu bringcn de inübt ist o h n c Rücksicht auf feine College», so könnte er sich nicht wundern, wenn jene ibm Gleiches mit Gleichem vergelten würden, obwohl es mindcstciis fraglich erscheine» muß, wer schließlich der Hauptleidtragende wäre. Eine stellen weife sür möglich gehaltene und selbst als unmittelbar be vorstehend aiigckündigtc Gesamintdemission des Ministeriums Ribot wäre, wiedie Dinge liegen, wahrscheinlich nur daS Vorspiel zu der allgcmcine» Auseinandersetzung der Nation mit den Paua- niiste» auf Grund des allgemeinen Stimmrechts. Denn nach der Abwirtbschafknng des letzigciijMinistcriuinö würden >eden> nachfolgenden die elenientarstcn Voraussetzungen zur I» augurirung und Durchführung einer conscgnenten politischen Actio» fehlen, so lange nicht der Panamaschwindcl gründlich abgetban ist. Welches spätere Cabinct aber könnte dazu gualisicirt erscheinen, wenn cS mit dem stetig an Bestimmtheit zuiiehmenden Verdachte der öffentliche» Meinung tämpfen muß, daß cS selber, gleich seinem Vor gänger, viel zu tief in die Sache verstrickt sei, als daß es einen ehrlichen Proccß wünschen und verlange» sollte? Und doch wiederum können die ehrlichen Anhänger der dritte» Republik kaum wünschen, daß ihr StaatSideal unter der erdrückenden Wucht des unausgctragcncn Panama- proccsscs in den Ncuwahlscldzug rücke, wo weit weniger belastete Concurrcntcn sich inuthig uuibcrtnmmcln und sich ein Vergnüge» daraus machen würden, dem StaatS- schiff der Panamarcpublik de» günstigsten Wind ans den Segeln zu nehmen. Mittlerweile aber vergeht die Zeit und die Verwirrung in dcn leitende» Kreisen wird täglich größer. Vor der Hand bat daS Ministerium Ribot allerdings noch einmal sein Dasein gerettet, indem in der gestrigen Sitzung der Teputirtciikaiinner mit 2!>7 gegen 228 Sl'mmcu eine von dcm Abgeordneten Nivct beantragte und von der Negierung acccptirtc Tagesordnung an genommen wurde, welche besagt, daß die Kammer ent schlossen sei, der Gerechtigkeit freien Lauf zu lassen und volles Licht zu schaffe», daß sic zn diesem Zweck die Erklärungen der Regierung billige und zur Tages ordnung übergehe. Dieser Beschluß ist aber ziemlich nichts sagend und die Mehrheit der Depulirtenkammcr scheint ihn nur gefaßt zu haben, »in auS der augenblicklichen Verlegen heit heraus zn komme» und vor Allem, »in so lange als möglich einer abermaligen Cabinctskrisis a»S dem Wege zu gehen. Wie die Dinge liegen, wird man damit aber nur für die nächsten Stunden auskommcn, und cs wird sich bald zeigen, ob nicht die Herren Ribot und Genossen ihrem College» Bourgeois, der nun endlich auch die Flinte in das Korn ge worfen hat, Nachfolgen. AuS London wird gemeldet, daß Gladstonc erkrankt ist, zwar nur leicht, aber doch in dem Maße, daß ihm der Arzt anbesohlen hat, daö Zimmer zu hüten und vor der Hand sich der Thcilnahme an den parlamentarischen Verhandlungen u enthalten. Es bat diese nnfrciwillige Behinderung tcS lrhcbers von Homcrnlc sofort die nachtheiligste Wirkung auf die Weitercntwickclung dieses gesetzgeberischen Problems hcrvorgebracht, indem »unmehr die Regierung, die bisher Alles daran setzte, um die zweite Lesung der Homc- rulc-Vorlage noch vor Ostern zu erzwingen, erklären ließ, daß sie diese ihre Absicht aufgcgebc» habe »nd cinwillige, daß die zweite Lesung erst nach Oster» stattsinde. Seitens der unionistischen Partei ist die betreffende Erklärung mit Feuilletsi». Ams Geld. 16j Novelle von A. Heyl. Nachdruck verboten. lFortfetzlina.) „Geben Sie Ihre Zusage, Fräulein Annita", bat Frau Lili mit boshaftem Lächeln. „Sie treffen dort Ihre besten Freunde, die ShkowS, und da Amanda kommt, natürlich auch meinen Schwager Hermann. Die Beiden freuen sich kindisch auf das Zusammensein heute Nachmittag. Geben Sie mir auch Ihre Zusage." Die Angeredcte wechselte jäb die Farbe, und war im ersten Augenblicke außer Stande, ein Wort zu erwidern. „Ich ledauere", sagte sie endlich mit unsicherer Stimme, „ich fühle mich nickt wohl genug, um Ihrer freundlichen Aufforderung Folge leisten zu können." Lili feierte einen innerlichen Triumph; sie war von dem Erfolge ihrer Intriguen sehr befriedigt; cS ging ihr alle» nach Wunsch, die Drachensaat, welche sie zwischen zwei liebende Herzen gesät hatte, wucherte üppig auf, und es war ihr durch cin geschicktes Manöver gelungen, die gehaßte und gefürchtete Annita von dcn in Aussicht stehen den Festlichkeiten fern zu halten, um dadurch dem von ihr protegirten Holkamp ungestörte Annäherung an Betty Roland zu erwirken. Trotzdem flösse» ibre Lippen über von Bedauern, eine-so liebenswürdige Gesellschafterin entbehren zu müssen. — Sogar Hclkamp fand eS zuletzt doch für schicklich, einige Worte an die kleine Cousine zu richten, die nun einmal da war, und die man Wohl oder übel mit in den Kauf nehmen mußte, wollte man die Gunst der viel umworbenen Millionärin erringen. „Vielleicht wäre es Ihnen doch möglich, mein gnädiges Fräulein, an unserer Wafferpartie Tbcil zu nehmen", meinte er. „Es ist die erste Bitte, die ich wage, schlagen Sie mir dieselbe nickt ab; denn ick habe mir alle Mühe gegeben, diese Partie zu Stande zu bringen; ich habe alle Hindernisse mit zäher Beharrlichkeit überwunden, ich habe die Idee zu dcm Ganzen gegeben, ich habe daS Boot gcmietbet und die Aus schmückung übernommen, ich habe alle Bestellungen auf der Insel besorgt, ich ruhte nicht, bis alles vom Größte» bis zum Kleinsten in bester Ordnung war, und würde mich freuen, wenn durch zahlreiche Tbeilnahmc meine vielfache Mühe be lohnt würde. Darum wiederhole ich, gnädiges Fräulein, be gleiten Sie Ihre liebenswürdige Cousine, die mir soeben ihre Zusage gegeben hat, und schlagen Sie sich daS Unwohlsein aus dem Sinn." „Ah, Du hast Deine Zusacze gegeben, Betty?", fragte Annita, indem sie die Hocherröthende durchdringend ansah. Ter Blick wurde trotzig erwidert. „Ja, Annita, ich bin entschlossen, der Einladung Folge zu leisten, wenn mich Frau Falk unter ihren Schutz nehmen will." „Wie es Dir beliebt", versetzte die Andere kühl. „Ich bedauere, aus meiner Ablehnung beharren zu müssen." Frau Falk machte sich eine Ehre und ein Vergnügen daraus, Fräulein Roland bemuttern zu dürfen, und versprach, sie um 2 Uhr Nachmittags mit ihrem Wagen abznbolen. Nachdem man sich erhoben batte, um Abschied zu nehmen, wußte Fra» Falk cs so einzurichten, daß sie die Parker und Annita aus die Seite zog, um ihnen im Vertrauen schnell noch eine neue Scandalgeschichte vom Landrath Stönewitz zu ruflüstern, wodurch dem schönen Berliner Gelegenheit ward, Betty'S Hand zu fassen, zärtlich zu drücken und ihr mit ver haltener Stimme einen ganzen Schwall süßer Worte zuzu- flüstern, che er sich verabschiedete. Dann verbeugte er sich tief vor Frau Parker, übersah Annita, reichte Frau Lili galant den Arm, und verließ mit ihr den Salon. — Als die Beiden unter vertraulichem Geflüster die breite Steintreppe Hinabstiegen, kam die alte Negerin herauf, den Neufundländer mit sich führend, der ihrer besonderen Obbnt anvertraut war und den sie um diese Zeit stets in die Küche geleitete, um ihm sein Mittagsmahl vorzusetzen. War nun der Hund gerade sehr hungrig, oder sonst übel gelaunt, er schien sich über die Begegnung zu ärgern, warf Holkamp böse Blicke zu, begann grimmig zu knurrcn und war im Begriff, aus den Fremden losiufahren, als ibn Cora noch rechtzeitig am Halsband packte und ihn mit Gewalt zurückhielt. „Kusch, Darling kusch! Fort, Herr fort! Miß Annita, Miß Annita", schrie die geängstigte Negerin auö voller Kehle. „Was fällt denn der Bestie cin?" rief Holkamp, während er seinen Ncitstock zur Abwehr schwang. Beim Ton seiner Stimme wandte sich die Negerin, welche ihre ganze Ans »icrksamkeit dem gereuten Tkiere gewidmet, das sic mit Aufbietung all' ihrer Kräfte fortzuzcrrcn suchte, nach dem fremdcn Herrn um, ihre Augen und die seinen trafen sich und wurzelten eine Secunde in einander fest; sic stieß einen eigentbümlichcn, gurgelnden Ton anS, der Erstaunen und Entsetzen knndgab; cr blieb stumm, erbleichte, machte seinen Arm von Lili'S Hand loS, wandte sich blitzschnell und war mit ein paar kühnen Sätzen am Fuß der Treppe »nd im Handumdrehen auf der Straße, gefolgt von der lachende» Dame, die ihn ob seiner geringen Courage cin wenig zum Besten hielt „WaS ist'S, was hat cS gegeben?" fragte Annita, die auf den Anastruf ihrer alten Dienerin berbeikam. „Warum fletscht Darling die Zähne, warum stößt cr dies grimmige Geheul auS?" „Hund wollte Man» anfallen", erklärte die Schwarze. „Cora konnte fast nicht halten, ist zu Tod erschrocken, zittert noch." DaS junge Mädchen blickte verwundert bald auf de» Neufundländer, bald auf die alte Dienerin. „Mein wohlerzogener Darling bat sich so unpassend be tragen, wollte den fremden Herrn anfallen!" „Herr auS Amerika", siel die Schwarze eifrig ein. „AuS Pennsylvania — o schlimmes Mann, Cora weiß — Cora kennt —" „Schwatze kein dummes Zeug, Alte, der Herr ist ans Berlin, Du bist durch den Schrecken verwirrt. Gebe mit dem Hund in die Küche und setze ibm seine Mahlzeit vor, er wird Hunger haben — Thiere und Menschen macht der Hunger bös." An blinden Gehorsam gewöhnt, wagte die ehemalige Sclavi» kein Wort der Erwiderung; sic that schweigend, wie ihr besohlen ward. Annita kehrte in den Salon zurück, wo sie nur noch Frau Parker fand. Betty hatte sich in ihre Gemächer zurückgezogen, um mit ihrer LieblingSdiencrin, der hübschen Elsa, über die großem Jubel ausgenommen worden und sie kann in der That das Verschieben der weiteren Berathung der ihr ver haßten Vorlage als einen nicht zu unterschätzenden Erfolg be trachten. Die Gegner von Hvmcrule haben jetzt eine Reibe von Wochen gewonnen, um die Agitation gegen daS Gesetz in immer größere Polkskrcise z» verpflanzen. WaS dieUnionifte» anstrebcn, daß ist die Möglichkeit, den Wähler» Zeit zu geben, die so lange gcbciui gehaltene Homerulc-Bill zu prüfen und mit ihren Abgeordneten zu bespreche». Die Opposition be hauptet, daß die Wählerschaften selbst in de» Gladstone'schen Wahlkreise» die den Abgeordneten crtbcilte Vollmacht, sür tce Bill zu stiinmen, widerrufen werden und daß die Regierung moralisch verbunden sei, dem Lande Ge- lcgeuhcil zu gebe», sich über die wichtigste Vorlage, die seit einem Iahrdunkcrt vor daS Parlament gekommen, zu äußern. Es gebe nicht an, eine solche Vorlage die längste Zeit geheim zu halten unv dann durchs Haus zu peitschen und so Wähler und Abgeordnete zu überrumpeln. Lord Salisbury crllärtc einer Deputation der irischen Industriellen, welche Gladstonc z» empfangen ablcbntc, daß die Regierung davor zittere, die Bill zum Gegenstände der Verhandlung in Wählerkrcisc» gemacht zu sehe». Dies mag übertriebe» sein ; allein angenehm ist cS der Regierung kcinensallS, und darum auf der eine» Seite die Hast, die Bill dnrchzubringe», und auf der anderen Seite das Bestrebe», dies zu Verbindern und Zeit zu gewinnen, eine Niesen Agitation »iS Werk zu setzen, welche letzt in Scene zn setze» Balsour, Cbamberlai», Sonnderson und namentlich Lord Randolpb Churchill die äußersten An- slrciignngcn machen. Der Letztgenannte geht dabei mit Bal- fonr Hand in Hand und hat sich Tiesiin, wie cr erklärt, ganz untergeordnet. Trotzdem aber spielt Lord Randolph die erste Violine, und in sciucm Manifest an die Primrosc- Liga schlägt cr einen Ton an »nd spricht in einer Weise, die ibn als den wahren Führer der Partei erkennen läßt. Die Ostcrfeicrtage werden das ganze Land in dcn Wirren einer neuen politischen Agitation finden, deren Wirkung auf das Parlament nickt spurlos bleiben und daö Geschick der Homcrnlc Vorlage wesentlich beeinflusse» kann. Wir haben schon darauf bingcwicsc», daß man die jüngste amtliche Kundgebung der russisch«» Regierung in Betreff der bulgarischen Verfassungsänderung nicht allzu tragisch nehmen, sondern sie nur als eine jener Maßuahmcn betrachte» möge, durch die Rußland seine Ohnmacht, an dcm Gange der Dinge in Bulgarien etwas zn ändern, zu ver schleiern daS Bestrebe» hat. Die „Nowoje Wrcmja" bespricht in einer ihrer letzten Nummern zwar nochmals in drohendem Tone die möglichen Folge» unv Wirkungen der Erklärung der russischen Regierung, wobei sic betont, das bulgarische Volk werte sich davon überzeugen, daß Rußland seine volle Sympathie der protcstircndcn bulgarischen Geistlichkeit zuwendc; man möge cS sich gesagt sein lassen, daß die Nichteinmischung Rußlands in die inneren bulgarischen Angelegenheiten nicht der stillschweigenden Zustimmung zu alle» Verletzungen des Berliner Ver trages glclchkoinme. Aber die panslawislischcn Federn, welche in der Rcdacliou der „Nowoje Wrcmja" thätig sind, bedeuten eben nicht die russische Regierung, und diese läßt in der „Polit. Corrcsp" ossiciös erklären, das; daö jüngste Communiquö des „RegicrungSbotcn" über die Verfassungs änderungen in Bulgarien tcineSwegS ein Vorläufer der A c t i o n Rußlands in dieser Angelegenheit sei. Dasselbe bezwecke lediglich, daran zn erinnern, daß Rußland aus jcinem bisherigen Standpnnct der Nicht anerkennung der jetzigen Verhältnisse in Bulgarien beharre. Die bulgarischen Slaatsleitcr werden unter solche» Umständen sicher ruhig abwartcn, wann Rußland einmal zur Anerken nung der in Bulgarien bestehenden Verhältnisse gelangen wird, und inzwischen an der allgemeine» Hebung des Landes, die schon so erfreuliche Fortschritte zu Stande gebracht hat, weiter arbeiten. Toilette zu beratbc», die sic am Nachmittag anlegen wollte. Sie vertraute ibr bei dieser Gelegenheit an, daß sie soeben die Bekanntschaft eines Herrn Holkamp gemacht, des schönsten Mannes, dcn sic je gesehen. Elsa schmnnzcllc pfiffig. „Ick wette, gnädiczcö Fräulein, cö ist derselbe, welcher Ibnc» seit acht Tagen ,rcnstcrparadc macht. Er fragte mich auf der Straße, ob da oben nicht die schöne, blonde Amerikanerin, genannt die Oelprinzcssin, wohne. Als ick'S bejahte, erzählte er mir, Sic seien ihm auf der Promenade und im Theater als Schönheit ersten Ranges aufgcsallcn, und cr würde sich glücklich schätzen, Sie kennen zu lerne». Von da an beobachtete ick, wie er täglich an den Vormittagen und Nach mittagen stundenlang vor dem Nonnenhofc ans- und abging, um Sie zn sehen. Gnädiges Fräulein werden sich erinnern, daß ich Sic darauf aufmerksam machte." „Ja, ick crinncre mich, Elsa", sagte Betty wohlgefällig, „aber ich achtete wenig auf Ihre Mitthcilung, denn cö gehen, fahren und reiten so viele vorüber" — „Aber keiner, der diesem Herrn Holkamp glcichkäme an Schönheit, Reichthni» und Vornehmheit", siel Belm cin. „Reick und vornehm ist cr auch?" fragte die jung« Dame mit steigendem Intcrcsse. „Woher wissen Sie daS, Elsa?" „Ich habe mich des Näheren bei nnscrcin Hausherrn er kundigt; Herr Knicker siebt mit HolkampS in Geschäftsver bindung und weiß, daß sie über unzählige Millionen verfügen", berichtete daS Mädchen. „lieber Millionen", ries Betty hocherfreut auS. „DaS ließe sich hören, das wäre dock eine standesgemäße Partie. Dann, dann hätte ick nach Niemand mehr zu frage», nach dieser hölzernen Parker nichts und nichts nach Annita, die beständig zu tadeln und zn hosineistcrn bat. Dieser Herr Holkamp scheint mir cin so guter, natürlicher Mann zn sein, der nicht viel Umstände macht und sür überflüssige Formen nickt cingenomine» zu sein scheint; ich glaube, ich könnte ib» sehr gerne haben und er würde vortrefflich sür »lick passen." Elsa wandte dcn Kopf nin »nd biß sich auf die Lippen, »i» ei» impertinentes Lächeln zu verbergen. Im nächsten Augenblick war sie wieder die unterwürfige, geschäftige Zofe,
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