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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.03.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-03-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930320020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893032002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893032002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-03
- Tag1893-03-20
- Monat1893-03
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Wenn die Officiösrn über die in den maßgebenden Kreisen herrschende Stimmung recht unterrichtet waren, so bliebe so gut wie gar keine Hoffnung auf eine Verständi- guug über die Militairvo rlage übrig. Diese Herren bebauxlcn nämlich in den ihnen zugängliche» Zeitungen, dieAus- löiuag beS Reichstages sei jetzt wahrscheinlicher, als sie bisher gewesen, und begründen diese Ansicht folgendermaßen: „Das ist, wie uns a»S guter Quelle mitgetheilt wird, auch in den Berliner leitenden Itreisen die herrschende Ansicht. Indessen beruht sie weniger aus dem gänzlich negativen Ergebnis der Ausschußverhandlungen, alS aus der voraussichtlichen Lirkunz der Rede des Abg. v. Bennigsen. Man glaubt, daß lurch diese Rede, die ein sehr düstere» Bitd der Zukunft entrollte «»H in dem Verlangen nach einein Reichsfinanzminister den k-nourf ungenügender Berücksichtigung der wirldichoillichen ^nettssen enthielt, die Position des Abg. Richter in seiner derlei sehr gestärkt, eine Verständigung mit einer An zahl freisinniger Abgeordneter erschwert und die Lage brr nationalttdrralen Partei selbst keineswegs ver- deiiert worden sei." Wenn man nicht nachgerade aus jede Ueberraschung gtiazi wäre, würde man zu träumen glauben, wenn man Iitie Sätze liest. Bekanntlich war eS Herr v. Bennigsen, nklter mit seinen Anträgen den verbündeten Regierungen air Tkilesten entgegenkam; ja, er war der einzige von allen Antragstellern, dem der Reichskanzler das Zeugniß gab, daß imie Anträge dem Grundgedanken der Bortage entsprächen, slnbem mm Herr v. Bennigsen diese Anträge vrilheidigtc, ,7>tS er aus das Bedenkliche einer Auflösung de« Reichs- ugs bin und entwarf von den Folgen einer solchen Maßregel ein so scharf und klar gezeichnetes Bild, daß selbst der Abg. Richter, der doch sonst von dem Gedanken an Neuwahlen ganz entzückt zu sein vorgiebt, ihm nicht widersprach. Wenn irgend eine Warnung vor starrem Fest ballen an einer die Hand zur Berständigung zurückweisendcn Haliung einen tiefen Eindruct auf die gemäßigteren Elemente rer beutschsreisinnigen Partei ausgeübt bat, so war eS die Warnung de- Abg. v. Äennigsen. Freilich richtete er seine Mahnung nicht allein an die Deulschfreisiniiigen und da- Cen- Iniin, sondern auch an den Reichskanzler, von dem, wenn nicht alleLinigungSversuche wirkungslos bleiben sollen, ganz ebenso ein Entgegenkommen erwartet werten muß, wie von den Oppositions- rarleien. Und das hat, wie es scheint, der Herr Reichskanzler ebenso übel vermerkt, wie den Hinweis des nalionalliberalen siübrers darauf, baß bei dem Mangel eines verantwortlichen NciLssinanzministerS den deutschen Wäblern daS rechte Ver- lrauen in die Wahrung ihrer wirthschaftlichen Interessen seblt. Wäre eS dem Herrn Reichskanzler vielleicht angenehmer gewesen, wenn der Abg. v Bennigsen die Folgen einer Auf» lttiuia recht rosig auSgemalt und den Widerspruch der großen Mehrheit des Reichstags durch dir Behauptung herausgefordcrl balle, die deutschen Wähler setzten auch ohne die Einsetzung eine» verantwortlichen NcichSfinanzministerS da- festeste Ver- Irenen auf den Einfluß der Rcichsfinanzvcrwaltung? Zum Glück ist der etwaige Groll deS Herrn Reichskanzlers gegen den Abg. v. Bennigsen nicht maßgebend für die Hal tung der verbündeten Regierungen, die ja mehr als einmal erfabren baden, baß Graf Caprivi auch anders kann, als man a»S seinen eignen Worten hätte abnchnien sollen. In diesem Falle handelt es sich vollends nur um offfciöse Kundgebungen, die selbst von ihrem Vater jeden Augenblick verleugnet werden können. Ist für die Entscheidung der verbündeten Negierungen die Art. wie die Presse der maß gebenden Parteien die Reden deS Reichskanzlers und tes Abgeordneten v. Bennigsen bespricht, von Einfluß, so kommt eS weit eher zu einer Einigung, alS zu einer Auflösung. Selbst in der freisinnigen Presse, welcher nach der Auffassung der Ossiciöscn und ibreS Auftraggeber- Herr von Bennigsen den Rücken gesteift bat, wird viel mehr zu Gunsten deS Beiinigscn'scheii VermittelungsantragS als zu Gunsten einer Wendung gesprochen, die zu einer Auflösung führen müßte. So warnt auch die „Voss. Ztg." den Kanzler vor Ueber- spannung de» Bogen» und hält ihm vor, daß er gerade durch Nichtbeachtung der Bennizsen'schen Mahnung das Maß von Vertrauen verscherze, das ibm noch geblieben Von einem Vergleiche zwischen dem ersten Reichskanzler und seinem Nach folger ausgehend, schreibt die „Voss. Ztg": Zu den blinden Verehrern des Fürsten Bismarck gehören wir nick»: wir wissen sehr genau, daß er groß» Schwächen hat und große Fehler begangen hat. Aber da- muß von ihm ouSgesogt werden, daß. wenn er sich aus ein Unternehme» »inlieb. er sich jeden möglichen Busgang dieses Unternehmen» vergegenwärtigt und sür jeden Fall seine Entschließungen vorbedacht halte. Gegenwärtig aber sind wir in der Lage, »ns ängstlich fragen zu müssen, ob Gras Eaprivi sich selbst Rechenschaft darüber gegeben hat, welche Weg« zu betreten seien, wenn ihm der versuch mißlingt, sich durch Neu wahlen einen ihm gefügigen Reich»tag zu verschaffen, ein Versuch, dessen Mißlingen un» inehr als wahrscheinlich erscheint. Wir sind im Zweifel darüber, ob er nur alle die Möglichkeiten erwogen hat, die vor ihm liegen, um durch Berständigung zu einem Ziele z» gelangen, dessen Erreichung ibm selbst al» wenigstens vorläufig genügend erscheinen mußt«. Es ist uns zweifelhaft, ob er sich ver gegenwärtigt hat, was Alles er aus das Spiel setzt, wenn er auf dem von ihm betretenen Wege verharrt. Die ganze Lage, in der wir unS befinden, erscheint un» al» eine sehr bevrohliche, und wir denken an da» Dichterwort: Einen Nachen se'h ich schwanken, Aber ach der Fährmann fehlt I In der Schweiz kommt man immer mehr von dem Glauben zurück, daß allzu viel Humanität und Freiheit die Menschen glücklich macke, und so erleben wir eS denn, daß in neuerer Zeit dort sogar die Agitation für die Wieder einführung der Todesstrafe einen kräftigen Anlauf nimmt. Zn diesen Tagen war eS der Große Rath des Eanlons Sckafshansen, der mit allerdings vorerst nock kleiner Majorität dem Volke das Initiativbegehren, betreffend die Wiedereinführung der Todesstrafe, zur Annahme empfahl. Das Ergebniß der Abstimmung möchte aufsallrn, wenn man be denkt, daß derselbe Große Ratk noch unlängst bei Anlaß einer Revision des Strafgesetzes ohne Widerspruch die Abschaffung der Todesstrafe beschlossen bat, und eS erscheint noch aus fälliger, wenn man weiß, daß noch mehr Mitglieder de» Naives dir Initiative in empseblendein Sinne dem Bolke zu überweisen geneigt gewesen wären, wenn sie nicht an Form wir Inhalt derselben, sowie an das damit verbundene Treiben sich gestoßen hätten Nach der Initiative ist nur auf Mord dir Todesstrafe gesetzt, dagegen aus Vergiftung, Ge fährdung menschlichen Lebens durch gemeingesäkrliche An schläge re. nickt. So kain rS, daß sozusagen alle Richter und Juristen gegen den Vorschlag al- rin Stückwerk mit Nein stimmten. In Paris ist ganz allgemein die Ansicht verbreitet, daß das Attentat, welches ein irrsinniger Lothringer, Namens Auberlin, am lO. Decrmber 1887 gegen JuleS Ferrn ver übte, das Herzleiden verursacht habe, dem der berühmte Staats mann »nd Patriot so plötzlich erlegen ist. Jules Ferrv war zu jener Z it nickt mebr Minister, sondern nur einfacher Depu- trrler iaine Woche vorher, am 3 December, batte in Ver sailles die Präsidentenwahl durch een Conareß stattgefunden und Ferry halte fick den Dank der Republikaner erworben, indem er nach dem vierten Wahlgange, um eine Wahl zu ermöglichen, zu Gunsten Sad» Carnot's zurücktrat. Der neue Präsident war eben mit der Bildung seines ersten Mini steriums beschäftigt, das zwei Tage später unterürarb zu Stande kam. TieKamniernbielien, daionen kerne Regierung gegenübrr- stand, nur formelle Sitzungen. SowaresauckamSonnabend, den 10. Teccmber. Die Sitzung der Drputirtcnkammer war bereits um 2>/, Uhr, also gleich nach der Eröffnung geschloffen worden, uiid die Abgeordneten promenirten in de» EoulonS deS Hauseö, die verschiedenen Minister-Combr- Nationen besprechend. Da erschien ein mittelgroßer Mann mit blondem Barle, der gut gekleidet war und den besseren Ständen anzugekören schien, ,m Vorsaale der Kammer und verlangte, indem er eine Karte deS vrleanistischen Publicisten Hervö verwies, Jules Ferry und Goblet zu sprechen. JuleS Ferrv trat auS dem Hauplcouloir in den Verfaul und fragte den Fremden nach seinem Begehr. Dieser überreichte Iules Frrry einen Brief, der mit der Stampiglie de» Ministerium« des Innern versehen und Lelorain gezeichnet war. Während JuleS Ferry das Schreiben zu lesen begann, zog der Fremde einen Revolver aus der Tasche und feuerte denselben drei- oder viermal auf JuleS Ferry ab. Eine Kugel batte die Brust etwas über dem Herren verletzt und die zweite den Depu- tirten näber dem Halse getroffen. JuleS Ferrv verlor seine Geistesgegenwart nickt, sondern begab sich ausrrchlen Gangcs nack der Ouäsiur, wo mehrere Aerzte eine genaue Unter suchung der Wnnden vernahmen. Keine von beiden hatte einen gefährlichen Charakter, und Ferry konnte zu Fuße nach Hause gehen, dock mußte er dann einige Tage da- Zimmer hüten. Der Tbäter wäre von den anwesenden Deputirten und Journalisten beinahe gelyncht worden. In dem Verhöre durch die Kammer-Quästoren gab er an, Berkheim zu beißen und aus Raubach bei Metz za sein. Eine Gruppe von zwanzig Personen hätte beschlossen, Ferry zu ermorden, und zhri, der die Nummer 17 batte, Kälte da» Loos getroffen. AuS oen bei Berkheim, der sich auch Auberlin nannte, Vor gefundenen Schriften und auS seinen Acußerunzcn konnte man bald feststellcn, daß der Tbäter nickt zurechnungsfähig war und daß neben einigen Unglückssälleii in seinem Leben auch die Lectüre von Rochesorl'S „Inlransigcant" und von ankeren extremen Blättern seinen Geisteszustand erschüttert Halle. Berkhcim-Aubertirr wurde daher nicht vor ta« Gericht gestellt, sondern in eine Irrenanstalt gebracht. Bereit- nach wenige» Tagen erklärten die Aerzte, daß der GcsuntbcilS- zustand Ferry's, der »ur einen leichten Fieberansall halte, nicht gelitten habe. Leiter hatten sie sich gelauscht, und der Mann, in welchem noch vor wenigen Tagen alle Republikaner die Hoffnung Frankreichs erblickten, bat durch das Attentat Aubertin'S den Tvteskeim empfangen. Wider Erwarten aller seiner näheren Freunde und Be kannten ist Gladstone am Freitag bereits wieder im Unter baute erschienen, um die einem Tbeile seiner Gefolgschaft sebr unwillkommene Erklärung abzugeben, daß auf eine Bill, wodurch für die Abgeordneten Tagegelder eingesührt werden, für diese Session nicht mebr zu rechnen sei. Die fünf Tage ohne Gladstone gerade ii» kritischen Moment habe» der Homcrule-Vorlagc vielleicht einen unberechenbaren Nachtheil zugesügl, und nicht Wenige auS dem liberalen Lager mögen rem berühmten Kliniker und Leibärzte Gladstoue's, Sir Andrew Clark, im Stillen ein wenig grolle», daß er seinen illuslrcn Patienten sofort >nS Bett gesprochen hat. Diese Miß gestimmten sind nämlick der Ucbcrzcugung, daß Gladslone noch vor Ostern die Bill im Unterhause mit einem Ruck über daS Unebenste binweggebrackt hätte Nun wird die irische Debatte die ganze Zett zwischen Ostern und Pfingsten verschlingen, daun brichl >n> Comile die Flulb von Zusatz- anlrägen bcrein, bis der Hochsommer die abgemalleten Volks vertreter auS der Schwüle von Wrttminstcr in die Ferien treibt. Die Opposition wenigstens rechnet so; ob die Rech nung stimmt, muß dir uächste Zukunft lehren. Tictz aller Beuiühungeu unk — Lügen ist es der irdischen Regierung nicht gelungen, eine bestimmte liberale Skupschlina-Mehrbeit zu Stande zu bringen, da nach den ittzl vorliegenden amtlichen Feststellungen den Liberalen eine Stimme zur absoluten Mebrbeit fehlt. Laut amtlicher Verkündigung sind 6Ü Liberale, L8 Radikale und 3 Fortschrittler gewählt. Die Skupsckiina zählt 133 Mit glieder; in der obigen Angabe fehlen sechs Wahlergeb nisse; es dürfte sich bei diesen um oppositionelle Toppcl- wableo bandeln Die Führer der radikalen Partei beralhen gegenwärtig de» Vorschlag, durch Fernballung von den Sitzungen der Skupschlina deren Tbäligkeit labm- zulege», da die Verfassung zur Giltigkeit eine» Beschlußfassung emo Mehrheit vou einer stimme über die Hälfte rer Ge sammlzahl vorschreibt. In fortschrittlichen Kreisen ist die Stimmung, ungcachlct der geringe» Zahl der Mandats welche dieser Partei bei den letzten Skupscklinawahlen zerfielen, eine sebr zuversichtliche, da di« vier oder fünf forschritt- lichen Stimmen das Zünglein an der Waage werden könnten Namentlich wen» die in radicaleu Kreisen bereits aufgeworfene Frage deS Nichlcintriltcö der Radi kalen in die Skupsckiina, beziehungsweise eines Austrittes unter Berufung aus angebliche Ungesetzlichleuen, durch welche die Majorität der Regierung hergcstclll worden sei, actuell werden sollte, dürsten die Fortschrittler durch ihren Anschluß an die eine oder die audcre Seite den Ausschlag geben, da ihre Stimmen unter Umständen zur Sicherstellung der Be schlußfähigkeit der Skupschlina uuenlbcbrtich -würden. In §olge dessen seien de»» auch bereits sowobl vou den Liberalen als von deu Radikale» Versuche der Gewinnung einer Fühlung mit den Fortschrittlern gemacht und annähernde Schritte eingeleitct worden. Während das Panamacanal llnternebmen dem Untergänge verfallen zu sein scheint, ist ein anderes derartiges Unter nehmen in der Vollendung begriffen: der Canal von Korintb, durch den Morca zur größten der griechischen Inseln umgestaltct werde» soll, ist nun endlich im Bau so weit vorgerückt, daß im Lause de» nächsten Monates der erste Dampfer an Korinth vorüber vom Ionischen in das Aegaischc Meer fahren wird. Der britische Constil im Piräus bat seiner Regierung einen Berick'l über die Ge schichte deS Canals von Kcrinlb übersendet, der allgemeineres Interesse zu erregen geeignet ist. Tic ursprüngliche Con- ccssion wurde einer französischen Gruppe verliehen und später an den ungarischen RevolutionSgencral Dürr über tragen. Diesem gelang eS. eine Gesellschaft zur Durch- fübrung des Unternehmen« zu Stande z» bringen Das gesammte Actiencapiial wurde gezeichnet »nd die Arbeiten am 27. März 1882 begonnen Allein auch bier geschah eS, daß ras gesammte GeiellschastScapital ertcköpst war, ehe das Werk zu Ende gebracht wurde. Unterstützt von dem fran zksischcn Comptoir d'EScompte, wurde da« llnternebmen wieder ausgenommen, allein vor vier Jahren, als die Gesellschaft des Comptoir d'EScompte in Schwierigkeiten gericlb, kam auch der Canalbau inS Stecken. Zwei Drilttbcilc de« Werkes waren vollendet und nun griffen die Griechen selber z». um das Werk nicht verfallen zu lassen. Eine neue Gesellschaft wurde gegründet, die 1890 die Arbeiten wieder aufnahm. Diese verpflichtete sich, den Canal bis zum lO. März 1893 zu vollenden. Die ungünstige» klimatischen Verbältuifsc des letzten Winters führten eine Verzögerung herbei und niit FsuiUston. Ums Geld. LI Novelle von A. Hryl. Nachdruck »erboten. lFortsetzunn.) Stönewitz war sehr gern bereit, diesen Auftrag auszu- iübren, und beeilte sich, der Villa Dörnbach den Rücken zu Ilbrcn; denn der Sensenmann war ibm unangenehm; » gedachte seiner nur im Notbfall. Während er raschen Lbrillcs auf die Hochstraße zueilte, gab er sich alle Müde, ttc Eindrücke los zu werden, die er wider Willen in sich ausgenommen hatte. Doch das ging nicht so rasch; und mit ttuer Leichenbittermiene, die ganz zu dem Austrag paßte, km er überomiiien, langte er vor dem Falk'schen Hause au Er füblte selbst, daß sein äußerer Mensch deprimircndc Empfindungen widerspiegeltc, und blieb einen Augenblick rrr dem Ibore stcden, um sich zu sammeln. Er wischte tcii Sckweiß von der Stirn, zupfte den Bart zurecht, Iiiiixste die Handschuhe, rückte die Cravatte bin und her »nd lrai endlich mit dem stillen Wunsche ei», den Doctor nickt i-i Haute z» treffen und weder Frau Lili, noch ihrem „strif- Icinenen" Gatten zu begegnen. Der erste Tbeil dieses Vunsche« ging zwar in Erfüllung, denn der Doctor war aus der Praxis, und Stönewitz hinterließ bet dem Portier seine Karte mit der kurzen Notiz dessen, was er au-zuricklen kalte; aber für den zweiten Tbeil deS Wunsche- war ihm lein Gelingen beschiedcn, denn grau Lili begegnet» ihm vor ter Thür. Rosig angehaucht, mit blitzenden Augen und sebadensrobrm Läckwln auf den Lippen, ging sie auf den ehe maligen Anbeter zu, der vor Aergrr blaß wurde, und begrüßte >!n, Freude und Erstaunen heuchelnd, mit den Worten: .^err Landratb, Sic haben den Weg zu mir wieder ge sunden! ES ist sHön von Ihnen, dag Sie mich nickt ganz rergeffen haben. Sie wollen fick wobl nach meinem Befinden ttkuntigen, nicht wahr, ick habe e» erratden. O, die aestnge Partie ist mir vortrefflich bekommen, Herr Land- ralb; ich habe mich noch selten so g»t amlisirt Dieser Holkamp ist entzückend. Finden Sie das nicht auch? — über — da Sie mir doch einen Betuch machen wollen —" „Entschuldigen gnädige Frau, daS war nicht meine Ab sicht", siel ihr Stönewitz rasch in die Rede, während er einen Schritt zurücktrat. „Ich durste nicht wagen, Ihnen lästig zu fallen, nachdem Sie mir in unzweideutigster Weise z» ver stehen gaben, daß Tie mir Ihre Huld entzogen haben." „Wirklich", höhnte Lili, „wie geschickt Sic doch Wahrheit und Dichtung zu vereinigen wissen. Ich wäre doch neugierig, zu erfahren, waS Sie >n unser Hau- führte. Wohl irgend rin Anliegen — eine Verlegenheit" — Er wurde noch bleicher, biß sich auf die Lippen, ant wortete aber mit unerschütterlicher Rübe: „Nichts von alledem, gnädige Frau; ich kam im Auftrag Ihrer Fran Schwägerin zum Doctor, den ich nickt zu Hause traf, ich sollte ihn sofort zu seiner Schwester bescheiden. Die alte Dörnbach ist plötzlich am Schlazfluß gestorben." Die Reihe, zu erschrecken, kam nun an die junge Frau. „Es ist nickt möglich", rief sie schmerzlich ergriffen, „meine einzige alte Freundin ist tobt! Wissen Sie eS gewiß, Herr Landratb? Ist cs nicht eine boShastc Erfindung von Friederike?" Ter Landratb wußte eS gewiß. Er erzählte in gedrängter Kürze die näheren Umstände, die er miterlebt hatte, und fugte zuletzt in sarkastischem Tont hinzu: „Ta ich Len Doctor nicht zu Hause tras, so verständigte ick ihn durch einige Zeilen, die ich dem Portier einhändigte. Gnädige Frau könnte» sich ja die Karte geben lasten und sie selbst dem Herrn Schwager überreiche»; Sic ballen dadurch die seltene Gelegenheit, >bn aus einige Augenblicke zu sprechen." Hätte die Todesnachricht nicht nietcrscklazend aus Lili gewirkt, dann wäre dem Landratb »ine beißende Abfertigung zu Tbeil geworden; so aber achtete sie kaum aus Las, waS er sagte, sondern ließ ihren Tchränen um die Verstorbene freie» Laus und ging, ohne den alten Verebrer eines Abschied-Worte? zu würdigen, schluchzend »nd klagend aus daS Cciuploir ihres Gatten zu, um diesem die Trauer- tunte niitzutbeilen und zugleich dringend zu warnen, dem Landratbe ja kein Geld zu borgen, lall- er sich beikoiniuen ließe, um solches »ack>zufiichen Für sich rc.zuirirte sie einige Hundert Mark zu eleganten Traurrtoilettrn, eine notbwc»- dige Angelegenheit, die sie in ihrem liefen Schmerze einiger maßen zerstreute. — Stönewitz ging befriedigt, eine kleine Bosheit auSgrübl zu haben, langsamen Schritte- die Hoch straße hinab; er sab auf dir llbr, und da er es neck zu srüh fand, in- Hotel zu geben, so beschloß er, ein wenig zu bummeln; und um das Praktische mit dem Angenehmen zu vereinen, seiucr Ungetreuen eine Fensterparadr zu macken, die zum Zweck batte, die Unerschütleilickkeit und Uneigen- niitzigkrit feiner Gcfüble zu beweisen. Man konnte nie wissen, was stck, noch ereignete Bald war der Nonnenbos in Sicht. Auf dem Balcon stand Fräulein Betty Roland, mit holdseligem Lächeln über die Straße blickend, wo Herr Holkamp auf dem Trottoir Pvsto gefaßt kalte unk mit LiebeSblicken und allerlei beredten Zeichen zu der Dame seines Herzens sprach. Dem Tpäberauge des Verschmähte» enlaing es nicht, daß diese Zeichensprache die freundlichste Ausnahme, sogar Erwiderung fand; denn Bell» brach eine Rose aus dem herrlichen Blumenflor, der den Balcon zierte, »nd warf sie ihrem begünstigten Anbeter zu. Helkanip hob die Rose ans, drückte seine Lippen daraus und steckte sie dann in- Knopfloch Sobald er dies kleine Geschäft mit siegeöfreudigcm Lackeln vollzogen batte, blickte er nach dem Balcon, um der lieben Blumenfpenderin seinen Dank a»S- zudrllcken. Betty war vom Balcon verschwunden, und als er sich verdrießlich »mwandte, entdeckte er in dem Land rath sofort die Ursache ihres plötzlichen Verschwinden- Holkamp zog den Hut tief vor dem Beamten, der seinerseilS den Gruß kaum merklich erwiderte „Guten Morgen, Herr Landratb. ick freue mich, Sie zu sehen Ist Ihnen der gestrige Ausflug gut bekommen?" erkunbigle sich Hclkamp, indem er dem neue» Bekannten mit zudringlicher Freundlich keit die Reckte enlgegenstreckte Stönewitz tbat, als ob er daS gar nickl bemerke, musterte den schönen Mann mit inipertinenlem Blick vom Kopf bis zu den Füßen und versetzie dann nachlässig: „Ach richtig: Sie waren auch dabei, wurden mir, glaube ick, auch ror- aestellt, aber ich — entschuldigen Sie — ick habe Ihren Namen wieder vergessen." .Holkamp, Herr Landratb, Carl Holkamp", beeilte sich der Andere zu lagen, einigermaßen verwunterl, wie man den Nanien einer so wichtige» Persönlichkeit vergessen könne „Ja, ja, ganz wobl, Herr Kohldampf", erwiderte Stönewitz zerstreut. „Jetzt entsinne ich mich. Sie waren viel >» Gr- icllschasl der Amerikanerin und unterhiellen sich mil ihr in vertraulichster Weise" „Allerdings", bestätigte Holkamp geschmeichelt, „und ick darf wobl annedmcn, daß nicinc Unterballung dem Fräulein nicht unangenehm war." „Warum auch, Herr Kohldampf, Sie überbobc» dieselbe ter Müde, selbst zu sprechen und selbst zu denken." „Ick finde das Fräulein sehr liebenswürdig, Herr Land- ralk", beeilte sich Holkamp ru versichern „Wer zweifelt daran? Alle rcick'en Mädchen sind liebens würdig", spöttelte Stönewitz. Holkanip schaute gulmülhig drei» unk stellte sich, als ob ihm ta der Landratb eine große Neuigkeit nistgclhcitl hätte. „Ist sie reich? Da« wußte ich nicht Ick bin zu kurz bier, um die Verhältnisse der Leute z» kennen." Stönewitz wußte die Alisrickttigleik tiefes Ausspruches nach ihrem Wrrlhr zu schätze». Er lhat, als ob er ein leichtes Gähnen unterdrücken müsse, ebe er in glejchgittigcm Tone erwiderte: „Nach dem vertraulichen Verkehr, den Sie gestern mit der jungen Amerikanerin pflogen, durste ick wobl aiinebincn, daß Sie Beide sich schon längst genau kennen: ich glaube sogar gehört zu haben, die Bctanntschast dalire aus Amerika " D>e Wirkung dieser Worte siel dem Landratb auf und gab ibm zu denken. Holkamp wechselte jäb die Farbe: seine Auge» nahmen einen scheue», tückische» Ausdruck an und Hohne» sich wie Dolchspitzen in dir Züge seines Gegners ein. „Wo haben Sir das gehört? Von wem?" fuhr er den Betroffenen an. „Da- kann ich mich nicht genau erinnern, mein Herr." „Eö ist eine freche Lüge", rief Holkamp wulbend. „Ick war nie in Amerika, nie in meinem Leben. Ich verbitte mir dergleichen Verdächtigungen " „Verdächtigungen? Herr Holkamp, wie kommen Sie zu diesem Ausdruck? Er stcbt in keiner Beziehung zu dem, was ich sagte. Ihre Erregung wegen einer so geringfügigen Sacke könnte verdächtig erscheinen " Hvlkamp tämpsle sichtlich mit Bestürzung und Verlegen- beit. und der Andere weitete fick an dem Mienenspiele seines Nebenbuhlers, das nur zu deutlich verrielb, was in ibm vorging Jedoch rascher, alS der Landratb rerniulbetr. ge langte Herr Holkamp wieder in Besitz kühler Unverfrorenheit, er drückte das Monocle >n« Auge, sab den Landratb mil impertinentem Lächeln an, drehte dabei die Spitzen seines Schnurrbarts, räusperte sich und gab sich Müh», durch die Nase zu sprechen. Fortsetzung folgt.)
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