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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.03.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-03-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930328021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893032802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893032802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-03
- Tag1893-03-28
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Die „Eonservative Corresp." beschäftigt sich mit dem Schicksal der Militairvorlage und spricht als ihre Ansicht ruS, e« wäre durchaus zwecklos, auf eine Verständigung in dieser Angelegenheit zu hoffen ; wenn militairische For derungen wohlerwogen und woblbcgründet hcrantreten zur weiteren Sicherung des Friedens und "der NeickSgrenzen, dann könne eS nur eine Verständigung geben, e-könne nur die un bedingte Bewilligung der Vorlage in Frage kommen. TaS Platt äußert sich dann über die Stellung der Freisinnigen und tesEeutrumS und sagt weiter Folgende-: „DieNationalliberalen machen Angebot auf Angebot, gleichfalls nickt lediglich, indem sie, ihrer Parleibezeicknung „national" getreu, daS zur VaterlandS- rertteibigung Nothwendige bewillige», sondern indem sie, aus da« Wörtchen „liberal" den Nachdruck legend, „elwaS" von der Vorlage „abdrücken"möchten, um dann gleichzeitig als patrioliscke Makler und als kluge Führer der Geschäfte des steucrzahlcnden Volke- in voller Glorie erscheinen zu können." Eine solche Verdächtigung der nalionalliberalen Partei siebt der „Cons. cforresp." schlecht an. Ten Gipfel der Unverfrorenheit er dicht das Blatt dadurch, daß cs sagt, lediglich der ÄLlldpunct der Conservativcn sei von Anfang an .correct" gewesen. Jedermann weiß, daß die Eonservativcn oon einer Herabsetzung der Dienstzeit nichts haben wissen wollen, und daß ihre Freundschaft für die jetzige Fassung der Militairvorlage erst mit der Aussicht eines negativen Ergebnisses der Verhandlungen gewachsen ist. Die „Kreuzztg." bat oft genug die zweijährige Dienstzeit be- lämpst und sie hat jedenfalls damit eine in conservativen Kreisen sehr verbreitete Anschauung wiedergcgebcn. Wenn nun die Conservaiwen mit einem Male so warme Freunde der Regierungsvorlage geworden sind, so bat das einen sehr durchsichtige» Wahlzwcck. Die Nationalliberalen haben — es brauchte dies erst kaum betont zu werden — von Anfang an ihre ehrliche Ucberzeugung vertreten; sic haben die großen Vorzüge der Vorlage, vor Allem die zweijährige Dienstzeit, die Verjüngung der Armee u. s. w. an erkannt, sie haben sich aber nicht verhehlen dürfen, daß in wirthschaftlicher und finanzieller Beziehung dem Volke zu große Opfer auferlegt werden, und daß auch das einwand freie Recrutenmaterial und da- Ausbildung-personal nicht vorhanden sein werde, um die Vorlage naw den Wünschen der Regierung zu bewilligen. Mit ihren Vorschlägen sind die Nalionalliberalen der Regierung soweit entgegengrkommen, al- eS nach Lage der Dinge möglich war. Jedenfalls gingen ihre Vorschläge von dem Gedanken auS, der Regierung eine annehmbare Basis zu bieten, auf der sie die zweijährige Dienstzeit unter Verzicht auf das nicht absolut Nolkwendige durchführen könnte, und andererseits auf die Leistungsfähigkeit tc- Volkes die gebührende Rücksicht zu nehmen. Die Unter stellung der „Eons. Corresp." muß mit aller Entschiedenheit zurückgewirsen werden. Die Anzeichen dafür, daß bei der Regierung der Gedanke u die Auflösung des Reichstags in den Hintergrund und m seine Stelle der Wunsch nach einer Verständigung über die Vorlage tritt, mehren sich. Gestern verbreitete, wie wir iibon im Morgenblatte mittheilte», ein parlamentarischer Berichterstatter die Meldung, daß in RcgierungSkreiscn ge wichtige Bedenken gegen die Opportunität der Auflösung aufgetaucht seien und die Hoffnung bestehe, eS werde eine Verständigung noch gesunden werden. „Dagegen glaubt man", so hieß eS weiter, „daß daS Centrum den Anstoß zu Concessioncn geben müsse." Im Einklang hiermit be finde» sich zwei, beute vorliegende osficiösc Kundgebungen. So schildern die „Verl. Pol. Nackr." den verderblicken Ein fluß, den die Auflösung auf da- Wirtschaftsleben auS- üben müßle: „Schon die bloße Möglichkeit einer Rcich-tag-auflösung mit der davon unzerlrennbare» deniagogischen Aufwühlung der Massen lähmt jede industrielle Tbalkrasl und Initiative, erzeugt ein Miß- behagen, da« die Ansätze der geschäftlichen Besserung nirgends zur vollen Entfaltung kommen laßt" — und fahren dann fort: „Es wäre daher nur die Pflicht und Schuldigkeit der Parteien, welche aus nationalem Boden stehen und ihre Ausgabe nicht in der Auswersung und Bcrsolgung von parlamentarischen Macht- frage» oder persönlicher Rechthaberei erkennen, den Bedarf, nisjcn de« deutschen Erwerbslebens dadurch zu Hilfe zu kommen, daß sie ihrerseits durch Formulirung solcher Vorschläge, welche den an die LeistuugSsahigkeit der Armee zu stellenden Anforderungen genügen und deshalb sür die Regierung annehmbar sind, das er lösende Wort in Sachen der Militairvorlage sprächen." Daß dieses „erlösende Wort" zunächst von, Cent rum erwartet wird, zeigt eine andere osficiösc Auslassung, die sich u. A. auch in rer „Tägl. Rnnksch." sinket und die Hoffnung auf eine Verständigung in folgender Weise begrüntet: „WaS hat da-Centruin von Neuwahlen zu erwarten? Wenn die Wahl in Olpe und gewisse andere Erscheinungen, nament- lich in bayerischen Wahlkreise» etwa« beweisen, so ist eS dicS, daß die Taktik de« Abg. Lieber, die auSgesprochenermaßc» durch möglichst einmüthige Opposition gegen die Militairvorlage das Vordringen radikaler Elemente aushalten wollte, vollständig wirkungslos geblieben ist. Die Zeichen einer Lockerung des inneren Zusammenhalt« de- CentrumS haben sich unter deinokratischer Führung vermehrt, statt vermindert. Für das Schicksal der Militairvorlage, dos gegenwärtig in der Politik der verbündeten Regierungen weitaus an erger Stelle steht, können Der- jchicbungen im Cciiirum nach links ziemlich gleichgiltig sei», ioscrn sich auch fernerhin die gemäßigten und conservativcn E emente der Opposition wider die Vorlage beugten; denn offenbar macht eS keinen Unterichied, ob die coniervativcn Elemente durch radikale verdrängt werden, wenn doch Alle Nein sagen und eine für die Regierung annehmbare Veriiändigung vereiteln. Unter allen Um- ständen wird die bisherige Festigkeit im Centrum durch Neuwahlen, wie sie sonst auch anSfallcn mögen, auf eine harte Probt gestellt, und eS begreift sich, daß dir iührcnden Geister Zeit zu gewinnen wünschen, um der Währung in ihren Reihen wieder Herr zu werden. ES kommt nun noch hinzu, daß sich »in Theil der Lentrumspnrtei von vornherein den fachliche» Gründen sür die Vorlage zugänglich erwies. DaS beste Beiipiel hierfür hat der frühere Führer an der Seite Windtdorst'S, Frhr. von Schorle me »Al st, gegeben. Deshalb möchten wir das Gerücht, daß sich vielleicht doch noch eine Verständigung mit der Regierung über die Militairvorlage anbahnen werde, nicht einfach »ä absurcluw verweisen." Auch die Münchener „Allg. Ztg." hält ihre mehrfach erwähnte Nachricht, daß Verhandlungen eingeleitet seien, an denen auch Mitglieder de- CentrumS und der deutsch- freisinnigen Partei sich betbeiligtcn, um unter principieller Genehmigung der Militairvorlage eine Bewilligung derselben in einzelne» Raten auf eine Reibe von Jahren vertbcilt zu sichern, der „Nordd. Allg. Ztg." gegenüber ausrech«. DaS genannte Blatt vermag in den anzweifelndcn Bemerkungen der „Nordd. Allg. Ztg." „höchstens den Ausdruck einer Verstimmung darüber zu erblicken, daß die in unser», Telegramm gemeldete Thalsache zu früh an die Ocffentlichkeit gelangt ist." Di« diesmalige Anwesenheit der ungarischen Minister Wekerle und Hieronymi in Wien gilt nach überein stimmenden Berichten in erster Linie der Erlangung der Zu stimmung des Kaiser- zur Einbringung de- GefeyenIwurscS über die CivilstantSrcgister im ungarischen Parlament. Nach einer telegraphischen Meldung von beute empfing Kaiser Franz Joses die Munster gestern Nachmittag zwei Uhr in cniftündiger gemeinsamer Audienz und, wie benimm« ver lautet, willigte der Monarch in die Einbringung de- Gesetzentwurfes ein. Damit hat das Ministerium Wekerle ohne Zweifel einen bedeutsamen Erfolg über seine klerikalen und sonstigen Gegner davon getragen, und alle Ge rüchte über den Sturz des Cabineis werden »unmehr wobl verstummen müssen. Mit der Wendung, welche die kirckenpolitifche Lage i» Ungarn genomme» ha«, stellt wahr scheinlich in Zusammenhang, daß der Papst persönlich Anlaß genommen hat, in Wie» an maßgebender Stelle zu erkläre», daß der Curie die Absicht fern liege, in Ungarn einen Cultur- kampf zu führen. In Folge dessen hat der Prima« Vafary den vor Kurzem gefaßten Beschluß der Prcßburger Kirchcngenicindc, gegen die Kirchenpolitik der Regierung zu prolcstircn, von Änns wegen mit dem Hinweis darauf, daß Kirchengemeindcn sich nicht mit Poliiik zu befassen haben, aufgehoben. Durch den Tod JuleS Fcrry'S ist in Italien der Groll wegen Tunis wieder aufgeweckt worden und eS bat sich derselbe zum Theil in recht bitteren Worten entladen. Man bat eS in Rom besonder- übel vermerkt, weil bei den Trauerseierlichkeiten der Viccpräsident des französischen Senate-, Bardoup, in seiner Rede den» Verstorbene» nach- rüllintc, daß er mit der Besetzung von Tunis „auf friedliche Weise daS Gleichgewicht im Millelmeer, daS in Gesahr stand, ein anlisranzösifchcr See zu werden, wiedcrhcrsleUte". DaS Gegentheil ist die Wahrheit, so sagt die „Perscvcranza": „Gerate durch die französische Eroberung Tunesiens ist das Gleichgewicht im Mittelmcer gestört worden, wie die nach folgende» politische» Ereignisse deutlich bewiesen haben Der Beitritt Italiens zum Bund der Kaiscrmächie und daS Bleiben der Engländer in Egypten sind die hauptsächlichsten mehr oder wcniger directcn Folgen der internationalen Treulosigkeit He- wese», die sich an die Namen Ferry und Baribelciny de El. ilair» knüpft. Allerdings hat die Unfähigkeit der italienischen egie. mg, die damals in den Händen der Linken war, Franltx'ch dir bequeme Gelegenheit gegeben, von der Erlaubniß Gebrauch zn machen, die eS von den Leitern de- Berliner CongresscS erhalten batte, sich sür seine Gebicköverluste von l87 l einen Ersatz zu suchen. Und die Bevollmächtigten der Republik hätte» sich in Berlin nicht mit BiSmarck, Lord BeaconSficld, Gortschakoss, Andrassy hinter dem Rücken de- Grafen Corti verständigt, wenn der letztere die Autorität einer geachteten und durch starke Freundschaften gestützten Regierung in den Congreß mitgebracht hätte. Wir haben deshalb nicht daS Recht, unS zu beklagen, wenn durch unsere Schuld Frankreich seinen nordasrikanischen Besitzungen eine reiche Provinz hinzusügte, die zugleich eine wichtige strategische Stellung ist, da sic den sicclischcn Canal und den Weg vom westlichen Millelmeer zum östlichen beherrscht. Die Besetzung von Tunis hat also genau die entgegensetzte Wirkung gehabt, als ibr Bardoux nachrübmte, und eS ziemt sich, die Wahrheit scstzustcllen, auch im Angesicht einer Leiche, die im Ucbrigen aller Achtung wcrth ist. Wir verzichten darauf, da« den Franzosen begreiflich zu machen, aber eS ist nützlich, daß wir eS unS selbst immer wiederholen, um nicht zu vergessen, WaS die Ursache der Veränderung in de» Beziehungen zwischen Frankreich und Italien war, und die Ursache der neuen politische» Richtung, die daS letztere von da an einfchlug." Wenn eS der republikanischen Partei in Frankreich bis jetzt gelungen ist, ihre monarchischen und klerikalen Gegner aus dem Felde zu schlagen und die republikanische StaalSverfassung aufrecht zu erhalten, so dankt sie da- zum nickt geringsten Theil der Unfähigkeit und den, Mangel an Math m den maßgebenden Kreisen der feindlichen Parteien. Eine wenig beneidcnSwerthe Rolle in dieser Beziehung hat namcnllich das Haupt der orleanistischen Partei, der Graf von Paris, gespielt. Immer weit vom Schuß — o gefiel sich dieser sranzösischc Kronprätendent in der Er füllung seiner Aufgabe, die ihn, einen sedr weisen Mann, in der Eigenschaft ein,.- „Verbannten", in London oder Brüssel ein beschauliches, von ernsten persönlichen Anfechtungen ge sichertes Leben führen ließ. Von Zeit zu Zeit aber wurde roch der ZukunfiSkönig von seinen Anhängern gedrängt, ein mal Etwas von sich hören zu lassen und so liegt denn heute eine solche Kundgebung vor, die sicher in Frankreich keine andere Wirkung llervorbringen wird, als daß man sic gründ lich verlacht. Monsieur Philipp, Graf von Paris, hat eS nötllig und zweckmäßig gefunden, an seine Landsleute folgende, schon mehr den Charakter eine« Pamphlet- tragende Proclama tion zu richten: „Der große Scanvalproceß hat in diesen Tagen da- Land über den »loralischen Werth der sührcndcn Männer orcenlirt. Durch ein grausames Gesetz bin ich gezwungen, im Ausland zu leben, und emvffnbe desto schmerzlicher Alles, waS da« Ansehen Frankreichs schädigen kann. Ich fühle mich pflichtgemäß genöchigt, de» Monarchisten die zu befolgende Richtschnur vorzuzeichnen: Die Kammer hat alles Ansehen verloren; in jeder neuen Sitzung sinkt' sie tiefer in der öffentlichen Meinung; die Regierung hat nicht den Muth, vor dem SociaicsmuS Front zu machen und besitz» weder zur inneren noch zur äußeren Politik die Kraft. Alle Wähler fühlen die Nothwendigkeit, sich zu einer äußersten Anstrengung zu vereinigen. Tie Monarchisten müssen ihnen die Hand reichen und mit guten» Beispiel zur Hand gehen! Sie dürfen kein Bündniß verschmähen, welckieS sie im Jnieresje der socialen und religiösen Freiheit des Landes «ingehen könnten. Die Monarchisten müssen dem Land begreiflich machen und beweisen, daß die Monarchie allein de», Lande »ine solide Regierung geben kann, die nur aus das öffentliche Wohl bedacht, Frankreich vor Unruhen bewahrt. Unter stützt von meinem erprobten Sohne, schrecke ich vor keiner Müh« zurück, da« Vaterland zu heben. Mir wird die Vollbringung des Werkes gelingen, denn Gott wird nicht zugeben, daß Frankreich, diese ruhmreiche Nation, verkümmere. Philippe, Gras von Pari-." Nachdem nunmehr die belgische Deputirtenkammer einen ganzen Monat hindurch in immer neuen Redekämpse» die Stimm re cktSsrage erörtert hat und vor dem Schluß der Generaldebatte steht, stellt sich beute die Gcsammtlaze wie folgt: Regierung und Rechte lehnen daS allgemeine Stimmrecht ab und wollen da- Stinimreckt nur Denen geben, welche eine eigene Wobnung von einem bestimmten Wertste und einen gewissen Bildungsgrad besitzen. Der daS Stinimreckt verleibende WostnungSwerth soll je nach der Größe der Gemeinde durch einen Staffeltarif erfolge», so daß er auf dem flachen Lande niedriger ist, als in den Städten, somit daS erstere begünstigt. Die ge mäßigt Liberalen lebnen daS allgemeine Stimmrecht ab und wollen das Recht allen geben, welche den Besitz Feuilletsir. Ums Geld. AI Novelle von A. Hehl. -le-vriick »ertöte». (Fortsetzung.) Clermont stieg auS. „Fahren Sie zurück, guter Mann ; ich gehe zu Fuß weiter; ich bin ja nahe am Ziele und will doch sehen, was hier vorgeht." Er erstieg einen Steinbaufen, der am Wege lag und recogno-cirte. Die Aussage de« Kutscher- bestätigte sich: er sah. wa« er am wenigsten erwartet batte: ein kleine- Häuflein, voran Sykow, kämpfte mit Todesverachtung gegen eine ganze Meute. Wie ein rasender Robland hieb der Fabrikbesitzer mit einem Todtschläger ans die Andrängenden ein; die wenigen Getreuen, welche ihn umringten, setzten ibr Leben ein, um da» seine zu schützen. War daS möglich, von Bürger lichen, von Kaufleuten und ihren bezahlten Handlangern möglich? Seine Augen sahen eS; so schwer ihm auch diese Erkennt lich wurde, er mußte die Thatsacbe zugeben. DaS ritterliche Blut in seinen Adern begann sich zu rühren; er schämte sich, stier müßig zuzusehen. Vergessen war der alte Groll, ver gessen, WaS ihn hierher geführt batte; — er sah nur den bedrängten Kämpfer, er sah den Mann, dem er Unrecht ethan, der sich wie ein Löwe um seine Habe und um sein eben wehrte — wer so streitet, der ist nicht feig. — Wenige Augenblicke später stand er neben Sykow, dem sich, dem Bei spiel Bail'- folgend, rin paar Dutzend rechtschaffener Arbeiter zugesellt batten. „ES sind berittene Schutzleute im Anzug", rief er unter die Menge. „Schutzleute, Schutzleute!" DaS Wort war alsbald in Aller Munde und beschwor die hochgehenden Wogen der Empörung. Ein Theil der Arbeiter machte Miene, sich zurückzuziehen. „Sie sollen kommen", ries einer der Rädelsführer. „Wir werden sie empfangen. Ein Schurke, der zurückweicht." „Oberst von Clermont!" batte Sykow beim Anblick seine- Gegner- erstaunt au-gerusen. „Sie hier! an meiner Teitr!" „Ich that Ihnen unrecht", rief der Freiherr dagegen, „sie sind rin tapferer Mann. Zurück. Ibr Lumpen, oder Ihr seid de- Tode«", donnerte er die vordringenden Arbeiter an. Die Tdat folgte den Worten. Er feuerte; ein Arbeiter sank zu Boden. Au- den feindlichen Reihen sausten Kugeln herüber; Sykow fuhr eine solche dart an der Schläfe vor über, dem Pförtner Fritz wurde die Mütze vom Kopie ge rissen, der Freiherr von Clermoyt sank, in die Brust ge- troffen, zu Boden. „Freibcrr von Clermont — um Gotte- Willen —" jammerte Sykow. „Er stirbt, er stirbt für mich —" Während er noch sprach, wurde Pferdegetrappel ver- nomnlen, Commandoruse, Signale ertönten; eS nahte Hilfe in der höchsten Noth. Der größte Tstcil der Arbeiter suchte da» Weite. Die zurückbleibenden Uebelgesinnten stürmten den anfprengendrn Reitern entgegen und empfingen sie mit Steinwürsen. Auf der Landstraße entspann sich ein kurzer Kampf, der mit dem Siege der Schutzleute endigte. ES wurden zahlreiche Verhaftungen vorgenommen; die Ver wundeten wurden fortgeschafft. DaS Sykow'sche Anwesen suchte man durch einen miliiairischen Cordon vor erneute» Ueberfällcn zu schützen, Patrouillen durchzogen daS Antoni- viertel und verhinderten jede Zusammenrottung. So war die Gefahr glücklich abgcwendet, und man konnte dem Sterbenden, der im WobnhauS, in Sykow'« eigenem Zimmer aus dessen Lager ruhte, alle Sorgfalt zuwentcn. Doctor Falk, der herbeigeeilt, sobald die Kunde von dem Ent setzlichen zu ihm gedrungen war, constatirte, daß die Wunde tödtlich sei. Hcrminc kniete an der Seite de- Sterbebett«, bedeckte die hcrabhängente Hand mit Küssen und sichte unter heißen Zähren: „Verzeihe mir, lieber Oheim — ich babc eS gut gemeint — von Herzen gut — stirb nicht, ehe Tu mir vergeben hast." „Verzeihe Du mir", antwortete er mit schwacher Stimme. „Ich — ich habe gefehlt. Der Tod sübnt den Jrrthum." „Sykow", fügte er bittend bei, „nehmen Sie sich meine» verlassenen Kinde» an." „Sie soll meinem Herzen am nächsten sieben", gelobte dieser, „mir theurer sein als mein Leben." Er faßte Her- minen'S Hand und küßte sie. „Mein muthige- Mädchen", sprach er tief gerührt, in der Stunde höchster Gefahr hat Dein Herz zu mir gesprochen; ich werde dessen eingedenk bleiben bis zum letzten Athemzug. Wir haben ein schwere- Opfer der Katastrophe zu beklagen; »raurig, daß dem so ist. — Doch eS könnte um Diele« schlimmer sein, ohne Tein mulhigcS Einschreiten. Du hast Hilfe geschafft io höchster Noth; kam dieselbe eine halbe Stunde später, dann war unser kleine» Häuslein trotz tapferster Gegenwehr über wältigt, daS beißt niedrrgemacht, und aus der Stelle, auf der wir stehen, würden vielleicht um diese Stunde leer gebrannte Mauern unter Schutt und Trümmerhaufen ber- vorragcn, der Gräuel nicht zu gedenken, welche die Un menschen in der allgemeinen Verwirrung au-geübt hätten. Daß die- glücklich verhütet wurde, haben wir Dir zu danken, Hermine." „Ach!" schluchzte Hermine, „ich bat, ich drängte und flehte, man möge sich beeilen; meiner Tode-angst gingen die Vorbereitungen viel zu langsam. Leider hat diese Angst nickt betrogen; denn ich war nicht im Stande, diesem tbeuren Leben Schütz zu verschaffen. Ich werde nie aushören, dies zu beklagen!" „Gieb Dich zufrieden, Kind, weine nicht um mich", flüsterte der Freiheir. „Ich weiß Dich wobl geborgen, dieser Trost macht mir da« Sterben leicht. Mein Leben war schal und öde von dem Tage, an dem mein guter Engel von mir ging, wenn eS ein Wiedersehen gibt, wie wir hoffen, — er vollendete den Satz nicht; — seine ganze Seele schien sich in seinem Blicke zu concentriren, feine Augen erweiterten sich und basteten mit seltsamem Leuchten auf der offenen in'» Stcrbezimmer führenden Thür, unter der eine hohe, weibliche Gestalt erschienen war. Frau Parker, die unbemerkt hcrangekommcn und die letzten Worte de« Sterbenden mit angcbört batte, stand aus der Schwelle. Sie hob die gefalteten Hände empor, ließ sie langsam niedersinken und brach in die Worte auS: „Clermont, mein armer Clermont, müssen wir unS so Wiedersehen!" Starr, als ob er eine Vision habe, wagte er sich kaum zu rühren: befürchtend, da« tkcurr Bild könne plötzlich wieder verschwinden. Sie näherte sich seinem Schmerzenslager, beugte sich zu ihm nieder und streckte ikm beide Hände entgegen. Er nahm diese in die seinen und preßte sic ans Herz, dessen matte Schläge ein baldige« Ende vorauSschen ließen. „Marie WorowSka, Geliebte meiner Jugend, Stern meine« Leben»", hauchte er, „einen seligeren Tod hätte ich mir nicht wünschen können." Da« waren seine letzten Worte, kaum noch vernehmlich, nur ihr verständlich. Sie flüsterte ihm eine liebe, herz erquickende Antwort zu. Mit verklärtem Lächeln, ihre Hände in den seinen, schied er aus dem Leben. — Hermine war die Einzige unter den Umstehende», welche sich den ergreifenden Vorgang zu erklären wußte, und die, sobald die erste Bestürzung vorüber war, mit den vorder Anwesenden da« St-rbezimmer verließ. Frau Parker allein bei der Leiche zurücklassend, wie sie die- dringend wünschte. Wäbrend die alte Dame neben dem Bette aus die Knie sank, um zu beten, berichtete Hermine in gedrängter Kürze da« Hauptsächlichste auS der Liebe»- und Leidens geschichte ihre» LbeimS. daß da« unerwartete Erscheinen der ehemaligen Gräfin WorowSka erklärte. Als Frau Parker nach einer kalben Stunde bleicher al« sonst und mit zerötbeten Augen zu den Versammelten trat, fand sie e» für angemessen, dem von Hermine Berichteten noch Erläuternde« beizufügen. Auf da« Beileid, da« man ibr bezeigte, antwortete sie: „Ja, ich war die Gräfin Marie WorowSka, die einst so glückliche und dann so beklagen-wcrthe Braut Clermont'-. DaS Schicksal führte mich über- Weltmeer, nachdem ich mit blutendcyr Herzen erkannt, daß der Mann, für den ich mein Leben gegeben hätte, für mich keine« Opfer« fähig war. Ter Ocean lag zwischen unS; wir waren sür immer getrennt. Er lebte seinen SlandeSvorurtbcilen getreu viele Jahre hindurch im ewig gleichen Einerlei mililairischcr Pflichterfüllung weiter und pflegte den CultuS der Erinne rungen, als eine übernommene Verpflichtung, bis au sein Lebensende. Dagegen hatte ich den Kampf um« Dasein zu kämpfen. Tie Notb, die Sorge traten an mich heran, beeinträchtigten daS Gefühlsleben, stabilen aber die Tbat- kraft und erhoben schließlich daS Gefühl de« Können«, das in der Ausübung nutzbringender Thätiakeit nicht nur materiellen Erfolg, sondern auch seelische Befriedigung fand, zum leitenden Motiv in allen Lagen de« Lebens. Tie Vernunft wurde Herrscherin; der Verstand mußte arbeiten, und das Herz kam erst zur Geltung, wenn ich müde und hilfesuchend die Hände zum Gebet faltete. DaS rechte Beten lernt man nur im Unglück; die Glücklichen ver stehen eS nicht. Ich ging häufig in die Methodistcnkircbc und hörte aufmerksam den Vorträgen eines Missionairs Namen« Parker zu, dessen Anschauungsweise der meinigcn sympathisch war. Ich lernte ihn bald daraus bei einer befreundeten Familie persönlich kennen, koch schätzen und lieb gewinnen, und da auch er von gleichen Gefühle» für mich beseelt war, so währte eS nicht lange, bis unS der Bund für- Leben vereinte. Ich söhnte mich mit dem Schicksal auS und schloß Friede mit der Vergangenheit. So lange er lebte, blieben mir Gram und Sorgen fern, »ach seinem Tode jedoch traten die Lasten des Leben« wieder an mich heran, und eS erschien mir wUnschenSwcrth» eine» passenden Wirkungskreis zu finden. Dieser sollte mir bei Fräulein Roland werden. Ich kam nach Europa zurück, ich kam in diese Stadt, ohne zu ahnen, daß ich hier den ehemaligen Bräutigam Wiedersehen sollte. Ick batte nie wieder von ihm gehört und wußte nicht, ob er noch lebte. Es batten unterdessen blutige Kriege gcwülbct, bei welchen er jedenfalls tapfer mitgefocbten hatte, vielleicht gefallen war. Plötzlich »nd unerwartet stand er eines TageS vor mir, als ich Fräulein Betty ans einem Gange in die Stadt begleitete. Ich er kannte ihn sofort; er aber beachtete mich nicht, kenn er war in Gesellschaft von Ofsicieren »nd sprach laut und lebhaft über politische Ereignisse. Mick packle die- unerwartete Wiedersehen mit unwiderstehlicher Gewalt; die Sinne schwanden mir; Fräulein Betty führte mich in die nächste Apotheke, wo man mir belebende Tropfen einslößlc und mich dadurch bald wieder zum Bewußtsein brachte. Von dieser Stunde an war ich sehr vorsichtig, ging immer tief verschleiert au« und vermied jede Gelegenheit, dem Frei- berrn zu begegnen. Erkundigungen, die ich in der Stille über sein Leben und seine Verhältnisse cinzog, lauteten nich
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