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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.03.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-03-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189303312
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18930331
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18930331
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-03
- Tag1893-03-31
- Monat1893-03
- Jahr1893
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.03.1893
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Bezugspreis k> der Hauptipeditio» obre den i» Stadt« b»,trk o»d d» Vorort»» errlchtrtra »u«- cahfftellen ab,.holt- viertel jährlich Ll4L4 hft »weimollger tägllchrr Znstellnug t»« >'au« Ll 5.50. Durch dt« Post bezogen fftr Teuijchland und Lesrerreich: vierttlsührltch -r g.—. Direct, täglich. Kreuzbaodsrnvung tu» Ausland: monatlich Ll 7L0. Die M orgea-AuSgab« erschaut täglich'/,7 Uhr, di» «bend-«u»gade Noch«, lag. » Uhr. Lrtzartion und ErveLitioa: Johanne« gaffe 8. TieErpeditio» ist Wochentag» uovnterbrochet» g^öftuA M>, früh 8 bi« «b«ch» 7 Uhr. Filistlea: Ltto KI»««'» Eorti«. (Alfred Hahn). Umversität-straße 1, Louis Lösche, sialharinenstr. 14, Part, »ad König-Platz 7. LWiMlTWMM Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgcschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Anzeigenpreis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklamen unter dem Redactton-skrtch i4 ge spalten) 50/H, vor den Familiennachrichtea (6 gespalten) 40-L- Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-AuLgabe, ohne Poslbeförderung >4 60.—, mrt Poslbeförderung Ll 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-Au-gabe: vormittag- 10 Uhr. Morge u-Au-gab«: Nachmittag» 4 Uhr. Sonn- und Festtag« früh ' ,9 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» j. »ine halbe Stunde früher. Anzeigen siad stet- an di. Expedition zu richte». Druck und Verlag von E. Polz st« Leipzig. A» 164. Freitag den 31. März 1893. 87. Jahrgang. Amtüche Bekanntmachungen. Bekanntmachung) die Einkn-rnng »er Mtttelenropüischcn 3rtt delreffcnd. diach dem Rmch-gesetz, betrefseud die Einführung einer einheit- üLm ZeUbestimmung, vom 12. März 1893 hat für das Deutsch, «eich vom 1. April ds». I«. ab die Mitteleuropäische Zeit (abge- kürzt bl. L. 2.) olleiu gesetzliche Giltigkeit. Für Leipzig tritt d« Uevergang ein, wenn am 31. März Abend- ein« richtig nach der bt-h«r gesetzlichen Ortszeit gehend« Uhr ll Uhr 4V. Min. 34 Sec. zeigt. Wir werden demgemäß am 31. März um die angegeben« Nacht- zeit di. Rathhau-uhr, sowie di« übrigen u»S unterstellter, öffent lichen Uhren auf 12 Uhr vorstellen. An die Einwohnerschaft und namrntlich an di» Herren Uhr- iiacher »rgeht hiermit die Aufforderung, in gleicher Weise zu ver- schien, da nur hierdurch Irrungen und di» damit verbundene» Nachtheil- vermieden werden können. Maßgebend ist die Rath- hauanhr, bei drr »er Uebcrga«« in de« rutzttgen Augru- bli<r vollzogt» »erden »trd. Letpztg. b», 27. März 1893. Der Nit»,»er Stadt Leipzig. I». 1380 vr. Gevrgt. Lekanntmachung. Da» 6. Stück de» die-jährigen Gesetz- und Verordnungsblatt«» für da« köntgrrtch Sachsen ist bei un« »ingegangen und wird bi« zum 18. April auf de» RathhauSfaalr zur Etustchtnahm« »ffrnttich uushängen. Dasselbe »nthält: Nr. IS. Verordnung, die Enteignung von Gnindeiaenthnm für Anlage eine» neuen Wege» am vahnhosr Oberlicht»»»» an der LUenbahnlioi» Riesa - Ehemnitz detreff»»d: vom 6. Mär, 1883. Nr. SO. Verordnung, di« Entrignong uon Gruidetgeetth»« für Eawttmmng der Etsenbahnstalion Wilka» betrrffend; vom 8. «kürz 1«K. N». LL. «»ordnaog. U» Enteignung »«, «nnchrigestt»» für Erweiterung drr LisrnbahnsMttonSemlagml » Ktrchtrrg Bodrnbenutzung tm Iahr«^ 1893 betreffend; vom II. März >893. Nr. 83. Bekanntmachung, die Aushebung de- MchamteS in Große» Hain betreffend; vom 1b. März 1893. Nr. 24. Bekanntmachung, da- verzeichniß der den Wilitatr- auwärtern im königlich sächsischen Staattdlenste vor behaltenen Stellen betreffend-, vom 14. März 1893. Nr. 2b. Bekanntmachung, ein« Anleihe der Stadtgemeiade Anna» berg hetressend; vom 16. März 1893. Leipzig, den 29. März 1893. Der Rath drr Stadt Leipzig. Llr. Georgi. Krumviegel. Sinnah«e Brtrag -4 Ausgabe. Betrag Ll -4 Zinsen von Lapitalien 23 07 t .55 Für ürztliche Behandlung 355 9,0 26 Eintritt-gelder 488 50 Für Arznei und sonstige Heilmittel 217 999 48 Durch Arbeitgeber sür Versicherung«^ '/» Arbeit- Krankeiigelder an Mitglieder 791742 01 vstichligr Mitglieder eingrzaklie) geder, Krankengelder an Angekörige der Mitglieder. . 24!» 3 93 Beitrage Zft,Ardelt»chmei 1 806 965 50 Unterstützungen an Wöchnerinnen 24 995 l>0 Durch freiwillig« Mitglieder »tngezahlte Beilrüge 95 171 93 Sterbegelder 72 35!» 5!» Ersatzleistungen Dritter sür gewahrte Kranken- Eu» und Berpflegkosten an Krankenanstalten 136 627 58 unlersliitzung 15 267 90 Eriatzlcislunge» an Tritte sür gewährte Kranken- Coursgewinn au- verkauften W«nhpapt»r»a . . 8l 49 Mlterslützung 18129 12 Sonstige Einnahmen 81794 08 Zurilckgezadlte Beiträge l 366 59 Verwaltungelvslen 147 713 18 Soasiige Au«gaben 39 985 15 Summa der Ausgabe l 831 742 3!» Uebcrschuß ^ro^892^ l4l 038 56 Gnmma drr Einnahme 1 972 780 95 I 978 780 95 Vermögen am 1. Januar 1892 lt. vorjährigem Llawmrermögen am l. Jan. 1892 Ll 128 086.16 Abschluß 836 405 Ol Ltammveriuoge» im Laufe de« Uebrrschuß de- Jahre» 1898 «Ar oben .... 141038 56 Jahres 1098 zugesührt ...» 9 245 l)4 137 S3l 20 Reservefonds ain 1. Januar 1892 Ll 591515.61 x- ' '' Reservesond« de« Jahre« 1892 . - 131 793 58 723 309 13 Betrirb-sondS 116 803 24 Summ» 977 443 5? » Summa 977 443 57 Kekanntmachung. Da- 8. Stück de- die-sährigen RrichSgefetzblatte» ist bei un» eingegangen und wird bi« zum 24. April »trfe» Lahre» aus dem Rathhau-soale zur Einsichtnahme öffentlich authäugeu. Dasselbe enthält: Nr. 2076. Gesetz zur Ergänzung der Gesetze, betreffend Post dampsschiffsverbilidungen mit überseeischen Ländern, vom 6. April 188b und vom 87. Juni 1887. vom 20. März 1893. Nr. 2077. Gesetz, b»tresf«ud di« Anwendung d«r für die Einfuhr nach Deutschland vertrag-mäßig bestehenden Zoll befreiungen und Zollermäßigungen gegenüber Rumänien und Spanien, vom 23. März 1893. Leipzig, de» 88. März 1893. Drr «nth »er »t«»t Leipzig. vr. Georgi. Krumbcegel. Bekanntmachung. Den un» zur Keantniß gebrachten Wünschen entsprechend, haben wir beschlossen, die in 8. 3 der Marktordnung für die Stadt Leipzig rom 22. April I8Sl für den Beginn de« Großhandel« festgesetzte Zeit auch für da« beginnende Sommerhalbjahr anderwrtt festzusetzen Hiernach wird die Markthalle vom 1. April »1» zu« 30. September p. A. für den «roßtzandrl 1) am Montag, Mittwoch uad Freitag von b Uhr Morgen« 8) am Dienstag, Doanerltag »nd Gouaabrnd v»v 4 Uhr Marge»» ab «'öffnet. Leipzig, tzr» SS. Mürz 1893. I». Der Aal» »er Stadt Leipzig. 468 Vr. Georgt. Liadner. Äusfertiguny -er Ursprungszeugnisse. Do« überau« starke Anwachsen der Zahl der Ursprungszeugnisse, die hier zur Beglaubigung »iugerricht werde», »öthlgt um», folgende Bestimmung zu treffen: Zeugnisse, die dt» Var«. 14 Uhr eingerelcht sind, können zwischen 11 »,d lL Uhr —, solch«, dt» Pis Rach«. 4 Uhr eiuge- reicht sind, von b Uhr a» vollzogen odgeholt werden. Zur Vermeidung voa Autenlhait bitte» wir dringend »m sarg» fällige Auasnlkung der Formular«. Leipzig, d»u 2V. Mär» 1893. La» Terrrtariat »er Hand«i»k«»»kr. vr. G»»s«l. F. Puder. Neubau „Heilige Kreuzkirche" Leipzig. Die Maurerarbeiten soll«, t» Weg« der öffentlichen An», schreibung vergeben werden. Angebote stad versiegelt »eit entsprechender Aufschrift big Dten«»ag, »r« 11. April ».Ist, Rach«. 6 Uhr in der Ltrcheuezpedttto» L.»R««sch-nefe>P. Llarastraß« 16, ab- zugebea. Tah«isfta»«»«»t«a>>uaeu «ud Anschlag«,,«»»- find gegen Hinterlegung »o, 8 Li tm Atelier des Architekten Paul Lange, L-Rendattz. Lonftanttnftraß» 13, it. Etage, t» Empfang za nehme,, woselbst auch dt« Zetchunnge» »tngesehen werden können. Der Lirchrnvarftau». AtS-tische Gewerbeschule zu Leipzig. Der Unterricht im To«»rrfr»effer begtnnt Montag, den 10. April früh 7 Uhr Die Au«st,»unn »er Lchülerarbetten stndet statt vom 30. März bis 4. April Vorniittaa» 10—l Uhr in de» «ünm», da» Schulgebäude«, Wächterstraß« 13. Zum Besuch« der AuSstelluug beehrt sich ergebe»» etüzulade» »er Oireetar Architekt U. «chaster. Nechnungs-Äbsch lu k der Orlskrankencasse slir Leipzig und Umgegend auf das Jahr IM. Li» Richtigkeit und UeVrretnftimmuag de» Johre-abschloffes mit den Büchern der Ort»krank»ncaffe wird hierdurch bestätigt Leipzig, am 21. Mürz >893. Drr Aech«»i»H«'Uv»fchu st. v. Rag«»». LL. LiUU». , Uormuou Und«. Seit Bestehen drr Orttkrankenkgff«. also feit 1. Decr au»gabt worden, davon entfallen nagM 4 984 000 Ll 1848000 ^ ans ärztliche Behandlung, circa 1118 000 kokten in Lrankenans,alten. An WltaUtderdt' c'RfUWtzä>»1-lr«iwilltg» Mitglieder cirkv^tdl< «rbettgebrrn au» eigenen Mitteln zu zahleude Leipzig, am 22. März 1M3. Al der Be! inrgesainmt ca. 8 567 000 Ll für Nnterstützunnrn vcr- ltützunge» an die Mitglieder und deren Angehörige, circa sonstige Heilmittel und circa 622 000 auf verpslegnng«, 1884 insgcsaimnt circa lO lbtiOOO Ll eingcaangen, davon tg>- Mitglieder dagegen 9 725000 Ll, so dag da« von den Igen Mitglieder nahezu 3242 000 Ll betrug. Di« OrtSkraukciicafsc für Leipzig und Uuegegen». Vr. Aillwar 8el>M»b«, Borsitzender. Lönigl. Aunstakademie und Luustgcwerbc- schule zu Leipzig Die »teSsShrige A«»prll»»a »er Schülerarbeitru findet vom 28. Mär» »i« mit 8. April, vorm, tzo» N» vt» Mittag« I Uhr. in fämmtlichen Unlerricht-räumen des Aiislaltsgebande« statt. Zum Besuche derselben beehrt sich :m Namen de» Lehrerkollegium« ergebenst »inzuladen. Leipzig, «n 8ö. März 1893. Der Dtrertor. vr. vock^. Xlepar. Königliche Kunstakademie und Lunstgewerbe- schule in Leipzig. Beginn der Studien tm Sommersemesler 1893 am 1«. April. Die Königliche Kunstakademie und Kunstgewerbeschule vermittelt dt« Au«btld»ng ihrer Schüler für da- Gesammtgebiet der »etchnenden (graphischen) Künste und der pholomechantschen Vervielfältigung«, versahren in ihrer Anwendung auf Pressendruck, sowie für sSmint- lech« Fächer de» Kunstgewerbe«. Anmeldungen zum Eintritt in die Fachschule für »hoto- «echantfche VervtelfülttgungSperfahren, sowie zur Tdetlnahmr an dem zu Ostern neu beginnenden lluriu« für reifere Thpographcn t« thPOgraphifchen Zeichnen sind beim Untrrzeichiieien in der Zeit vom 10. »iS 1». April a. e. Nachm, von 4—7 Uhr im Anstalt-gebäude, Wächterstraße II, zu bewirken. Leipzig, den 29. März 1893. Der Direktor: Professor Ve. vuäre. Xteper, K. E. Geh Hofraid. Strafrechts- und Locial-Neform. i. vr. 1>. Der streß« Gedanke, daß jede» Gesetz, welcher Gesellschaftsklasse e« auch zu dienen bestimmt sei, mit einem Tropfen focialpolitischrn Ort» getränkt sein müsse, bricht sich unaufhaltsam Bahn. Die realen Verhältnisse zwingen de» Gesetzgeber, sich seiner socialen Mission bewußt z» werten. Auch da» aus jetzt veraltete» Grundlagen ausgedauie deutsche Strasrrcht kann in dem socialen Lichte der Gegenwart nicht mehr desteben. Wenn sich auch gerade auf diesen, Gebiete die (Lonsequenzen der zu Gunsten der besitzlose» Vvtk«classen verschobenen gesellschaftlichen Machlvcrbällnisie bisher am wenigsten gezeigt haben, so drängt doch die ganze criminalrrformaiorische Bewegung der jüngsten Gegenwart immer augenfälliger aus die Beachtung de» socialen Moment« im Strafrecht, auf die Bekämpfung de» Be rb rechen« al« socialer Erscheinung hi». Der , Internationalen kriminalistischen Bereinigung" gebührt da-Verdienst, zuerst «hatkrästig dem bestehenden Strasensystem den Fehde handschuh hingeworsen und aus den schon von Mittelstadt verfochtenen handgreiflichen Zusammenhang drr Slrafrecht«- rejormfragr mit der secialen Frage hingewiesrn zu haben Sl« geht in ihren Bestrebungen von der Urberzeugnng au-, daß Verbrechen und Strafe eben so sehr vom focio- l» gischen wir vom juristischen Standpunkt au» in- Auge gefaßt werben müssen, und stellt eine Berücksichtigung der Ergebnisse der antbropvlogischen und scciologischen Forschungen al» eine der obersten Grundlagen der Strafrecht-wissenschast wie drr Skrafrecht-gesetzgebung bin Wenn irgend einer unter den Schaden, an denen unsere socialen Zustände kranken, eine besondere Beachtung vcr dient, so ist eS die zuncbmenre Verwilderung der beran wachsenden Jugend. Ein Blick in die Reich»-Eriminal statislik der letzten Jahr« lebrt die erschreckende Thatsache. daß dir Zahl drr jugendlichen Verbrecher, d. h. der wegen verbrechen oder vergehen gegen Reich»gesrtz« verurlhrilten Personen unter l8 Jahren, seit dem Jahre l882 — dem ersten ErhebungSjahre dieser Statistik — bis zum Jahre 1889 sich um rund 2v Procent erhöht hat. Die^Zahl ist in den Jahren >890 und I89l nach Ausweis der „Monatshefte zur Statistik des Deutschen Reichs" um weitere lo Procent ge stiegen, und das Jahr l892 hat, wie man mit ziemlicher Sicherheit bereits jetzt berechnen kann, eine noch stärkere Er höhung gebracht. Nimiul man hinzu, daß von dieser Vermehrung des jugendlichen Vcrbrecherthum« vorzugsweise die aUerjüngste Elaste, »indcr im Alter von l2—15 Jahren, betroffen ist, so muß sich un« in diesen Zahlen ein trauriges Bild sittlicher Verkommenbeit offenbaren, und man kann c» den Heraus gebcrn der Statistik nicht im Geringsten verargen, wenn sic an gesicht» dieser Ergebnisse ihren vorjährigen Zahlen den Satz hiiizufüglen: „Die jugendlichen Delinauentcn sind die Necruten einer Verbrecher-Armee, gegen welqe die Strafmittel dc- bestehenden Recht» sich al« machtlos zu erweisen scheinen." AlS vor nicht langer Zeit in Berlin ein Fall rucbbar wurde, in welchem ein l8jabriger junger Bursche mit kaltem Blut die Freundin seiner Mutter binmordele, um sich ein Taschengeld zu verschaffen, da klang es wie eine ernste Mah nung au« der öfsenllichen Meinung heraus, und das Berliner ossiciösr Blatt glaubte die Wurzel de« UebelS in dem mehr und mebr schwindenden Sinn für Familienleben und Zu sammengehörigkeit entdeckt zu habe». Hierin mag ein gulcS Stück Wahrheit liegen. Tie nervöse Hast, von welcher unser Zeitalter regiert wirb, läßt das traute Gefühl innigen Familienleben- nur selten zur Herrschaft gelange». In einer Wiederbelebung de« verloren gegangenen Familiensinn« durch private Tdäligkcit mag daher ein gut Thcil der anzustrebenden Reformarbcit liegen. Aber ist e» diese« moralische Bemühen allein, welches den Weg unS weisen soll? Darf sich die Gesetzgebung mit Berufung hierauf ihrer erlisten Pflicht entziehen, prüfend llni schau zu Hallen, ob die geltenden Normen ibren Zweck, die Erziebung der Jugend in anständig« Bahnen zu leiten, zu erfüllen vermögen? Wenn Kinder, herangcwachscn, den Strafgesängnissen ver fallen, so ist die Ursache fast stets in einer inangclhasten Er- richung, in einer Verwahrlosung settcnS der Ellern zu suchen Es muß daher eine der ersten und voriiebmstcn Auf' gaben teS Stabte« sein, dir elterlicke Erziehung in geivissenbaster Weise zu überwachen und, wo es notb- wcndig erscheint, an Stelle drr Elter» die erziehliche Ausbildung der Jugend zu übernehmen. Ein rechtzeitige« staatliche- Eingreifen, wo die Umstände eS erheischen, wird e« verhindern, daß Kinder, der elterlichen Obhut ledig, in einem unreiscu Alter nur aus sich selbst angewiesen, in den Schlamm sittlicher Verkommenheit gerathen. Wenn nun so traurige Folgen zu Tage treten, wie die oben auSgefiikrtk», muß die« nicht ein trübe« Streiflicht auf dir Erzichertliätig- leit des Staate- werfen-' Muß sich nicht, da man doch nicht annebmen kann, daß c» dem Staat an dem erforderlichen Wille» fehlt, von selbst der Gedanke ausdrängcn, daß dir bestehenden Gesetze sich als unzureichend erweisen, um die beranwachsenbr Jugend vor sittlichem Verfall zu bewahren, indem sie ein staatliches Einschreiten nicht in all den Fälle» gestatten, in denen da« Interesse für die jugendlichen Delin- quenlcn und vor Allem da« öffentliche Interesse, da« Inter esse für die übrige menschliche Gesellschaft e« erbeischl? Nach preußischem Recht soll da- VormunkschastSgericht, wenn Eitern ihre Kutter grausam behandeln oder zu Bösem verleiten oder ihnen den nolhdürstigen Unterhalt versagen, von Amt- wegen sich der Kinder annebmen und dieselben aus Kosten drr Eltern anderen, zuoerlässtgen Personen anvrrtrauen. Daß diese Vorschriften dem Bedllrsniß auch nicht annähernd entsprechen, bedarf keiner Betonung. Der praktisch wichtigste und häufigste Fall, daß Eltern, scbuldbafterweisc oder durch drückende äußere Verhältnisse genötbigt, die Erziehung der Kinder vernachlässigen, obne sic gerade zu Bösem anzuhaltcn „nd daß durch riese Vernachlässigung da- Kind sittlich ge fährdet wird: dieser Fall wird durch die obige Bestimmung überhaupt nicht berührt. Nimmt man binzu, daß die staal licke Zwangserziehung auf Kosten der Eltern geschehen soll, daß diese aber meist zu den untersten Elasten der Bevölkerung gehören und daher weder gewillt noch im Stande sind, die Kosten zu trage», so leuchtet die ganze Unzulänglichkeit bel obigen Normen ei», und die Erfahrung hat den» auch ihre Bedeutungslosigkeit für die Präzis in vollem Umfange be tätigt. Hierzu kommt das Gesetz vom 13. März 1878, nach welchem Kinder, welche im Alter von 8—l2 Jahren eine strafbare Handlung bedangen habe», durch Beschluß deS BormundschastSzerichtö in einer Erziehung«- oder Besserungs anstalt uinergchrachl werden könne», wenn die Unterbringung mit Rücksicht aus die Beschaffenheit der strafbaren Handlung, die Persönlichkeit der Eltern oder sonstigen Erzieher des Kindes, und auf dessen übrige Lebensverhältnisse zur Ver hütung weiterer sittlicher Verwahrlosung erforderlich ist. Als erste Voraussetzung für ein staatliches Eingreifen wird also hier, neben anderen gewichtigen Erfordernissen, verlangt, daß bereit- eine gesetzlich strafbare Handlung von dem Kinde begangen ist, daß also bereits die Scheidewand durchbrochen ist, welche der Staat erst errichten und sestlcgen soll. Sacke de« Staates soll eS doch sein, der ausleimcilten Verbrecher- neigung entgegen zu arbeiten. Wie verträgt eS sich damit, wenn für ei» Einschrcile» bereit- das Vorliegen eines Ver brechens verlangt wird? Hier kcinml die staatliche Ober aufsicht zu spät. Thatsache ist eS denn auch — jeder Vormund- schaslSrichler wird eS bestätigen —, daß eine große Anzahl von Anträgen aus Zwangserziehung in Familien oder Anstalten von dein VormundschaslSgerichl lediglich deshalb zurück gewiesen werden muß, weil der Nachweis einer bereits be- ganaenen „strafbaren Handlung" nicht erbracht werden kann. Immer dringender tritt an die Gesetzgebung die Frage einer Reform aus diesem Gebiete beran. Der richtige Grund gedanke, der fast alle diese Rcsormvorschläge durchzieht und in neuerer Zeit insbesondere von Aschrott scharf präcisirt worden ist, liegt in dem Satze enthalten, daß da- staatliche Eingreifen in die elterlichen Erziehung-rechte überall da einlrrten muß, wo sittliche Verwahrlosung vor liegt, aleichgiltig, ob den Eltern an der Verwahrlosung eine Sckuld beizumessen ist, gleichgiltig, ob dieselbe bereit- zu einer strafbaren Handlung de- Kindes geführt hat. Zunächst und vor Allem gilt e-, die Jugend zu retten, bevor sie de» Pfad de« Verbrechens beschnitten hat. Erst in zweiter Linie wird eS sich fragen, was nach begangenem Verbrechen zu geschehen hat, um den jugendlichen Delinquenten wieder zu einem brauchbaren Glied« der menschlichen Gesell schaft zu machen. Hier wird da« Strafrecht von dem Grundsatz ausgchen müssen, daß jeder, auch noch so kurze Aufenthalt deS jugendlichen Verbrechers im Ge- sängniß und da- dadurch bervorgerusene Zusammenleben und Bekanntwerben mit verderbten Altersgenossen für da« ganze spätere Leben de« Betroffenen unverwischbare Folgen haben, baß jede Bekanntschaft mit dem Gefängnitz die „och »nentwickellen Verbrecheranlagen zur volle» Ent faltung bringen muß. Man wird daher dem neuerdings mit aller Entschiedenheit austretenden Vorschlag, den Beginn der Etrasmündigkeit aus da- >4. Lebensjahr hinaus- zurucken, unbedenklich zustimmen müssen, mag immerbin die Medicin unS lebren, daß mit dem vollendeten zwölften Lebensjahre die „Adolescenz" zu beginnen pflege. Man wird aber auch den strasmündigcn jugendlichen Verbrecher möglichst von einer kurzen FreikeitSstrase fcrnhalten müssen. Während der kurzen Strafzeit kann der bessernde Einfluß der Straszucht in keiner Weise zur Geltung kommen, während diese Zeit, wie gesagt, gerade auSrcicht, um die beste Vorbereitung für eine künftige Verbrecherlausbabn zu erhalten. So verscblt daher auch der Erlaß de- preußischen Justizministers vom 17. April >88? war, in welchem unter Hinweis aus diese Grsabren die Staatsanwaltschaften angewiesen wurden, daraus hinzuwirkcn, daß gegen jugendliche Verbrecher aus höhere Strafen er kannt würde, „welche allein zur Besserung derselben führen könnten", so wenig ist auf der anderen Seite damit gc- ihan, wenn man sich lediglich aus eine Erweiterung der Geldstrafe und de« Strafmittel« deS „Verweise«" für diese Elassen der Verbrecher beschränkt. Zur Entrichtung der Geld strafe wird eS den Eltern in der Regel an den erforderlichen Mitteln oder an dem erforderlichen Willen fehle», so daß die substituirte Freiheitsstrafe dann doch in ihre Rechte tritt. Der „Verweis" aber pflegt in den weiten Schichten de« Volkes doch nur als eine besondere umschriebene Form der Freisprechung angesehen zu werden. Dagegen wird sich das in England*) bereits vortrefflich erprobte System der Unter bringung in einer Erziehungsanstalt — in England die Industrial Schools — oder Besserungsanstalt — in England die Rcsormatory School« — je nach dem Grade de« bc gangenen Verbrechen-, durch Strasurtbeil auch für solche Strasmllndige eignen, welche gemäß ts. 57 de« ReichS-Straf- gesttzbuchS bei Begebung der Handlung „die zur Erkcnntniß ihrer Strafbarkeit erforderliche Einsicht besessen haben." *) In England ist, trotz einer Vermehrung der Bevölkerungszahl in den Jahren 1871—1891 um rund 7 Millionen die Zahl der mit Äetängniß Bestraften in diesem Zeitraum um 32 Proc., die Zahl der mit Zuchthaus Bestraften um 54 Proc. gesunken. Deutsche- Reich. ^4 Perlt», 29. März. Das „WallfahrtS-Eomitö sür den deutschen Pilgerzug nach Rom" veröffentlicht nachstehende Bekanntmachung: „In Folge der im April ftattsindenden weltlichen Festlich keiten und de« jetzt festgesetzten Programme« derselben mußte der Vatikan sich veranlaßt ftde», die dortigen Pilgercomitt« zu ersuchen, in der Zeit vom >7. April bi- 2. Mai Pilgcrzüge von Rom fern- zuhallen. Zu unserem herzlichsten Bedauern sind wir daher genöthigt, den Aplüvilgerzug hiermit abzusagen. Den an- gemeldeten Pilgern geht seilen« der Eenlralstellc ein Lircular z». lpleichzeilig laden wir zur Betheiligung an dem hiermit iür Anfang Mai au«geschrteb»nen Pilgerzug« »in, dessen nähere« Programm al«. bald bekannt gegeben wird." Wir haben sur die- „herzlichste Bedauern" um so weniger Verständniß, je mehr wir den wunderschönen Monat Mai
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