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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.04.1893
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-04-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930410017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893041001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893041001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-04
- Tag1893-04-10
- Monat1893-04
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Etage j, erfolgen hat und daß diese Meldestelle während der Vorwoche der Messe Vormittag« von 8 bis 12 Uhr »nd Nachmittags von 2 bis 7 Uhr, sowie an den Mrtzjonntagcn Vormittags von 9 bis 12 Uhr sür den Verkehr mit dem Publicum geöffnet ist. Hierbei nehmen wir Veranlassung, auch aus die weiteren Be- siimmnngen de« Melderrgulativs unter dem Hinzusügen zu ve» weisen, daß die zuständigen vkjirksmcldrstcllku an den Wochen- tagen Vormittags von 8 bis 1 Uhr und Nachmittags von 4 bis 1 Uhr, sowie an den Sonntagen von '/.II bis 12 Uhr zur Eni- Mitnahme von Meldungen hiesiger Einwohner zugängig sind. Leipzig, am 8. Avril 1893. Das Polizeiamt der Stadt Leipzig. 0. L 1223. Bretschueider. Daegner, S. Auszug lmt dem Melderegulattv der Stadt Leipzig vom 4. Tecember 1890. §. 12. Jeder in einem viafthofc oder in einem mit HerbergS- berechtignng versehenen ähnlichen Hause einkchrende und über -lacht bleibende Fremde ist vom Gasrwirth oder Quarliergeber, md zwar, falls er vor 8 llhr Nachmittags ankommt, »och am Tage der Ankunft, andernfalls aber am folgenden Morgen Westen» bis 10 Uhr beim Meldeamt des Polizciamts Adth. II oder der Polizeiwache des betreffenden Bezirks schriftlich mittelst des vorgeschriebenen und sür jeden Fremden besonders auszusüllen- dm Formulars anzumelden. Befinde» sich in Begleitung des Zremden Familienmitglieder, Tienetschast oder sonstige Perionen, jo sind dieselben aus dem nämlichen Zettel mit zu verzeichnen. Z»- gleich mit diesen täglichen Anmeldungen ist auch die Abmeldung da inzwischen abgercisten derartigen Frciiidcn zu bewirken. ß. 14. Die in Privathäufcr» absteigenden Fremden, sogenannt« siesuchSfrrmde, sind, sobald sie länger als 8 Tage hier verweilen, ivLtesiens am 4. Tage, von erfolgter Ankunst an, vom Quartierwirth beim Meldeamt Abth. II oder der betreffenden Polizeibezirkswache mündlich oder schriftlich mittelst des vorgeschricbencn Formulars anzumelden. Bei den etwa in Privathäusern Wohnung nehmenden Meßfrembeit jedoch hat diese Anmeldung in jedem Falle, auch wenn sie nur eine Nacht hier blieben, und zwar binnen 2» Ttunhrn «on der Ankunft an, beim Meldeamt Abth. II zu geschehe». In gleicher Weise ist die Abmeldung binnen 3 Tagen, bei Mehfrcmdrn binnen 24 Stunde» von erfolgter Abreise des Fremden oder etwa ttsolgter Wohnungsändrrung an zu bewirken. §. 15. Beabsichtigt ein Fremder länger als drei Tage hier zu verweilen, so bedarf er dazu eines vom Meldeamt AbIH. II oder der betreffenden Polizeibezirkswache ausgestellten Meldescheine». 8- 16. Bei den nur einen Monat oder weniger sich hier auf- balienden Fremden bedarf es in der Regel der Vorzeigung oder Rnderlegnng einer Legitimation nicht, doch bleibt der Fremde jeder lei! verpflichtet, sich auf amtliches Erfordern über seine Persönlich lest auSzuwctsen. Fremde, welche länger hier verweilen wollen, baden sich in der Regel in ähnlicher Weile zu legitimsten, wie dies i» 8. 1 bezüglich der Einwohner vorgeschrieben ist. 8- 18. Für rechtzeitige An- und Abmeldung der Fremden haften nicht nur diese selbst, sondern auch die betreffenden Ouarttrrwirthc, selch« Fremde bei sich aufnehmen. Bekanntmachung, die Sonntagsruhe im Handtlsgewerde während her Messen detr. Für die tu die hiesigen Messen fallenden Sonn» und Festtage taben wir die Stunden, während deren ein Handelsverkehr statt, iiiden darf, nach 8- 41» und tz. 103b Abs. 2 der Reichs-Gewerbe. Ordnung unter Aufhebung der früheren Anordnungen in folgender Weise festgesetzt. I. Für den Handel mit Nahrung»- und AenUhmitteln aler Sri. soweit er aus öffentlichen Straßen, Plätzen Oder anderen öffentlichen BrrkehrSräumen von genehmigten Buden oder Ständen auS betrieben wird, sind die Stunden »an Mittags 11 Uhr dis Abends 9 Uhr freigegeben. II. Der vvn anderen al» de« unter I angeführten Räumen ««» statlfindende Handel o. mit Brod und weißer Backwaare ist ohne Beschränkung rück- sichtlich feines Beginnes bis Abends 9 Uhr and d. mit Fleisch uud Fleischwaaren sowie mit Fischen und Fisch waaren von früh 6 Uhr bis 1 Uhr und von 5 bis 8 Uhr Nachmittag» gestattet. III. Jeder andere Handel darf in der Zeit von Morgens 8 Uhr mS AhrndS 8 Uhr betrieben werden. Zuwiderhandelnde verfallen nach 88- 146» und bez. 151 der Reichs-Gewcrbe-Ordnung in eine Geldstrafe bis zu 600 welche im Falle des Unvermögen- in Haststrase zu verwandeln ist. Leipzig, den 8. Aprit 1893. I». 16U. Der Aath her Stadt Leipzig. 496. vr. Georgt. Aff. Lpe. Politische Tagesschau. * Leipzig, 9. April. Die Bilder über die Aussichten einer Verständigung binsichtlich der Militärvorlage wechseln, man kann sagen, ron Tag zu Tag., Sollten die AuSlaffnngcn in solchen Blättern, von welch«» man gewohnt ist, daß sie auS officiösen Quellen gespeist werden, wirklich die in RegierungSkreisen herrschenden Ansichten wiedergeben, dann hätte man darin den Au-druck der vollständigsten Ratblosigkeit zu suchen, wie man auS der einmal gründlich verfahrenen Situation herauSkommcn kann. Während noch am letzten Mittwoch versickert wurde, daß die Annahme de« Antrag» Bennigsen sür die Regierung unan- nehmbarsn» daß sie die grplanteWirkung der innerhalb des bean tragten Zeiträume» praktisch völlig durchführbaren Borlagen in wesentlichen Bestandtheilrn nickt nur abschwächen, sondern ausheben würde, suchten die Officiösen bereit- Freitag einen Anknüpfungspunkt mit den Parteien wieder dadurch zu ge winnen, daß sie mit einem Male auf den Antrag Lieber zurücklamen und erklärten, eine Berständigung über die gesetzliche Formulirung der zweijährigen Dienstzeit in tem Anträge Lieber würde keine ernstlichen Schwierig keiten zu überwinden baden. Der Antrag Lieber will bekanntlich die zweijährige Dienstzeit aus die Dauer dcSQuinquennatS gesetzlich scstlegen, von einer Erhöhung ver Friedcnspräsenzstärke ist darin keine Neve. Will man nun das Ccnlrum turck das Eingehen aus seinen Vor schlag hinsichtlich der gesetzlichen Feststellung der Dienstzeit vielleicht für andere Bewilligungen gewinnen, so dürfte diese Absicht kaum eine» Ersolg bade», denn Herr Lieber bat wiederholt erklärt, daß er vom Ccntrum,einschließlich der Herren von Huene, Gras Ballcstrem u. s. w., zu der Versicherung ermächtigt sei, daß seine Partei geschlossen gegen jede Erhöhung der Präsenzstärke stimmen werde. Wir baden mehrfach daraus bingcwicsc», daß da« Eentrum immer mehr nach links neigt, daß die demokratischen Elemente vollständig die Oberhand gewonnen haben und daß die Gesinnungs genossen dcS Herrn Sigl nicht nur in Süddeutschland, sondern überhaupt i» Len vom Ceiitrum beherrschten Kreisen stetig an Zahl gewinnen. Aus eine Verständigung mit deni Eentrum kan» eS also wohl in den erwähnten csficiösen Auslassungen nicht abgesehen sein. Es scheint vielmehr, meint die „Rationattib Corr.", der Wunsch der Regierung zu sein, baß in der zweite» Berathung der Vorlage etwas gerettet wird, um die weitere Verhandlung möglich zu machen. Ob diese dilatorische Behandlung der Sache aber die Aus sichten aus Las Zustandekommen einer Vereinbarung bessern wird, steht dahin; nach den bisherigen Berathuiigcn ist nicht anrunehmen, daß die schroffen Gegner der Regie rungsvorlage weitere Zugeständnisse machen werden, als die, welche in ihren Anträgen enthalten waren. Die Festlegung der zweijährigen Dienstzeit für die Fußtruppen auf süns Jahre ist nicht der wichtigste Streitpuiict, um den es sich bei der Militairvorlage drcbt; cs ist aber Aussicht vorhanden, daß für diesen Tbcil des Antrags Lieber sich eine Mehrheit finden wird. Sollte in der zweiten Berathung von der Vorlage und allen Anträgen, die zedensalls nach den in der Commission gestellten wiederholt werden, auch nur vieser Beschluß zu Stande kommen, so hätte die Regierung wenigstens Zeit gewonnen, nachdem sie über die Stellung der Parteien noch einmal orientirt ist, um eine bestimmte Grenze zu zeigen, bis zu weicher sie dem Reichstage ent gegenzukommen entschlossen ist. Ein Lichtpunkt in den österreichischen Parteivcrhältnissen war bisher die Eintracht, die unter den Vertretern der Deutschen im böhmischen Landtage bestand. Eine stramm geschlossene Partciverrinigung umsing die deutschen Landtags-Abgeordneten ohne Unterschied der Schattirung und Alle ordneten sich dem Gebote der ParteidiScipiin unter. ES scheint leider, daß dieses Vcrhältniß eine Trübung er fahren soll. 5 deutsch-nationale Abgeordnete haben dem Elubobmanne I)r. Schmeykal erklärt, daß sic den Sitzungen des ElubS der deutschen Landtags-Abgeordneten so lange fernbleiben werden, als der Abgeordnete Janlsch Mitglied dcS Clubs ist. Der Hinweis auf den Abgeordneten Zantsch, welcher seinerzeit gegen die Ausnahme der Herren Schückcr und Prade in die Neicheiibcrgcr Ge meinde-Wählerliste rcclamirt bat, soll die Neichcnbcrger Vorgänge als die Ursache dieser Secession hinstellen. Es hat jedoch den Anschein, als ob der Grund für daS Vorgeben der deutsch-nationalen Abgeordneten tiefer zu suchen sei. Es scheint, daß die deutsch-nationale Partei auch in den Land tagen eine gesonderte Stellung gegenüber der deutsch-liberalen Partei einzunehmen beabsichtige. Auch in Graz ist ja eine dahin abzielende Thätigkcil der Deutsch-Nationalen zu Tage getreten, und man greift vielleicht nicht fehl, wenn man die Vorgänge in der steierischen Landeshauptstadt mit jenen in Prag in Zusammenhang bringt. In Betreff der Fortsetzung der Debatte im eng- lischenUnterhaus über dieHomcrulc-Bill am Freitag wird gemeldet, daß der irische Unionist Bar ton, der die Vorlage bekämpfte, erklärte; Irland würde, falls die Homerulc- Vorlage Gesetzeskraft erlange, in Ulster ein zweites Polen haben, daS seine Beschwerden fortwährend in der ganzen Welt hörbar machen würde. AuS dem Negierungslager sprach Stau» seid. Er betonte die Nothwendigkeit der Annahme einer, die große Masse des irischen Volkes befrie digenden Homcrule-Vorlage. Großbritannien und Irland waren durch die Natur unzertrennlich; cS wäre jedoch nothwcndig, einen vernünftigen, hoffnungsvollen Llnclus vivencki zu finden. Die Union dürfe nicht zu starr und absolut sein; der Geist der irischen Natio> nalität, der während Jahrhunderten der Bedrückung sich entwickelt habe, lasse sich nicht brechen. Irland wolle jedoch keine Trennung von England, sondern nur ein unter geordnetes, eigenes nationale» Leben; werde ihm dies ver weigert, dann bleibe nichts andere» übrig, al» Lord SaliS- bury's zwanzig Jahre entschlossener Regierung, da» heißt Zwang gegen den Willen des Volke». Die Beibehaltung der irischen Abgeordneten in Wcstminster sei nothwendig zur Aufrcchthaltung der Einheit ve» vereinigten Königreiches. Schließlich ermahnte der Redner die Protestanten in Ulster, sich ihrer unwürdigen eingebildeten Befürchtungen zu entschlageik, sich mit ibren katholischen Mitbürgern an dem großen Werke, eine glücklichere Zukunst ihres gemeinsamen Landes zu gründen, zu beiheiligen. Der Conscrvative Brodrick behauptete, die Vorlage enthalte nichts, wa» die irische Legislatur ver hindern könnte, in ibrer ersten Sitzung Beschlüsse zu fasten zu Gunsten der Unabhängigkeit Irlands und der Zurück ziehung der NeichStrnppcn. Der Gladstoneaner Kaldane trat kräftig für die Vorlage ein. Sonst sprachen bis gegen Mitternacht nur Gegner der Vorlage. Die Debatte dürste l noch vierzehn Tage dauern. — AuS Gladstone'S großer Rede am Tage vorder wollen wir nock miltveilen, daß er die Ergebnisse seiner in Bezug aus Homerulr ge machten historischen Studien in die folgenden vier Sätze zu sammcnsaßie: 1) E» gicbt in der civilisirten Welt kein Bei spiel einer corporirten Union — womit Gladstone den Bundesstaat mit ausgedehnter Centralverwaltung bezeichnet — . die. mit Gewalt von dem einen Tbeile gegen den anderen zasammrngchalten, gedieh; 2) wo eine solche Union gedieh, geschah e« in Folge von günstigen, au» der Geschichte, Geographie, Sprache und Raffe erwachsenden Umständen; 3) jede erzwungene Gewäbrung von Homerulr bat keine Dankbarkeit de» empfangenden Tbeile» gegen den nachgcbenden zur Folge (Griechenland gegenüber der Türkei); 4) Bundes staaten mit Selbstverwaltung in den Tbeile» (autonomons Union«) haben bisher einen vollkommenen (Deutschland) oder doch bedeutenden (Schweden und Norwegen, Oesterreich, Dänemark und Island) Erfolg gehabt. E» ist noch nicht so lange her, daß man in Europa in weiten Kreisen dem Glauben zuneigte, Serbien werde aus der Balkanbalbinscl dereinst die gleiche Nolle sviclen, wie Piemont auf der italienischen. Heute ist dieser Glaube gründ lich zerstört, einmal, weil den Serben in Bulgarien ein gefährlicher Nachbar erstanden ist, zum ander», weil daö serbische Volk sich als unsäbig erwiesen bat, ein geordnetes, in ruhiger Entwickelung fortschreitendes Staatöwesen zu schaffen. Die letzten Dinge, die an den Usern der Donau »nd Morawa geschehen sind, eröffnen geradezu die Aussicht auf einen blutigen Bürgerkrieg, dessen Folgen nicht ab- zuseben sind. Die nächste wäre jedenfalls, abgesehen von der gänzlichen Zerrüttung dcS Landes, der Sturz des Hauses Obrenowitsch und wahrscheinlich die Zurückberusung der Nach kommen deS .schwarzen Georg", der Karageorgewitsch, welche bei den serbischen Radikalen zahlreiche Anhänger besitzen. Vorerst bat die Regierung noch die Zügel in der Hand, allein eine Volksvertretung giebt eS nicht mekr, nachdem durch den Austritt der Radikalen und Fortschrittler die Skupschtina beschlußunfähig geworden ist. Die Regierung ist freilich der entgegengesetzten Ansicht und hält die von den Radikalen in der vorigen Skupschtina vorgenommene Aciiderung der Wahl ordnung für vcrsassungSwidrig, vergißt dabei jedoch ganz den sehr wesentlichen Umstand, daß sie selbst nach der angeblich verfassungswidrigen Wahlordnung die Wahlen ausgeschrieben hat und daß eS ihr bisher nickt in den Sinn gekommen ist, den früheren Beschluß der Skupschtina für ungesctzuch zu erklären. Hierzu steht ihr auch gar nicht daS Recht zu, da Beschlüsse der Volksvertretung nur durch diese selbst wieder aufgehoben werden können, während Verfassungs änderungen vor die sogenannte große Skupschtina gehören. ES bleibt abzuwartcn, wie sich dieser Streit weiter entwickelt. — Ucber den augenblicklichen Stand der Dinge in Serbien liegt beute die telegraphische Meldung vor, daß die radicalcn Blätter eine Protestkundgebung veröffent lichen, welche sie dem Präsidium der Skupschtina übcrsanetc». „Odjek" versichert, oaß im Falle von Neuwahlen das Ergcbniß für die Regierung sich noch ungünstiger gestalten werde unk daß daS heutige Vorgehen der Liberalen sich in kürzester Zeit an ihnen selbst rächen werde. Die RegicrungSlrci>c lind be stürzt über daS offene Sympathisiren der russischen Gesandtschaft mit der radikalen Partei. Der letzten Clnbsitznng derselben wohnten nämlich, wie bereits kurz gemeldet, 2 Beamte der Gesandtschaft bei, wovon der Minister deS Aeußeren, Avakumovitsch, nunmehr den Gesandten Persiani unter Ausdrücken deS Bedauerns in Kcnnlniß setzte. DerrtscheS Reich. Berlin, 9. April. Herr vr. Sigl treibt seinen alten Ulk in neuer Form. Unter der Spitzmarke: Neuestes deutsches NeichS-GlaubenSbekenntniß verarbeitet er den Wortlaut deS christlichen Glaubensbekenntnisses zu Angriffe» auf Kaiser, Kanzler »nd CentrnmSpreuße». Von einer Wiedergabe der Blasphemie müsse» wir abscbe». Aber wir wollen doch darauf aufmerksam mache», daß hier von einem guten Katholiken mit einer „Einrichtung" der christlichen Kirche „beschimpfender Unfug" verübt wird, von einem Katholiken, der weder dem Protestantismus, noch dem Liberalismus, noch dem SemitiSmuS an die Rockschöße gehängt werden kann. * Berlin, 9. April. Vor seinen Christlich-Socialen sprach am Freitag in der Tonhalle der Hosprediger a. D. Stöcker über „die Ursachen des Antisemitismus". Er begann seinen Bortrag mit einer Art von Rechtfertigung. Er habe, so meinte er, in auswärtigen antisemitischen Zeitungen ge lesen, er hätte sich gelegentlich der Ablwardt-Dcbatten im Reichstag eines VcrrathS an der antisemitischen Sacke schuldig gemacht. Diese Behauptung beweise aber nur, wie weit die Bornirtheit in inlisemitischcn Kreisen vorgerückt sei. Er glaube vielmehr, daß er sich um die Sache ein Ver dienst erworben habe. Wäre die DiScussion mit der Rede Lieber- geschlossen worden, so hätte cS scheinen müsse», als ob der Antisemitismus in der Person Ablwardt'S todtge- schlagen sei. Er habe darum noch Einwürse gemacht in der Absicht, die Debatte auf ein andere» Gebiet zu spielen. — Nachdem dann Herr Stöcker gegen die frei sinnige Partei, insbesondere gegen den Abgeordneten Eugen Richter, den Borwurf der Unwabrhastigkcit er hoben halte, fuhr er etwa wie folgt fort: „Er hätte Herrn Richter sofort drei Unwahrheiten Nachweisen können, hätte jedoch ein gewisses Mitleid mit der „Kinderei" empfunden und geschwiegen. An der ganzen ihm vorge- worfcnen Meincidsgeschichte sei weiter nichts, als daß er (Redner) sich einmal vor Gericht geirrt habe, und daS könne jedem Menschen passircn." Uebcr den Radau-Anti- semitiSmuS der Herren Ablwardt u. Gen. und die Judenver folgung überhaupt meinte Herr Stöcker, er würde, wenn er auch diese Folgen voran «gesehen hätte, die Bewegung doch in» Leben gerufen haben. Er könne sich sagen, daß er so wenig wie die Christlich-Socialen überhaupt auS den: Rahmen eine- sittlichen, nationalen und christlichen Kampfes gegen daS Judenthum getreten seien. Für die Folgen aber dürfe man sie nicht verantwortlich machen. ES sei Radauantisemitismus, wenn man mit den körperlichen Eigentbümlichkeiten »nd Schäden der Juden Hob» treibe und den Juden beschimpfe, nur weil er Jude sei. Auch da« sei NadauantiscmitiSmuS.wenn aus den öffentlichen BersammlungS- ankündigungen gesagt würde „die Acten sind zur Stelle", wie da» kürzlich gclcheben, und hinterher wären sie dock nicht da, um einigen Tausend Menschen das Eintrittsgeld zu nehmen und so ein Geschäft zu machen. Nur um sich an einem Abend einen Jux zu machen, dazu sei die Sache doch zu ernst: „Wir haben niemals Radau in unseren Ver sammlungen gehabt (na, na!), weil wir die Gegenstände in ruhiger, sittlicher und christlicher Weise diScutirten" Die wichtigste Ursache dcS RadanantisemitiSmuS sei der Umstand, daß die Jntriguen der Mittelparteien das Obr und die Billigung der Regierung fanden, „daß diese Regierung un-, die wir doch so monarchisch wie nur möglich gesinnt waren, zu unterdrücken versuchte". Hätte sich die Negierung dagegen an rie Spitze unserer Bewegung gestellt, so gäbe eS heute keine» RadanantisemitiSmuS, und die Negierung würde unüber windlich sein. Die Regierung ernte, was sie selbst gesäet habe. Die Ablwardt-Dcbatten im Reichstage seien insofern nützlich gewesen, als sie gezeigt haben, raß der RadauantiscmitiSmuS nickt im Stande ist, die große Sache vor dem Reichstage zu führen, ferner, daß die Masse von ein paar Geistern irre geleitet würde. In der allgemeinen Besprechung, die sich an die Rete deS Herrn Stöcker anschloß, brückte Herr ReichS- tagSabgeorkneter Werner aus Marburg seinen Schmerz darüber auS, daß er gegen Stöcker auszulretcn gcnöthigt sei. DaS, was Stöcker jetzt als RadanantisemitiSmuS brandmarke, habe er gut geheißen, als eS ihm einst zu seinen Erfolgen verholsen habe. (Psui-Rusc.) Man müsse den Radau initlausen lasse» als Sturmbock nach tem Grundsätze „der Zweck heiligt die Mittel". (Psui-Rusc.) Auch beklagte cS Herr Werner, daß Stöcker durch diese seine Rede dazu beitrage, daß die große Uneinigkeit bei den Anti semiten »och vermehrt und verschärft werde. Herr Stöcker blieb auf de» ersten Vorwurf still, aus den zweiten erwiderte er, daß nicht er, sondern die Dcutscbsocialen die Spaltung bcrvorgeruscn batten. Wie eS die Böckelianer trieben, das sei eine Schande, ja ein Wahnsinn. Böckel wolle ihn, Stöcker, nur auS seinemSicgencr Wahlkreise verdrängen. (B. Z.) — Der Kaiser brachte die gestrigen BormittagSstundeu mit der Erledigung von Regierungöangelegenheiten zu und mackte daraus mit der Kaiserin eine Spazierfahrt. Nach der Rückkehr ins Schloß nakm er die fälligen militairischcn Vorträge, sowie militairische Meldungen entgegen und gewährte eine Portraitsitzung. — Die klerikale „Köln. VolkSztg." ergeht sich in folgender Zukunftsbetrachtung über den Grasen Caprivi: „Ob Gras Caprivi Kanzler bleibt, wenn die Regierung bei den Ncnwahlen die Partie verliert, muß die Zukunft lehren; sicher ist nur das Eine, daß er fällt, wenn die Regierung siegt. Diesen Preis würde» die siegreichen Conservative», denen Caprivi das »lißliebigste oller Mitglieder des Staat-Ministeriums ist, sich dann schon ansbitten dürfen! Wenn die „Kreuzzcitung" das abzu- leugneu sucht, jo wird ihr nicht leicht Jemand glauben." — Der Ausschuß des BundeSrathS für Handel und Verkehr trat gestern zu einer Sitzung zusammen. — Die Antisemiten BLckel'scher Observanz beabsichtigen nach vcm „Reichsherold" in folgenden NcichStagöwablkrclscn eigene Candidaten aufzustellen: Marburg, Gieße», Alsfeld, Fricdbcrg, Darmstadt, Offcnbach, OdenwaldkreiS, Worms, Alzey-Bingen, Mainz, Siegen (gegen Hosprediger Stöcker), Wetzlar, Attenkirchen, Wcilburg, Dillenburg und Hanau. Marburg, Gießen und Alsfeld sind durch Antisemiten ver trete», Hanau und Siegen durch Conscrvative, Darmstadt, OdenwaldkreiS, WormS, Wetzlar durch Nationalliberalc, Friedberg, Alzey-Bingen, Wcilburg, Dillenburg durch Frei sinnige, Offcnbach und Mainz durch Socialdcniolratcn. — Die „Nat.-Ztg." bestreitet, daß Präsident Rothe Unterstaats, secretair im LandwirthschastSministerium werden soll: „Davon war allerdings früher einmal die Rede, aber inzwischen getroffene andere Dispositionen dürsten es nunmehr ausschließe» Wahrscheinlicher isi, daß Präsident Rothe vorläufig noch Wetter interimistisch im Rcichs- aml des Innern thätig sein und daß in diesem demnächst eine neue Directorstelle errichtet wird, für welche er bestimmt sein dürste. Der Umfang der Geschäfte des NcichSamts LeS Innern würde eine derartige Neuerung wohl rechtfertigen." * Fricdrtchsruh, 8. April. DaS Antwortschreiben des Fürsten Bismarck auf daS Glückwunschschreiben des Hamburger Senates zum Geburtstage dcS Fürsten hat nach den „Hamb. Nachr." folgenden Wortlaut: „Friedrichsruh, 4. April 1893. Euere Magnificenz bitte ich, sür das ehrenvolle Schreiben, mit welchem der Senat mich zu meinem Geburtstage erfreut hat, meinen verbindlichsten Dank cntgegenzimehmen und den Herren deS Hohen Collegiums zu übermitteln. Der Ausdruck landsmannschasllichen und nachbarliche» Wohlwollens, welches ich von Seiten meiner Hamburger Mitbürger erfahre, ist mir jederzeit eine hohe Freude, und ich bedaure lebhaft, daß mein Gesundheitszustand in diesem strengen Winter mich verhinderte, meinen Verkehr in der Stadt in alter Weise zu pflegen. Mit meinem wieder holten Tanke für die ehrende freundnachbarliche Begrüßung verbinde ich den Ausdruck der Zuversicht, daß die wirtblchastliche »nd geistige Begabung des Hamburger BürgerthnmS die Schäden der schweren Seuche dcS letzten Jahre- bald vollständig verwischen wird. (gez.) v. Bismarck." * Köln, 8. April. Der LandwirthschaflSvcrein sür Rheinprenßen verwarf die Bestrebungen dcS Bundes der Landwirthc aus Erhaltung der Staffeltarife und Aus hebung de» Identitätsnachweises, weil diese sür den Westen und Süden dcS Landes schädlich seien; er wünscht aber eine stärkere Vertretung der Landwirthc im Parlament. * A»S item ttroszftcrzogtbum Hessen, 8. April. Der „Hessische Bauer", da« osficielle Organ dcS ultramontancn Bauernvereins, bringt in seiner neuesten Nummer einen Absage-Artikel an den „Bund der Landwirtbe". Unter Anderem heißt cS in dem Artikel: „Wenn »un aber gar der „Bund der Landwirtbe" in einer an den Reichstag gerichteten Resolution sich offen sür die neueste Militairvorlage auS- spricht, so schwindet auch daS letzte Bedenken dagegen, sich von dem „Bund der Landwirthe" sernzuhalte»." * Breslau, 8. April. Ans dem Festessen, das dieser Tage zu Ebren des Cardinal-Fürstbischofs Ur. Ko pp stattfand, brachte der Gefeierte daS erste Hoch auf den deutsche» Kaiser und den Papst au-, indem er dabei wörtlich Folgendes sagte: „Um so »otbwendiger ist daS Zcugniß von Gesinnungen der Cbrsnrcht unk Anbänglichkcit gegen die Ordnung und daS Wobl der Gcsammthcil erhaltenden Träger, je ernster die Zeiten sind und je mehr der Geist der Unordnung das Haupt erbebt und in alle kirchlichen Verhältnisse sich cinschleickt. Wenn irgend je, so ist es beutzutagc notfiwendig, sich an- zuschließen an diese sichtbare Vertretung der Autorität, um dem Geiste der Verneinung und dcS Widerspruchs, dem Geiste, welcher alle Verhältnisse umzustürzen sucht, Einhalt ;» tbnn und ihm wirksam entgegenzutretcu." Vergleicht, schreibt die ,Höln. Ztg ", man diese malmenden Worte dcS CartinalS mit der gegenwärtigen Haltung dcS CentrumS, so kan» man sich kaum einen größere» Gegensatz denken. DaS Centn»» ist sich darüber klar, daß die von iiim beschlossene Ablehnung der Militair- vorlagc eine innere Krisis über unser Vaterland bcrabruscn
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