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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.04.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-04-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930410020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893041002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893041002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1893
- Monat1893-04
- Tag1893-04-10
- Monat1893-04
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Vezugs'Preis eil« 4>» 4 U.« d-oÄ «eil»»« »U ». u.t° -Ii»»7tt »rtiai. i, »»«, «.«»u >»I »« >7 I«« ireioä« «4d«t : L»«U- ü.vo d,, >7 t»x. >7 I«, «7 ioc» ti»k«7 bl. - W. N-7 »»wt-r g., per »I». > ?7UIl. 7 liili. i.bö i-, 7»wder I ii.«. >re«° II t d»- >7 Sei, I bd./>, SclwL 4» io 10» apr» a ioc« - N»- i> 77>!» ,7 U», U»>» S». 7«l«7 k-u- uir»w ! ii>» 4 ti>7ilt« »7I»Iik >7 d«- »>cl> t>»rr» L»r It««»7 « keil »lick«» »7 »i» »7 »d- »«»öd 8»e« I di,, ii«»- 7,«a »7lltle i IS,7b 7 WN I»de7, i^i di, -il« «l»,) d»t« d »o- »II»» «««»4 4 «>» »7 »» > <r» Ucdl» M -I >0 di, I»*. > »Id- a de- I»ed» 14»»- vi». »ed», k»»4 »4«» »»cd ldcd S»ed Icicd »,«» ,7°7. l 4,7 »u4» N!«» «der 4»cd !,»>- »»4« Wtkk Hmptervediiion oder den im Stadt» tqdt „d den Vororten errichteten Aus- A-klles »bgedott: virrteliährlich>l4.äO, joi «i-aliger laglicher Zustellung in« >» LöO. Durch die Post bezogen für ^,»ljch!aiid und Lcslerreich: viertel,ahrlich L—. 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Morgen.Ausgabe: Nachmittags 4 Udr. Sonn- und Festtags früh ' ,S Uhr. Bei Len Filialen und Annabmeslellen ,» ein« halbe Stunde früher. OlllkigkN sind stets an die Srpkditi«» zu richten. Druck und Verlag von E. Polz tn Leipzig. 87. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipri,. 10. April. Heute werden in Berlin die parlamentarischen Ardeiten wieder ausgenommen, und die schicksalsschweren Entscheidungen, vor die man das Reich gestellt, rücken damit nahe. Niemand vermag zur Stunde zu sagen, wie sie sallen werden, bei der furchtbar gespannten vage aber ist schon der Gedanke erquickend, daß sie nicht mehr weit hinauSgeschoben werden können. Der jetzige Zustand völliger Ungewißheit über die nächste Zukunft, daS „Blindekuhspiel" der Regierung wirkt geradezu demoralisirend. Spätestens Mitte Mai werden tie Verhandlungen über die Militairvorlage beginnen und, fall- die Regierung auf ihrem ablehnenden Standpunkt ernst- daslen Vermitlelungsvorschlägen gegenüber verharrt, dürsten sie ein baldiges Ende finden Bis dahin und, wen» eine Auslösung des Reichstag« nicht erfolgt, weit darüber hinaus find beite Parlamente voll beschäftigt. Da« Abgeord - uetenhau« wird als erste Ausgabe die zweite Ber- kudlung über da« Wahlgesetz vorfinten, welches, Dank der Eennivenz der Regierung, eine derartige Gestalt erkalten hat, taß man cs füglich al- Gesetz, betreffend die Erzielung ultra wonlaner Mehrheiten bei Landtags- und Gemeintewahteii, im preußischen Westen bezeichnen darf. Obschon die Hoffnung ge rechtfertigt erscheint, daß das Herrenbaus die klerikal conser- raliven Abänderungen der Regierungsvorlage wieder beseitigt, wird doch die schlirßliche Stellungnahme der Regierung rin Adgevrdneienkause und die Abstimmung der conservativen Partei dieses Hauses große politische Bedeutung beanspruchen. Beide haben für die Zuwendung parteipolitischer Bortheile an das Eentrum keineswegs die Entschuldigung, daß die Wiederherstellung der Regierungsvorlage daS Zustande kommen der Stcurrgrsetze gesäbrde. Zst e« »och sehr fraglich, ob daS Eentrum nach Ablehnung der ihm auf den Leib zugeschniltenen Abänderungen gegen die für den Grundbesitz so überaus wobllkälige Äeucrresorm zu stimmen wagen wird, so ist es jedenfalls zweifellos, daß eine Mehr test slir die wesentlichen Bestimmungen der in der Commission srrliggeslelllen drei Entwürfe auck ohne die Ultramootanen rorhander, ist. Selbst die „Frris. Ztg." läßt die lang ge- riäbrte Hoffnung fahren, die fallende 'Militairvorlage werde die Miguel sche Reform orit in den Abgrund ziehen. Es derschlägt dabei nicht« und wirkt sogar erheiternd, wenn Herr Richter da« „Glück" de- FirranrministerS in erster Reibe dem Umstande zuschreibt, daß „ein Tkcil" der Gegner der Eieuergesetze durch die anderweitige parlamentarische Thätig- leit abgezogen wäre. Das ist übrigens »och verhältnißmäßig bijcheicen gesprochen. Herr Richter nennt sich einen Theil und - steht doch ganz vor seinem Spiegel. Die Steuerreform also, dieser einzige Lichtpunct der gesammten Berliner Parlaments- rnibenCampagne, wird beschlossen werken und selbst dann, wenn die Auslösung teS Reichstag« eine Bertagurrg des Abgeordneten hauses berbciführcn sollte. Lebhafte und eingehende Erörte rungen werden allerdings nicht vermieden werben könne», uameutlich über die Abänderungen, welche die Eommission bmnchtlich des BcrhättnisseS der Gemeinde-Einkommensteuer zu den Reatsteuern und in Bezug auf die Steuersätze de- btlossen hat — Fragen, welche den socialen Charakter der Reform tief berühren, a» denen aber die Bollendung teS großen Werke» um so weniger scheitern wird, al« fast all seitig anerkannt wird, daß die Durchführung de« Gedanken- absoluter Steuergerechtigkeit zahlreichen Gemeinden verhäng- nißrollwerden müßte. Außer denSleuergesetzen bat derLandtag noch eine Ei send ah »Vorlage zu erledigen, an der vom velk-wirthschaftlichen Standpunct höchstens demängelt werden tonnte, daß sic zu wenig fordert. Sehr viel anders liegen die Ver hältnisse, selbst wenn man von der Militairvorlage absieht, im Reichstage. Trotz aller gegentheilige» Verheißungen hat man den Reichstag mit Gesetzentwürfen überlastet und die meisten be- sindrn sich noch in einem zurückgebliebenen Stadium. Zudem steht dem Reichstag gleich bei seinem Zusammentreten eine Debatte über die Tabaksteuer bevor, von der man nicht wissen kann, wie weit sie in da» allgemein wirthschaflSpolitische Gebiet bincinsUbrt. Auch den Kelch Ablwardt'scher Be weisführungen wird der Reichstag noch einmal zu leeren baden. Unter den GesetzeSvorlagcn befinden sich allerdings niedrere, deren Nichtcrletigung mit Ergebenheit hingenommcn werden könnte. Dahin gehören vor Allem die sogenannte IoxHeintze unk daS AuSwanderungSgesetz, welchem letzteren übrigen» nicht einmal die Ebre teS Begräbnisses in einer Commission zugedachl zu sein scheint. Wa« daS Wuchergesetz anlaugt, so erregt eS in der vorliegenden Gestalt mehrfache Bedenken auch bei solchen Abgeordneten, welche einer weiiergchenden gesetzgeberischen Bekämpfung de« Wuchers grundsätzlich geneigt sind. Eine große Mehrheit ist hingegen dem Gesetz über den UnterstützungSwohnsitz sicher, auch über die Vorlage, belr. die Abzahlungs geschäfte, dürfte eine Einigung erzielt werden. Trotz er heblicher Abschwächungen wird daS Gesetz über die Sicherung militairischer Geheimnisse noch vielfach als zu weit gehend und geradezu gefährlich erachtet. Das wichtige «euchengesetz und einige kleinere Vorlagen macken daö Pensum voll, daö den Reichstag, falls er am Leben bleibt, noch lange zusaiiimenhalten wird. Der parlamentarischen Arbeit würde sich in diesem Falle alsbald dir agitatorische für die Landtagswahlen in Preußen, Bayern, Sachsen und Baden anschließen. DaS Parteiwesen in Dänemark scheint abermals in einer Umgestaltung begriffen zu sein. De« ewigen Haders müde, hatte sich bekanntlich ein Tbeil der entschieden liberalen Partei, die Gruppe der sogenannten Moderaten, abgezweigt, um mit dem Ministerium Eslrup zu einem Ausgleich zu ge langen. Diese Bcmübunge» können jedoch als cndgiltig ge scheitert gelten. Zu den Haupthindernissen der Einigung ge hörte daö überaus schroffe Verhalten dcS KriegSminislerS, General Gahnson, der an seinen Forderungen mit Bezug aus die Kopenhagens Befestigungen nnd die tbcilweise Neuorganisation dcö Heere» unabänderlich scstbielt und keinerlei Zugeständnisse macken wollte.Die moderaten Mitglieder de» Aus schusses befanden sich daher in einer sehr unerquicklichen Lage. Sie wußten im Vorhinein, daß ein resultatlvser Verlauf der AuS- gleichSvcrhandlungen die Stellung ihrer Partei arg compro- mittiren würde; andererseits konnten sie aber mit Rücksicht auf ibre Wähler nicht wagen, die Forderungen des KricgS- nnnistcrS zu billigen. Die Leiter der Partei der Moderaten entschlossen sich »»iler diesen Umständen zu einen, ungewöhn lichen AuSkunslSmittcl, iiivem sie sämmtlichc Redacteure der moderaten Provinzzeitungeil telegraphisch „ach Kopenhagen beriefen, um denselben eine Darstellung der augen blickliche» Lage zu geben und um zu erfahren, ob sie tie voll ständige Unterwerfung der Partei gutheißcn würden. Ans diese Weise wollten sich die Moderaten gegen die Gesabr sickern, wegen der Zugeständnisse, zu denen sie sich allen falls entschließen mochten, nachträglich von der Provinz- Presse angegriffen zu werden Fast sämmtlichc Redacteure gaben dem an sie ergangenen Rufe Folge und in einer längeren Berathliiig erklärte» sich, mit wenigen Ausnahmen, Alle gegen einen Ausgleich auf der Grundlage der von der Regierung gestellten Bedingunge». Damit war das Schicksal der AuSglcickSverhandlungc» endgiltig besiegelt. DaS Scheitern der AuSgleichSvcrsuchc, welche» ebensowohl für die Regierung wie für die moderate Partei eine Niederlage bedeutet, dürste eine Lockerung der Einigkeit in den Reihen der moderaten Partei zur Folge haben, und in nicht ferner Zukunft wird vielleicht bei einem Theile der Moderaten wieder eine Schwenkung in derRichtung der radicalen Partei eintreten. Der vormalige Polizeipräsect Andricux, bekanntlich einer der Hauplacteure in, Panamaschwindel Proceß. bat sich während der Osterreit im Hause seines Schwiegersohns, eines Fabrikanten in Mülbausen im Elsaß, aufgebalten und dort eine Schaar von wißbegierigen Zeitungsbericht erstattcrii sehr entgegenkommend empfangen. Ändricux bat hierbei sebr wichtig getdan und sich so verdalten, als ob er in Frankreich noch eine halbamtliche Person von großer Bedeutung sei; er erzählte unter Anderem, daß, wie bereits bekannt, tie französische Regierung ikn er sucht bade, ihr zur Auffindung Arton S behilf lich zu sein, doch habe er mit dem Cbef der Polizei, Lozö, sich nicht einige» können. „Man muß daran» nickt schließen, daß ick darauf verzichtet habe, Arten den Ge richten auszuliesern," sagte Andricup »ack dem Bericht des „Expreß". „WaS aber diesen Punct betrifft, so werden Sie wohl versieben, daß nach Lage der Sacke ich mich nicht darüber auSsprcchcn kann." Nach Andrieux' Meinung kann Artvn's Verhaftung die Wiederaufnabme deS Pauaina - ProcesseS zur Folge haben, dessen Ausgang unbesrietigeiid gewesen sei und die öffentliche Meinung nicht zu de ruhigen vermocht habe. Nachdem der ckeinalige Polizei vräfcct soda»» die in ganz Frankreich vorhandene liefe Ulizusriedenbeit und deren innere Ursache» klar gelegt, be merkte er in Bezug auf die auswärtige» Beziehungen: „In unscrm führerlosen Parlament, das ohne jeden Coiupaß den Wogen einer !a»ncnbafteil und unsteten Mehrheit auS- gesetzl ist, befindet sich Niemand, der im Namen Frankreichs da« Wort zu ergreifen wagen kann oder seine Unterschrift als gütiges Unterpfand zu geben vermag. Niemals ist eine fremde Regierung sicher, mit der Persönlichkeit, mit der sie eine diplomatische Verhandlung angcknüpst hat, zum Ente zu ge langen. UebrigcnS ist es unrichtig, wenn man behauptet, daß das französische Volk diejenige Regierung hat, welche es ver dient: wir haben gar keine Regierung. Wir leiden unter einem Zustande der parlamentarizchen Anarchie, der nicht so fortbestchen kann, ohne die ernsteste» Gefahren herausru- beschwören." Da hat Herr Andrieux wakrlick nicht Un recht. auch wird ma» ihm in dem bcistimmen müsse», was er über die jüngste Ministerkrisis sagte: „Hat man sich »m die Principien, welche der französischen Verwaltung geziemen, bekümmert'? Hat man die Interessen und Wünsche des Landes im Geringsten in Betracht gezogen'? In einer Woche wurden vielmehr die gleichen Portefeuilles den Anhänger» >i»d Gegnern der entgegengesetztesten politischen Grundsätze angcbotcn " DaS stimmt jedenfalls. Angesicht» des nächsten Wahlkampfes soll die Fürsorge des Herrn Andrieux daraus geben, „die Partei, welche seit einer langen Zeit eine» so bedauerlichen Mißbrauch mit der Gewalt getrieben hat, in die Minderheit zu bringen und ihre Reiben zu durchbrechen. Zn der »ötbigen Neu bildung werden daun auch dir neuen fähigen Männer nicht fehlen. Die Umstände erzeuge» die Männer und iin klebrigen werden Sie jeden, wie die Ueberbleibsel der alten radicalen und opportunistischen Gruppen sich um die neuen Führer schaarcn werde», und diese Aiilöminlinge werten gewiß iml Freude aus genominen werden an den» Tage, a» welchem sie ohne Hinter- getanken eine Regierung annebnien, die zu gleicher Zeit Lenio- tratischer und liberaler ist." Andrieux, der offenbar ei» sehr ge wandter Redner ist, schloß seinen Vortrag >»it der deslininilc» Behauptung: „Die Republik ist durch die kürzlich geschehenen Ereignisse nicht in Gesabr gebrach! worden. Die Zahl derer, welche unsrer RegierungSsorni sich nvck cnIgegenstcUen, ist verschwindend »ein In Gesabr dagegen befindet sich die Scctirer- und Iacobiner-Partci, welche die Republik mit Beschlag belegen und für sich monopolisircn wollle. Sie wollen eine Parteiregierung aufricklen, wir werden ihnen zum Trotz eine mehr nationale Republik gründen, eine solche, welche endlich den Namen „Französische Republik" verdient!" Gewiß sind das sehr schöne Worte, die Herr Andrieux da gesprochen hat. Ob er aber der Mann dazu ist, diese Worte in Thaten umzusetzen, oder auch nur umsetzen zu helfen, scheint doch recht fraglich. Die Beschränkunng der deutschen Colonisation in Rußland, welche von de» russischen Blättern sonst stets gefordert wurde, wird nun seit geraumer Zeit sogar von den ultra panslawistischen Blättern >»i Zarenreich bekämpft und verworfen So cntdält der „Grasbtanin" neuerdings einen längeren Artikel, i» welchem tie deutschen Colonisten in Rußland als das ehrlichste, gebildetste, nützlichste und ver läßlichste Ackerbau-Element im Reiche geschildert werden. Der Artikel widerlegt auch die Beschuldigung, daß die Deutschen zur Verbreitung der Stuntislen-Lehre beigetragen babcn, und stellt tie Tbatsache sest, daß die deutsche» Colonisten daö höchste Berlrauen und die größte Achtung der russische» Bauern genießen. Als Beweis hierfür erzählt daS Blatt folgende interessante Episode: Im Januar dieses Jahres wurde im tauiischen Gouvernement die Verwaltung der reinen deutschen Colonie „Neuhofsnung" aufgehoben und mit einem benachbarten russischen Torfe ver einigt. Die russischen Bauern haben nun einen Deutschen zuin Dorfälteste» und einen Deutschen zum Dorsrichter ge wählt. Auch tie „Nowoje Wremja" greift die „MoSkowskija Wjedviuosli" für ihre Forderungen nach drakonischen Maß regeln gegen die Deutschen heftig an und schildert die Letzter» als ein nützliches Element für das Reich. Lrimulu veris. 71 Erzählung von R. Brüning. «ia-truck »nt«,,,,. lFortsetzung.) Der Klang der Glocke, die den Bewohnern von Mallehnen die speisestunde verkündete, entriß sie ihrem vcrzweistungSvollen Grübeln. Hastig trat sie vor den mächtigen Pfrilerspiegel, der ihre ganze Gestalt zurückwarf. Mit zitternden Fingern ordnete sie die zerdrückte Frisur, zupfte die etwa» zerknitterten Falten und Spitzen ihre« Mvrgengcwande» zurecht und strick mit dem kiiklen Batisttuch ein paar Mal glättend über ihre verstörten Züge. Endlich war r« ibr gelungen, ihnen einen ruhigen, harm- lc» freundlichen Ausdruck zu geben. Mit einem Seufzer der Erleichterung trat sie von dem Spiegel binwra und begab sich auf dir leraffe, wo dir bl»»ieng«sch»iückte Tafel in tadelloser Eleganz und Frische rnigezciistrahltc. Sic war eben zu ihrem Vlah« getreten, als auch schon die Tbllre de« Gartensaale» sich öffnete und die Herren Arm in Arm auf der Schwelle erschienen. „Meine kleine Hausfrau erwartet unS bereit-, wie ich sehe", hörte sie ihre» Gatten sagen, und dann standen sie und Waldau sick abermals gegenüber. Mit dem Aufgebot all' ibrer Willenskraft zwang sie sich, ihn anzublicken. Er war ein ganz Anderer wie vorhin, keine Spur irgend eine« heftigen Gesuhlt lag mehr in seinen Augen, seine Livpen trugen ein rerbindliche« Lackeln zur Schau. Er war oder schien wenigsten- jetzt völlig unbefangen, und diese Wahrnehmung gab auch ihr tie selbstbeberrschiing zurück Er sagte ihr in glattem Con- versationSton einige schmeichelhafte Worte über „da« reizende Arrangement" der Tafel. „In der Tbat, es war eine hübsche Idee von Dir, liebe« Lind, un« hier draußen srrviren zu lassen", fügte Blanden, ihr sreundlich zunickend, binzu. „Die Lust ist köftlick beute, und der Park präsentirt sich unserem beimgekebrten Wandervogel von hier au« gleich von seiner schönsten Seite. Ich denke, wir werden eine recht beiter« kleine Tafelrunde bilden — sind wir doch nun gerade in der richtigen Anzahl dazu, die sich eigentlich niemal« unter derjenigen der Grazien befinden soll " Er sav Gabriele dann lächelnd an. Sie erwiderte den Blick scheinbar fröhlich, ianrrlich aber dachte sie: „War, e« nur erst vorüber"! — DaS Diner verlief indcß besser, als sic zu hoffen gewagt. Gert war so unbesangen gesprächig, als ob niemals jene unseligen früheren Beziehungen zwischen ihnen cxistirt hätten Er wußte außerordentlich scfselnd von seiner «zyprischen Reise zu erzäblen und da er mehrfach mit völliger Ungezwungenheit auch an sie daS Wort richtete, so wurde cS ihr nicht gar zu schwer, sich an der Unterhaltung zu betliriliaen. Nur einmal nahm letztere eine bedtnllicke Wendung. Die Rede kam zufällig aus die Flora de- NillandcS, deren Schönheit Gert nicht genug zu bewundern wußte. „Nun, und haben dir LotuSblumen Dich Deiner alten Liebe — der Primel — abtrünnig gemacht? warf Blanden scherzend ein. Durch Gert'ö Züge lief ein kaum merkliche» Zucke» bei der unerwarteten Frage. Gabriele, die in jähem Schrecke» da- Auge auf ihren Teller gesenkt, meinte secunken- lang seinen Blick durchbohrend auf fick gerichtet zu fühlen „Dazu bedurfte eS de« Lotos nicht mehr, Onkel Maiifred", körte sie ihn gleich darauf sagen. „Ich batte schon vorder einsebrn gelernt, baß ich mein Herz an einen unwürdigen Gegen stand gehängt und über der Primel leuchtendem Farbenschniklz vergessen batte, daß ibr dock da« Köstlichste und Beste — die eigentliche Seele und zugleich der höchste Reiz der Blume — fehlt, nämlich der Tust" Blanden sah ein wenig srappirt i» das Antlitz des Sprechers — er meinte, e« habe eine schneidende Schärfe durch dessen To» geklungen, aber er mußte sich wohl getäusckt babcn. denn er begegnete einem ruhigen Lächeln „Da stinimst Tu ja mcrkwllrbiä mit Gabrielen überein!" ries er, den Sckerz fortsetzend. — „Die armen Primeln! »un sind sie also auch von Dir — ihrem getreuesten Ritter — in Acht unk Bann grthan!" Gabriele preßte in stummer Oual die Hände zusammen O, nur Fassung, nur Gert nicht zeigen, wie sie litt unter der stolzen Mißachtung, die sie für sich auS all seinen scheinbar harmlosen Worten beraushörte! Und so lächelten ihre Lippen krampfhaft, während ihre Augen brannten von ungewrinlen Tbränen. — „Ich denke, ich muß für die arme, von allen Seiten verschmähie Blume ein klebrige» thun", setzte Manfred ru ihrem heimliche» Entsetzen die so peinliche Unterhaltung fort — ick werte sie großmüthig zu meiner Favorite erheben; L propo», Gert, zu welcher neuen Fahne hast denn Du jetzt geschworen?" „Ich, nun ich bab« den Blumen, den welkenden überhaupt abgrschworen! Die grünen hochragenden Palmen sind fortan »iei„ Ideal, sie gleichen in ihrer ausdauernden stolzen Schöne der Freund schaft, Deiner Freundschaft »um Beispiel. Onkel Manfred" fügte er, Blanden die Hand binüberreichcnd, warmen Tones hinzu. „Dank, mein lieber Junge, für die hübschen Gedanken, daraus müssen wir einmal anstoßen " Er schenkte die Gläser voll mit goltfunkelndcm Wein, »nv daö seine bell a» das seines jungen Gastes anlliii^c» lassend, sagte er mit vollem Stiiiiniklaug: „Aus Irene Freundschaft!" Nachher als die Heiden Herren, eine NackmittagScigarrc rauchend, in BtandenS Cabinel einander gegenüber saßen, sagte der Letztere lächelnd zu Gert, welcher schon eine ganze Weile schweigend den Nauch- wölkcken seiner Havanna nachblickte . „Nun ick warte, Gert. ." Der Aiigeredcte fuhr empor wie au» tiefer Zerstreutheit. „Woraus, Onkel Mansied?" „Nun aus-dein Unheil natür lich. Du hast mir ja noch gar nicht gesagt, wie meine junge Frau Dir gefällt ..." Der Lssicier bog sich zur Seite nach dem zierlichen Rauchtifchchen neben ihm, ui» die Asche seiner Eigarre über dem bronzenen Aschenbecher adzustreisen, während er mit er künstelter Lebhaftigkeit entgegnete: „Ich dächte, daö bedürfte wobl keiner Frage! Soviel Änmuth und Sckönbeit gegenüber kann man nicht krilisiren, sondern nur bewundern." „Nun, nimm inir'S nickt übel, mein Junge, aber aus übergroße Be wunderung ließ Deine Begrüßung vorhin gerade nickt schließen, man hätte vielmehr glauben können, rerEinkrllck,rciiT u c»ipsi»gst,. sei kein sonderlich günstiger gcwc'en." „Wirklich? o das Ibut mir leid; verzeih. eS war dann wobl nur die Folge der Ab spannung durch die lange Eisenbabnsabrt — ick b.ibe nämlich i» Egnpten in Folge des verwünschten Fieber» Nerve» be kommen — für einen Soldaten eine sehr unbequeme Aequisition, »ich! wabr? Nu», ich boffc, sie bier wieder lo» zu werde», verzeih also, und habe ein wenig Nachsicht mil mir!" „Ack, ich vergaß, daß wir Dick noch ein wenig al« RcconvalcScenlc» betrachten muffen! Ich wollte Dir durchaus keinen Vorwurf mache», iiirine Werke waren nur im Scherz gemeint, ick war ja im Voraus überzeugt, daß Gabriele Dir gefalle» würde!" „Du bist also vollkommen glücklich i»it ibr . . ." Blande» zögerte einen Augenblick mit der Antwort „Ich würde cs fein, wenn nickt die Sorge ui» ibre Gesundheit aus mir lastete", sagte er mit einem leichten Seufzer. „Sag' mir auf richtig, findest Du ibr Aussehen nickt reckt leidend?" „Ein wenig zart, ja freilich", gab Gert zu, während er in nervösem Spiel die Finger bewegte, „aber da- liegt ja manchmal in Eigentbümlickkeiten der äußeren Erscheinung und braucht nicht gleich beunruhigend zu sein." Blanden schüttelte den klcber den BchringSmeer-Strcitsall, zu dessen Schlich tung belanntlich gegenwärtig ein Schiedsgericht zusainuicn- actretcn ist, werbe» neuerdings folgende Auskläruugen gegeben. Die Nordamerika» er beanspruche» das ausschließliche Recht des Robbenfanges >m Behringömcere, während England das ausschließliche Besitzreckt der Vereinigten Staaten bestreitet und im Interesse der canadifche» Robbenfang«! für die Freiheit der Hochseefischerei einlrit». Bekanntlich erwarben 1867 die Amerikaner Alaska von Rußland und behaupten, damit auch da» alleinige Eigenthum über das BebringSuieer alS ölurv clauüul» erworben zu haben. Die Engländer bestreiten ibrerscil», daß daö genannte Meer völkerrechtlich als >laro eluu!>ui» zu betrachten sei, und beruscn sich darauf, daß Rußland, der frühere Besitzer von Alaska, niemals ein HohritSrecht in jene» Gewässern auSgeübt habe. Gegen einen 182l russischer- seit« gemachten derartigen Versuch habe nämlich England damals sofort Verwahrung eingelegt. Die Washingtoner Regierung stützt ihre Ansprüche aus Urkunden, die nach- acwicsener- und von ihr selbst anerkanntermaßen absichtliche Fälschungen darstcllen Die angeblichen Rechte der Ame rikaner sind in den russisch geschriebenen Documcnlcn der russisch-amerikanische» ScebundSfell - Gesellschaft verzeichnet, welche nach der Erwerbung von Alaska der Washingtoner Regierung auögesolgt »nd i» den dortigen Staatsarchiven hinterlegt winken Be» Zusammenstellung des urkundlichen Material« für daS Schiedsgericht besorgte der Bnndesbeamte Iwan Petrow Ucberscyungen der genannten Schriftstücke in- Englischc, welche i» den amerikailischen Blandückern er schienen. Diese Ucbersetzungcn wurde» von den englischen Blättern als fehlerhaft bezeichnet, und thaisächlich ergab eine Untersuchung seitens Sackverständiaer zahlreiche Fehler und Abweichungen vom ursprünglichen Wortlaute, welche unver kennbar den amerikanischen Ansprüchen zu Gute kommen sollte». Die Washingtoner Regierung batte darauf in, ver stoffenen Jahre die Ucbersctzungen zurückgezogen, ihre Ansprüche jedoch aufrecht erhalten. Daö Pariser Schiedsgericht sieht Kops; offenbar war er anderer Meinung. „Du kannst da» allerdings nicht so bcurtbeilen, Du hast sic ja srüber nicht gekannt; ich sage dir aber, sic war nicht immer so, erst all- inälig, seit wir hier sind, bat sie sich so verändert." „Wie wäre daS möglich? Hier in der herrlichen Seeluft und von Dir sicher aus Hände» getragen?" „Ja da» fragte ick mich auch, aber die Tbatsache läßt sich dock einmal nicht verleugnen. Fast löniite man glaubeu, ein geheimer Kummer zehre an ihr." Gert'» Stirn hatte sich jählings geröthet, das Gespräch wurde ihm immer uiibebaglickcr Manfred, der die» nicht ahnte, und dem eS wohltbal, sich einmal Uber seine Sorgen aus sprechen zu können, subr indeß unbeirrt fort: „Manchmal bab' ich schon gedacht, ob es Hcimweb sein könne . . ." Heimweh? Gert backte an den traurigen Ausdruck der dunkel »inschallctcn Auge», der ikn, vorhin, wen» sic fick, unheohachtck glaubte, mehrmals ausgefallen, Heimweh vielleicht nach jenen. Glück, das damals in der unvergeßlichen Ballnacht aus kielen Auge» geleuchtet? So fragt« er sick im Stillen, indeß sein Mund mechanisch mit allerhand Gründen BlanLen'S Ansicht zu widerlege» suckle. Es wurde ilmi plötzlich erdrückend beiß. Er sprang empor und stieß da« Fenster auf. „Was meinst Lu, cS ist sck'wül hier, wollen wir einen Spaziergang nach dem Strand hinunter macken? Mick verlangt « »ach Meeres atbem!" Manfred war sogleich bereit, und so schritten die beide» Herren bald darauf den Parkweg hinab. Von dem Glaserker ihre« Boudoirs a»S, wohin sie sich in tiefste." geistiger und körperlicher Erschöpfung nach dem Mittagsmahl zurückgezogen, sab Gabriele ihnen brennende» AugcS »ach Da ging Waldau, tie schlanke, elastische Gestalt, bochausgerichtet wie immer, daö stolze Haupt in anscheinend heilerem Geplauder ihrem Gatte» zugewandt. Ob er wobl ahnte, mil welchen Gefühlen sie hier oben stand und ikm nachschaute, der ihr vorhin so weh, so bitter web gctban? .... O ja, freilicv! Hatte er doch mit bewußter Absicht jene scheinbar harmlosen, und Lock so grausamen Worte gesprochen: er batte sie kränken, ihr seine Verachtung zeigen wollen . . . Mein Gott, ver diente sie denn diese in der Tbat? War ihre Heirath denn wirklich ein Berbreckcn, dnrck die sie dock ein heroische» Opfer zu bringe» geglaubt? Seine Verachtung wollte sie nicht er tragen Wie jebr sie auch vor dem Alleinsein mit ihm zitterte, sie »iußle eine Aussprache suchen, mußte ibm sagen, daß sie seine Verachtung nicht verdiene, und bemerken, daß sie diese« Wiedersrben nicht zu verhindern vermocht. lFortsetzung folgt.)
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