1554 bis zum Jahre 1630 lebte zu Nürnberg ein Künstler namens Lorenz Strauch. In seinem langen Leben hatte er Gelegenheit genug, das Geschäftsgetriebe in der alten Handelsstadt zu beobachten, und bemerkte da mancherlei, was ihm nicht wohlgefiel. Einer suchte dem andern den Rang abzulaufen; jeder war eifrig bestrebt, sich auf Kosten des andern zur Geltung zu bringen, und schließlich trugen in diesem Wettrennen die jenigen den Sieg davon, die die Reklametrommel am eifrigsten rührten oder durch allerlei Kunstgriffe die Aufmerksamkeit der Leute auf sich zu ziehen wußten. Das empörte den wackeren Strauch, und da er ein tüchtiger Kupferstecher war, so machte er seinem Zorn durch ein prächtig gestochenes Spottblatt Luft, dessen Abbildung diesem Buche als Titelbild dient, und setzte folgendes Verslein darunter: „Wer ietzmaln dem gellt locken vnd etwas dergstalt verdienen wil, Müoß ryssen seltzam posen vnd täglich bringen nüwe spil." Wie haben sich seitdem die Anschauungen geändert! Die Zeiten, in denen man einen Geschäftsmann verächtlich ansah, wenn er für seine Waren Reklame machte, sind vorüber. Heute gibt es kaum einen größeren Kaufmann oder sonstigen Gewerbetreibenden, der ihrer entraten könnte, und wenn man die Presse die siebente Großmacht genannt hat wegen des gewaltigen Einflusses, den sie auf die Bildung der menschlichen Anschauungen und dadurch auf die Gestaltung unserer Lebens verhältnisse ausübt, so verdient die Reklame mit noch größerem Recht diesen Titel. Denn die Machtstellung der Presse ruht auf der finanziellen Grundlage, die ihr die heutige Bedeutung der Reklame schafft. Welches Blatt — von einigen durch politische Parteien oder Finanzmächte unterstützten Organen abgesehen — könnte ohne Inserate auch nur bestehen? Und doch bilden die Anzeigen der Zei tungen nur eines der zahllosen Mittel, durch die die Reklame auf uns einwirkt. Auch die Größe ihres Budgets kennzeichnet ihre Großmachtstellung. Wurden doch angeblich allein in Nordamerika schon vor etwa 15 Jahren 300 Millionen Dollars für Inserate und ungefähr der gleiche Betrag für sonstige Reklame mittel jährlich ausgegeben! (Propaganda, Bd. 1, S. 441.) Für Frankreich be rechnete Vicomte d'Avenel (..Uv möeunisino «io In vis moderne^, Bd. 4, S. 126) etwa zur gleichen Zeit die jährlichen Aufwendungen für Reklame auf 100 Millionen Francs, wovon 40 Millionen auf Zeitungsannoncen, 20 Millionen auf Prospekte, 25 Millionen auf Affichen und 15 Millionen auf sonstige Reklamemittel entfielen. Und wahrlich, das für Reklame ausgegebene Geld verschwindet nicht spurlos! Zumal den Großstädter verfolgt sie von früh bis spät. Schon die erste Post bringt jedem, der mit einem einigermaßen vertrauenerweckenden Titel im Adreß- buche steht, eine Fülle von Prospekten und Katalogen; die Morgenzeitung ist, be sonders an Sonntagen, durch die Menge ihrer Inserate zu einem förmlichen Buche angeschwollen. Wir betreten eine Verkehrsstraße; von den Anschlagsäulen blicken uns buntfarbige Plakate, von allen Läden die verschiedenartigsten Firmenschilder entgegen, an den Giebeln der Häuser verkünden Alpenlandschaften und weidende Kühe den Ruhm von Suchards Schokolade und Nestles Kindernahrung. Sand- 1*