E INLEITUNG on der Entwicklung der Reklamekunst in den beiden letzten Jahr tausenden soll in diesem Buche die Rede sein. Die Tatsache, daß die Reklame schon auf ein so ehrwürdiges Alter zurückblicken kann, wird vielleicht manchem neu und verwunderlich sein. Das erscheint durchaus begreiflich. Hat doch gerade in Deutschland die geschäft liche Propaganda in den letzten 30 Jahren einen so gewaltigen Aufschwung genommen, daß alles, was weiter zurückliegt, uns unendlich unbedeutend vorkommt, uns wie das Lallen eines Kindes im Vergleiche mit der wohlüber legten Rede eines Erwachsenen anmutet. So entsteht der Anschein, als ob unser ganzes Reklamewesen etwas Funkelnagelneues sei, etwas, dessen An fänge nur wenige Jahrzehnte zurückliegen könnten. Indessen ist dieser Ein druck unrichtig. Sobald die kulturelle Entwicklung eines Volkes einen ge wissen Stand erreicht hat, tritt notwendig das Bedürfnis nach geschäftlicher Propaganda hervor. Der Verbraucher, der seinen Bedarf nicht mehr haupt sächlich in der eigenen Wirtschaft erzeugt, muß wissen, woher er bestimmte Bedarfsgegenstände beziehen kann; der Verkäufer, mag er Erzeuger oder Zwischenhändler sein, muß, um bestehen zu können, sich einen Kunden kreis schaffen, muß den Wunsch nach demErwerbe der von ihm feilgehaltenen Gegenstände erregen und wachhalten. Beiden Zwecken dient die geschäft liche Propaganda, die naturgemäß um so vielgestaltiger und ausgedehnter ist, je höher die materielle Kultur eines Volkes sich entwickelt. Es kann daher kaum einem Zweifel unterliegen, daß das Reklamewesen im Römer reich in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten sehr viel ausgedehnter und mannigfaltiger, sowie daß die Teilnahme vonMalerei und Plastik an ihm sehr viel stärker war, als wir es bei der Dürftigkeit der uns erhaltenen Zeugnisse belegen können. Ebenso sicher ist freilich, daß der Umfang der damaligen geschäftlichen Propaganda notwendigerweise an ihr heutiges Ausmaß schon deshalb nicht entfernt heranreichen konnte, weil die Möglichkeiten mechanischer Massenherstellung fehlten, die Bild- und Buchdruck heute darbieten. Wie wir sehen werden, hat man diese beiden Erfindungen sehr bald dem Reklamebedürfnis dienstbar zu machen gewußt, hat auch zunächst mehr gelegentlich, dann im J 8. Jahrhundert zumal in Frankreich bewußt und in beträchtlichem Umfange die Kunst zu Reklamezwecken herangezogen.