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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.01.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-01-03
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950103021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895010302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895010302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-01
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Ihre von Stuttgart aus bewirkte amtliche Publikation erfolgt offenbar in der Absicht, den schon lange im Stillen schleichenden, dann neuerdings aber von dem volksparteilichen „Beobachter" keck hinausgeschleuderten Gerüchten von einer Spannung zwischen beiden hohen Herren gründlicher den Garaus zu machen, als die bisherigen Dementis dies thaten. Dies wird auch jedenfalls gelingen; denn Ton und Inhalt der beiden Depeschen ist ein so warm freundschaftlicher, treu kameradschaftlicher, daß schon eine ganz besondere Dreistigkeit dazu gehören muß, die Mär persönlicher Ber stimmungen zwischen den Sonverainen im Interesse demo- kratisch-particularistischer Zettelungen weiter zu spinnen. Daß über bestimmte politische Fragen Meinungsverschiedenheiten zwischen Berlin und Stuttgart bervorgetreten seien, wird allerdings auch durch diese Depeschen nicht be stritten; es wäre auch, wie wir jüngst betonten, in unserer politisch bewegten Zeit geradezu unbegreiflich, wenn solche Meinungsverschiedenheiten nicht ab und zu zwischen den Regierungen und selbst zwischen den Monarchen der Einzelstaaten sich geltend machten. Aber wenn die deutschen Fürsten durch ihre Vertreter im Bundesrathe. wie auch im persönlichen Verkehr mit dem Reichsoberhaupt ihrer Ueberzeugung von dem, was dem Reiche noth thnk, offen Ausdruck geben, so ist das nicht Particnlarismus, sondern Bundestreue und führt noch nicht zu persönlicher Spannung, die dem Reiche eine Gefahr brächte. Eine solche zu erzeugen und die Meinungsverschiedenheiten zur Spannung zu erweitern, ist regelmäßig das Bestreben der demokratischen und ultra montanen Particularisten, die durch ihre Aufbauschungen und Hetzereien sich dann freilich wider Willen das Verdienst erwerben, Kundgebungen zu provociren, die ihren Behauptungen und Bestrebungen den Boden entziehen. Daß König Wilhelm von Württemberg die Initiative zu einer so gründlichen Dementirung ergriffen hat,wird voraussichtlich auch von günstigemEinslnß auf die in Württemberg bevorstehenden Landtagswablen sein. Gerade dadurch, daß die württembergische Demokratie die particularistischen Artikel deS „Beobachters" als Reflexe der Anschauungen in den maßgebenden Kreisen bezeichnet?, gelang es, weite Kreise für demokratische Eandidaturen zu erwärmen und selbst in konservativen Kreisen die Meinung zu erzeugen, es sei der stille Wunsch des Hofes, Verfechter der württembergischen Rechte gegen unberechtigte Berliner Uebergriffe gewählt zu sehen. Diesen perfiden Aus streuungen und ihren Wirkungen hat König Wilhelm einen kräftigen Damm entgegengesetzt. Im Reichstag, dessen Wiedcrzusammentritt nahe bevor steht, wird es sich zunächst um die beiden Fragen der gesetz geberischen Abwehr der Umsturzbestrebungen und der Verstärkung der Disciplinargewalt im Reichs tage handeln. Was die „Umsturzvorlage" betrifft, so haben sich die Meinungen darüber während der Weihnachtsferien nicht wesentlich geklärt. Man hat nur wenig von Ver sammlungen und Reden über diese brennende Tages frage gehört; auch in der Presse hat sich weder viel Entrüstung über die angebliche Bedrohung der Freiheits rechte des Volkes, noch ein lebhafter Eifer für die vor geschlagenen Abwehrmaßregeln, gezeigt. Die Abstumpfung und Ermüdung des Volkes tritt hierbei wieder recht deutlich zu Tage. Daß es zu einer Krisis bei diesem Anlaß nicht kommen werde, ist die vorwiegende Ansicht. Es wird voraus sichtlich irgend eine Verständigung erzielt werden; auf welcher Grundlage, muß freilich dahingestellt bleiben. Die Dinge auf die Spitze zu treiben, bat keine Partei ein In teresse, denn der Ausgang neuer Wahlen im gegenwärtigen Augenblicke wäre zu unsicher und keine Partei könnte viel dabei gewinnen. Deshalb wird selbst im demokratischen Lager die Vorlage nicht unbedingt zurückgewiesen. In einer zu Köln abgehaltenen Delegirtenversammlung der freisinnigen Bvlkspartei hielt der Reichslagsabgeordnete Lenzmann einen Vortrag über diesen Gegenstand, worin er unter Anderm bemerkte: Seine Partei wolle sich nicht völlig ablehnend verhalten, sondern der Vorlage insofern beistimmen, als eö sich um die Bekämpfung der anarchistischen Umtriebe und Mordtbaten handle. Der Gesetzentwurf in seiner jetzigen Gestalt sei aber für die Partei unannehmbar, weil er sich vom Boden des gemeinen Rechts entferne, die Befugnisse der Polizei verstärke und durch seine Kautschuk paragraphen die Möglichkeit gewähre, daß einzelne Be stimmungen auch gegen Personen angewandt würden, die bei weitem nicht so bösartig seien wie diejenigen, gegen welche das Gesetz wirken solle. Er sei für den Paragraphen, der die öffentliche Androhung von Verbrechen bestrafe, aber gegen den weiteren Paragraphen, der die Beschimpfung von Re ligion, Monarchie, Ehe, Familie und Eigenthum unter Strafe stelle. Die deutschfreisinnige VotkSpartei werde die Vorlage nicht einfach ablehnen, sondern sie prüfen, aber alles ablchnen, was die öffentliche Meinung knebeln könne. Die Versammlung erklärte sich mit den Ausführungen des Redners einverstanden. — Auch über die Frage der Ver stärkung der Disciplinargewalt im Reichstage wird wohl eine Verständigung sich erzielen lassen. Ist es doch allen Ord- nungsparleien schon fühlbar geworden, daß in den Debatten die Grenzen des parlamentarischen Anstandes nicht allzu selten in einer Weise überschritten werben, die durch einen Ordnungsruf die rechte Sühne nicht findet. Ucberdies muß es dem gesammlen Reichstage lieber sein, wenn er selbst über Zulässigkeit, Unzulässigkeit und Strafbarkeit der Aeußerungen seiner Mitglieder entscheidet, als wenn die Gerichte diese Entscheidung für sich beanspruchen und die Frage der Immunität der Reichütagsabgeordiicten zn einem Consticte führt, in dem die Machtmittel jedenfalls nicht auf der Seite der Volksvertretung sich befinden. — Die Entscheidung der weiteren großen Frage, die den Reichstag nächstens beschäftigen wird, der Steuerreform, ist leider noch so undurchsichtig wie je; mit großem Vertrauen wird man ihr nicht entgegensehen dürfen. Zu einem Eonflict zwischen Reichstag und verbündeten Regierungen wird auch sie freilich nicht führen, da den Letzteren das bequeme Auskunstsmittel der Matricularbeiträge bleibt. Aber gerade deshalb ist zu befürchten, daß es in den Einzelstaaten, die zum größten Theile an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit an directen Steuern angekommen sind, zu bitteren Klagen über den Reichstag kommt, dessen Ansehen dadurch noch mehr herab gesetzt wird. Der entscheidende Wahlsieg der belgischen Umsturz partei in Lüttich giebt zu den ernstesten Bedenken Anlaß. Ueber die grundsätzliche Tragweite der Stichwahl zwischen dem Svcialdemokraten Smeets und dem Klerikalen FrancoUe konnte kein Zweifel mehr bestehen, nachdem elfterer in aller Bündigkeit dem Privateigenthum den Krieg erklärt hatte. Wenn gleichwohl ein erheblicher Bruchlyeil liberaler Wahlstimmen im entscheidenden Moment nicht abgegeben wurde, oder, was noch schlimmer, dem Umsturzapostel zufiel, so ist das ein Act von Kleinmuth oder Fahnenflucht, der dem belgischen Part-ileben e^ prägt. Mit den. Auge des Pol't.kerS aemesten^ ' ^,^nt Haltung einer emflußreichen Uberal l- einer Existenzfrage sowobl wie im Lande lur Belg.en be^ in seiner Politischen Entwickelung zu den schUmmsten bürgerlichen G L Lk b l .rlas d-r b-Igiichm L-iWung, S-d-'I,- ba> - noch ln,inte Belaien ist letzt in einer so precaren *.age, noch nie vorher. Die Umsturzleiter triumphlren, sie werde sich mit dem Lütticher Erfolge nicht zufrieden geben, f wofür wir an anderer Stelle den Beleg brmg.n) ihn zum Ausgangspunct einer neuen und uoch/unsasim^ deren Hetzcampaane macken. Was die klerikale p betrifft io mag sie in den Landestheilen, wo sie eine traditionelle Uebermacht behauptet, ihren ^sitz gegen den Ansturm der Socialdemokratie fcsthalten - vielleicht auck „j^t — aber um den Rest des liberalen Besitzstandes steht "-Wimm auch M-» wird in dm BSim -u Staaten sich darauf gefaßt halten muffen, daß Velg en das Hauptversuchsobject für die Bestrebungen der mo dernen Staats- und Gesellschaflsse.nde wird, und daß d,e dortigen innern politischen Wahlkämpfe gelegentlich auch nach außen zündende Blitzstrahlen schleudern. Belgien mutz eS jetzt empfinden, daß es in unbegreiflicher Eonnwenz gegen die Umstürzler, deren Abgeordnete sogar vor Kurzem erst der l^inl.idiina aewürdiat wurden, versäumt den i^urs ver normalen v,-....-».Hoffentlich ist der Aufruf, den der König beim NeujahrSempsange der parlamentarischen Abordnungen an diese richtete, »n Kamps gegen die Socialdemokratie zusammenzustehen, nicht zu spat gekommen. Die als höchst wahrscheinlich angekündigte Wieder errichtung der französische» Patriotenliga läßt einige Reminiscenzen als zeitgemäß erscheinen. Die Liga ist be kanntlich die Hauptträgeriu der französischen Revanche absichten Deroulöve-Boulanger'scher Observanz gewesen und ihre Leistungen auf dem Gebiete der Deutschcnhetze sind noch im frischen Gedächtniß der Zeitgenossen. Sie wurde im Jahre 1880 von Deroulede gegründet, der sie bis 1888 leitete, wo er sie noch beim Begräbniß Katkow's in Moskau vertrat und dabei in Rußland aufs leidenschaftlichste für die französisch-russische Allianz gegen Deutschland agitirte. Dann kam es zu einer Spaltung der Liga und der Deroulöve'sche Theil ging vollständig in dem Boulangismus auf. Als sich im März l889 das Ministerium Tirard entschloß, energisch gegen den Boulangismus vorzugehen, wurde auch die Patriotenliga ausgeb'vben und die Leiter derselben gerichtlich verfolgt. Die Liga war für die Dictaturpläne Boulangers derart ins Zeug gegangen, daß sie sogar Osficiere und Unter- officiere der activen Armee sowie der Reserve zur Betdeiti- gung an ihren Bestrebungen verleitet und einen vollständigen Mobilisirungsplan zum Zwecke eines allgemeinen Aufstandes zu Gunsten einer Tictatur des Revanche-Generals ausgearbeitet batte. Aber trotz ihrer Auflösung stellte die Liga ihr Treiben nicht ein, sondern setzte es bei verschiedenen An lässen in scandalöser Weise fort, so namentlich bei dem politisch vielleicht nicht ganz einwandsfreien Besuche der Kaiserin Friedrich in Paris im Jahre 18Sl. Die immerhin laue Stellungnahme, welche damals Ine Pariser Presse zu den pöbelhaften Kundgebungen der tz!iga einnahm, bewies, daß die Revanchesucht und der Chauvinismus allen Be- schwichtungserklärungen zum Trotze in Frankreich nach wie vor höchst populair waren, wie sie es jetzt noch sind. Es ist gut, daß in Rutzland der Presse, wenigstens vorübergehend, der Maulkorb etwas gelockert ist, denn ans diese Weise bekommt man leichter «nnen Einblick in die innersten Gedanken unserer östlichen Nachbarn. Früher wurden der russischen Presse wenigstens insoweit Zügel an gelegt, als sie das Verhältnis zu Frankreich nur immer als eine Befestigung des europäischen Friedens besprechen durfte. War ja sogar bei den Festen in Kronstadt und Toulon öffent lich immer nur vom Frieden die Rede, und so erwarb sich ja auch Kaiser Alexander III. den Beinamen des Friedenserhalters. Jetzt sieht sich die Sache schon ganz anders an; die panslawistische Presse fühlt, daß sie weiter gehen darf als früher und nimmt sich nun kein Blatt mehr vor den Mund. Höchst bezeichnend in dieser Beziehung ist eine Aenßerunz des „Swjet", des Hauptblattes der pansla- wiskischeu Kriegspartci, das die Stimmung des Officiercorps, namentlich deS Gcneralstabs, wiedergiebt. Es wird dort der begeisterte Empfang des Generals Tscbertkow in Paris ge schildert, im Gegensatz zu dem steifen und amtlichen Empfang, den die Verkünder der Thronbesteigung an den anderen europäischen Höfen gesundcu. Dann heißt es: .Schade, daß sowohl Rußland als auch Frankreich so wenig die Mackt benutzen, die aus ihrem Freund- schaftsbündniß erwächst. Mil ihi'er Benutzung hätte Rußland längst seine Angelegenheiten auf der Balkanhalb- insel, am Bosporus und den Dardanellen erledigen können; Frankreich aber, wenn nicht am Rhein, doch wenigstens in Aegypten. Kräftiges Handeln würde das Bündniß verstärkt haben. Unthäligte,: wird es früher oder später schwächen." Da derartige „Angelegenheiten" sich doch nur mit dem Schwert in der Hand erledigen lassen, so ist die Forderung des „Swjet" recht bezeichnend für die friedliche Gesinnung seiner Partei. Und wie verträgt sich eine solche Sprache mit den Intentionen Nicolaus' II., der feierlichst erklärt hat, die Friedenspolitik seines VaterS fortjetzen zu wollen? Wenn die bulgarische Sobranje in ihrer letzte» Sitzung vor Schluß der Tagung die Regierung ermächtigt bat, neue Handelsverträge auf Grund einer Erhöhung des Zoll satzes mit Deutschland, Oesterreich-Ungarn, England und Frankreich abzuschließen, so ist es noch sehr fraglich, ob die betreffenden Länder von dem gnädigen Anerbieten Gebrauch machen werden, denn das Bulgarien Stoilow's genießt nicht mehr das feste und weitgehende Vertrauen wie seinerzeit das Bulgarien Slambulow's, und dem allgemeinen Mißtrauen wird erst dadurch wieder neue Nahrung zugesührt, daß Bulgarien im Begriff steht, einen schweren Schlag gegen das internationale Ver tragsrecht zu führen. Die bulgarische Regierung hat nämlich einen Gesetzentwurf ausgearbeitet, der die „Förderung" seiner Industrie bezweckt. Vom 1. Januar 1895 ab sollen allen neu zu gründenden Fabriken der Papier-, Textil-, keramischen und Zuckerindustrie rc., sofern sie mindestens 25 Arbeiter beschäftigen können oder einen Werth von 25 000 Francs darstellen, namhafte Steuer- und Gebührendegünstiguugen für die Errichtung und Erhaltung des Unternehmens auf zelm Jahre hinaus zngestanden werden. Aehn- liche Gesetze wurden auch schon in Rumänien, Ungarn, Serbien und anderen Staaten erlassen, Nnd man kann sich dagegen so lange nicht wehren, als die FeiiNlvtsii. Graf Jarl. 8j Roman von Hermann Helberg. Nachdruck verboten. „Meine?" gab Adam ein wenig steif zurück. „Allerdings!" Der alte Herr streckte die Hand nach Iarl'S Rechten aus und richtete einen sehr eindringlichen Blick auf ihn. „Darf ich sprechen ? Darf ich Sie mit einer Bitte be lästigen, Herr Gras? Ich kenne sonst Niemanden, dem ich in einer so delicaten Angelegenheit mein Vertrauen schenken würde. Sie sind der einzige, von dem ich weiß, daß er mein Gesuch tyie ein Eavalier ausnehmen und es als solches be handeln wird!" „Ich bin ganz Ohr! Bitte nehmen Sie noch ein Gläschen Portwein? Darf ich Ihnen vielleicht ein wenig Frühstück anbieten?" Von der Brcde dankte durch eine verbindliche Bewegung. Dann sagte er: „Ich bin Ihnen sehr verbunden. Ich habe noch einige Gänge zu machen. Ich werde mich kurz fassen. Gestatten Sie also: „Ich war neuerdings wiederholt in dem Hause des Obersten, Grafen von Campe, IbreS Herrn Schwagers. Ich habe mich in die reizende Comtesse Cva verliebt. Sie werden lächeln! Aber ich denke so: Ein Mädchen mit einem körper lichen Fehler solcher Art wird weniger leicht heirathen. Ich möchte ihr meine Hand anbieten. Sie hat, wie ich weiß, das einundzwanzigste Jahr erreicht. Ich bin zwar fast doppelt so alt, auch gegenwärtig nicht körperlich übermäßig elastisch. Aber manchem Baum feblt nur ein anderer Stand ort, mit rechter Nahrung, zum Gedeihen! Ich werde mich auch bei regelmäßiger Lebensweise wieder emporrichten, und bin im Uebrigen — ich darf eS sagen — geistig so frisch wie einer. Zudem: junge Frauen fühlen sich an der Seite älterer Männer in der Regel sehr glücklich. Und glücklich zu sein, ist doch Jedermanns Ziel." Jarl hatte mit sehr getheilten und nicht besonders gehobenen Empfindungen zugehört. Zufolge seiner Selbstbeherrschung gab er ihnen keinen Ausdruck, aber etwas Zurückhaltung machte sich doch in seinem Wesen bemerkbar. Nach kurzem Besinnen sagte er ernst: „Gewiß, Herr Graf, aber Sie vergaßen doch Wohl noch eine andere Vorbedingung." „Ich bitte?!" „Liebe muß den Bund schließen und sie muß gegenseitig sein —" „Selbstverständlich! — Selbstverständlich! Halten Sie mich nicht für einen blinden Thoren! Es sollte eben Ihre gütige Mission sein, zu sondiren, ob die Comtesse dem Ge danken würde näher treten mögen. Ihrer decenten Geschicklich- lichkeit überlasse ich Alles. Sie werden mich nicht unnölhig bloßstellen und werden den Damen keine Verlegenheiten be reiten! Und ich — ich — bescheide mich mit der Antwort, die Sie mir bringen. In meinem Alter schießt man sich wegen zweier dunkler Augen und eines blonden Kopfes nicht mehr todt. „Andererseits gestehe ich, daß mich die Sache seit Monaten überaus beschäftigt. Ich muß Klarheit haben! Und seien Sie meiner uneingeschränkten Dankbarkeit sicher!" Graf von der Brede forschte in Iarl'S Zügen; seine Blicke suchten seinen Wunsch zu verstärken. „Ich werde Ihrem Verlangen entsprechen", gab Jarl knapp zurück. „Sie tbun eS auch gern?! Ich bin offen. Ich merke, eö stört Sie etwas", fiel Brede mit liebenswürdiger Unter ordnung im Tone ein. „Es ist wahr! Aber lassen wir es, verehrter Herr Graf. Ich gebe Ihnen jedenfalls mein Wort, daß Das, was ich dabei zn überwinden habe, sich nicht auf Sie bezieht, nickt auf ihren Antrag an sich. „Ich freue mich, einem Mann wie Ihnen einen Dienst leisten zn dürfen. Das möge Ihnen genügen!" In Brede'S Gesicht hellte es sich auf. „Wie ritterlich Sie sind! Sie sind auch wahr! Sie sind ein vortrefflicher Mann. Haben Sie aufrichtigen Dank, mein lieber Herr Graf. Und ich wiederhole! Ich vertraue Ihnen ganz. Kommen Sie mit einem Nein, wird nie wieder zwischen uns von dieser Angelegenheit die Rede sein! Ich hoffe aber das Beste." Als sich Brede entfernt hatte, ging Graf Adam ans Clavier und pfiff wiederum eine Melodie. Dann aber sprang er empor, trat ans Fenster und sah sinnend hinaus auf die Straße. Es währte eine Weile, ehe er Das, was in ihm durch diese Unterredung aufgerührt ward, zu klären vermochte. Endlich aber verzogen sich die Falten. Er klingelte und sagte, nach der Uhr schauend, zu dem eintretenden Peter Hunck: „Nun, wie ist's mit Nelly, gutes Dorfkind? War sie da?" „Eben kam sie die Hintertreppe hinauf, Herr Graf!" Graf Adam zog die Schultern. Fatal! Es ist sehr spät geworden. Sage ihr — sage ihr — Hm, Hm. Wohl, sage ihr: Es ginge jetzt nicht! Sic solle nicht böse sein. Ich würde zwischen sechs und sieben Uhr zu ihr in die Wohnung kommen, und ihr BilletS für sie und den Trotzkops mitbringen. Billets zu den Reichshallen. Verstanden, Dorfkind? Schön, also abaehen!" Und Hunck ging eilfertig, und sein Herr eilte in sein Schlafzimmer. * Kameraden gefrühstückt hatte, begab er sich in die Kan, straße, wo ein il,m befreundeter Maler wohnte. Mil besichtigte er ein Aussehen erregendes, bei Lepke ausgest Gemälde von einem norwegischen Künstler, und macht sodann nach dem Westen auf den Weg, um eine Visi machen. Um vier Uhr traf er wieder im Hause ein, sich aus, und fuhr dann unter die Linden, um dort in i Restaurant das Diner einzunehmen. Obschon ihn die Gesellschaft außerordentlich fesselte man in ihn drang, zu bleiben, brach er, eingedenk dei ihm gegebenen Zusage, dennoch gegen sechs Ubr wiede und rief einen Kutscher an, ihn nach dem Weinberc zu fahren. * „Jawohl, Herr Graf!" tönte es stramm vom Kul bock herunter. Jarl kniff das Auge zusammen, und sah, bevor das offene Gesabrt einstieg, den Sprecher scharf an „Ab Sie! Krause^ nicht wahr, von der zweiten Esca „Zu Befehl, Herr Graf!" ^a.ch's' indem er das Schutzleder bo stmgen ^att^^E' jüngst in der Nacht Iarl'S Lc „Na, und es geht gut?" „Es muß jehn, Herr Graf. Die Villen Kinder!" - »"l Segen""d denn kam jedes Jahr L „Hm — Hm! — Na, also vorwärts nach dem Wein bergsweg." „Zu Befehl, Herr Graf." Wie der Sturmwind flog der Wagen dahin. Nelly Mochow, die Jarl zu besuchen versprochen hatte, war aus einem der zu den Besitzungen des Grafen gehörenden Dörfer. Ein unverheiratheter Onkel batte dem jungen Mädchen und ihrer Mutter seinerzeit geschrieben, daß sie nach Berlin übersiedeln und ihm den Hausstand führen möchten. Es war auch alles anfangs nach Wunsch gegangen. Dann aber war der Onkel, ein Klempnermeistcr, plötzlich ge storben, und die Frauen hatten, da allerlei Unglück und Krankheit das bischen Vermögen des Verwandten ausgezehrt, völlig mittellos dagestanden. Statt aber in die Heimath zurückzukchren, waren sie aus besonderen Ursachen in Berlin geblieben. Ein Landsmann, ein geschickter Kunstgärtner, hatte sich ihnen bereits früher genähert und Nelly zuletzt einen Antrag gemacht. Sie selbst war in einem angesehenen Weiß- waarengeschäft beschäftigt. Jarl hatte schon oft ausgeholfen; fast wie ein Vater hatte er für seine Heimathkinder gesorgt. — Die Eltern des Grafen Adam waren lange gestorben uno hatten drei Kinder hinterlassen. Eine unverheirathete, wenig vermögende Schwester Eleonore, lebte auf Horst, der Haupt besitzung der Familie, an der Grenze zwischen Schleswig und Jütland. von Campe, ein früherer Ulanenoberst, hatte die älteste. Clementine, geheirathet und war, nachdem er den Dienst quittirt, nach Berlin gezogen, um seine Töchter an reiche Cavaliere zu verheirathen. Cr besaß ein bedeutendes Vermögen, während seine Frau nickt eben viel mitgebracht batte. Die Iarl'schcn Töchter waren nicht sehr bemittelt. Die Herrschaft Horst war dem Grafen Adam auS einer Schenkung zuqefallen. Ein Vetter seines VaterS, der ohne Nachkommenschaft gewesen, hatte ihm diesen Besitz vermacht. 'draf Adam'S Absicht war, wie Brede erwähnt batte, allernächste»« auS der Armee, der er schon während der Feld züge mit höchster Bravour angehört hatte, auSzuschciden, nocb ein Jahr in Berlin zu bleiben, dann aber auf seinem Gut zu leben und von dort nach Lust und Laune Reisen anzutreten oder Berlin wieder aufzusuchen. — «Wohnt Frau Mochow hier?" fragte Graf Adam, am Ziel angelangt und auS dem Wagen springend, einen vor der Thür stehenden Budiker. " » '
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