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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.01.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-01-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950104022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895010402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895010402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-01
- Tag1895-01-04
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rechttthaltang de» allgrnmaea Frieden», welcher dem Herzen Meines unvergeßlichen Bater» ebenso theuer war. wie er e» dem Meiuigen ist" — dieser ganze, von einer gewisse» Wärme durchhauchte Pafsu» läßt deutlich erkennen, daß von irgend welcher Abneigung, oder gar Feindseligkeit auch aus Seiten de- ueuen Kaiser- Deutschland gegenüber nicht die Rede sein kann. Allerdings war ja trotz der „Freundschaft, welche Rußland seit langer Zeit mit seinem mächtigen Nachbarn vereint", die franco-russische Entente möglich geworden, und der Zar hat nicht den leisesten Zweifel darüber gelaffen, daß er an dem von seinem Bater einzeleiteten Ein vernehmen mit Frankreich sesthaltrn will, aber e» geht doch mit voller Deutlichkeit aus den angeführten kaiserlichen Worten bervor, daß eben nur die Gestaltung der Macht- verhältniffe, wie sie nicht blo» der Dreibund geschaffen, sondern wie sie auch aus colonialem Gebiete in den letzten Jahrzehnten geworden sind, eS für Rußland zur zwingenden Nothwendizkeit gemacht hat, auS seiner Jsolirnng hcrauS- zutretru und für a l le Fälle und gegen alle etwaigen Gegner eine« Bundesgenossen sich zu versichern. Eine agressive, speciell gegen Deutschland gerichtete Tendenz de» französisch-russischen UedereinkommenS erscheint uns nach dieser letzten Kundgebung des Zaren, soweit Rußlands Politik in Betracht kommt, mehr denn je auSgescklojjen. NicolauS II. steht ja freilich erst im Beginn seiner Regierung, und veränderte Verhältnisse können auch seine Ueberzeugung und seine Entschließungen ändern, aber für absehbare Zeit erscheint die Gruppirung der ausschlaggebenden Machtfactorrn in Europa und damit auL die russische Freundschaft für den „mächtigen Nachbar" gesichert. Vor mehr als dreißig Jahren hat in Luxemburg der damalige apostolische Vicar und nachmalige Bischof AdameS einen Hauptstreich gegen die dortigen Liberalen ausgeführt, indem er deren leitende» Organ, den „Eourrier", mit dein Kirchenbann belegte und ihm so daS Lebenslicht auSblies. Als Vorwand mußte eine Reihe von Artikeln dienen, die unter dem Titel „Philosophische und religiöse Betrach tungen über die Lage der europäischen Gesellschaft im Jahre 1862" in dem genannten Blatte erschienen waren. Der In halt dieser Artikel sollte nach der Versicherung der ans allen Kanzeln Luxemburgs verlesenen Bannbulle hochketzerisch sein. Die ultramontane Presse verfehlte seitdem nicht, bei Be kämpfung ihrer Gegner von Zeit zu Zeit aus die elenden Sünder hinzuweisen, die der Bannstrahl der Kirche getroffen habe, wurde aber in den letzten Tagen so unsanft in diesem Vergnügen gestört, daß sie wohl niemals mehr ans jenes Ereignis zurückkommen wird. Die „Luxemb. Zeitung" hat nämlich authentisch dargethan, daß der Verfasser jener Artikelrrihe der seitdem verstorbene Seminar- director und Ehrendomherr Gilson aus Namur war, einer der geachtetsten, gelehrtesten und tugend haftesten belgischen Priester der damaligen Zeit. DaS ist wohl Beweis genug, daß nicht die Religion, sondern die Politik den Bannstrahl geschleudert hatte. Die edle Rolle lag damals nicht in den Händen des apostolischen Vicars AdameS, sondern in jenen des Herausgebers de» „Eourrier", deS vor einem Jahre als Herausgeber der „Luxemb. Zeitung" verstorbenen Theophil Schröll. Er deckte die Person des Verfasser» mit seiner eigenen Verantwortlichkeit, bat nie mit einem Worte dessen Namen verrathen, trug mannhaft den Bann und dessen Folgen und opferte ein blühendes Unter nehmen seiner journalistischen Ehre. Deutsches Reich. L. Let-ztg» 4. Januar. Die „Leipziger VolkS- zeitung" bringt in der I. Beilage ihrer Nummer vom 2. Januar unter dem Titel „Eine Erinnerung" die Erzählung von einem Festessen bei Gelegenheit der zweiten Jahresver sammlung deutscher Arbeitervereine im Jahre 1864 und einem dabei von Professor Biedermann ausgebrachten Trink spruch auf „daS sich durch Bildung frei und der Freiheit würdig machende Volk". Zuvor habe der Redner seine Freude ausgesprochen über „die mehr und mehr hervor tretende Heranbildung des Arbeiterstandes, welche ihn den anderen Classen der Gesellschaft gleichstelle". Diese, wie dort gesagt wird, „von einem Ohrenzeugen nieder geschriebene Erinnerung" mag durchaus richtig sein; sic enthält nichts, was mit den vom Professor Bieder mann gegenüber den Arbeitern sowohl damals, als bi» auf den heutigen Tag gehegten und betbätigten Gesinnungen irgendwie im Widerspruch stände. Noch in diesen Tagen hat Professor Biedermann am Schluffe des im Aufträge de» „Vorstandes des national-liberalen Vereins für daS Königreich Sachsen" erstatteten Berichts über die sogen. „Umsturzvorlage" (siehe Tageblatt Nr. 652) sich dahin ausge sprochen, „daß die Maßregeln wider die Umsturzbestrebungen e- nicht mit den Arbeitern zu thun haben, sondern lediglich mit den socialdemokratischen und anarchistischen Partei- und Wortführern, daß daher auch keine einzige Bestimmung der Umsturzvorlage sich gegen die Arbeiter, ihre Rechte und Interessen richte." Die Beziehungen, welche Professor Biedermann zu den Arbeitern vor 30 und mehr Jahren hatte und welche die „Volks» zeitung" dahin zu deuten sucht, als habe derselbe danach gestrebt, die Arbeiter „als Werkzeug für die Absichten de» Liberalismus in der Hand zu halten", ergeben sich einfach Sü den nachstehenden Thatsachen. Zu Anfang der 50er Jahre bestand hier ein „Gesellen-Verein". In diesem hielt auf dessen Ansuchen Prof. Biedermann einen ganzen Winter lang all wöchentlich einen geschichtlichen Vortrag. Der Verein, obschon von jeder socialistischen oder sonstigen staatSgefäbrlichen Richtung gänzlich frei, verfiel gleichwohl der damaligen Beust'schen Reaktion und ward aufgelöst. Später erstand er wieder unter dem Namen „ArbeiterbildungSverein". Al« Professor Biedermann 1863, nach achtjähriger Abwesenheit von Leipzig, hierher zurückkehrte, brachte ibm dieser Arbeiter bildungsverein ein Musiksländchen, und eine Deputation des selben, bei welcher Herr August Bebel war, sprach ihm den Dank für sei» dem Gesellen-Verein gewidmetes Interesse sowie die Hoffnung aus. „daß er ein solches auch dem neuen Verein widmen werde". Das that denn auch Prof. Biedermann, er hielt in dem Verein Vorträge, StiftungS- reden rc., warb auch als eine Art von Vertrauensmann des Vereins behandelt, indem vor Fassung wichtiger Beschlüsse gewöhnlich sein Rath von Herrn August Bebel, der eine hervorragende Rolle im Verein spielte, eiugehvlt wurde. Zu der Jahresversammlung der Arbeitervereine 1864 hatte Prof. Biedermann überdies ein Mandat als Vertreter eines süd deutschen Arbeitervereins erhalten. In Vieser doppelten Eigen schaft nahm er an dem Festmahl Tbeil, von dem die „VolkS- zeitung" berichtet. Uin vollständig zu sein, hätte nun aber dieser Bericht auch erwähnen müssen, daß bei der gleichen Gelegenheit Herr August Bebel sich mit aller Ent schiedenheit dahin aussprach: es sei thöricht, ja ein Verbrechen an dem Arbeiterstande, wenn man diesen als einen besonderen — „vierten" — Stand dem Bürgerthum feindlich gegenüber stelle". DaS hatte bekanntlich Lassalle 1863 gethan. Ein paar Jahre später folgte Herr August Bebel den Verlockungen des Herrn Liebknecht ins socialistische Lager. Doch war derselbe ehrlick» genug, bei einer Preßfehve mit Prof. Biedermann öffentlich einzugestehen: „Letzterer sei sich durchaus gleich ge blieben, nur er, Bebel, habe sich geändert". Durch diese streng thatsächlichen Ergänzungen wird freilich der „Erinnerung" der „Volkszeitung" die Spitze, die sie haben sollte, abgebrochen. U Berlin, 3. Januar. Nach näherer Erkundigung haben wir die Mittheilung in Betreff der Vorbereitung einer Novelle zum Zuckersteuergrsetz dahin zu berichtigen, daß zwar Erhebungen in der von unS angedentelen Rich tung stattfinden, dieselben jedoch noch nicht soweit gefördert sind, daß die Einbringung eines Gesetzentwurfs in der jetzigen Session des Reichstages in Aussicht zu nehmen wäre. * Berlin, 3. Januar. Die „Conservative Corre- spondenz" nimmt das Wort zu einer Auseinander setzung mit dem Centrum, worin sie dessen Politik also kritisirt: „Die heutige Centrumspolitik erscheint uns keineswegs als eine ehrliche. Aber sie ist auch nicht eine geschickte zu nennen. Wohl beherrscht die Centrnnispartei gegenwärtig, das ist richtig, die politische Situation, woht ist sie die stärkste im Parlamente. Allein sie hat ihren Höhepunkt bereits überschritten. Auf keinen Fall wird es dem Centn»» möglich sein, die Zahl seiner Mandate zu vermehren. Die Begünstigung der demokratischen Parteien und die Agitation der Centrumspresse in demokratischem Sinne und nach demokratischem Muster wird vielmehr dazu fuhren, daß das dadurch verwirrte katholische Volk offen zur demo kratischen Fahne schwört und die Centrnmsfahne im Stiche läßt. Eigenthümlich klingt darum der unausgesetzte Ruf der Ce»trumspresse noch „Parität". Erst vor Kurzen» sind zwei Katholiken in die maßgebendsten Stellen im Reiche und in Preußen berufen, und der Borwurf, daß katholische Staatsbürger um ihres Glaubens willen Zurücksetzung erführen, ist absolut hin fällig. Nun sorinulirt auch thatsächlich die „Kölnische Volkszeitung" das Verlangen nach „Parität" so, daß sie die Gleichberechtigung nicht schlechthin für Katholiken, sondern für „Angehörige des Ccntrums" fordert. Daß dieses Verlangen durch die demokratische Haltung jener Partei nicht gefördert werden kann, ist doch einleuchtend." Den conservative» Befürwortern eines conservativ-ultra- montanen Zusammengehens seien diese Ausführungen deS konservativen Parteiorgans zur Beachtung empfohlen. * Berlin, 3. Januar. Der Fall Nugel ist noch immer nicht abgethan. Der Lehrer Nugel in Karwin in Westpreußen batte zu den Reichstagswahlen vom 15. Juni 1893 für den Freisinn gewirkt und war deshalb von der Negierung in Danzig mit Dienstentlassung bestraft worden. Auf die eingelegte Berufung wurde durch Beschluß des StaatS- ministeriums vom 22. Juni 1894 die Entscheidung der Re gierung zu Danzig dahin abgeändert, daß Nugel mit Versetzung in ein anderes Amt von gleichem Range unter Verlust deS Anspruches auf Umzugskosten bestraft wurde. Zugleich sollte er die Kosten des Verfahrens erster Instanz tragen, während die Kosten zweiter Instanz der Staatskasse auferlegt wurden. Wie nun die „Volkszeitung" hört, ver weigert die Regierung zu Danzig dem Lehrer Nugel die Auszahlung des während seiner AmtSsuSpension ein- behalteuen halben Eiuksmmett« mit der Begründung, daß Nugel'- Versetzung als Entfernung auS dem Ainte zu betrachte» sei und ihm demnach ein Anspruch auf Nachzahlung nicht zustehe. Auch diese Entscheidung der Regierung zu Danzig dürfte sich kaum aufrecht erhalten lassen, denn eine Versetzung ist, wenigsten- für den schlichten Laieuverstand, nicht gleichbedeutend mit einer Entfernung auS dem Amte. BemerkenSwerther noch ist der in der „Volkszeitung" ver öffentlichte Wortlaut deS Erkenntnissts, das am 22. Juni 1894 vom StaatSininisterium gefallt ist. Nach einer Erörterung der dem Lehrer Nugel zur Last gelegten Handlungen wird über die politischen Pflichte» und Rechte deS Beamten folgende Darstellung gegeben: „Die Berufung des Aiigejchuldigten erscheint begründet. Aller- dings ist dem ersten Richter darin beizutrete», daß der Aiigrschuldigte die Pflichte», welche sein Amt ihm auferleg», gröblich verletzt bat. Wir jedem anderen Staatsbürger ist auch dem Beamten die freie Ausübung des Wahlrechts zuzugrstrhen. Es folgt aber aus dem Berhüllniß des Beamte» als Staatsdieurrs und ist über dies auch durch den Allerhöchsten Erlaß vom 4. Januar 1882 aus drücklich ausgesprochen worden, daß Beamte sich von jeder Agitation gegen die Staalsregirrung auch bei den Wahlen fern zu halten haben. Die Agitation des Angejchuldigten ist hauptsächlich gegen die Militairvorlage gerichtet gewesen, welche im Interesse der Sicherheit des BatrrlanbeS ringebracht war und aus deren Annahme die verbündeten Regierungen notorisch den größten Werth legten. Er hat sich dabei nicht gescheut, zur Unterstützung seiner Agitation eine Wahlbroschüre zu verbreiten, in welcher die gehässigste» Angriffe gegen bestehende Gesetze und Staatseinrichtungen enthalten sind, und er hat zudem noch seine Stellung als Lehrer dazu mißbraucht, den Schulkindern di» Ver breitung von Wahlschriststncke» aufzntragrn. Diese Verfehlungen konnten, wie der erste Richter mit Recht ausgeführt, sehr wohl die Strafe der Dienstentlassung gerechtfertigt erscheinen lassen. Es ist indessen erwogen worden, daß der Angeschuldigtr bisher nur geringe Vorstrafen erlitten hat und daß sein Verhalten, wenngleich er sich der Achtung, des Ansehens und des Vertrauens, welche sein Berns erfordert, nicht in vollem Maße würdig gezeigt hat, doch nicht gerade als unehrenhaft zn bezeichnen ist. Aus diesem Grunde ist von der schwersten Strafe abgesehen und in Anwendung des Art. II des Gesetzes vom 15. Juli 1886 (G.-S- S. 185) wir ge schehen, beschlossen worden. Es wird erwartet, daß der Angeschul digte sich nunmehr mit Ernst und Eifer seinem Berufe widmen und dahin streben wird, daß seine Leistungen in dem neuen Wirkungs kreise mehr als in dem bisherigen befriedigen." Der Beschluß deS Staatsministeriums ist unterzeichnet Graf zu Eulenburg und datirt vom 22. Juni 1894; er ist also nach jener Zeit erlassen, als derselbe Graf Eulen burg sich nur zögernd bereit fand, den ihm direct unterstellten Landräthen ihre entsprechenden Pflichten nahezulegen. Graf Enlenburg hat diese Aenverung seiner Auffassung von den Pflichten der Beamten hinsichtlich der Wahlagitation als Minister nicht lange überlebt; es ist zu wünschen, daß die Regierung in Zukunft daran festhält, auch wen» cs sich nicht um einen Lehrer, sondern um einen Landralh oder Regierungspräsidenten handelt. — Der Kaiser traf heute Abend um 7 Uhr 20 Min. aus dem Potsdamer Bahnhofe ein und wohnte im Schau spielhaus« der Aufführung der ersten und zweiten Abtheilung deö Hebbel'schen Trauerspiels „Die Nibelungen" bei. — Wie gemeldet wird, sandte der Kaiser dem Fürsten Bismarck zu Neujahr ein eigenhändiges Glückwunschschreiben. — Der „Weser-Z." wird von hier geschrieben: Bei den NeujahrS-Festlicl,keiten waren der Berichterstattung noch engere Grenzen denn sonst gezogen. Zn den Feier lichkeiten im Schlosse waren auch die officirllen Hos- berichterstatter nicht zn ge lassen. — Der „Hannov. Cour." nennt neben dem Fürsten Wied und dem Prinzen Arenberg den Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg-Schwerin als eventuellen Nachfolger des Fürsten Hohenlohe im Präsidium der Deutschen Colonial gesellschaft. Auch der „Kreuzztg." wird der Herzog genannt. — Die Ersatzwahl zum Reichstag für den konser vativen Herrn Gescher im Wahlkreise Mvrs-ReeS ist auf den 8. Februar anberaumt. Herr Gescher hat die Bewerbung um ein neues Mandat abgelehnt. Der Wahlkreis ist be kanntlich bei den vorigen Wahlen mit äußerster Anstrengung und knappster Mehrbeit zum ersten Mal den Ultramontanen entrissen worden. Die Gefahr liegt nahe, daß er jetzt wieder verloren geht, wenn nicht ein ganz geeigneter Candidat gefunden wird und wenn, was die Hauptsache ist, nicht alle Gegner der ultramontanen Partei fest zusammenhalten. Mannichfache traurige Erfahrungen in andern Wahlkreisen lassen diese Hoffnung allerdings nicht recht aufkommen. — Der LandwirtbschaftSininister, der Minister des Innern und der Cullusminister richteten einen Erlaß an die Ober präsidenten, worin anheimgestellt wird, die Einführung der allgemeinen Fleischbeschau in die Wege zu leiten. Die für die Provinz Hessen Nassau erlassene einschlägige Polizeiverordnung wird als Muster empfohlen. — Verschiedene Mitglieder von BerufSgenossen- schaften baden sich an das Reichsversicherungsamt mit dem Gesuch gewendet, ihnen eine Zinsvergütung für zu viel erhobene und erst später zurückerstattete Ümlagebeträge zu gewähren. DaS ReichSversicherungSamt hat indessen, den „Berl. Neuesten Nachr." zufolge, dieses Verlangen als im UtssällversicherungSgesetze nicht begründ^? zurückgetvkesen und sich außer Stande erklärt, die betreffenden BerufSgrnossen- schaften zur Zinszahlung an die Bittsteller anzuhalten. — Das katholisch-sociale Programm der kathos lischen Socialpolitiker Deutschland», welche» in der katholischen Presse im letzten Sommer veröffentlicht wurde, ist deni Papste mit der Bitte um Billigung de» Vorgehen» und um Verleihung de» apostolischen Segens zugegangen. Wie die „Rhein. Volksstimme" erfährt, hat der Papst der Bitte ent sprochen. — Im „Borwärt-" lesen wir: „Ein Flugblatt für die Weiter- führungdrSBoycottSsoll demnächst in Berlin verbreitet werden. Uns liegt ein Exemplar, gezeichnet von einem uo» unbekannten Herrn Koeppisch vor. Wir haben keine Veranlassung, auf den Inhalt dieses rein privaten Unternehmen» näher einzugehen, müsse» aber be merken. daß die Berliner BertraurnSpersonen, die Gewerkschafts- und die Localcommission, sowie die Boycottcommifsion der Sache in gleicher Weise vollkommen fern stehen, wie der Partrivorstand und die Redaktion de» „vorwärts". Daß derartige Schiebungen gegen den klar au »gesprochenen Willen der Berliner Parteigenossen auss Schärfste zu verurthrilrn sind, versteht sich für jeden Parteigenossen von selbst." — Der kaiserliche Gesandte in Marokko Graf von Tattenbach ist von Fr- nach Tanger zurückgrkehrt und hat die Geschäfte der Mission wieder übernommen. — Minister Thielen ist nach Geestemünde und Helgoland abgereist. * FrietzrtchSruh, 3. Januar. Wie der „Hamb. Corresp." meldet, befindet sich Fürst BiSmarck wohler al» im ver gangenen Sommer vor seiner Abreise nachVarzin; er mache täglich Spazierfahrten i« Sachsenwalde im offenen Wagen. Der Fürst empfange auch wieder Besuche: so war am Mitt woch Eisenbahnpräsident Junguickel au» Altona zum Frühstück geladen und von Berlin traf Graf Lehndorff ein. Außerdem verweilten Graf Herbert mit Gemahlin, Graf Wilhelm mit Gemahlin, Graf Rantzau mit Gemahlin und deren drei Söhne. Professor Schweninger und Professor v. Lenbach in Friedrichsruh. * Braunschweig, 4. Januar. (Telegramm.) Der Prinz-Regent hat den Landtag zum 31. d. M. eins- berufen. * An» her Provinz Sachsen, 2. Januar. Zum Eapitel der Ausgleichung des Arbeitermangels auf dem Lande durch städtische Arbeiter haben wir vor einigen Monaten an dieser Stelle mitgetheilt, daß der Verband zur Besserung der ländlichen Arbeiterverhältnisse für die Provinz Sachsen und daS Herzogtbum Anhalt sich das Verdienst er worben hat, auf diesem Gebiete zum ersten Male praktisch vorgegangen zu sein. Er hat verschiedene Städte der Provinz unter Hinweis auf die ihnen dadurch in Aussicht stehende Verminderung des öffentlichen Armen aufwands veranlaßt, ihr überschüssiges Arbeitsmaterial be stimmten Gutsbesitzern auf dem Lande zu überweisen, und damit auch Erfolg erzielt. Jetzt liegen dem Verbände die Berichte der betreffenden Gutsbesitzer über die Erfahrungen vor, die sie mit den ihnen zuaewiesenen Arbeitern erzielt haben. Sie gehen nach der „F. Z." im Großen und Ganzen dahin, daß es „auch nicht im Entferntesten den Erwartungen entsprochen" hat, die man berecbtlglermaßen stellen zu sollen glaubte, da jede Kenntniß auch der einfachsten ländlichen Arbeit fehlte, obgleich die Ansprüche an Lohn und Kost sehr hohe waren, ja „oft ins Ungemessene" gingen. * A»S Kurhesfen, 2. Januar. Angesicht» der theuren Brodpreise, welche mit den Körnerpreisen in gar keinem Ver hältnisse stehen, beschloß die Versammlung des Zweigvereins de» Bundes der dandwirthe für den Kreis Homberg, eine genossenschaftliche Brodbäckerei mit Centralverkaufs stelle in Homberg zu errichten. (Post.) * Aus Elsatz-Lottzringen, 2. Januar. Die reichsländische Regierung läßt gegenwärtig einen Plan ausarbeiten, nach dem die den Rbein entlang liegenden Landstriche künstlich bewässert werden sollen. Durch die seit 1842 im Gang befindliche Rheincorrection, die den Rbeinlauf auf ein Haupl- bett beschränkte, wurde zwar den Neberschwemmungen ein Ziel gesetzt, dieselbe hat aber gleichzeitig die ungünstige Folge gehabt, daß sich der Rheinspiegel und mit ihm das Grund- Wasser senkte. Dadurch hat sich die Fruchtbarkeit sehr ver mindert, und eine weitere Verschlimmerung ist zu befürchten, da sich der Rhein immer tiefer in sein jetziges Bett eingräbt. Abhilfe soll nun durch eine in großem Maßstabe auszuführende Bewässerungsanlage getroffen werden. Die erforderlichen Kosten dürften sich aus rund eine Million Mark beziffern. In den betheiligten Rbeingemcinden wird das Vorhaben der Regierung mit begreiflicher Genugthuung aufgenommen. * München, 2. Januar. Der Führer des niederbayerifchen Bauernbundes, 0r. Gäch, ist wegen einer Artikelserie, die er über die Stolgebühren der Geistlichen geschrieben hat, und wegen Arußerungen, die er in der gleichen Sache in Versammlungen gethan hat, in Untersuchung gezogen. Der Fall kommt vor das Schwurgericht, vr. Gäch hat behauptet, die Stolgebühren würden nach Willkür und hartherzig erhoben; die Psarrangehörigen hätten keine Gelegenheit, sie zu prüfen, auf diese Weise würden viele Millionen au» den Taschen de- Volkes unberechtigter Weise genommen rc. der Quadrille ertönten. Sie konnte nur solche Touren tanzen, und auch diese Bewegung wurde ihr schwer. „Welcher Jammer!" flüsterte in einer Gruppe einer der zurückbleibenden Herren. Alle sahen dem schönen Mäd chen nach. Mit schwerfällig schleppendem Gang hing sie Graf Adam am Arme. „Als ob die Göttin der Schönheit den Fuß gebrochen habe. Ein teuflischer Act der Vorsehung!" äußerte ein anderer. Nun rauschten die Orchesterklänge voller herüber. Die Sprechende» traten dem Ballsaal näher und sahen dem Tanz all dieser vornehmen Menschen zu. Als Graf Jarl um zwei Uhr nach Hause kam, und die Etagenthür aufschloß, hörte er heftige Unruhe, Zanken und Bellen. „Ah, Brand ist wieder da! Endlich au» dem Kranken asyl entlassen", murmelte er und seine Augen wurden lebhaft. Im nächsten Augenblick sprang ein riesiger dänischer Hund an ihm empor, und e» war, als ob zwei Freunde nach langer Trennung sich umarmten. Jarl drückte sein scharfgeschnittenes Gesicht mit einer Zärt lichkeit an die Wangen de« treuen Geschöpfes, al» ob e- Lieberr» für ihn nicht auf der Welt gäbe * * * „Gehe doch, gute» Dorfkind" sprach Graf Adam am nächsten Mittag nach Beendigung seine- Dienste», „einmal im Laufe de-Nachmittag- nach der Keitbstraße 119 und suche dort oder in der Nachbarschaft etwa» über die Frau Gräfin Kalte zu erfahren. Ich hoffe. Du körst nur das Beste. Aber Du wirst mir mitthrilrn, was die Welt sagt!" Nach der Entfernung des Diener« setzte sich Graf Jarl an Len Schreibtisch und erledigte Correspondenzen. Während er noch damit beichästigt war, erschien Franz meldete den Jarl befreundeten Rittmeister von Hadeln. Hadeln war ein hübscher Mensch mit einem ausdrucksvollen und Gesicht, zierlichen Formen und anmuthigen Bewegungen. Es war bekannt, daß e- der äußersten Anstrengungen der gänzlich unbemittelten Familie bedurft hatte, Julius von Hadeln militairisch zu fördern. Er war nun zwar kürzlich Rittmeister geworden und seine Position hatte sich verbessert, aber die Verhältnisse lagen doch immer noch äußerst schwierig. Hadeln hielt sich auch von der Geselligkeit sehr zurück und besaß, wie Graf Adam, viele geistige Interessen. „Ich wollte Ihnen mittbeilen, daß ich soeben vom Oberst gehört habe, daß Ihre Entlassung genehmigt ist, Jarl!" erklärt« Hadeln. „Lassen Sie mich Ihnen zugleich auSdrücken, wie sehr ich e» bedaure, einen solchen Kameraden zu verlieren." Hadeln sprach'» mit großer Wärme und reichte dem Grafen die Hand. Nachdem Jarl ihm seinen Dank für die guten Worte aus gesprochen, sagte er: „Sie gehen doch auch zum Baron von Helsdorff znm Diner, liebster Hadeln —" Hadeln nickte. „Ich wollte Sie gerade abholen!" „Vortrefflich! — Entschuldigen Sie mich nur einen Augen blick. Ich bin gleich bereit!" Al» Jarl die Thür zu seinem Schlafgemach öffnete, drängte sich Brand, sein prachtvoller Hund, heran» und näherte sich Hadeln unter lebhaftem Schweifwedeln. Auch schmiegte er seinen Kops an dessen Hand. „Famoses Zeichen für Sie! Hadeln! Dieser Köter hat einen Jnstinct für gute Menschen und böse Geister, der geradezu unheimlich ist —!" „So, nun begieb Dich auf Deinen Platz, und setze Deine Philosophie über die Seelen Deiner Mitbrüder dort fort! Peter Hunck, da« gute Dorskind, soll Dir nachher ein leckere» Mabl vorseyrn! Vorwärts!" Unter diesen Worten schickte er den verständnißvoll knur renden Freund und Vierfüßler zurück und verließ dann mit Hadeln dir Wohnung. Al» sie in dem offenen Gefährt deS Grasen nach Charlotten burg dahinflogen, sagte Hadeln: „Hören Sie, Jarl. Ich möchte gern ihren Rath einbolen!" „Bitte, liebster von Hadeln, befehlen Sie über mich!" „Bor etwa einem halben Jahr sah ich in der Pferdebahn, die vom Spittelmarkt nach dem Westen fährt, ein saScinirend schönes Mädchen. Da sie am Lützowplatz auSstieg, that ich dasselbe, velsolgte sie vorsichtig »nd stellte fest, daß sie in der Schill-Straße wohnte. Der Vater ist ein in Holland lebender Kaufmann gewesen und bat eine Wittwe und dieses reizende Mädchen zunickgelaffen. Mich ibr zu nähern, war anfänglich ganz unmöglich, zuletzt aber gelang eS mir doch, und zwar durch Vermittelung eine- mir befreundeten Assessor-, der mit der Familie zufällig in demselben Hanse wohnt. Ich erfuhr dann, daß da« Mädchen verlobt sei. Seltsamerweise hatten indessen weder die Mutter noch sie jemals darüber gegen meinen Freund rin Wort fallen lassen. Es kam die Thatsache erst bei einem Gespräch zwischen mir und ihr zum Vorschein. „Trotz dieser mich sehr enttäuschenden Mittheilung habe ich sie doch wiederholt im Hanse ihrer Mutter wiedrrgesehen und den Eindruck empfangen, daß sie keineswegs glücklich mit ihrem Verlobten ist. „Und um das Letzte zu sagen, lieber Jarl! Ich bin über zeugt, daß sie mir gut ist und nichts lieber wünschen würde, als die Beziehungen zu ihrem Bräutigam zu lösen. — WaS meinen Sie dazu?" Jarl batte seinem Freunde sehr aufmerksam zngehört. Bei dem letzten Satze wandte er sich, wie überrascht, zu ihm und sagte: „WaS ich meine? Ich verstehe nicht!" „Ja, ich meine: Halten Sie eS für uncavaliermäßig, auf das Mädchen einzuwirken, daß sie die Verlobung aufgiebt und meine Frau wird?" „Hm — hm, so, so! Ja, das meine ich allerdings. Ich betrachte Eingriffe in solche Verhältnisse für nicht statthaft. Denken Sie, bester Hadeln, daß Ihnen daS passirte. Sie würden doch Ihrem Concurrenten einige Schrotkörner stärksten Kaliber- durch den Leib jagen —" „Vielleicht! Vielleicht auch nicht! Vergessen Sie nicht, daß da« Mädchen sehr unglücklich ist, entschieden nur nach einem Vorwand sucht, die Sache zu lösen." „DaS glauben, daS hoffen Sie! Aber Beweise! Haben Sie die? Hat sie eS Ihnen gesagt?" „Nicht direct, aber indirekt —" „Haben Sie ihr denn eine Erklärung gemacht?" „Nein, durchaus nicht! Sie hat mir aber wiederholt ge sagt, daß sie fiible, daß sie nicht für ihn paffe. Er sei jedoch ein so braver Mensch!, daß sie ihm nicht wehe thun möge. DaS heißt doch: Ich möchte die Berbindnng lösen, wenn ich nur darüber fort käme! Ist daS richtig?" „Ich glaube ja! Und weiter?" „Weiter nicht-, als daß ich hoffe, daß sie mich wieder liebt." „Woraus schließen Sie da» — wenn die Frage erlaubt ist?" „AuS kleinen Dingen, auS Blicken, Aufmerksamkeiten." „Sie ist jedenfalls nicht ohne Cocetterie!?" „Nicht mehr, al» eine Frau sein muß. Sie ist bezaubernd — eigenartig" —" „Natürlich! Diejenigen Frauen, die wir lieben, sind alle wahre BergwerkSbesitzermnen an guten Eigenschaften. — Wie steht denn die gute Aja zu der Sache?" „Daraus werde ich nicht recht klug. Ich glaubt aber, sie hätte lieber den Herzog von Westminster für ihre Tochter al» mich armen Krautjunker. Sie scheint sehr viel Sinn für Gold und Silber zu haben." „Allerdings eine Passion, die sehr selten ist!" lachte Jarl. „Geld ist der in der Welt umherwandelnde Teufel!" „Sie können wohl reden, Jarl!" Sie brauchen jeden Tag ein paar Stunden, um sich die Finger von dem Staub ge zählter Silbertbaler zu reinigen!" „Ja, ja, nächstens kaufe ich die ganze Erde und den ganzen StriuS dazu! Ernsthaft gesprochen, und in Wirklich keit, habe ich, um Ihnen einmal reinen Wein einzuschenken, nur eine reichliche Revenüe au» der Herrschaft Canwe, die ursprünglich, al» ich sie erbte, trotz Ausdehnung und Ertrags - fäbigkeit so stark belastet war, daß sie kaum Zehntausend Mark abwarf. Es ist daS zwar ganz anders geworden durch vernünftige Maßnahmen, sehr günstige Conjuncturen und glückliche Tcheilverkäufe. Aber im tiefsten Vertrauen ge sprechen, sie ist nur in geschickten Händen bis jetzt ein lukrativer Besitz. Wenn ick Campe heute verkaufte, würde ich, wie die Dinge liegen, keine 80 000 Mark für mich Heraus kriegen. Erst mit der Zeit, nach zehn, fünfzehn Jahren, hoffe ich die Herrschaft so frei gemacht zu haben, daß sie das für mich ist, wofür man sie hält. Auch hier ist, wie oft, in Folge der maßlosen Verschwendung der Vorbesitzer sehr viel Schein und wenig Wirklichkeit! Doch nun zurück zu unserm Gespräch, lieber Freund! Wenn Sie mich fragen, sage ich: bleiben Sie davon! Ja, ich wäre sogar dafür, daß Sie da« Hau- nicht wieder besuchen. DaS ist hart, aber Tugend und Anständigkeit, wenn Sie mit unfern Leidenschaften in Conflict geratben, schmecken nie nach Marzipan." „Sie haben gut reden, Jarl. Ich bin zum Todtschießen in da- Mädchen verliebt —" „So schießen Sie sich lieber todt, Hadeln!" „Wieder ein Beweis, daß Sie von Frauenliebe noch nicht berührt sind. Man sagt'S Ihnen immer nach! Sie würden sonst nicht so sprechen. Wer liebt, will besitzen. Ich bitte, abstrahiren Sie einmal von der Gewohnheit-moral und rathen Sie mir." „Ich weiß Ihnen bei Gott nicht zu rathen! Wenn ich an Ihrer Stelle wäre, ließe ich mich versetzen! — Hören Sie, Hadeln? Ich reise demnächst auf meinen Besitz. Nehmen Sie Urlaub und begleiten Sie mich. Andere Eindrücke werden die Passion verwischen. Bedenken Sie, wie viele schöne Töchter Eva« auf der Erde umherwandeln und die Augen nach einem Mann anfschlagen. Ja, wenn da» Mädchen selbst die Verlobung löste, unzweideutige Beweise ihrer Neigung für Sie an den Tag legte! Sie aber dürfen absolut nicht« dazu thun. Da» ist meine ehrliche Meinung." (Fortsetzung folgt.)
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