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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.01.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-01-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950112020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895011202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895011202
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-01
- Tag1895-01-12
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der Zaren Nikolaus ll.» aus. 9a das dreimalige Hurras fiel die Musik mit der russischen Nationalhymne ein, die stehend gehört wurde. Darauf toastete der Botschafter Graf Schuwalow aus Kaiser Wilhelm. Dem Toast folgte da» Abspieleo der preußischen Nationalhymne, die evenfall- stehend angehört wurde. Nach einer Pause stand der Kaiser zum zweites Male auf zu einer längeren Ansprache au den Grafen Schuwalow, welche er im Namen de- Obersten von Sausin und de- gesammten OfficiercorpS de» Alexander-Regiment- an denselben richtete. Der Kaiser hob besonder- hervor, daß er und da- Officiercorp» den Botschafter al» Regiments kameraden betrachteten und daß e- für sie Alle schmerzlich sei, ihn au- ihrer Mitte scheiden zu sehen. Unter Ueder- reichung eines Fahnenträger» in Bronze in der Uniform de- Regiment- forderte der Kaiser die Anwesenden auf, mit ihm die Gläser zu erheben und dieselben auf da- Wohl de- SiegerS von Philippopel und de» ErstürmerS der festen Position von Arab-Konak, de» Grafen Schuwalow, zu leeren. Tiefbewegt dankte dieser und richtete an die Tafel runde die Aufforderung, nochmals auf das Wohl des Kaiser- Wilhelm zu trinlen, er thue die» jetzt im Namen seine- Herrn und Kaiser-, de- Zaren NicolauS. * Berlin, 11. Januar. Die Mittheilung einiger Zeitungen, wonach auf kaiserlichen Befehl den an den Arbeiten im Weißen Saale betbeiligten Arbeitern am NeujabrStage eine außerordentliche Zuwendung zu Tbeil geworden ist, hat dem „Vorwärts" in seiner Nummer vom 5. d. MtS. zu berichtigenden Bemerkungen über die Zahl der bedachten Arbeiter Anlaß gegeben. Er stellt fest, am 29. December seien nur noch etwa 150 Mann am Schloßbau beschäftigt gewesen; demnach habe die Zuwendung nicht an 600 Arbeiter, wie in den Zeitungen gesagt worden war, erfolgen können. Dem gegenüber bemerkt die ofsiciöse „Berliner Corresp.", daß e- auf die Zahl der am 29. December beim Schloß bau noch beschäftigten Arbeiter gar nicht ankomme. Diese war nicht nur für die zu jener Zeit noch beschäftigten, sondern für alle Arbeiter bestimmt, welche im letzten Jabre während einer gewissen Dauer beim Umbau des Schloßflügel» thätig gewesen sind. Wenn deren Zahl auf 600 angegeben worden ist, so beruhte das auf einer vorsichtigen Schätzung; in Wirklichkeit ist die Zahl bei Weitem größer. Die kaiser liche Zuwendung wurde sofort am Neujahrstage an 220 ver diente Arbeiter verabfolgt, weil nur diese augenblicklich er reichbar waren. Die übrigen Arbeiter konnten erst ermittelt werden, nachdem die Werkmeister ihre Listen eingereicht batten, und gelangen, soweit die- inzwischen nicht schon geschehen, auf diese Weise selbstverständlich ebenfalls in den Besitz der Zuwendung. * Berlin, 11. Januar. In einer vom Deutschen Antisemiten-Bund nach dem „Lindenpark" in Schöneberg einberufenen Versammlung sprach Ahlwardt über da- Thema „Deutsche» Volk erwache!" Er führte nach der „Post" Folgendes aus: Zwei große Ltrömungrn gingen durch unser« Zeit, auf der einen Seite die Reaction, auf der anderen die Revolution; der zwischen beiden sich befindende deutsche Mittelstand würde von ihnen ver schlungen. Angesichts solcher trüben Zustände müsse man erstens fragen, wer Schuld daran, und ferner, was zu thun sei, um ohne Opfer aus ihnen herauszukommen. Was die Schuldfrage betreffe, so sei znnächst das römische Recht als eines der Hauptübel zu neunen. Die Römer seien ein Volk von Spitzbuben gewesen, die den freien deutschen Männern ihr Recht, das Recht des Beutemachrns, aufgedrängt hätten. Noch heute werden wir »ach Gesetzen ge richtet» die wir nicht verstehen, von Richtern, die wir nicht kennen, werden wir abgeurtheilt. Neben dem römischen Recht seien die Juden an den gegenwärtigen Zuständen schuld. Unsere Vorfahren, die ein gastfreies Volk waren, haben auch die Juden freundlich auf. genommen. AlS sie zum ersten Male die Fremdlinge auS Asien sahen, mögen sie ja ein verwunderte- Gesicht gemacht haben, aber ihre Gastfreundschaft siegte, da sie glaubten, die Juden würden, wie so viele andere Angehörige fremder Völker» auch gut deutsch werben. Dieser Jrrthum habe sich bitter gerächt, die Juden seien jetzt die Herren des deutschen Volke-, mehr als die Hülste des Nationalbesitzes, 22 bi- 23 Milliarden, gehöre ihnen. (Hört, hört!) Um auS den traurigen Zuständen herauszukommen, müsse sich das deutsche Volk zu einer männlichen That er- hebe», und deshalb rufe er: „Deutsches Volk erwache!" Das römische Recht müsse ersetzt werden durch deutsche- Recht und die Lösung der Judenfrage ernstlich in die Hand genommen werden. Redner will nichts von kleinlichen Heilmitteln wissen, daS sei so gut, als wenn man einem Schwindsüchtigen Hoffmannstropfen eingebe (Lachen.) Er sei für eine Radicalcur. Die Juden beten alle Morgen, daß sie Gott in das Land ihrer Väter zurücksühren möge — uun, dazu wollen ihnen die Antisemiten gern helfen (Großer Beifall). Sie wollen den Türken Geld geben, daß sie den Juden Palästina abtreten (Lachen); dahin wollen wir die Juden bringen, ihnen Ackergeräth und Lebensmittel schenken und ihnen auch noch Sabathgois mitgeben. Eugen Richter und Professor Birchow würden gewiß gern mitgehen! (Lebhafter Beifall und Lachen.) Die Juden aus Deutschland! DaS sei daS einzige Mittel, die Judenfrage zu lösen, das sei das einzige Programm der radikalen Antisemiten! (Großer Beifall.) Wenn daS römische Recht beseitigt und die Judenfrage gelöst sei, dann müßten wir der kapita listischen Ausbeutung ein Ende machen und eine vernünftige Lolkswirthschaft einführen, durch welche die Arbeitsfrüchte denen zufallen, welche die Arbeit verrichten. Der Redner verwies die Zuhörer auf seine Broschüre (natürlich! Red.) „Der Bundschuh", die sein sociales Programm enthalte, und schloß mit den Worten: „Fort mit dem Schmutz de» römischen Rechtes, fort mit dem ekelhaften E- war die Unbekannte au» dem Grunewald, die er vor sich erblickte. Sie faß zurückgelehnt auf der Bank und zeichnete, in tiefe» Sinnen verloren, mit einem Gartenstock Figuren in den Sand. Nach einer Weile aber erhob sie da- Auge, stützte die Hände auf den Stock, schaute mit einem schwermüthigen Blick geradeaus in die Gegend, über Wiesen und Felder, und stieß einige mit lebhaften Gesten begleitete Worte heraus. „Ah? Was höre ich! flüsterte Graf Jarl bewegt, be zwang sich jedoch und schritt langsam, schon auS der Ferne durch Lüften des HuteS grüßend, auf da- junge Mädchen zu. „Der Cantor und Sckullehrer de- Dorfe-, Karl Harder!" sagte er, einen etwa- platten Ton copirend und sich unge schickt vorstellend. „Ich hörte von der Frau Pastorin, daß Sie im Garten seien. Ich bitte um die Erlaubniß, mich Ihnen nähern zu dürfen." Tefsa stutzte bei dem Ton der Stimme. Dann aber da bärtige Gesicht mit raschem Auge überfliegend, grüßte sie ohne Befangenheit, aber auch ohne sonderliche- Interesse. „Wollen Sie vielleicht Platz nehmen!" stieß sie darauf, sich etwa- steif verneigend, heraus. Und dann mehr, um etwa- zu äußern: „Sie kennen jedenfalls meinen Verlobten, den Architekten Eduard Halbert'S? Vielleicht hat er sogar Unterricht bei Ihnen genoffen? — Aber nein, — schwerlich — Sie werden doch höchsten- " Sie stockte. „Mein AeußereS muß jedenfalls eine starke Altersdeutung zulaffen", siel der Graf nnt seinem Spott ein. „Rathen Sie einmal, wie alt ich bin?" In Teffa'S Züge legte sich etwa- sehr Spröde-. Der Herr Harder hatte eine überlegene Art, die ihr äußerst miß fiel. Ihr schien, daß eine so kurze Bekanntschaft eine solche Sprechweise nicht rechtfertige. Sie entgegnete deshalb kurz und kühl: „Ich bin gar kein Rechenmeister, Herr Cantor? Es scheint mir einfacher, daß Sie Ihr Alter nennen, wenn e- zu erörtern von Wichtigkeit ist." „Herr Cantor! Wie da- klingt! Wirklich allerliebst au» Ihrem Munde, mein Fräulein!" Tefsa sah rasch und stolz empor. Der Fremde schien nicht nur nicht ringeschüchtert, sondern sich noch über sie lustig machen zn wollen. „Ich kann Sie auch Herr Schulmeister nennen, wenn Sie das beglückt!" stieß sie spitz heraus. „Also, Herr Schul Judenthum l Deutsche» Volk erwache l" — Ln de» «it lebhaftem Beifall ausgenommen«» Vortrag schloß sich «tue Di-cusfion, in der auch Gegner Ahlwardt'» da- Wort nahmen. — Wie die „Boss. Ztg." wisse» will, sind in den kommenden Monaten in den höheren Commandostellen der Flotte zahl reiche Personalveränderungen zu erwarten. — Die ofsiciöse „Bcrl. Eorr." schreibt: In Anbetracht der von vielen Seiten betonten Dringlichkeit eine- gesetz geberischen Einschreitens gegen unredlich« Machenschaften im Handel und Verkehr hat die Regierung den Wunsch, das Gesetz über die Bekämpfung des unlauteren Wett bewerb- so bald al- möglich zu verabschieden, und e» ist daher al» Zeitpunkt für die Berathung der Vorlage im Bundr-rath vorläufig die zweite Hälfte de» Februar in Aussicht genommen. In dreien, Falle würde für die Be- ralhung rm Reichstage voraussichtlich noch genügende Zeit bleiben. Die betheiliqten Kreise, die auf die Berücksichtigung etwaiger Wünsche Werth legen, werden gut thun, möglichst bald za dem Entwürfe Stellung zu nehmen. — In der Budget-Commission de» Reichstage» ist, wie berichtet, ein erstaunlicher Vorgang zur Sprache ge kommen: der Posten de- Stadtkommandanten von Altona ist, obgleich er im Etat de» laufenden Jahre» al- „küastig wegsallend", d. h. nach etwaiger Erledigung nicht wieder besetzbar, bezeichnet war, nach eingetretrnrr Vacanz von Neuem besetzt worden. Da» ist eine Gesetz- Verletzung, die sich durch nicht- rechtfertigen läßt; die Mißbilligung derselben wurde in der Commission denn auch von allen Seiten, nur mit Unterschieden in der Stärke de- Au-druckS, bekundet. Man kann sich, bemerkt die „Nat - Ztg", den Vorgang nur so erklären, daß im Militaircabinet bei dem Vorschläge rur Wiederbesetzung de-Posten- die etats rechtliche Lage der Sache übersehen und daß aus dem Kriegs- Ministerium nicht rechtzeitig Einspruch erhoben worven ist. ES bleibt abzuwarten, welche Schritte dasselbe dem Reichstage gegenüber thun will, nm die begangene Verletzung des EtatS- rechts zu heilen. Die Commission hat die Beschlußfassung verschoben. — Der Bunde-rath ist, der „Kreuz-Ztg." zufolge, mit der Frage beschäftigt, den in Deutsch-Ostasrika und anderen Schutzgebieten dienenden Unterofficieren den Civil- dieust-BerechtigungSschein zu verleihen. Der Ausschuß des BnndeSrathS, der sich am Donnerstag mit der Angelegen heit befaßte, habe sich in bejahendem Sinne entschieden; daher sei anzunehmen, daß der Bundesrath in diesem Sinne Beschluß fassen werde. — Ueber den Bierboycott wurde in der gestrigen öffentlichen Delegirtenversammlung der Berliner GewerkS- schaftScommission debattirt, nachdem die Vertreter der Brauereiarbeiter die bekannten Einwendungen gegen dessen Aufhebung vorgebracht und den Gewerkschaften wenigstens den „stillen Boykott" empfohlen hatten. Es wurde, wie wir der „Post" entnehmen, mitgetheilt, daß 205 Brauereiarbeiter, die allerdings nicht am 16. Mai ausgesperrt, sondern vor oder nach diesem Termine entlassen seien, vom Verein der Brauereien nicht zu der Wahl deS CuratoriumS zugelaffen werden. Die BoycottcommrssionSmitglieder finden, daß dicS Vorgehen keine Verletzung der Friedensvereinbarungen invvlvire, und wenden sich gegen den „stillen Boykott", weil dadurch den Brauereien eine Berechtigung gegeben würde, auch ihrer seits die gemachten Versprechungen nicht zu halten. Nach längerer DiScussion wurde der geschäftsführende Ausschuß der Gewerkschaftscommission beauftragt, im Verein mit der Boycottcommission und den Vertretern der Brauereiarbriter festzustellen, inwieweit die Brauereien die Listen der Aus gesperrten ignorirt haben, und da» Ergebniß binnen acht Lagen der Commission mitzurheilen. — Um mit der Berathung der Initiativanträge beginnen zu können, haben die Parteien, dem „Vorw." zufolge, ich dahin verständigt, daß jede Partei den Antrag, worauf ie besonder'» Werth legt, bezeichnet. Dieser erhält die Priorität. Die Reihenfolge richtet sich nach der Stärke der Fraktion. Darnach wird mit dem Anträge, betreffend die Aufhebung de- Jesuiten ge setze-, der An fang gemacht werden. — Die „Köln. BolkSztg." verzeichnet ein angeblich in hiesigen diplomatischen Kreisen umgehendes Gerücht, wonach StaatSsecretair Frhr. v. Marsch all demnächst als Nach folger de- Grafen Hatzfeld als Botschafter nach London gehen werde. Die Bestätigung dieser Meldung bleibt ab zuwarten. — Betreffs der Jnschrifttafek am Reichstag-« gebäude schreibt man der „V. Ztg." u. A.: „Da der Ban dem Reichsamt des Innern unterstellt war, so läßt sich nur annehmen, daß die Entscheidung über den Wortlaut oder eine Vorlage darüber an Allerhöchster Stelle durch Herrn v. Börtlicher in Anbetracht der bekannten abfälligen Be- urtheilung de- Bauwerke» als unbequem empfunden und deshalb unterlassen wurde. Andernfalls wäre eS unbe greiflich und ebenso unverzeihlich, daß dir Commission e» versäumte, während der Einrüstung deS Westgiebels die In schrift zu beschließen, deren Anbringung nachträglich nicht un erhebliche Kosten verursacht." — Ahlwardt sendet der „StaatSbürger-Ztg." ein Schreiben, in welchem er erklärt, daß er der Fraktion der deutsch-socialen Reformparkei nvr akr Hospitant beigetreten sei, um so Gelegenheit zu haben, den FractionSsitzungrn beizuwohnen und die Mitglieder von der Bortrefflichkeit (!) seine» Programm» zu überzeugen; erst nach etwaiger Abehnung seiner Programm- Vorschläge durch die Parteileitung würde er sich für berechtigt halten, seinen eigenen Weg zu gehen. — Gegenüber der Nachricht von der Verschmelzung der drei antisemitischen Organe erklärt da» Blatt „Frei-Deutschland", „daß Frei-Deutschland weiter bestehen bleibt und mit den Verschmelzung»- bezw NeugründungS- Plänen und -Beschlüssen jener „Commission" nicht da» Mindeste zu thun hat". — Eine anarchistische Versammlung hat bekanntlich beschlossen, den „Socialist" eingehen zu lassen. Man schickte sich darein mit dem Bemerken, daß die anarchistische Propaganda auch andere Mittel habe als öffentlich er scheinende Zeitungen. Das Auftreten deS Socialdemokraten Auer im Reichstag gegen die Anarchisten wurde als Infamie bezeichnet. Von mehreren Seiten wurde der Wunsch aus gesprochen, die anarchistischen Arbeiter möchten durch prak tische- Handeln zu wirthschaftlicher Macht zu ge langen suchen. Als geeignete- Mittel wurde die Gründung von Productivgenossenschaften empfohlen. In erster Reihe sollten die Bauarbeiter zu einer Genoffenschaft zu- sammentrelen, um die Ausführung von Bauten ohne Zwischen- meister selbst in die Hand zu nehme». Ans solche Weise werde mehr erreicht, al- durch unnütze und kostspielige Streik-, Reden und Demonstrationen, die nur zur Füllung der Ge fängnisse beitragen. — Der erste Secretair bei der Botschaft in Wien, Legaiionsrath Prinz von Ratibor und Corvey, ist zum Generalkonsul in Pest ernannt worden. Den Consulposten in Havre erhält der bisherige Eonsul in Serajewo, v. Orrtzen. Sein Nachfolger in Serajewo wird Eonsul vr. Kriege, früher Eonsul in Asuncion. Das Eonsulat in Kanton wird Consul vr. Knappe übernehmen; die Eonfnlstelle in Tiflis ist den, bisherigen Biceconsul in St. Peters burg, vr. Mühlig, zugesallen, während dem bislang in Havre commissarisch thätigen Regierungsrath vr. Perl der Consulposten in Rotterdam verliehen worden ist. * Königsberg i. Pr.. II. Januar. General von Werder erhielt das Großkreuz des Rothen Adler-Ordens mit Eichenlaub und Schwertern am Ringe. * AriedrichSnch, 11. Januar. Ueber den Besuch deS Grafen Schuwalow schreibt dem „B. T." ein Bericht erstatter: „Der Abschiedsbesuch des Grafen Schuwalow beim Fürsten Bismarck ist auf directe Autorisation des Zaren erfolgt, welcher an dem Befinden des alten Reichskanzlers jelbst wiederholt lebhaften Antheil bekundet hat. Der greise Fürst bat über diese Begegnung mit einem seiner besten aus ländischen Freunde, der in guten wie in schlechten Tagen treu zu ihm gestanden hat, große Freude empfunden und dies dem neuen Generalgouverneur gegenüber auch wieder holt zum Ausdruck gebracht." * Geestemünde, lO. Januar. Die hiesige Handelskammer hat unter dem Eindruck deS Unglücks, das durch die letzten Stürme über unsere Fischdampserslotte und ihre Besatzungs mannschaften gekommen ist, noch einmal eine Eingabe an den Reichskanzler gerichtet, die das dringende Verlangen stellt, die Fischdampfermannschaften gegen Unfall zu versichern * Pndewitz, 10. Januar. Ein neues Beispiel deutsch feindlicher Agitation von Seiten katholischer Geist li cher berichtet daS „Posener Tagebl.". Der hiesige Probst R. (ein geborener Westfale!) ist bei de» Polen herumgegangen und hat ihnen gesagt: Kauft nicht bei Deutschen! * Schmalkalden, 11. Januar. Nach dem „Schm. Tage blatt" ist der konservative Candidat v. AlveuSleben zu Gunsten veS antisemitischen Pastor- J-kraut in Bielefeld znrückgetreten. * Stuttgart, 10. Januar. Der König hatte gestern eine längere Besprechung mit dem commandirenden General v. Wölckern. Mehrere Blätter verschiedener Parteirichtung besprechen äußerst mißfällig den angekündigten Wechsel im Generalcommando (Ersatz v WölckerrrS durch den preußischen Generallieutenant v. Lindequist). — Die „Schwab. Tagw." schreibt: „Der frühere ReichstaaSabgeordnete v. Münch muß, wie wir auS sicherer Quelle erfahren, vom 11. d. M. ab der Beobachtung seines Ge isteSzust and eS in der psychiatrischen Klinik in Tübingen sich unterziehen, zur Feststellung, ob er bei Abfassung einer Broschüre im Februar 1893, in welcher seine Verurteilung wegen Beleidigung des Geheimen Hof rathS Colin als amtsverbrecherisch bezeichnet war, zurech nungsfäbig gewesen ist". * Augsburg, 10. Januar. In diesen Tagen soll, wie die „AugSb. Postztg." wissen will, vom erzbischöflichen Ordinariat München - Freising eine Verordnung er lassen werden, die es dem Seelsorgeklerus verbietet, in Zukunft als Vorstand oder Rechner einem Raiffeisen- Verein anzugehören. DaS genannte Blatt hegt starke Zweifel an der Richtigkeit dieser Meldung, weil eine solche Maßnahme den Ruin der Raiffeisen-Vereme bedeuten würde. Oesterreich-Ungarn. * Triest, 11. Januar. DaS slovenische Blatt „Edinost' veröffentlicht eine Zuschrift der vier slovenischen Ab geordneten de» Triester Landtag- aa den Bürgermeister Pitteri, in welcher erklärt wird, sie würden von den Land tags-Verhandlungen fern bleiben, weil sich die compacte italienische Mehrheit gegenüber den Interessen der slovenischen Bevölkerung principiell ablehnend verhalte, und weil sie im Landtage Insulten voa Seiten der Galerien schutz los au-gesetzt seien. * Prag, II. Januar. Landtag. Jauba begründete einen klntraa auf Revision der Landtagswahlordnung und erklärte, die Jungtschechen als Demokraten würden niemals von dem allge meinen Stimmrecht ablassen. Der Antrag wurde einer Lom« Mission überwiesen. Kasten begründete etaen Antrag auf Aus hebung des Ausnahmezustände-, wie- aus die Loyalität des tschechischen Volke» hin «ad apprllirte an die Deutschen, die, wenn sie wahrhaft liberal seien, für die Aufhebung stimmen müßten. Der Redner beantragte die Ueberwrisung de» Antrages aa eine Com mission. Hierfür stimmten nur die Alt- und Juogtschechea, so daß der Antrag «. timiae abgewtesen wurde, was Entrüstuags- rufe der Tschechen veraalaßte. Hierauf wurde di« erst« Lesung de» Antrages Scholz ans Erlaß eines Gesetzes, betreffend den Gebrauch der beiden Landessprachen Seitens der öffeat- lichrn Behörden Böhmens begonnen. Nächste Sitzung morgen. — Am Schluss« der heutigen Sitzung brachte Rteger im Namen der Alttschechen eine» Antrag ein. welcher besagt, daS Landtags- Wahlrecht solle auf alle bisher unvertretenen Volksclaffen aas- gedehnt und allen wichtiger? Volksschichten Vertretung im Landtag« gewährt werden; ferner sollen die Wahlbezirke nach riuem für beide Nationalitäten gleichen Maßstabe ringetheilt und in den Land gemeinden directe Wahlen abgrhalten werden. Die Regierung soll aufgefordert werden, das Recht des Landtage- zur Beschickung des RrichsratheS wiederherzustellen. * Pest, II. Januar. Der „Pester Lloyd" schreibt: Baron Bansfy war in der heutigen Audienz bereit» tu der Lage, dem Könige Vorschläge bezüglich der Besetzung der einzelne» Porte- feuilleS zu erstatte», Vorschläge, welche die Genehmigung des König- erhielten. Baron Bansfy, welcher vor seiner Audienz dem bisherigen Ministerpräsidenten «inen Besuch abgestattet hatte, fuhr von der Hosburg abermals zu Wekerle, der als der Erste seinen Nachfolger im Ministerpräsidiuni beglückwünschte. Hierauf machte Baron Bansfy sich sofort ans Werk, um die Verhandlungen bezüg lich der Bildung deS Cabiuet- ia Angriff zu nehmen. Unseren, Informationen nach hat sich Baron Bansfy nächst dem Minister- Präsidium auch das Ministerium des Innern Vorbehalten, wie dies vor der Premierschaft Wekerle'S stets üblich war. Sein erster Weg vom Ministerpräsidium führte ihn zum LanbrSvertheldigungsminister Baron Fejervary, dessen Verbleiben im dabinet gesichert erscheint wie da- des UnterrichtSministerS Barou EvetvoeS. Von da ging Baron Bansfy in das Finanzministerium, wo er mit dem Staats- secretair Ladislaus LukacS Rücksprache nahm, dessen Ernennung zum Finanzminister schon vor längerer Zeit ia Anregung gebracht worden ist. Sodann begab sich Bansfy zum Minister deS Innern Hieronymi, dessen Verwendung im neuen Cabiaet, wenn auch als Leiter eines andere» Ressorts, von mrhrrrru Seiten gewünscht wird. Wie man glaubt, dürfte Josipovich als Minister für Kroatien auch im neuen Cabinet erhalten bleiben, während als Nachfolger Szilagyis im Justizministerium ein Politiker in Aussicht genommen ist, der als ehemaliger langjähriger Mitarbeiter Szilagyi's in seiner Person die größten Bürgschaften für die Fortführung dcö von seinem Vorgänger begonnenen Werkes zu vereinigen scheint. ES verbleiben nur noch das Portefeuille für Acker bau und daS Ministerium a lutero in Schwebe; auch be- züglich dieser Ministerien dürften die Unterhandlungen in den nächsten 24 Stunden wohl zu einem gedeihlichen Ende geführt haben. Baron Bansfy war in seiner heutigen Audienz beim Könige auch in der Lage, seine Ansichten bezüglich der Besetzung des Präsidiums des Abgeordnetenhauses, welche freilich auf dem Weste freier Wahl zu erfolgen hat, zu entwickeln, und wir können, so schließt der Artikel, sicherlich zu allgemeiner Genugthuuug der liberalen Partei mittheilen, daß ein« etwaige Tandidatur deS bis herigen Justizministers Szilagyi zum Präsidenten deS Ab- geordneteuhause- an allerhöchster Stelle mit Beruhigung auf- genommen würde." * Parenzo, 11. Januar. Gestern Abend versammelte sich eine größere Volksmenge vor dem Landtagsgebäude, brachte den italienischen Abgeordneten eine Ovation und durchzog, ein italienische- Lied singend, die Stadt. Um 10 Uhr herrschte wieder vollständige Ruhe. * Agram, 11. Januar. Prinzessin Beatrix von Bourbon, die Schwester der Erzherzogin Bianca, wurde beute Vormittag beim Besuche der Kirche durch eine vom Kirchendache fallende Schneelawine am Kopfe getroffen und stürzte ohnmächtig zusammen; die Prinzessin erlitt je doch keinerlei Verletzung und befindet sich wieder voll kommen wohl. Schweiz. * Zürich, ll. Januar. Der Staatsrath hat die Ein führung einer Arbeitslosen-Versicherung beschlossen. Italien. * Rom, 1l. Januar. Die Eröffnung des StrafrechtS- cursu- des socialiftischen Depntirten Enrico Ferri gestaltete sich zu einer großen tumultnarischen Demonstration der meister, wie alt sind Sie? Oder sollen wir da- Gesprächs thema wechseln?" Graf Adam lachte still in sich hinein. Sie hatte ein sehr fertige- und stolze- Wesen, aber er mußte zugestehen, daß sie jast dazu gedrängt ward, den Herrn Cantor und Schulmeister rn seine Grenzen zurückzuweisen. Er wurde einer Antwort auf ihre Frage überhohen, weil in diesem Augenblick die kleine Frau Betty heran gewatschelt kam. „Ah, da sind die Herrschaften!" ries sie schon au» der Ferne. „Ich wollte fragen, ob e» Ihnen gefällig ist, bei uns ein wenig zu frühstücken! Du hast auch hoffentlich Appetit, Tefsa!" Jarl entschuldigte sich, er lehnte ab. Er wolle von hier gleich den Weg über die Gartrnbrücke nehmen und in- Dorf gehen. Mit cavaliermäßiger Artigkeit Teffa'S Hand fassend und zum Munde führend, sagte er: „Ich empfehle mich Ihnen, mein gnädigste- Fräulein! Gestatten Sie mir, Ihnen zu sagen, wie sehr es mich gefrxut hat, daß Eduard eine so vollendete, ja beneivrnSwerthe Wahl getroffen hat. Hoffentlich haben meine Schwester und ich recht bald da- Vergnügen, Sie in unserem Schulhau» zu begrüßen I" Nach diesen Worten drückte er auch rasch der Pastoriu die Hand und war wenige Augenblicke später schon ihren Blicken entschwunden. „Schulhau-! SchulhauS! Wa» soll da» heißen?" fragte Frau Betty, während sie Tefsa einbakte und mit ihr dem Wohnbau» zuwanderte. „Will er Dir etwa- in der Schule zeigen?" „Nein, da» wohl nicht! UebrigenS eia sonderbarer Herr, dieser Cantor Harder! Ist er schon lange hier?" ent- gegnete Tefsa. Die Pastorin löste überrascht den Arm au- dem ihrer Schwiegertochter. „Cantor Harder? WaS sprichst Du da? — Ich verstehe dich nicht —" „Nun, eS war doch der Cantor und Schullehrer Harder, Mutter —" „Ach Tborheit k E» war ja Graf Adam von Jarl, dessen Herrschaft hier am Au-gang de» Dorfe» liegt. Wir sprachen doch noch gestern von ihm, und Eduard wird Dir oft von ihm erzählt haben." Nun erzählte Tefsa ia starker Erregung die Einzelheiten der Unterredung. „Dieser ewig zum Schabernack aufgelegte Bösewicht l DaS sieht ihm doch wieder recht ähnlich! Dich in solcher Weise anzuführen, sich als Cantor Harder vorzustellen. Merktest Du denn aber nicht gleich, daß er Unsinn trieb, Tessa?" Tefsa zuckte die Achseln, dann antwortete sie Da-, WaS sie zu sagen hatte. In jedem Fall aber konnte sie eS nicht er warten, den Grafen wieder zu sehen. — » * » Schon am nächsten Tage machte Tessa in Begleitung von Fra» Betty einen Besuch im Gutshaus de» Grasen Adam. Man mußte einen freien Platz überschreiten, um da- schloßartige Gebäude, in dem Graf Jarl links und Comteffe Leonore rechts wohnte, zu betreten. ES wimmelte darin von schönen Sachen, namentlich fanden sich bei dem Grafen zahlreiche ererbte Kostbarkeiten an Möbeln, Spiegeln, Teppichen und allen den Kleinigkeiten, womit rin reicher und kunstsinniger Mann seine Wohnung schmückt. Sie fanden den Grafen nicht anwesend; aber Leonore nahm sie in ihren schönen Gemächern in Empfang. Sie war damit beschäftigt, ihre Vögel zu füttern, al- die beiden Damen eintraten. Alle Zimmer waren geöffnet. Der Blick vermochte bis an» letzte zu dringen, und blieb haften an einem dort auf- gehängten großen Oelgemälde der verstorbenen Gräfin. Von dort durchmaß Leonore die gesammten Räume und näherte sich mit ihrem ruhigen Schritt den Damen. Ihre hohe Gestalt paßte in diese- Schloß mit seinen vielen herr lichen Dingen. Tefsa war ganz bezaubert von Leonorens Liebenswürdig keit. Sie gehörte zu Denen, die ebenso gut zuzuhören, wie selbst da» Wort zu führen verstehen. Heute ließ sie erst Tessa reden, und begleitete Jegliche-, wa» sie sagte, mit dem Ausdruck warm empfundenen Inter esse-. Dann sprach sie, und äußerte sich zufolge der gestrigen Neckerei, von der ibr beide erzählten» über ihren Bruder „Ja, ja! Er muß immer etwa» Vorhaben und seine Um gebung irgendwie ia Bewegung setzen. Es ist unglaublich, woraus er geräth, welche- Durcheinander in ihm sitzt. Und unermüdlich ist er, die Menschen anzuregen oder in Athen, zu halten, entweder durch Aufmerksamkeiten oder Neckereien. Personen, die er nicht mag, wird er niemals verletzend behandeln, aber er ironisirt sie oder sagt ihnen offen die Wahrheit." Und specieller zu der Pastorin gewendet: „Haben Sie übrigen» gehört, daß Thoma» Jung hier Castellan im Schloß werden soll? Er bat sich mit Nelly Mochow verheirathet. AllernächstenS treffen sie ein. Wir möchten ein kleine- Fest für sie im Schloß veranstalten. Ick, wollte schon heute zu Ihnen und Sie und Herrn Pastor dazu einladen." „So, also da» ist nun doch etwa» geworden! DaS freut mich. Ich hörte, Thomas Jung hätte sich aar nicht wünschen«- werth entwickelt. Aber da» tüchtige Mädchen hat gewiß einen guten Einfluß auf ihn gehabt." „Ja, das ist'-. Auch die Erbschaft hat ihn verändert. AuS einem Proletarier ist rasch wieder ein selbstbewußter Bürger geworden." Später verschaffte Gräfin Leonore, aus Anregung der Pastorin, Tessa einen Einblick in die Räume deS Schlosses. Sie besahen die Gemächer auf der anderen Seite im alten Bau, zu dem ein großer Jnnenhof gehörte und stiegen auch nach oben in die Festzimmer. Alles war fast herrlich eingerichtet. Tefsa kam nicht ans dem Bewundern heraus. Ihre Phantasie war so angeregt, daß sie auf dem Rückweg sehr einsilbig dahinschntt. „Du kannst Dich wohl noch gar nicht von dem Eindruck all deS Herrlichen erholen, Tessa?" warf die Pastorin spieß bürgerlich bin. „Ja, e» ist auch prachtvoll, und welche treff lichen Menschen! ES giebt keine zwei wie Graf Adam und Gräfin Leonore. Nur die in Berlin, die Campe, schlägt aus der Art. Dir ist kalt wie Stein und hochmüthig wie ei» Pfau." Aber Tefsa entgegnete nicht-, sie bewegte nur still dm Kopf. Als sie nach Hau- gekommen waren, begab sie sich in ihr Zimmer, warf sich ia einen Sessel nieder, ließ da- Haupt sinken und ergab sich einem liefen Grübeln. * » « An dem diesem Tage folgenden Vormittag unternahm Tessa einen Spaziergang nach einem zu dem Gut gehörenden Gehölz. Hier befand sich ia zauberhafter Abgeschlossenheit ein stiller See mit Ruhesitzen an den Ufern. Der Tag war überau- herrlich. Durch die gesammte Natur ging etwa sonntäglich Feierliche». Die Felder, die Tessa durchschritt, schimmerten in smaragdenen Farben. In glanzvoller Pracht stand die Sonne am Himmel und sandte ihre verklärenden Strahlen anf die prangende Erde. Da- Gehölz, in da» Trffa eintrat, war erfüllt von würziger, erfrischender Luft. (Fortsetzung folgt.)
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