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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 28.01.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-01-28
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950128029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895012802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895012802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-01
- Tag1895-01-28
- Monat1895-01
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Nachdem dem ReichS1 age der am Freitag vom BundeS- rath beschlossene neue Gesetzentwurf über eine anderweite Ordnung i« RcichSfinanzwesen zugegangen ist, tritt an die deutsche Volksvertretung eine neue wichtige Aufgabe heran, von deren Lösung es abhängen wird, ob die in den Einzelstaaten herrschende Mißstimmung gegen die finanziellen Anforderungen drS Reiche- sich mindert, oder zum Nachtheile für daS Reich und seine Glieder in Zukunft sich noch steigert. Der neue Gesetz entwurf unterscheidet sich von dem vorjährigen nur in dem einen, allerdings sehr wesentlichen Puncle, auf den schon die Thronrede, mit welcher der Kaiser am 5. December den Reichstag eröffnete, hingewiesen hat: daS Reich hat nämlich davon abgesehen, den Einzelstaaten einen sicheren Zuschuß zu leisten. Die Thronrede, mit der am 15. Januar der preußische Landtag eröffnet wurde, ergänzte jenen Hinweis durch die Ectlärung, die Regierungen der Einzelstaaten hätten darauf verzichtet, einen solchen Zuschuß zu verlangen. Jedenfalls ist ihnen dieser Verzicht schwer genug geworden; sie haben sich zu ibm auch nicht in ihrer Eigenschaft als einzelstaatliche Negierungen,sondern als Bundesgliever entschlossen und daniit dem Reiche ein Opfer gebracht, daS im Hinblick auf die Finanzlage der einzelnen Staaten kein geringes genannt werden darf. Wie weit nun der Reichstag Rücksicht sowohl auf dieses Opfer und die einzelstaatlichen Finanzen, als auch auf die unwürdige Stellung des Reiches als Verschlechteret: dieser Finanzen nimmt, bleibt abzuwarten. Jedenfalls wird zunächst von den Gegnern jeder ReichSfinanzreform wieder versucht werden, daS Bedürsniß einer solchen Auseinandersetzung zwischen Reich und Einzelstaaten hinwegzudisputiren. Dazu mag sich derjenige wohl stark angetrieben fühlen, der unter allen Umständen höhere Einnahmen des Reiches abzulebnen gewillt ist. Denn wer eS als nationales Bedürsniß empfindet, daß daS Reich seine Verwaltung aus eigenen Einnahmen bestreite, also wenigstens keinen Zuschuß dazu von den Landescassen einsordern dürfe, der kommt um die Notbwendigkeit neuer Bewilligungen nicht hinweg. Der im volkswirthschaftlichen Theile unserer Sonntagsausgabe veröffentlichte Ausweis der Einnahmen aus Zöllen und Verbrauchssteuern bis Ende December gestattet wiederum eine Zablcnbelrachtung, die mit sehr trüben Aussichten für die Eassen der Einzelstaaten endigt. Für 1884/95 werden zwar nur wenige Millionen als wirkliche Zuschußlast übrig bleiben, welche die Einzelstaateu zu den Kosten der Reichsverwaltung beitragen miisten, aber für 1895,96 beziffert der Voranschlag diese Zuschußlast aus reichlich 48 Millionen. Mag diese Summe im Lause der Etalsberathung immerbin um einige 10 Millionen sich ver mindern lassen — tbeils durch Erhöhung der Einnabme Ansätze, theils durch Abstriche an Len Ausgaben —, so wird eS doch nicht möglich sein, auch nur bis auf die Ziffer von 32 herunterzukommen, die als Mehrerträgniß vom Tabak infolge der gleichzeitig voracscblagenen Tabaksteuer-Reform in Aussicht genommen ist. So wird man der Reichsregierung gewiß nicht mehr den Vorwurf machen können, daß sie Steuern auf Vorrath bewilligt sehen wolle. Um so dringender wäre zu wünschen, daß der Reichstag wenigstens zu dem Entschlüsse sich aufraffle, die finanzielle Selbstständigkeit des Reichs endlich zur Wahrheit zu machen. Bon der katholisch-desmokratischen Bewegung in Belgien, die sich bekanntlich auch anderwärts mehr denn je bemerkbar macht, scheint man im Vati can nicht besonders erbaut zu sein. Der Papst hat sich in einer Unterredung mit dem Bischof von Brügge, de B diese Bewegung auügeiprocben, Abart der Socialdemokiatie. Abgeordnete Pfarrer Daens Willen seines Bischofs in kn oudern sich nicht einmal dm strafen in seiner politischen kündigt eine Enchklika a an, in welcher die Tbeorien ., sehr entschieden gegen chts Anderes ist, als eine rnebinsler Führer ist der u>er nicht nur gegen den gewählt worden ist, V^-rdrobung von Kirchen- -M'l störe» läßt. Der Papst belgischen Episkopat . :r katholisch - demokratischen Partei eine sehr scharfe Verurteilung erfahren sollen. Es fragt sich nur, ob die der Reg> qg so unbequeme Bewegung innerhalb der klerikalen Part bereits eine so große Ausdehnung genommen hat, si^-, - . noch eintämmeu lassen wird. Der Abg. DaenS scheint seinem bioderigen Auf treten in der Kammer jetenfalle nicht der Mann zu sein, welcher die Segel streicht, zumal t.' er wiederholt geäußert hat, er wolle lieber der Priestcrwü e, als seiner politischen Meinung entsagen. — Seild-u die breiten Massen ker Bevölkerung daS Recht zur Theilnahme an den Ab- georductenwablen erlangt haben, tritt die vlämisck- nationale Bewegung i: Belgien mit großer Kraft und erfreulichem Selbst» .wußlsein auf. Mehrere ueugcwäblte Abgeordnete sind r französischen Sprache entweder gar nicht, oder r. : wenig mächtig, und eS ist selbstverständlich, daß diese Volksvertreter sich nur ihrer vläuiischen Muttersprache bediene. So bören wir denn seit l830 zum ersten Male im belg.chen Parlament vläinische Reden. Andere hervorragende v.ämische Depunrte, wie die Abgg. Coreinans, Hellepulte, Daens u. A., sprechen zwar sebr gut französisch, nehmen aber endlich das unantastbare Reckt für fick rn Anspruch, im Parlamente ihre vläinische Mutter spräche zu reden. Rach und nach wird man in Belgien zu der Einsicht gelangen, daß die französische Sprache, die nur von dem kleineren Theile der Bevölterunz gesprochen wird, jedenfalls kein Vorrecht auf das Übergewicht besitzt. Endlich hat Frankreich wieder ein Ministerium. Es ist Ri bot nach mehrtägigen Verhandst'ngen gelungen, ein solches zu Stande zu bringen, nur Jamont hat ras Kriegsportefeuille abgelehnt, und vom Marinemiuister, der sich außerhalb von Paris aushält, ist noch keine Entscheidung eingelangt, ob er bankend annimmt oder auch ablebnt- In republikanischen Kreisen alhmet man auf, daß die Krisis überhaupt beigelegl ist, denn aus einer noch längeren Dauer der ministerl'-ftn Zeit hätten sich im Handumdrehen ernstliche Gefahren für den Bestand der Republik auSlösen können. Die republikanischen Blatter sind auch iisit der Zusammensetzung des EabinetS im All gemeinen zufrieden, denn es bat einen verhältnißmäßiz sehr gemäßigten Charakter. Ministerpräsident Ribot ist aus dem linken Centrnm, der kleinen Gruppe der gemäßigten Radikalen, hervorgegangen, nicht ein Portefeuille ist in den Händen eines Mannes von der Farbe Brisson's, dafür sind aber aus dem letzten Cabinet drei Männer von gemäßigt republikanischer Gesinnung, Poincars, Leygues und Hanotaux, herübergenommen worden. Das radical-socialistiiche Consortium ist natürlich in höchstem Grade enttäuscht und die Blätter dieser Richtung werfen dem Cabinet Ribot bereits den Fehdehandschuh bin. Die Achilles verse sür die neue Regierung bleibt nach wie vor die Frage der progressive» Einkommensteuer. Weder dem heißen Be mühen Bourgeois noch Ribot's ist es gelungen, einen Finanzminisler aufzntreiben, der sich die Lösung der Auf gabe zugetraut hätte, die extremen Forderungen der radicalen und conserrativen Grundsätze der Regierungs republikaner bezüglich der Einkommensteuer unter einen Hut zu bringen, und so blieb Ribot, wenn die Cabinetsbildung nicht noch einmal scheitern sollte, nichts übrig, als das §manz- pvrtefeuille selbst zu übernehmen. Wir zweifeln lehr stark, daß cr der Mann dazu ist, Ließ brennende und besonders in Frankreich aus so außerordentliche Schwierigkeiten stoßende Problem seiner Lösung auch nur näher zu bringe». Ribot dankt seine Popularität dem Umstand, daß der Flottenbejuch in Kronstadt in die Zeit seiner Ministerschaft fiel. Er galt lange Zeit für den tüchtigsten Staatsmann der Republik, die in ihm dann auch nach dem Falle Loubet S den Netter aus dem Sumpf deS Pauamascandals er blicken zu sollen glaubte. In dieser, allerdings sehr ckwierigen, Situation bat Ribot eine entschieden ungluck- licheHand gezeigt und zwar hauptsächlich durch ieinePrinciplostg- keit, mit welcher er einmal die Opposition aufs Schärfste herauS- tordcrte und dann wieder sich ihr völlig gefangen gab. Der fernste Schimmer eines Verdachtes genügte für ibn, einen Ministercollcge» fallen zu lassen; unter seiner Regierung wurde mit großem polnischen Pomp das Gerichtsverfahren gegen eine ganze Reihe von Senatoreu und Abgeordneten eingeleilet, das bezüglich der ineisten bald eingestellt werden mußte und nur den ehemaligen Minister Baibaut der bürger lichen Vernichtung zusübne. Unter seinem Ministerium kamen auch die beispiellosen Beleidigungen^des russischen und des frübern italienischen Botschafters Seitens der französischen Presse vor, welche dieselben in Zusammenhang mit den Pauamabestechungen brachte, sowie die Verdächtigungen gegen den Dreibund, speciell gegen Deutschland, dem man Schuld gab, die HetzarNkel gegen Baron v. Mobren- beim in der Absicht einer Beeinträchtigung deS russisch- französischen Bündnisses inspirirt zu haben. Damals mußten Ribot und sein Minister des Auswärtigen, Develle, aus der russischen und deutschen Botschaft de-^und wehmüthig um Entschuldigung bitten. Als Kelsen im Sturm hat Ribot sich zu keiner Zeit erwiesen, und nie die Kraft gehabt, die Geister des Umsturzes niederzuhallen. Er ist nicht der Mann, den Frankreich braucht. lieber die Angelegenheit der deutschen Colo nisten in Palästina wird der „Nat.-Ztg." auS Jaffa, l6. Januar, geschrieben: Nack der starken Agitation in der Grundrechts- fragc unserer Gegend ist nunmehr eine Wendung ein- getrelen, welche Aussicht giebt, daß die verletzten Rechte der deutschen Coloniste» wieder herzestellt werden. Vorausgesetzt bleibt, daß auch diejenigen Grundstücke, welche freies Eigen- thum (Milk) waren und trotzdem bei irgend welchem Anlasse als Sta.itolaud ^Miri) eingeschrieben wurden, jetzt wieder als freies Eigenlhum anerkannt werden. Das kaiserliche Consulat in Jerusalem schreibt: Laut Mittheilung der kaiserliche» Boischast wird, nach dem nunmehr vorliegenden neueste» Beschlüsse des MinislerrathS in der Angelegenheit dehusS eiidgilliger Requlirung der Jafsancr Grund- besitzverbültnisse, eine aus einem von Konstantinopel zu entsendenden Ärundbuchinjpector als Borsitzenbem und mehreren dortigen Regieruiigsbeamten beliebende Commission zusammentreten, um an Ort und Stelle Erhebungen über die rechtliche Natur des Grund und Bodens anzustellen und demnächst eine Neuaufnahme des Grundbesitzes vorzunebmen. Ter beir> sfenden Karte soll ein Bericht der Commission über diejenigen Fälle brigegeben werden, in welchen Baulichkeiten ohne die vorherige Erlaubniß der türlijchen Regierung — wie dieselbe insbesondere für solche auf Staatsländereien (Miri) vor geschrieben ist — errichtet worden sind. Bezüglich der aus diese Weise zur Kenntnis der Psorte gelangenden Fälle ist eine nachträgliche Berichtigung des Verfahrens beabsichtigt. Was insbesondere die der Jaffa beiegeiien zahlreichen Apfelsinen- und Citronengärte» antangt, so bat der Minisierrath, Lein Verlangen der Inhaber derselben und einem Vorgänge in Tripolis (Lyrien) entsprechend, beschlossen, daß von der ursp üiiglich in Aussicht genommenen Zehnlenerhebnng abgesehen und, injosern diese Gärten zur Kategorie der Nutzgärten gehören, von denselben, nach Analogie der Ertrag liefernde» Grundstücke, nur eine Grundsteuer von 10 pro Mille erhoben werde. Dieser Be schluß beseitigt die Möglichkeit der Behandlung von Besitzthum dieser Art als Staatsland (Miri) und sichert den Inhabern des selben die Anerkennung als Eigenihümer freien Grundbesitzes. Nach einer Erklärung des Grogvezicrs soll die betreffende Commission ain Dienstag nach Jaffa abreisen mit folgender Instruction: „lieber alle Grundstücke, die ursprünglich Staatsland (Miri) waren und durch Connivenz der Staatsbeamten als „Mitk"-Grundstücke (freies Eigenthum) bezeichnet worden sind, soll ein Verzeichnis ausgenommen werden, das der Pforte ungesäumt eingeschickt werden soll, damit dieselbe die Unregelmäßigkeit dieses Verhältnisses dadurch regelt, daß sie die ausgestellten Bejitztitel als gesetzlich aus gestellt anerkennt. Eine spätere Verordnung soll die ungesetz liche Umwandlung von Staatsgrundstiicken in freie« Eigeathum für die Zukunft verhindern." Deutsches Reich. * Leipzig, 28. Januar. Auö einer Fülle telegraphischer und brieflicher Meldungen ersehen wir, daß der Geburt-tag des Kaisers im ganzen Reiche festlich begangen worden ist. leber die Feier in den einzelnen Städten können wir mit Rücksicht aus den Raum nicht berichten. Wie die ReichS- hauplstadt den kaiserlichen Geburtstag beging, bat der Tele graph ebenfalls schon gemeldet. Nachzutragcn sind nur einige Einzelheiten, die aus dem einen oder anderen Grunde von Interesse sein dürften. So schreibt uns unser Berliner O. U.-Mitarbeiter, daß der junge Kaiser Nicolaus von Rußland und seine Gemahlin ein ungemein herrliches Gratulationsschreiben schickten. Sebr warme Glückwünsche haben ferner Kaiser Franz Josef, König Humbert, Prinzregent Luitpold und der Sultan gesandt. Auch vom Fürsten Bismarck ist ein Gratulationsschreiben ein gelaufen. — Die Fcstpredigt hielt an Stelle des er krankten v. Tryander Militair-Oberpsarrer Hofprrdiger v. Fromme! über den vom Kaiser bestimmten Text Jesaia 4l, V. 10: „Fürchte Dich nicht, ich bin mit Dir; weiche nicht, denn ich bin Dein Gott. Ich stärke Dich, ich belse Dir auch, ich erhalte Dich durch die Hand meiner Gerechtigkeit". — Die Parole lautete: „Es lebe Se. Majestät der Kaiser und König!" * Berlin, 27. Januar. Der Kaiser hat außer den schon mitgetheilten CabinetsorbreS noch folgende erlassen, welche die heutige Extra-Ausgabe des „Reichsanz." nicht enthielt: An Mein Herr! Zum sünfundzwanzigsten Male kehren die Gedenktage des großen Krieges wieder, der, dem Baterlande aufgedrungen und nach einem SiegeSzuge ohne Gleichen zum ruhmreichen Ende geführt, Deutschlands Sehnen erfüllt und — als herrlichsten Lohn für seine Hingabe — in dem Bunde seiner Fürsten und Stämme die uner schütterliche Grundlage für seine Größe und Wohlfahrt geschaffen hat. Mit bewegtem Herzen preise Ich die Gnade des Allmächtigen, daß er unsere Waffen in solchem Maße gesegnet hat. Theilnahmsvoll gedenke Ich Derer, welche in dem opferreichen Streite für Deutschlands Ehre und Selbstständigkeit freudig ihr Leben dahingegeben haben, und sage erneut ollen Denen Dank, welche zur Erreichung dieses Zieles mitgewirkt haben. Besonder» richtet sich aber Mein Tank an Mein Heer, welches mit den Truppen Meiner erhabenen Bundesgenossen in helden- müthiger Tapferkeit gewetteifert hat: unauslöschlich glänzen seine Thaten in den Büchern der Geschichte, unverwelklich ist der RuhmrS- kranz, den es um seine Fahnen gewunden hat. Ihm gebührt darum vor Allen die Pflicht, daS Gedächtuiß FrrriHetsn. Graf Jarl. LSj Roma« von Hermann Heiberg. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) „Hast Du eigentlich gelesen, was Eduard mir geschrieben bat, mein liebe- Kind?" setzte Frau Betty Tags darauf ein begonnene« Gespräch fort. „In meinem Brief setzt er den Tag der Hochzeit auf den ersten Januar fest und hat auch schon eine Wohnung besehen. Wir müssen jetzt noch eilig an das Letzte für die Aussteuer herangeben. Ach, Kind — Tessa — wie ich mich unsäglich freue, daß Euch nun endlich Euer Glück wird. An mir, an uns hat eS nicht gelegen, mein gutes Kind! — Eduard wollte es ja so! — Er will sich Alle« selbst verdanken, weder von uns, noch von Anderen abhängigsein! Ja, er ist eine stolze Natur, aber gerade so, wie ein Mann sein muß." — „Wenn ich ihn zum Beispiel mit einem Manne wie dem Grafen Adam vergleiche. Welcher Abstand." „Gewiß, Graf Jarl bat seine Vorzüge, aber es fehlt doch an dem Eigentlichen, worauf eS ankommt." „Ich fürchte auch, daß er ein böseS Ende nimmt! Sehr be greiflich! Statt jetzt seinen Belästigungen nachzugeben — er hat doch nun einmal sich diesen Beruf gewählt — statt sich um seine Schüler zu bekümmern, sich das mühsam Herange schaffte zu erhalten, drängt er sich in fremder Leute Angelegen heiten, bringt sich in immer größeren Gegensatz zu seinen einflußreichen und reichen Verwandten und verwirrt daS junge Mädchen vollständig. Er sollte sich nur gar nicht mehr binein- mischen, endlich abreisen. Eva ist ja unter gutem Schutz bei der Comtefse Eleonore. Aber immer was Extravagantes, immer was Besonvei-es. Obne dem geht'- bei dem guten Grafen nicht! DaS muß ihm auch zuletzt den —" Frau Betty «»achte eine Pause, da ihr eine Masche vom Strickstrumpf gefallen war. Sie kniff die Augen zusammen, brachte die Sache wieder in Ordnung und wiederholte fort setzend: „Wa- wollte ich sagen? Na, ja richtig. DaS muß ihm auch »uletzt den Hals kosten! Und wovon er Wohl existirt, Tessa? Ich kann'« mir nicht denken, daß e« mit dem Unterricht Weit her »stl Ich begreife die sonst so verständig« Eomteff« nicht! Wenn man es doch nicht hat, soll man Hausbalten. DaS ist solider Leute Art!" „Nun bat er uns beute Abend wieder eingeladen. Man konnte ja nickt nein sagen! Ich wäre viel lieber zu Haus ge blieben. Und gestern ist er auf Erxleben gewesen. Die Erx- lebener laden ihn noch rin. Sonst ziehen sich Alle ringsherum zurück! — Es ist auch eigentlich kein Wunder! — Die Notizen, die durch die Zeitungen geben, machen die Leute stutzig. Man sagt ja auch, daß Campes ihn unter Curatel stellen wollten; daß es zu furchtbaren Scenen gekommen, ist sicher." Und um Alles, waS sie auf ihrem redseligen Herzen hatte, herunter zu sprechen, schloß sie: „Weißt Du. Tessa, was ich möchte? Ich möchte, daß er und Eduard sich gar nicht begegnen. Die zwei passen absolut nicht für einander." Sie hielt inne, weil Tessa, um überhaupt einmal etwas zu äußern, einen Einwand erhob. Tann aber fuhr sie gleich wieder eifrig fort: „Nein, nein, liebes Kind. Ick habe meine Augen! Eduard sprach bei seinem letzten Hiersein sehr absprechenv Uber deS Grafen Ausschreitungen! Mit Recht! Besser, sie bleiben ganz ans einander. Der Ton, den der Graf anzunebmcn beliebt, ist durchaus nicht nach Eduard'- Geschmack. Ich begreift nicht, daß er noch hier bleibt. Er wollte doch eigentlich schon Anfang der Woche nach Berlin zurück. Hat er Dir etwas gesagt?" „Nein, mit mir hat der Graf überhaupt diesmal fast gar nicht gesprochen. Er ist immer um seine Nichte. Die nimmt ihn ganz in Anspruch." Tessa sprach'S nach diesem Redeschwall, wie Jemand, der äußerlich gleichgültig sich geben möchte, der aber doch eine Empfindlichkeit nicht zu verbergen vermag. Aber sie sprach auch wie ein todtmüder Mensch, dem im klebrigen Alles gleich ist, was geschieht,^» dem Jegliche- erstorben, der sür nicht« mehr Augen und Sinne hat. Zunächst griff die Pastorin den Schlußsatz auf und sagte: „DaS ist fast noch da« Beste in der ganzen Situation, Tessa. Wenn Graf Adam seine Nichte Heiratberk, würde er in Zukunft waS hinter sich haben. Aber wie gesagt, auch daS hat er sich verdorben. DaS Einzige wäre, daß r« noch Leonore gelänge, Frieden zu stiften und dadurch die Verbindung zwischen den Beiden zu stände zu bringen. Die CampeS sind schwer reiche Leute! Hungern wird er dann jedenfalls nicht. Ich fürchte sonst, e« wird bald so weit sein!" „Jetzt hilft wohl Leonore in ihrer HerzevSgüt« noch au«, aber auch da« hat doch sei» Endel" Diesmal gab Tessa keine Antwort. Nur ein müder Seufzer entrang sich ihrer Brust. Auch ließ sie plötzlich die Arbeit, an der sie beschäftigt war, in den Sckvoß fallen, lehnte sich zurück und starrte mit einem grenzenlos verlasseneu Blick ins Leere. „Nun, nun? Mein liebes Kind, was ist Dir?" stieß die alte Dame erschrocken und mit der ganzen Herzensgüte im Ton heraus, die im Grunde ihr innerstes Wesen kennzeichnete. „Ist Dir nicht wohl? Schon seit mehreren Tagen gefällst Du mir gar nickt. Ich bab« mir schon Sorge gemacht. Offen gesagt! Auch Ebuard's halber. Er will Dick doch frisch und röhlich sehen, wenn er kommt. Er freut sich so unendlich auf das Zusammensein mit Dir — — Und Du, Du sollst Dich auch freuen, daß Jbr Euch mal wieder habt!" Die Frau brach ab und warf einen freundlich auffordernden Blick auf ihre künftige Schwiegertochter. Aber etwas ganz Anderes geschah, als was die alte Frau, die sich hinter ihren Blumentöpfen die Welt nach ihren Vor stellungen znrecktlegte, vorausgesetzt batte. Statt beizupflichten, erhob sich Tessa Plötzlich, schwankte auf sie zu, warf sich vor ibr nieder und schluchzte, während sie ihren Kopf in deren Schooß barg, herzzerreißend. „Um Himmelswillen, Tessa, Tessa, WaS ist? Du erschreckst mich! Sprich! Hast Du etwas mit Eduard gehabt? Ich bitte Dich, mein Kind, rede —I Du antwortest nickt? Hast Du unangenehme Briefe von Deiner Mutter. Hast Du sonst Kummer? Sag! Schütte mir Dein Herz auS. Du weißt, daß Tu keinen besseren Freund hast —" Sie streichelte liebevoll den dunklen Kops ibrer Tochter und beugte sich zärtlich und mitleidig zu ihr herab. Aber statt etwas zu erwidern, richtete sich Tessa wieder empor, reckte abgewendet ihre hohe Gestalt, faltete die Hände an den tiefberabsinkenden. wie ,m Schmerz gespannten Armen und trat dann in tiefster Seelenbedrückung langsam an« Fenster. Sie vermochte die entsetzliche Last der Lüge und der Ver heimlichung nickt mehr zu ertragen. Als Frau Betty vor dem auf sie cingesprochen, hatte nur »ine Empfindung in ibr Raum gehabt, zu lösen, waS wie todrSbeschwerend ibre Seele bediückte Befreiung durch schrankenlose Aussprache, wa« immer auch kommen mochte. Da« war ibr einziger Gedanke. Jabr« innerer tiefer Bedrückung und jetzt Monate sonder Qual, nach dem die Liebe zu Jarl sie erfaßt hatte. Da« war mehr, al« eia Mensch ertragen konnte. Jbr ehrliches Herz batte immer noch die Oberband ge wonnen. Nun aber war'S ibr gewesen, als ob der wild au- gewachsene Strom in ihrem Innern einen AuSgang erzwingen oder die Dämme, die ihn bisher gefesselt, zerrissen seien! Und dennoch, als sie niedergekniet war an dem Schooße der alten Frau, als sie sich deren traurig enttäuschte Mienen vor- tellte, als wieder sich in ihre Vorstellungen drängte, wa« Alles dieses Bekenntniß sür Folgen haben werde, und wie aussichts los die Zukunft sie anstarrte, wollte doch nicht über ihre Lippen kommen, wa- noch eben ihr Herz schier zu zerspringen gedroht. Plötzlich war auch etwas Anderes, ganz Neues und Furchtbares über sie gekommen. Noch in dieser Nacht wollte sie — so war's am besten — von der Welt Abschied nehmen. Dann war Alles geebnet für sie und für die Andern. Dann hatte die arme, grenzenlos gequälte Seele Ruhe. — Und so suchte sie denn auch der kleinen Frau Betty, die sich von ihrem Stuhl aufraffte, ihr nachgeeill kam und mit rührenden Worten auf sie einsprach, jegliche Sorge auS- zureden. Sie erklärte, daß nur eine tiefe Schwermuth ohne Gründe sie beberrsche, daß eS wohl die lange Brautzeit sei, in der manches Mädchen zwischen frohem Sinn und Schwermuth wechsele. Statt Trost zu empfanaen, wußte sie ihn auSzu- tbeilen, sprach freundlich und b,sänftigend auf Frau Betty ein. nahm sie in die Arme und küßte ihr dir Thränen um sich und um ihren Eduard weg. Und gerade die Thränen der alten Frau verstärkten Tessa's furchtbaren Entschluß. Noch einmal, beute wollte sie daS Angesicht Dessen sehen, den sie von ganzer Seele liebte, seine Stimme hören und «inen guten Blick von ihm erhäschen, dann wollte sie in der Nacht an die See wandern und sich dort, nur beobachtet von dem hehren Gestirn in der Hohe, in die Fluth versenken. Schauer rieselten durch ibr Inneres; e« verging vor Weh- muth und Qual, aber ihr Mund lächelte, ja, um der alten Frau da« alte, fröhliche, zuversichtliche Herz zurückzugeben, zeigte sie eia hoffnungsvolle«, heiteres Gesicht. (Fortsetzung folgte
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