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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.02.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-02-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950202020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895020202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895020202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-02
- Tag1895-02-02
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Tabellarischer »ad Ztssrrnsntz nach höhere« Tarif. Ertra-Beilagen (gefalzt). »,r mit »o» Morgen-Ausgabe, ohne PostbtsvrdernnA stv.—, mit Postbesörderuag ^4 1«.-> ÄnnatfmeschluS für Anzeige«: Adend-Nusgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgr«.Ausgabe: Nachmittag« 4Uhr. Sonn- and Festtag- früh '/,9 Uhr. Vst den Filialen und Annahmestelle» je «in» halbe Stunde früher. Anzeige« stad stets an die Grstestttto» zu richten. Druck and Verlag von <k. Polz in Leipzig ^°6I. Sonnabend den 2. Februar 1895. 89. Jahrgang. Zur gefälligen Seachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den 3. Februar, Vormittags nur bis '/.!« Uhr geöffnet. Lxpeülllon ües I^vlprixer l'axvblutteZ. Politische Tagesschan. * Leipzig, 2. Februar. Die zwei Seelen, die in der Brust des «kentrums wobnen, gleich den Seelen Faust's sich von einander trennen möchten und von dieser Trennung nur durch das gemeinsame Machtgelüste abgebalten werden, haben in der gestrigen Sitzung des Reichstages bei der Beralhung der Gewerbeordnungsnovelle und des noch weiter als diese gehenden Antrags Gröber und Gen. wieder ein mal ihr beiderseitiges TrennungSbedürfniß bekundet. Die eine, die sich den Abg. v. Strombeck zum Mundstück aus- erwäblt hatte, machte ihren Standpunkt der anderen, welche ihre Sorge für den Mittelstand durch völlige Vernicklung des diesem Stande angehörigen HausirbandelS zu betbätigen sucht, in einer Weise klar, die an Schärfe nicht das Geringste u wünschen übrig ließ. Begreiflicherweise ist dieser Seelen- ampf, der auch in der Geslbästsordnuiigs- und der Umsturz- Commission zu Tage getreten ist, den Führern der Partei, welche diese zur Lenkerin der Geschicke des ReickS machen möchte, höchst unbequem. Aus der Welt zu schaffen ist er nicht und so soll er wenigstens vertuscht » erden durch eine Fülle von Anregungen, die freilich, wie der Antrag Gröber, nur neue Einblicke in daS zwiespältige Innere der Partei eröffnen. Einen solchen Einblick eröffnet auch die neueste Interpellation des Cen- trumS, die an den Erlaß deS Kaisers an die preußischen Minister der öffentlichen Arbeiten und für Handel und Ge werbe vom 4. Februar 1890 anknüpft, worin eS heißt: „Für die Pflege des Friedens zwischen Arbeitgebern und Arbeit nehmern sind gesetzliche Bestimmungen über die Formen in Aus- sicht zu nehmen, in denen die Arbeiter durch Vertreter, welche ihr Vertrauen besitzen, an der Regelung gemeinsamer Angelegenheiten betheillgt und zur Wahrnehmung ihrer Interessen bei Verhandlung mit den Arbeitgebern und mit den Organen meiner Regierung be fähigt werden. Durch eine solche Einrichtung ist den Arbeitern der freie und friedliche Ausdruck ihrer Wünsche und Beschwerden zu ermöglichen und den Staatsbehörden Gelegenheit zu geben, sich über die Verhältnisse der Arbeiter fortlaufend zu unterrichten und mit den Letzteren Fühlung zu behalten." Schon beim Zusammentritte des Reichstags batte das Centrum eine Resolution wegen Errichtung von Arbeiter kammern und einen Gesetzentwurf, betreffend diegesetzl, che Anerkennung der Berufsvereine, eingebracht; jetzt fragt es unter Berufung auf den kaiserlichen Erlaß bei den verbündeten Regierungen an, ob Vorlagen über diese Materie und andere, zu denen man dem Anschein nach obligatorische Arbeiterausschüsse zu zählen hat, „baldigst" erwartet werden dürfen. DaS Beispiel der Freunde des Antrags Kanitz,. die ihrer Resolution eine beflügelnde Interpellation beigaben, findet demnach rasche Nachahmung. Während aber die Eile bei der Lösung des Problems einer staatlichen Preisfestsetzung für aus ländisches Getreide erklärlich ist und — weil es sich um eine die Gemütber erregende Angelegenheit handelt — im öffentlichen Interesse liegt, ist nicht einzusehen, welcher Zweck mit der beschleunigten Aufrollung socialpolitischer Fragen in dem nunmehr stark mit Arbeitsstoff be lasteten Reichstage verfolgt wird, wenn die Interpellanten nicht über ihre Uneinigkeit zu täuschen suchen. Aber sie kommt erst recht zu Tage, indem die Znterpellanon die zarte Rücksichtnahme eines Theiles des CentrumS aus die Wünsche der Socialdemokratie enthüllt, die zu der gepriesenen Fürsorge des anderen Tbeiles für den Mittelstand im schroffen Gegensätze steht. Mahnende Erinnerungen an die kaiserlichen Februar-Erlasse ist man seit geraumer Zeit nur in der so c i a l d e m o k r a t i s ch e n und einer ihr immer näher verwandt werdenden Presse begegnet, sonst hat sich die Auffassung verallgemeinert, bas Arbeiterschutzgesetz sei eine so weitgehende Verwirklichung der kaiserlichen Absichten, daß für geraume Zeit mit jedem weiteren Schritt die Grenze überschritten würbe, wo die sociale Fürsorge sich in Benacktbeiligung der Arbeiter unserer, durch eine ohne Beispiel dastehende socialpolitische Gesetz gebung im Wettbewerbe mit dem Auslanv beeinträchtigten Industrie verwandelt. Daß diese Aclion des Cenlriims, zu der übrigens auch ein Antrag gehört, der die Frage weiterer ge setzlicher Beschränkungen der Beschäftigung verbeiralheter Frauen anfaßt, die Folge baden kann, die Finanzrefonn, die Vermehrung der Einnahmen und sonstige relchspolitiscbe Angelegenheiten im engeren Sinne zu verzögern, mag diese Partei ja nickt sonderlich berühren. Aber es ist auch eine Reibe von umfassenden und zum Tbeile nicht geringe technische Schwierigkeiten dielenden Entwürfen zu erledigen,die vie H e b u n g des Mittelstandes bezwecken, und auck das Cenrrum hat anerkannt, daß die ivciale Aufgabe der nächsten Zu kunft eine Mittelstaiibspolitik sei. Diese aber wird nicht nur durch die Inanspruchnahme der Zeit des Reichstags zur Er örterung von Gegenständen, die nicht zu seinem diesjährigen Arbeitspensum gehören, behindert, es bedeutet geradezu eine materielle Gefährdung der MitletstanvSgesetze, zu denen bekanntlich noch eine Vorlage über die Ab änderung von Bestimmungen über die Consumvereine treten wird, wenn Arbeiterfragen und Existenzfragen der kleineren Unlernedmer neben einander debaneeli werden. Die Forderungen des Cenlrums treffen zudem das Handwerk direct. Wir seben bier ab von der Erörterung der Verleihung der Corporationsrechle an die Berufsvereine, gegen die im Reichstag wiederholt sehr ernste, auf den EntwickelungSproceß der mehr und mehr der Social demokratie verfallenden englischen Gewerkschaften gegründete Bedenken geltend gemacht worden sind. Was aber die Errichtung von Arbeiterkammern, mit anderen Worten: die Organisation der Socialdemokratie von Slaats- wegen angeht, so wird das Cenrrum sich doch nicht das Kunststück zutrauen, in Bezug auf das Recht ober die Pflicht, solchen Kammern anzugehören, zwischen Handwerks- gehilsen und Industriearbeitern zu uiilerscheiden? Uno schon letzt haben die Handwerksmeister von den durch die social- bcmokratische Agitation genäbrlen Aspirationen der Gesellen mehr zu leiden, als die Großindustrie von den Ansprüchen ihrer „zielbewußten" Arbeiter. Wie würde sich das ge stalten, wenn erst die socialdemokrausche Auffassung von dem richtigen Verhältniß zwischen Meister und Gehilfen mit dem Hinweis auf die autoritative Begutachtung durch öffentlich-rechtliche Körperschaften vorgetragen würden! Unter den vorstehend geltend gemachten Gesichlspuncten er scheint dieses Borgeben ^ntrumS keit, die nur durch die nervöse H-N «r ^ ^ der wird. Im Uebrigen kann ^ Heiden Centrums- Besprechung der neuen 2"terp.lla 'on d,e ,e ^ ^ ^nn seelen wieder einmal zur Erscheinung ko e andererseits denReg.erungen^ ! »je Arbeiter geschehen ist. Sn Ungarn b-, ,n» r-Ia-mlUch reaktionär-konservativen Auspicien eine neue . l » B olkspartei". etablirt, deren Programm rinGemilch klerikalen agrarischen unv socialdemokratlschen Ingred z i t äu de., Vätern dieses „Programms" geboren em ge der reickstbegüterten Hocbadeligen unv Kirchensurflen, dan-rch kann „wn schon mit genügender Sickerbe.t aus t.e Gefolglcha l derLerren schließen. Versprochen wird u. A. ..gebonüs Berucklich- tiauiig der lantwirtbschaNlichen Interessen", „Besriedigung der Keditbedürfnisse des kleinen Mannes". „Schutz verMemgewerb - treibenden", „Regelung des Verhältnisses zwO^en ^rbeu gcbern und Arbeitern" :c. In Wirklichkeit bandelt eS sich aber wie das Programm besagt, in erster Reibe um die Revision der kirchenpolilischen Gesetze, was natür lich nichts Anderes bedeutet, als um die Durchsubrung einer reackionär-ultramontanen Politik m Ungarn. Hu diesem Zweck- wollen die Herren reckt gern einige Opfer bringen, in Worten wenigstens, denn allgemeine Schlagworle nach dem Muster der obengenannten verpflichten iu ccmcreto Niemanden und zu nichts. Da ist es denn gar leicht, vem Volke goldene Berge zu versprechen, in der stillen Hoff nung. daß auch anbersgläneige Volkselemente den Programm- Verfassern Heeresiolge leisten; haben letztere doch aus diesem Gründe selbst das ursprünglich nn Titel der neuen Partei paradirenve Beiwort „katholisch" weggeiassen, sedensalls, weil sie das ungarische Volk hinreichend kennen, um zu wissen, daß consessioneüe Velleitäten in Ungarn nicht die Grundlage einer soliden Parteiconslruclion bilden können. Tbalsächlick hat denn die neugebackene Volkspartei noch nirgends Beachtung gesunden, als bei den Uiiabhängigkeitsianati'ern der äußersten Linken, welch letztere sich aus Leibeskräften dagegen sträubt, daß ihr irgend Jemand beim „Volksbeglücken" ins Handwerk pfuscke. Sie bat desbalb der neuen Volkspartei gegenüber e.ne gar bärbeißige Miene ausgesetzt, und über ein Kleines wird man es erleben, baß beide Concurrenten einander in die Haare fabren. Mögen der „Bolkspartei" auch einige wenige Mandate zufallen, die überwiegende Mebrzabl der Wähler wird sicherlich den neuen Parieihumbug durchschauen. Durch daS Hin scheiden deS Präsecten der vaticauischeu Bibliothek, Monsignor Carini, ist die Partei der Versöhnung zwischen der Kircke und dem Staate in Italien einer wertbvolle» Stütze beraubt worden. War dock Carini zugleich der Intimus deS Papst-S Leo XIH und Crisp?S, mit dem er nicht blos durch Bande der sicilianischen Lalidömaunschaft, sondern auch durch persönliche Freundschaft verbunden war. Leo XIH. hatte bereits als Carbiual Pccci mit dem in Perugia comman- birenvcn Vater Carini's, einem General mit ausgeprägtestem italienischen Nationalgesühl, freundschaftliche Beziehungen an geknüpft, die sich später auf den Sohn vererbte». Wer den bescheidenen Gelehrten im Abalegewande in Rom persönlich kenne» und schätzen lernte, konnte auch nicht einen Augenblick darüber im Zweifel sein, daß Monsignor Carini seine doppelte Vertrauensstellung in loyalster Wei>e ausfüllte. Die eigen artigen römischen Verhältnisse bringen es eben mit sich, daß trotz der anscheinenden Todfeindschaft zwischen Quirinal und Vatikan doch zahlreiche Fäden beide Mit einander verbinden. Cerini schwebte unablässig als Ideal die endliche Aussöhnung deS Staates mit der Kirche vor, und wenn er auch kaum an eine solche Möglichkeit zu glauben wagte, so suchte er doch, soweit es in seinem Bereiche lag. tie Gegensätze zu entkräften, die Stimmungen zu mildern und den Ausgleich anzubabnen. So pflegte er treue und langjährige Freundschaften im italienischen Lager, „jenseits der Engelsbrücke", wie er zu sagen pflegte, und noch nach den letzten Vorfällen in Sicilien war es Monsignor Carini, welcher in einer Broschüre den Klerus der Insel antrieb, die Sache Italiens zu verfechten. Auch an den Verhandlungen über die Errichtung der ap ftolischen Präfectur in Erytbräa nahm er tbäligen unv wirksamen Antheil. Von seiner Sackkenntniß und Gelehrsamkeit zeugen zahlreiche Werke. Isidoro Carini ist in der vollen Manneskraft dahingeschieden. Er war im Jahre 1813 in Palermo geboren und ist rasch auf der Stufenleiter der kirchlichen Würden emporgestiegen, nachdem er vorher als Gründer und Leiter guter katholischer Blätter sich hervorgetban batte. Wenn sofort nach dem Tode Carini's das Gerücht in Rom auftauchte, die Jesuiten trügen an seinem Tode die Schuld, so entbehrt dasselbe der Begründung; wahr aber ist, baß die Unversöhnlichen im Vatican gegen daS „Sprachrohr Crispi'S" einen geheimen unablässigen Krieg mit de» Waffe» der Verleumdung und Verärgerung führten, dessen letzte Phasen Carini sich so zu Herzen nabm, daß seine Gesundbeit darunter bedenklich litt. „Eine Anhäufung von Verdrießlichkeiten", schreibt die „Riforma", „wirkte auf seinen physischen Zustand und raubte ibm das Leben." Der Reise des Königs Alexander von Serbien nach Biarritz sind langwierige Verbantlungen durch den Pariser Gesandten Garasckanin vorausgegangen, um Frau Natalie zur Rückkebr nach Serbien zu bewegen. Die Ex- Königin bat nun zwei Bedingungen gestellt: die Wieder herstellung des verfassungsmäßigen Zustandes und die Ent fernung Milan's aus dem Lande. Diese Bedingungen haben den beiden Königen zur Stunde als unannehmbar ge schienen und so reist denn der junge König zu seiner Mutter, um ihr die Schwierigkeiten, die der Ausführung ihres Begehrens im Wege stebcn, persönlich klarzulegen. Aus ihrer Rückkehr b.slebt man aber im Belgrader Konak um so mebr, als Milan bisher reichliche Gelegenbeit hatte, zur Ein sicht zu gelangen» daß sein ursprüngliches Vorhaben, seine AUeiiiherrschast im Lande nach dem bekannten Grundsätze ärvillv ot impera zu begründen, so gut wie unausführbar ist. Alle Parteien und alle maßgebenden Politiker im Lande bringen dem Vater Alexanker's I. entschiedenes Miß trauen entgegen. Milan hat es ja in den letzten Jahren mit allen Parteien verdorben. Es ist aber eine unleugbare That- sache, daß sich die antidynastische Bewegung im Volke, namentlich in ten letzte» Monaten, in ganz bedenklicher Weise bemerkbar macht. Tie Regierung wird sich höchst wahr scheinlich bei den bevorstehenden Wahlen eine Schlappe holen, und der König muß daber in die Lage kommen, zu einer rer drei Parteien Zuflucht zu nehmen. Tie Erniedrigungen, welchen die Königin von ihrem Gemahl aus- gcsetzi war, haben ihr hingegen unstreitige Sympathien zu- gesüort, und sie besitzt lhalsächlich in allen drei Parteien mebr ober minder ergebene Freunde. Unter solchen Um ständen erscheint sie denn auch weit geeigneter, im kritischen Augenblicke mit den einzelnen maßgebenden Persönlichkeiten in Serbien ersprießliche Unterhaudlungen anzubahnen, als der Feuilleton. Graf Jarl. L8> Roman von Hermann Helberg. Nachdruck verboten. «Fortsetzung.) „Ihre Braut hatte sich gestern an den See begeben, um sich vom Leben zu befreien. Sic hatte nicht den Mutb, Ihnen das Jawort zurückzugehen, aber auch keine Kraft mehr, in der Lüge und Verstellung weiter zu leben. Sie faßte eine Neigung für mich, die sie unerwidert glaubte. „Als ich sir von dem Entsetzlichen zurückbielt, gelangten wir zu einer Aussprache. Was wir Beide seit unserer Bekannt schaft als ehrliche Menschen zurückgedrängt hatten, brach sich m dieser feierlich furchtbaren Stunde Bahn. Wir lieben uns! und wollen unS angehören, obgleich eS mich mebr martert, diesen Schmerz Ihnen anzuthun, als ich es aus- zusprechcn vermag." „Ah, also doch —" stöhnte Eduard HalbertS, ließ daS Haupt sinken und ward zunächst nur von der entsetzlichen Qual der Enttäuschung gefoltert. Dann aber erbob er sich und sagte zähneknirschend unv mit einer Miene von Leiden schaft, die grausend wirkte: „Nach meinen Anschauungen von Pflicht und Ebre mußten Sie eher sterben, als Ihre Zunge lösen, Herr Graf. Aber freilich, bei Ihnen ist man so ungeheuerliche Dinge gewöhnt, daß man sich über nichts mehr wundern darf Die An schauungen Ihresgleichen von Adel und sittlichem Verhalten Weichen von denen anderer Menschen so weit ab, daß —" Aber weiter gelangte Eduard HalbertS nicht! Ein tumpfer Schrei erklang, und eine Faust, die Rechte Jarls zitterte durch die Luft, um den zu züchtigen, der ihn in so maßloser Weise zu beschimpfen gewagt. Freilich sank sie ebenso rasch wieder herab, und dieselbe Hand zerrte auch mit einem Riesenruck da- wie rasend an dem Gegner empor gesprungene Tbier zurück und schleuderte eS mit solcher Wucht zur Seile, daß es bi-send» wimmernd und mit geducktem Kopf sich an sein Lager schlich. „Neinl" drang « au« der keuchenden Brust de« Mannes. „Nicht solche Züchtigung für solche Schmach! Ich will mich erinnern, wer vor mir steht. Sie sind der Sohn derjenigen, die ich liebe unv ehre, und Sie sind der Mann, dem ich das Köstlichste nehmen mußte, was er besaß, und dessen Verlust ich wie keiner zu schätzen weiß, weil es auch für mich das Herrlichste ist, was es auf der Well giebt. Also, gehen Sie, mein Herr, unangetastet. Aber ich bitte, gehe» Sie schnell. Niemand auf der Welt würde nach gleicher Beschimpfung lebendig diese Räume verlassen haben." Nach diesen rasch, mit ganzer Willenskraft gedämpft ge sprochenen Worten erhob Jarl mit straffer Armbewegung die Rechte und wies auf die Tbür. Aber eS geschah nickt, was er erwartet hatte. Besinnungslos vor Wuth, ohne Gedanken, ob Tod oder Leben daS Ende, nur erfüllt von dem wahnsinnigen Drange, den Gegner bis in die tiefste Seele zu verwunden, ja, ihn hier an diesem Ort niederzustrecken, hauchte Eduard Halberls: „Und doch wiederhole ick Ihnen, Graf Adam Jarl —" „Herr Graf Adam Jarl!" warf Jarl in herrischer Hoh- heit dazwischen und seine Augen sprühten Feuer. „Nun wobl, Herr Graf Adam Jarl!" wiederholte Eduard Halberts höhnisch „daß Sie trotz Ihrer schönen Reden und moralischen ZornauSbrüche in meinen Äugen ein gewissenloser Rouö sind. Was Ihnen in den Sinn geräth, daS erheben Sie zum Gesetz, ohne Nachdenken über die Folgen. „Wovon wollen denn Sie, ein Habenichts, ein Weib er nähren? WaS versiebt Ihr, die Ihr Euch erhaben dünkt über die gemeine Welt? Von reichen Weibern laßt Ihr Euch ernähren, nach dem Ihr mit gemeinen Dirnen in Trunk und Spiel Euer väterliches Erbtheil verthan habt —" Aber daS war zu viel! Wenn auch der bis in die tiefste Seele Beleidigte sich noch mals übermenschlich um der eigenen Schuld willen bemeistcrte, wenn er auch die Reitpeitsche, nach der er unwillkürlich ge rissen und gegen Eduard erbob, wieder herab sinken ließ, o war doch, sein Beschützer, Brand, daS von Haß erfüllte Thier nicht mehr zu halten. ES jagte mit einem Riesensatz und heiserem WolfSgebell auf Eduard Halberts zu, flog ihm zähnefletschend mit heißem Atbrm an die Brust und bohrte, ohne daß Jarl auch nur die geringste Gegenbeweg,ing zu machen vermochte, daS Gebiß in den Arm seines Opfers. Erst Iarl'S zornerfüllte Ruse, erst zwei blitzschnell erfolgende, grausam scharfe Hiebe, die seinen Körper trafen, ließen ibn, boshaft knurrend, zurück weichen und ferneren Züchtigungen dumpf grollend auS dem Wege gehen. Und schwankend, wie ein Todter, bleich, blutend, aber dann doch wieder sich aufrichtend und wild drohend Abschied nehmend, fturzle Eduard durch den dunklen Abend dem Pastoren Hause zu Alles stand in ibm fest! Er batte stets einen Nevolve in seinem Keffer und auch diesmal! Erst sollte sie drai glauben — die beiden sollten wenigstens einander nicht an gehören — und dann half der Himmel den züchtigen, de> er mehr haßte, als eS Worte gab, auszudrücken. * * * Als Eduard in daS Haus seiner Eltern eintrat, und al die Klingel ertönte, eilte ibm Frau Beuy mit allen Anzeiche> höchster Erregung entgegen. „Endlich, Eduard, endlich! Und Gott sei gelobt, da Du —" Aber die Worte erstarben ihr auf der Zunge, als sie da verstörte und schnierzentstellte Gesicht ihres SodneS sab. Aus dem Arm flog das Blut, seine Kleider waren beschmutz! Der Ausdruck in den Augen hatte etwas Furchterregende« und als er eben zu sprechen anheben wollte, versagte ihm di Stimme. Nur heisere Laute kamen auS seinem Munde. Dennock zog er seine Mutter, die mit lauten Schreckens Worten anheben wollte, rasch und ihre Unruhe dämpfend, n sein Gemach, hieß sie, Lickt anzünde», und ließ sich unter dei furchtbaren Erschöpfung in,die Sophaecke sinken. „Ziebe mir, ich bitte, zunächst einmal den Reck ans, kübl und verbinde die Wunde. Mutier — die wilde Bestie, de Brand von Jarl hat mich angefallen, als ich ins Schloß kam — „Sage Vater nichts — Gieb vor, ich sei erschöpft vo einem langen Spazierritt. „Mach's rasch. Aber vorder bringe Cognac. Ich bi einer Ohnmacht nabe — Ich bitte, eile Dich —" Als die grenzenlos bestürzte Frau Betty mit dem Verlangte, Wasser, Schwamm, leinen, das sie nach einander herbeischasfl zurückkehrte, lag Eduard w,e ein Todter da '' Nun ger.eth sie außer aller Fa,-jung. Ecward! Mein Junge, mein Herzensjunge! Waä So redele sie atbemloS, und als er nickt antwortete flöß sie ihm gewaltsam die stärkenden Tropfen ein, beobachtete vc L u»'. L'"«M'ud'. d°,ch>- n.» L!' H- Wangen und kuflte ,hm in heißer Liebe Stirn ur Allmählich «holte er sich, m di, Backen stieg di. Rörl wiederkebrenden Lebens. Der Trank wirkte, und endlich batte er sich so weit erkolt, baß sie ibn auskleiben und die Wunde sanft auswaschen und verbinden konnte. Zuletzt balf sie ihm auch auf seinen Wille» in einen anderen Rock, und erst als das geschehen, drang sie in ibn, ihr Näheres zu berichten. „Es ist, wie ich verniutbete, Mutier", entgegnete Eduard tonlos und sich mit finster»! Auge zurücklehnend. „Meine Braut will die Verlobung aufbeben —" „Eduard!" rief die Frau, wankte und hielt sich an dem Sopbarande. „Still, still, ich bitte Dick, Mutter! Und tbue mir eine Liebe. Geh' hinauf zu ibr und frage sic, ob ich sie jetzt gleich sprechen könne. Sie ist nicht krank, Mutter — Nur die Scham ist's — Also ich Hille Dich darum. Ich will selbst von ihr Horen, was mir der Schurke der Jarl gesagt — Gebe zu ibr hinauf, oder wir spreche» hier in meinem Zimmer, wie sie es will —" Aber die Frau rührte sich nicht, sie körte nur und ließ lediglich Vas Enlsetzliche der Tbatsacben auf sich wirken. Was ging alles wechselnd durch ihre Seele! So hatte sie Trssa also dock schlecht behütet, oder die jetzt Verlorene war immer nur das gewesen, was sie von Anfang an mißlrauisch gesürcklet hatte. Und se'tsam — In Sekundenschnelle sagte sie sich von ibr los. Nichts, nichts anderes als Haß gegen die Verworfene batte Rau:» in ihrer Seele. Aber um ihn, um Eduard, härmte sie sich, al« ob ibr glühende Messer ins Herz gestoßen seien, um ih» weinte ihre Seele heißbreniienbe Tbränen. „Ach, mein Junge, mein armer» lieber HerzenSjunge —", hauckie sie, beugte sich zu ihm und küßt- ibn immer von Neuem. „Und laß heule Abend von de» Sacke, Eduard. Leg' Dich nieder. Jede Aufregung kann Dir schaden. Mit solchen Bissen würbe,idrr Hunve ist nicht zu spaßen. Ich bleibe bei Dir! Sprich Dich aus. Das erleichtert Dich. Thu's mir zu liebe, mein Herzenskind! Willst Du daS " „Und noch eins: Ick kann daö elende Geschöpf auch jetzt nicht seben. Du verlangst zu viel von mir. Ich kann nicht schweigen, wenn ich ibr gegenüberstehe." „Ab, diese Scheinheilige — Und er, er — Ich nahm immer noch (eine Partei. Aber Du hast Reckt, er ist nicht- anderes als ein gewissenloser Lebemensch, ohne wirklichen sittlichen Halt, trotz aller schönen Reden." Eduard batte mit geschloffenen Augen und mit einem Ausdruck zugehört, al- ob jede- Wort ihm einen Schmer» verursache.
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