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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.02.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-02-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950213022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895021302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895021302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-02
- Tag1895-02-13
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Holleuffer und (Aras Lim- durg-Stirum erklärten sich bereit, Tagegelder zu bewilligen, wenn die Bestimmung in die Verfassung ausgenommen werde, daß nur Derjenige in einem Wahlkreise gewählt werden kann, der dort seinen Wohnsitz hat. Ob diese Beschränkung der passiven Wablfähigkeit eine Gewähr gegen die Wahl ungern gesehener Persönlichkeiten böte, erscheint nach den Erfahrungen der letzten Jahre mehr als zweifelhaft. Dagegen ist nichts gewisser, als daß der empfohlene Weg die besten Kräfte — aus dem Parlamente binausführen würde. Bei der gegenwärtigen Lage der Dinge wären nicht nur die in großen Stabten lebenden bürgerlicken Capacitälen von der Wäblbarkeit ausgeschlossen, auch zahl reiche hervorragende Insassen von Wahlkreisen ohne be deutenden städtischen Mittelpunkt wären außer Stande, eine Mehrheit auf sich zu vereinigen. Man denke nur an den Fall der Versetzung eines klerikalen Parlamentariers auS dem Richterstande in einen durchaus evangelischen Wahlkreis. Herrn von Holleuffer genügt aber vielleicht schon der Hinweis, daß sein Gedanke, wenn er bei Anbeginn in der Reichs- verfafsung verwirklicht worden wäre, dem in Berlin wohnhaften Feldmarschall Grafen Moltke die Pforten des Reichstags verschlossen batte. Was mit der Neuerung erreicht würde, wäre die Verarmung des Reichstage- an Talenten ohne seine Bereicherung mit Charakteren. Die von Herrn von Holleuffer mit Grund beklagte Thatsache, baß bei der Auswahl von Candidaten nachgerade mehr darauf ge sehen werden müsse, ob der Maun das Temperament für den Wahlkampf hat, als darauf, ob er die Fähigkeit zur Aus übung des Mandats besitzt, diese schlimme Superioritäl der Zungenfertigkeit und Scrupellosigkeit würde durch Be schränkung der passiven Wahlfähigkeit auf den heimischen Wahlkreis keineswegs aufgehoben werden. Derartige Leistungen der «Autochthonen" sind häufig staunenerregend und sie werden sich noch steigern, wenn Diäten den Reiz deS Mandats erhöhen. In diesem Falle wird, namentlich in Wahlkreisen mit dichter Bevölkerung, der politische Gedanke von der Personenfrage erstickt werden, zum Nachtbeile aller Parteien und eines jeden Programms. Da bei den Conser- vativen die Geneigtheit, Tagegelder . zu bewilligen, anscheinend im Wachsen begriffen ist, so mögen sie sich wenigstens nach besseren Garantien gegen den Mißbrauch der Abgeordneteneigenschaft umsehen. Das wird jedoch schwer halten, so lange sie mit Herrn ».Holleuffer daran festhalten, daß man nicht unter den Satz heruntergeben dürfe, den die Mitglieder des preußischen Abgeordnetenhauses beziehen (15 ^S), und eher auf einen höheren Betrag sich vereinigen werde. Hier dürfte kaum der Punct liegen, wo der Reichstag sein Ansehen gegenüber dem EinzeUandtag zu wabren hat. Jedenfalls kann die preußische Praxis, die Diäten auch für die Tage deS Fernbleibens eines Abgeordneten von den Sitzungen zu gewähren, keine Nachahmung finden. Sollte diese Einschränkung als eine Frage der Würde deS Hauses angesehen werden, so wäre damit ein weiterer Grund gegen die Bewilligung von Tagegeldern überhaupt gegeben. Will man den bedenklichen Schritt thun und sucht nach einer Ge währ gegen das Ueberwnchern von..ErwerbSparlamentariern". dann wird sich kaum etwas Anderes bieten, als die Be stimmung, welche man früher in deutschen Verfassungen gekannt bat und welche die am Sitze deS Parlaments wohn haften Mitglieder vom Empfang der Diäten ausschließt. Es entspricht dieser MovuS dem eigentlichen Wesen solcher Be willigungen, die nur die Vergütung der Kosten, die durch den Zwang, den« Wohnort fernzubleiben, entstehen und nicht etwa eine Entschädigung für entgangenen Gewinn darstellen. Selbstverständlich wäre für den Reichstag der Begriff des „Sitzes" so zu fassen, daß die außerordentlich bequemen Berkebrsgelegenbeiten auch der weiteren Umgebung Berlins Berücksichtigung fänden. Die ReichStagScommission für die „Umsturzvorlage" sollte ihre nächste Sitzung bekanntlich heute adbalten und sogleich die Abstimmung über tz. N2 (revolutionaire Agitation im Heere) vornehmen, nachdem die DiScussion über diese Be stimmungen bereit- in der letzten, am Freitag abgehaltenen Sitzung geschloffen worden war. Mit Rücksicht auf äußere AbhaltuiigSgründe einiger CentrumSmitglieker mußte indessen die nächste Sitzung verschoben werden. Bei diesem Tempo der EommissionSberathungen wird man sich nicht wundern können, wenn in Erfüllung geht, was freisinnigen Blättern von parlamentarischer Seite geschrieben wird: „Unseres Erachiens werden die Commissionsverhandlungen noch überaus langwierig werden. Auch die spätere zweite Lesung der Commission wird schwerlich eine Entscheidung bringen. Die Ent- scheidung wird erst im Plenum getroffen werden. Hier wird alles davon abhängcn, wie weit die Cenlrumsmitgsieder ge- schlossen stimmen. Fast ebenjoviel wird auch von der größeren oder geringeren Peche,iz des Plenums abhängen. Das sind alles Tinge, über welche man erst kurz vor Ostern oder erst nach Ostern klar sehen wird." Tie Haltung deS CentrumS bleibt nach wie vor zwei deutig. Doch ist eS bemerkenswert!), daß in der Centrums- presse eine immer stärkere Opposition gegen die Umsturz vorlage nicht allein, sondern auch gegen die Verschlimm besserungen der ultramontanen EommissionSmitglieber sich geltend macht. Kaiser Franz Josef von Oesterreich will, daß sein fünfzigjähriges RcgierungSjubiläum im Jahre 1898 thunlichst durch Schaffung von Woblsabrtseinrichtungen gefeiert werde. Zu diesem Zweck hat er genehmigt, daß aus dem Wiener Stadterweiterungsfonds 250 000 fl. überwiesen werden an eine neue Kaiser-Franz-Iosefstiftung zur Erbauung billiger und gesunder Arbeiterwohnungen in Wien. Dieser Stiftung soll auch daS Vermögen deS Vereins für Arbeiter Häuser zufallen. Zu gleichem Zweck hat der uiederLsterreichffcke Gewerbevtreln 10 000 fl. bewilligt und weitere namhafte Beträge stehen in Aussicht. Aufgabe der neuen Stiftung soll es sein, Häuser mit kleinen Wohnungen zu erbauen und zu ver walten, alle einschlägigen Fragen zu untersuchen und gesetz liche Bestimmungen, sowie Verwaltungsmaßnabmen zur Ver befferung der Wvhnungsverhältniffe anzuregen. Nach einem bereits vorliegenden Plan sollen zunächst zwölf dreistöckige Häuser mit 180 kleinen Wohnungen, bestehend aus Zimmer, Kammer und Küche, erbaut werden. Bei einem Mielhspreise von 120-^ jährlich würde sich eine Verzinsung von 4 s/;, Proc ergeben. Von anderer Seite ist angeregt worden, kleine Familienbäuser nach englischem Verbilde mit Gärtchen zu errichten. Außerdem bat man auch den Bau von Volks ballen zur Belehrung und Unterhaltung in Aussicht genommen Da der Kaiser selbst sich für die Sache interessirt, so wird sie voraussichtlich in weiteren Kreisen ausgiebige Unterstützung finden, und man darf annehmen, daß die Wohnungsfrage Londoner Conventes von 1893 b-rusenSre knüpft daran die Aufforderung an b.e d eu t s che Re.chSreg. ru g gegen diesen Anspruch Englands -men mindestens be,, o scharfen Protest ergehen zu lassen, Wie m Aachen der Anglo-Congo-Conventio» (im Mar 1894). Dazu bemerkt Berliner Mitarbeiter deS „Hamb. Corr. : »Nach dem vor läufigen Bericht hat der Ilnterltaatssecretair Burton nicht cavon gesprochen, daß Transvaal zu der englischen Interessen- sphäre gehöre. Dagegen hat er nicht an eme Eonvelltl von 1893, sondern an den am 27. Februar 1884 ' London mit einer Deputation von Transvaa abge,^ Vertrag erinnert, durch welchen die .18? i bestrittene Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der „-süd afrikanischen Republik" wieder anerkannt worden ,st. ,3" diesem Vertrage hat sich England nur daS eine Rech Vor behalten. daß Verträge, welche -wischen der Republik und fremde» Staaten oder Stämmen (mit Ausnahme des Oranje- Freistaates) abgeschlossen würden, vor Unterzeichnung euizusenden und eine». Rechte des Einspruchs von Seiten Englands unter worfen sind. Erfolgt binnen 6 Monaten k-"' E'n,pruck so tritt der Vertrag in Kraft. Deutschland war selbstverständlich an diesen Verhandlungen nicht betheiligt. Auf das Berhaltniß Deutschlands zu Transvaal konnte sich obige Bemerkung auch nicht beziehen; unseres Wissens ist von dem Abschluß eines Vertrages mir Transvaal nicht die Rede. Deutschland ist neuerdings lediglich gegen etwaige Versuche emgetreten, die Unabhängigkeit Transvaals in Frage zu stellen, und hat zu diesem Zweck zwei Kriegsschiffe in der Delagoabai statioinrt. Die sreundschastlichen Beziehungen der Transvaal-Regierung haben inzwischen ja auch sonst m Prätoria beredten Ausdruck gefunden." Weit werthvoller als die Eroberung von Wei-bai-wei ist für die Japaner die Decimirung ver chinesische» Flotte, die sich nach der Seeschlacht an der Jalu-Mü„bu»g zuerst nach Port Artbur geflüchtet und dann in die Sackgasse von Wei-hai-wei begeben hatte. Die chinesische Flotte hätte jetzt nach der Niederlage am Ialu noch Gelegenheit und Möglich keit gehabt, sich nochmals mit den japanischen Kriegsschiffen m messen. Ein Erfolg hätte selbst nach dem Falle von Port Artbur und von Wei-bai-wei dem Kriege eine für China glückliche Wendung geben lönnen. Nock besaßen die Chinesen in dem „Ting-yuen" und „Cben-yuen" zwei Schlacht schiffe von je 7280 Tonnen, während die größten Schiffe der Japaner nur 3000—4000 Tonnen haben. Mit den zwei genannten großen Schlachtschiffen und den übrigen Panzer- sahrzeugen, Kanonen- und Torpedobooten hätten die Chinesen in dunkler Nackt leicht einen Ausbruch aus Wei-Hai-Wei ver suchen, einen Kampf aus offener See wagen, ihren Feinden ernstliche Verluste beibringen und sich nach dem Süden durch schlagen können. Wenn schon kein Sieg zu erringen war, so hätten einige Schiffe oder doch die Ehre gerettet werden können. Die chinesischen Matrosen und Leesoldaten hätten cs an Opfermulh und Tapferkeit nicht fehlen lassen, daS beweist ihr Widerstand in Wei-hai-wei, der, wie es scheint, auch beute noch nicht vollständig gebrochen ist. Nur die Führer der chinesischen Flotte, sowohl Chinesen als auch Europäer, haben ihre Pflicht nicht gethan. Admiral Ting und mit ihm wahrscheinlich viele andere höhere Osficiere sind entflohen und haben die Mann schaften in gewissenloser Weise ihrem Schicksale überlassen. Der fernere Widerstand der Chinesen kann unter solchen Umständen keinen anderen Erfolg haben, als daß die Japaner auch den anderen Schissen ihrer Gegner daS Schicksal des „Ting-yuen" und „Chen-yuen" bereiten und sie durch Torpedo- zum Sinken bringen, ein Geschick, das am 9. Februar bereits den Kreuzer „Tschin - yuen" getroffen hat. Die Japaner werden es gewiß versuchen, die untergegangenen Schiffe zu heben und sie wieder in seetüchtigen Zustand zu versetzen, waS ihnen, da sie in allen technischen Arbeiten Meister sind, gewiß gelingen wird. Deutsches Reich. * Berlin, 12. Februar. Eine der bedauerlichsten Er scheinungen unseres politischen Lebens ist dir Zurückhal tung der nationalen Parteien, die sie aus unbegreif lichen Gründen verhindert, der Socialdemokratie auch da den Wind aus den Segeln zu nehmen, wo er durchaus aus die richtige Fahrstraße leitet. Anknüpfend an die gestrige ReickS- tagSsitzung, führen in dieser Beziehung die „Bert. N. N." zutreffend auS: „Warum mußte es gerade wieder Herr Singer sein, der auf den Umstand hinwies, daß in den Restaurationsräumen des Parlaments dieselbe Kellner-Misere geduldet wird wie in den öffentlichen Wirtbschasten, daß die Bediensteten ohne Gehalt arbeiten und auf Trinkgelder angewiesen sind. Die demagogischen Zwecke, die die socialdemokratischcn Wortführer nur zu leicht mit solchen Aufhellungen erreichen, könnten doch leicht genug paralysirt werden, wenn dergleichen zweifellose Ungehörig- keiten von anderer Seite zur Sprache gebracht würden. DaS Gleiche gilt von den Erklärungen, die Herr Singer über die AnstellungS- und Gehaltsverhältnissc der Hausofficianten des Reichstags abgab. Liegt der Ge danke da so sehr weit, daß durch solche Unterlassungssünden der konservativen Parteien in gewissen Kreisen die Meinung bestärkt werbe, es seien nur die Socialdemokraten, die daS Interesse der minder gut gestellten BevölkerungS- schichren thatkrästig vertreten? Die Indolenz unserer staatserbaltenden Parteien bat auch in dem Duell zwischen Herrn Richter und dem Vorsitzenden der Reichstagsbau- Commission einen Niederschlag gehabt. Mußte gerade der Führer deö bürgerlichen Radikalismus auftreten, um den Werth und die Bedeutung der Presse dem Hause vorzuführen und die mangelhafte Rücksicht zu beklagen, die den ParlanientSjournalisteu in ihrem schweren Dienste widerfahren ist? DaS hätte ein Redner der Rechten unternehmen sollen. Vielleicht wäre der Vor trag in der Form maßvoller gewesen, aber geschadet hätte eS der Reputation seiner parlamentarischen Stellung gewiß nicht, und die politischen Gruppen, die in dem Wider spruck ihren Beruf erkennen, hätten nicht so billige Triumphe gefeiert, wie es ihnen gestern wiederum ermöglicht wurde. Die Parteien rechts von der Socialdemokratie und dem Frei sinn verstärken nur noch den Eindruck der Impotenz, der immer weitere und weitere Kreise erfaßt, wenn sie auch in ihnen nächst liegenden Fragen der Socialdemokratie daS Wort und — den Erfolg überlassen. WaS nutzen z.B.die konservativen Klagen über die Mangelhaftigkeit derParlamentSberichle, wenn von den Red nern der Rechten Niemand den Muth oder das Interesse hat, die Herrrllet-ir. Ein Liebesopfer. -I Bon Karl Wartenburg. Nachdruck verboten. (Schluß.) Der Polizeidirector stxirte den Kaufmann verwundert. „Aber mein Verehrtrster, eS handelt sich jetzt nicht um ihren früheren Cassirer, sondern um unseren Arrestanten, Ihren Neffen, Herrn Guido Sieler. Ich glaubte, die Vor fälle der vergangenen Nacht wären Ihnen schon bekannt." Tiefe neue Mitthcilung betäubte den Kaufherrn fast. „Mein Neffe Guido ist Arrestant?" und Herrn Sieler schoß eine dunkle Rölhe in daS Gesicht- Der Polizeidirector nickte ernst. „Ja, infolge einer Schlägerei, bei welcher Ihr ehemaliger Cassirer schwer verwundet wurde, und zwar durch Schläge mit dem Bleistock Ihres Neffen." Bor den Augen deS Kaufmann- flimmerte eS. — Er zog, sein Taschentuch und wischte sich die Stirn „Sie erzählen mir da Dinge, von denen ich nicht daS Mindeste weiß", stotterte er schwer atbmrnd. Der Polizeidirector nahm ein Actenstück vom Tisch, warf einen Blick hinein und sprach dann, sich zu Herrn Sieler wendend: „Vielleicht dürfte Sie da-, wa« hierin enthalten in", und er schlug mit dem Rücken der Hand leicht auf das Papier, „noch mehr interesstren." Eine dunkle Rötbe ergriff den Kaufmann. Wa« mochte sein unglücklicher Neffe noch begangen haben? Der Polizeidirector ließ ihn nicht lange in Ungewißheit über daS Vorgefallene. Er erzählte ihm zunächst, wie Guivo nebst zwei anderen jungen Männern wegen nächtlicher Schlägerei arretirt worden sei, wie bei diesem Rencontre der ehemalige Cassirer Müller gefährlich verwundet worden sei, so daß seine Unterbringung im Jakob-hoSpital nöthig geworden. Heut» früh nuu habe er Guido über die Entstehung de< so blutig verlaufenen Zusammenstoßes verhört und dabei eine -thatsache erfahren, die Herrn Sieler gewiß interesstren werde. «Der Polizei, mein lieber Freund", fuhr der Polizeidirector wit einem leisen Lächeln fort, „gebt eS wie Maria Stuart. ^>e ist oft besser als ihr Ruf, sie sucht nicht »ur die Ueher- lrerer de» Gesetze- zu entdecken, sondern auch daS Unrecht, da- zuweilen begangen wird, zu sllbnen. So fasse ich wenig stenS meinen Beruf auf. Leider sind wir Polizeileute nicht allwissend, und so müssen wir oft dem Zufall anbeimstellen, Licht in dunkle Vorkommnisse zu bringen. Ich lernte vor Jahren zufällig Ihren Cassirer Müller kennen, er batte ein Kind mit eigener Lebensgefahr vom Ertrinken gerettet. Der junge Mann batte dabei so viele Bravour bewiesen, daß ich bei der KreiSdirection den Antrag stellen wollte, ihm vom Ministerium eine Anerkennung zu erwirken. Er erfuhr davon und bat mich bringend, davon abzustehcn. Sie haben vielleicht selbst nicht« von der Affaire erfahren, er bat mich dringend, nicktS darüber laut werden zu lassen. Sie können sich daher mein Erstaunen denken, als ich vor einem halben Jahre erfuhr, daß Sie ibn plötzlich obne Kündigung entlasse» hätten." Der Poiizeichef nahm eine Prise Schnupftabak und hielt einen Moment inne, wäbrend die Blicke de» Kaufmanns mit dem Ausdruck höchster Erwartung an dem Munde deö Be amten hingen. „Er hat ein Kind gerettet — davon weiß ich kein Wort", versicherte Herr Sieler. „Sie waren so diScret, über die Veranlassung seiner sofortigen Entlassung zu schweigen", fuhr der Director fort, — „aber ick erfuhr trotzdem die Ursache. Ich zerbrach mir den Kops, wer den jungen Mann zu dieser Handlung be wogen haben konnte, die um so auffälliger war, als er Ihnen wenige Tage später daS fehlende Geld wieder ersetzte. Sehen Sic mich nicht so verwundert an, lieber Herr Sieler, wenn auch die Polizei nicht allwissend ist, so erfährt sie doch so manche-, waS Anderen verborgen bleibt. Ich behielt den unaen Mann auch nach seiner Entlastung aus Ihrem Ge- ckäfte im Auge. Aber ich konnte nicktS entdecken, was mir sicht über den seltsamen Vorgang verschaffen konnte — bis mir heut« auf einmal der Zufall die Aufklärung gab." „Sie wißen also — ?" stieß mit athemloser Spannung der Kaufherr hervor. Der Polizeidirector nickte leise, nahm seine goldene Brille ab, wischte die Gläser mit dem seidenen Taschenluche und fuhr dann fort: „Als ich heute morgen den Nachtrapport erhielt und den Namen Ihre- Neffen und Ihres ehemaligen Cassirers la«, kam mir der Gedanke, daß die Schlägerei vielleicht in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Entlastung Müller'- siebe. Ich nahm mir vor, daraufhin Ihren Neffen zu inquiriren. Er litt noch unter den Nachwehen seines Rausche-, in diesem Zustand sind die meisten Menschen geistig und körperlich niedergedrückt und leicht zu Geständnissen zu bewegen. Ich redete ihm energisch in« Gewissen, durch Leugnen seine Lage nicht zu verschlimmern. Ich sagte ihm, eS sei möglich, daß der Fall Anlaß zu einer Criminaluntersuckung geben könne, denn Müller sei schwer verwundet; ein offenes Bekenntnis würde unter allen Umständen von Nutzen für ihn sein und fragte ibn endlich, ob er Müller jemals beleidigt habe, oder ob sonst etwas zwischen ihnen vorgefallen sei. Daraufhin gestand denn Ihr Neffe Alles." Der Polizeidirector hielt dabei wieder inne, eine Prise nehmend. „Alle-? WaS heißt das alles?" fragte in fiebernder Hast Herr Sieler. Nun, daß er von Ihrem früheren Cassirer fünfhundert Thaler zur Tilgung einer Spielschuld erbalten bat und daß er den gewissenhaften Mann zu der vou Ihne» so streng ge ahndeten That nur verleiten konnte, als er erkannte, daß derselbe Ihre Tochter liebe." Tief ergriffen lauschte der Kaufherr den Auseinander setzungen de« PolizeidirectorS und eilte sodann nach Hause, um mit seiner Frau zu überlegen, wie man die Schande, welche der Neffe auf den fleckenlosen Namen seiner Familie zu wälzen drohte, abwenven könnte. Hierbei konnte Herr Sieler nicht umhin, darauf hinzuweisen, wie seine Tochter den Charakter des Neffen früher erkannt habe» müsse, als tue Ettern, die in ihrer Kurzsichtigkeit eine Verbindung mit dem jungen Mann herbcizuführen suchten. Diese Bemerkung führte die Gedanken der Eltern naturgemäß auf den leidenden Zustand ihrer Tochter, und Frau Sieler meinte: „Vielleicht bängt Martha'S Leiden mit einem tiefen Gram zusammen, vielleicht bandelt eS sich nur um ein seelisches Leiden." „Davon kann bei einem Mädchen von achtzehn Jahren nicht die Rede sein." „Aber wenn sie nun schon einen Mann liebt, wenn sie vielleicht auS diesem Grunde jede andere Partie auöschlägt" Platzte in großer Erregung Frau Sieler heraus. „Martba einen Mann liebt? und davon sollten wir solltest Du nicht« wissen?" Es war ein Gemisch von Ironie, Un- glauben und Unwillen in Herrn Sieler'S Ton Frau Sieler lenkte ein. Sie hielt den Zeitpunct. diese Angelegenheit ru erörtern, zetzt, wo Müller's Tbat im Licht emer edlen Aufopferung erschien, erst recht nicht für geeignet. „Ich meine nur so", sagte sie ausweichend. „Mädckenliebe Svrichw^r/" Ä es ist ein alte» Sprichwort. Es war nur eure Vermuthung." „Ja, ja, Vermuthungen", sprach Herr S,eler nachdrücklich dik'nn'* Frauen stark. ES war auch Deine Vermuthung daß Martha ohne Guido nicht leben könne, und der Herr Neffe hat dieses sehr geschickt vrrwrrlhet und einen braven Menschen dadurch mS Unglück gebracht. Indessen ich denke, >aß sich das wieder auSgleichen läßt. Es ist halb ein Uhr. Wir essen heute etwas später?" fragte er, nach seinem Hut greifend. „Wo willst Du hin?" „Ins JacobShospital. Will sehen, wie eS Müller geht. Martha wird sich wundern, wenn sie die Geschichte erfährt", setzte er. die Thürklinke schon in der Hand, hinzu. Der Kaufherr kehrte von seinem Gang zum Jacobshospital, das damals in der Nähe des Rosentbales lag, noch immer früher zurück, als Martha von ihren Besuchen bei einigen Freundinnen. Herr Sieler batte den Verwundeten weder sehen, noch sprechen dürfen. Er lag in heftigem Wundfieber, und Professor 0r. Günther, der Oberarzt, fürchtete eine Gehirnentzündung. Sehr niedergeschlagen tbeilte Herr Sieler diese Nachricht seiner Gattin mit, als Martba hocherregt ins Zimmer trat. Das junge Mädchen war schlanker und bleicher geworden, ibre Augen strahlten von dem eigentbllmlichen Glanz, der das Merkmal eines inneren Feuers »st, das die Lebenskraft rasch zu verzehren droht. Ihr Athcm flog. „Ist es wahr, Papa?" fragte sie nach flüchtiger Begrüßung mit bebender Stimme ihren Vater, der sein Kind ängstlich betrachtete. „Ist er todt?" „Wer soll todt sein?" fragten Vater und Mutter wie aus einem Munde und blickten bestürzt ihr Kind an. „Gottfried", sagte sie, während eine dunkle Rötbe über ibr Gesicht flog. „Man soll ihn ernstlich verwundet haben, ich erfuhr es eben bei Werner s. „Gottfried?" fuhr Herr Sieler zurück, der im Augenblick der Ueberraschung sich nicht erinnerte, daß dies der Vorname seines früheren Cassirers war. „Wen meinst Du, Kind ?" „Gottfried Müller, Vater!" „Er ist nur verwundet, ernstlich krank. Aber die Aerzte hoffen ihn zu retten", beruhigte sie Herr Sieler. „Du weißt wohl auch, wer ihn verwundet hat?" „Man nannte Gnido'S Namen", sprach Martha leise. „Ja, so ist es", bestätigte ibre Mutter. „Und der Grund, die Veranlassung?" fuhr Martha dringend fort, während Frau Sieler ihrem Manne bedeutungs volle Blicke zuwarf; aber Herr Sieler achtete nicht darauf. Dc^r Kaufherr lieble die Winkelzüge nicht. Er erzählte seiner Tochter Alles, WaS er vom Polizeidirector erfahren hatte, er verhehlte ihr nicht-. Das junge Mädchen lauschte mir atkcmloser Spannung: al» ibr Vater aber davon sprach, wie Gottfried geglaubt, Martba'« Leben von einer drohenden Gesakr zu retten, wenn er Guido daS Geld gebe, rief sie mit flammender Röthe auf den Wangen:
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