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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.02.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-02-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950226027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895022602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895022602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-02
- Tag1895-02-26
- Monat1895-02
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101.— 102.— 102.20 103.72 102.22 122,20 122 25 43.— 78.— 123,20 122,22 IIS.— SS.— 319,20 182.— 122,22 320.— 109,72 243.— 86,20 182.- 18-.- 143,— 110.20 63,- 124.— soH?« 184— 143.- 02,— »2.72 283.- 78 — iW 81.15 80,— 162,20 184,20 »18,82 ,17.— 118.80 82.30. 9.32 , 0.45 S.81 S — 3,— 8,25 »äl.— >455 «8 25 >09.— 04L5 >64.20 >10.— 86.10 >42— 02.42 9.42 23.80 ».07 »81 r.4S 1.32'. >r 8«>- pün-l- s»r«i- u 887, Lräsa l- . 77 7?-'. 12', S7'. 13-.- 73'^ 52», ZS», »7--. 4 nen- lrtmn 4M, 4.37. > 2,87. Lir«a »llle» > »4. 3 <1. SO .72 Zö >2.20 870 .38-, 32 i, >°1I- uu.4 > t>«- oui- 0'!,. 9 8 II. S'-, » psr j-v. in rlL. r,r Vrz«s-.Prei- Al d« Houptexpedltlon oder de» l« Stabs- beztrk und den Vororten errichteten -lus- oav,stellen obgeholt: vierteljährlich ^4,50. bei jwei«alioer täglicher Zustellung in« Hont X KLO. Lurch die Post bezogen fü» Deutschland und Oesterreich: viertel,ehrUch — Direct» tägliche -reuzbandiendung in» Ausland: monatlich -ch 7.L0. B»Dror-»»«u«gob, erscheint täglich '/,7Uhr. dt» Abend-Ausgabe Woche»tagt 5 Uhr. Nedmtto» und ErpeLitioa: J«ha«»e-g»sfe 8. DlrLrpedttio» ist Sochmtog» uauuterbrochr, groffnet W« früh 8 bl» Abend» ? Uhr. Filialen: Ott» Me««'» S-rlim. (Alfred Universttät»sttab» I. L<nt» Lösche. Kathartnrnstr. 14. vart. und KbnIgSvletz 7. Abend-Ausgabe. WaerIWMM Anzeiger. Organ für Politik, Localgefchichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Anzeigen.Prei- ^le 8 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reklame^ unter dem Redacticnsstrich («g»» spalten) üc-^z, vor Len Familirnnachrichte» sk gejpaltrn) 40 >4- Größere Schriften laut unserem Preis, »rrzrichniß. Tabellarischer und Zisscrns^ nach höherem Tarif. Extr«»Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne PostbesSrderuag 60.—. mit Postbesürderung 70.—. Annahmeschluß für Ansitzen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Sonn- und Festtags sriih Uhr. vei den Filialen und Annahmestellen ,r eiuo Halde Stunde früher. ArljNgrn sind stets an di« Grpeditio» zu richten. Druck and Verlag von E. Potz in Leipzig ^ 105. Dienstag den 26. Februar 1895. 89. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 26. Februar. Der Reichstag bat gestern die erste Berathung de-Gesetz entwurfs über die Reichsfinanzreform begonnen; die Debatte hat denselben Eindruck hinterlassen, wie die erste Lesung der Tabaksteuervorlage, den Eindruck nämlich, daß die Aus sichten zwar unsicher, aber günstiger sind, als im vorigen Jahre, und zwar in Folge der veränderten Haltung des Centrums. Die beiden Borlagen stehen allerdings insofern im Zusammenhang mit einander, als nach ver Absicht der Regierungen die Erhöhung der Einnahmen des Reiches durch die Tabakfabrikatsteucr eS ermöglichen soll, die Einzelstaaten gegen eine Steigerung der Matricular- beiträge über den Betrag der Ueberwcisungen hinaus zu schützen. Insofern ergiebt sich auch eine gewisse Gleichartig keit der Stellung jeder Partei zu dem einen und zu dem anderen Entwurf. Unbedingt geboten ist sie jedoch, wie die „Nat.-Ztg." mit Recht hervorhebt, nicht; wie die Erhöhung der Einnahmen aus der Tabakbesteuerung bewilligt werden und in sinanzrechtlicher Beziehung trotzdem Alles beim Alten bleiben könnte, so wäre andererseits nicht ausgeschlossen, Vast selbst beim Schei tern des Tabaksteuergesetzes die Finanzreform genehmigt werden könnte; denn der wesentliche Inhalt dieser ist der formelle Schutz der Einzelstaaten gegen Forderungen des Reiches, die Verweisung desselben auf seine eigenen Ein nahmequellen: würde dieser Entwurf unter Ablehnung der Tabaksteuer-Erhöhung angenommen, so würde seine Be stimmung, daß ein Deficit deS Reiches durch Zuschläge zu den Verbrauchssteuern zu decken sei, demnächst wirksam werden; unter den letzteren wären diejenigen auszuwählen, auf welche Zuschläge zu legen wären. DaS Eentruinsmitglied Rinteten hat mit seinem in der Umsturzcommission eingebrachteu Anträge, Denjenigen mit Strafe zu bedrohen, „der öffentlich oder vor mehreren Personen oder durch Druckschrift oder Bild dasDasein Gottes oder die Unsterblichkeit der me nsch lich enSeele oder den religiösen oder sittlichen Charakter der Ehe oder Familie angreift oder leugnet, seiner eigenen Partei Verlegenheit bereitet. DaS erkennt man deütlich aus der ultramontanen Presse, die sich krampfhaft bemüht, den Antrag nicht zu verteidigen, sondern zu entschuldigen. So behauptet die „Germania", der Antrag solle den Glauben an einen persönlichen Gott uud an die Unsterblichkeit der Seele vor „Verunglimpfung" schützen, obgleich das Blatt doch aus dem Wortlaute des Antrages ersieht, daß dieser jedes Leugnen jener Glaubenssätze, auch wenn es nicht in der Form von „beschimpfenden Aeußernngen" oder in einer „den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise" erfolgt, unter Strafe stellen will. In noch größerer Verlegenheit befindet sich die „Köln. BolkSztg", die durch den Antrag ihre wer weist wie oft auf gestellte Behauptung, daß der UltramontaniSmus Niemanden in der Freiheit deS Denkens und BekennenS beeinträchtigen wolle, desavouirt sieht. DaS rheinische Ecntrumsblatt erklärt daher, daß eS an eine Annahme des An trags nicht glaube; aus der Begründung dieses Nicht glaubens ersieht man, daß das Blatt die Annahme nicht bvfft nnd nicht wünscht. Die Ablehnung ist denn auch zweifellos. Zn der ganzen konservativen Presse bat sich unseres Wissens auch nicht eine Stimme für das Rintelen'sche Attentat ans die Gewissensfreiheit er hoben. Die „Nordd. Allgem. Ztg." erklärt sogar mit aller Bestimmtheit, daß der Antrag, falls er wider Er warten die Zustimmung deS Reichstags finden sollte, die der verbündeten Regierungen nicht finden werde. Sehr energisch erklärt sich ferner die königliche „Leipz. Ztg." gegen den Antrag, der die Absicht des EentrumS verrathe, „auS dem Kamps gegen den staatlichen Umsturz einen neuen Cultur- kampf zu machen", und motivirt ihre Absage folgendermaßen: „Durch Zweifel zum Glauben! Man sage doch ansrichtig: Wie viele unter uns, auch unter dm gebildeten Elementen des Centrums, können sich wohl rühmen, nicht durch diese Schule des Zweifels gegangen zu sein? Und diesen Zweifel soll man nicht mehr ausiprechen dürfen, vorausgesetzt, daß man mit gebührender Ehrfurcht behandelt, was, wenn auch nicht dem Zweifler selbst, so doch den Anderen noch heilig ist? Hier, wenn irgendwo, istderSatz, daß solche Gegensätze „nur innerlich zu überwinden" seien, richtig. Demdeutschen Volk, dem trotz aller modernen Verflachung noch immer idealistisch ver anlagtesten Volke der Welt, ist die Aufgabe beschieden. diesen großen Kamps der Geister auszutragen und mit Gott zu überwinden. Der Staat als solcher aber kann es nicht. Daß der Kamps von beiden Seiten in ehrlicher Ueberzeugung und mit ehrlichen Mitteln, ohne Classenverhetzung und Beschimpfung deS Heiligen geführt werde, dafür kann und soll er sorgen. Aber die Ueberzeugung zu tödten, mit Strafgesetzparagraphen den geistigen Kampf zum Stillstand zu bringen, das vermag er nicht.... Lieber kein Gesetz, als ein solches!" Daß die nationalliberale Presse einmüthig gegen den Antrag eintritt, ist selbstverständlich. Heute weist ihn die „Nat.-Lib. Corr." mit folgender Begründung zurück: „Ter Antrag Rintelen verkehrt den Zweck der Umsturzvorlage in ihr Gegentheil und bedeutet nichts Anderes als eine Förderung der Socialdemokratie. Indem er den Raub unveräußer licher Güter als eine gegen die revolutionairen Bestrebungen ge richtete Maßregel darslellt, verwischt er in den Augen des deutschen Volkes den Charakter der Vorlage und verleiht der Socialdemokratie, dieser sreiheitsseindlichsten aller Parteien, den Schein einer Führerin im Kamps für die Freiheit der Gedanken und Gewissen. Wie denn auch die Reaktion, die durch eine solche, die Metternich'sche Unter drückungspolitik übertrumpfende Knebelung der Geister, wenn sie gesetzlich ausgesprochen würde, binnen Kurzem hervorgerufen werden inüßte, der Natur der Dinge gemäß gleichfalls nur der extremsten Richtung zum Vortheile gereichen könnte. Für diesen Antrag trifft sinngemäß die Bezeichnung zu, die man der Kürze halber der No velle zn den Strafgesetzbüchern und dem Preßgesetz gegeben hat: er ist eine Umsturzvorlage. Er hebt das Recht des Zweifelns und geistigen Ringens ans, und setzt an seine Stelle den Zwang zur Heuchelei; sein Zweck ist nicht, Religion und Ehe — von der Monarchie und dem Eigenthum ist nichtdie Rede —vorBeschiinpsungen zu schützen, sonder» den Kopf undHerz des Menschen am tiefsten bewegenden Fragen das Schweigen des Todes aufzuerlegen. Der Protestan tismus mit seiner Auffassung von dem Wesen der Ehe könnte unter ihm nicht bestehen «nd die — in den katholischen Rheinlanden seit einein Jahrhundert zugelaffene — bürgerliche Eheschließung selbst verständlich auch nicht. DaS Centrum, das keine Bestimmungen be- schließen zu wollen erklärt, die gegen eine bestimmte Partei ge- richtet erscheinen könnten, ivird doch wohl kein Gesetz beantragen wollen, das für eine einzige Partei nicht bestimmt zu sein schiene, sondern in der That nicht bestimmt wäre. Es besteht zwar nicht die geringste -lussicht, daß irgend etwas aus dem Antrag Rintelen, auch wenn daö Centrnm sich ihn nneignete, Gesetz werden könnte, aber schon der Versuch der stärksten Partei des Reichstags, ihn dem Lande anfzunöthlgen, würde den inneren Frieden, an dessen Be- festigung man arbeiten will, aufs Bedauerlichste gefährden". Daß bei den weiter links stehenden Parteien der Antrag auf das Gegentheil von Sympathie stößt, braucht nicht be sonders hervorgehoben zu werden. Es verlohnte also kaum, mit dem Anträge sich zu beschäftigen, wenn nicht die Frage nahe läge, wodurch der Antragsteller zu einem solchen Lor stoste sich ermnthigt gefühlt hat. Leider liegt auch die Ant wort auf diese Frage sehr nahe. Wer die zarte Rücksicht- nähme der Männer des n eu e st en Curs es auf die Wünsche des Eentrums und ihre beständigen Verbeugungen vor den Centrumsrednern, die Aufmerksamkeit der Conservativen auf jedes ultramontane Lallen, das Zurückweichen selbst der Mittelparteien hinter daS sich vordrängende Crntrum, die „freisinnige" Unterwürfigkeit unter das Commando der Nachfolger Windhorst's und die kampflose Preisgabe deS Zesui tengesetz es bei der dritten Lesung des Antrags Hompesch verfolgt hat, der kann sich nickit im Geringsten darüber wundern, daß die extremsten ultramontanen Heißsporne die Zeit der ultramontanen Herrschaft für gekommen erachten. Systematisch hat man die Begehrlichkeit und Siegeszuversicht dieser Heißsporne groß gezogen und ist also mitschuldig an dem Anträge Rintelen, der übrigen- im Grunde gar kein anderesZiel verfolgt, als das, welches daS gesammte Centrum mit Hilfe der geschworenen Feinde der GewiffenSfreiheit, der Jesuiten, langsam aber sicher zu erreichen hofft. Da» mag der Bundes rath, der nach der Behauptung der „Nordd. Allgem. Ztg." für den Antrag Rintelen nicht zu haben ist, bei seiner Ent scheidung über das Schicksal de« Jesuitengesetzes bedenken. Nach den Erklärungen des ungarischen Minister präsidenten Banffy im Abgeordnetenhaus ist der von uns von vornherein als erheblich verfrüht bezeichnete Gedanke einer Fusion rer auf der Basis des Ausgleichs von 1867 stehenden Parteien gescheitert und wird von diesem Cabinet schwerlich wieder ausgenommen werden. Das Fusionsproject ist in erster Linie an den Wünschen des Führers der National partei, Apponyi, bezüglich der gemeinsamen Armee in die Brüche gegangen. Der Graf forderte unter Andern,, daß die einheitliche Ausbildung des Officiercorpö aufgegeben werde, die Armee also zwei sprachlich uno national von ein ander getrennte Osficiercorps besitze. Schon mit Rücksicht auf die Einheitlichkeit der Armee konnte der Ministerpräsident hieraus nicht eingeben. Der aus der neuen Parteiconstellation sich ergebende Verlust an Stimmen ist siir das Cabinet Banffy allerdings nicht ganz ohne Bedeutung, immerhin bildet die liberale Partei auch ohne diese Heerfolge noch eine starke und feste Stütze der Regierung. — Gleich zeitig mit dem Scheitern des Fusionsversuches hat sich ein anderes parlamentarisches Ereigniß von Bedeutung abgespielt: die Sprengung der äußersten Linken. Nicht gerade unerwartet erscheint dieser Proceß, der sich in folgender Weise vollzogen hat. Geza Polonyi, neben Ugron der Führer des rcactionär - klerikalen Flügels der Partei, als Streber bekannt, suchte den Obmann der Fraktion, Zusth, einen liberalen Katholiken und patriotisch gesinnten Mann, zn stürzen, und als nach heftigen Debatten, in welchen Polonyi der Borwurf, durch Jntrigaen die M«cht an sich zu reißen, unverblümt gemacht wurde, ein Antrag auf Einsetzung eines Direktoriums zur Organisation mit den Stimmen der klerikalen Majorität zur Annahme gelangte, verließ Zusth mit gegen 30 Ab geordneten (dem linken Flügel der Partei) den Saal. Am Sonn abend hielten die Secessionisten in der Wohnung des Ab geordneten Zusth eine Conferenz ab und beschlossen, definitiv auS der allen UnabbängigkeitSpartei auszutreten und sich auf Grund deS alten Programms als selbstständige Partei zu constituiren; ne wählten sofort Zusth zum Präsidenten und erließen eine Proclamation an die Wähler, in welcher sie ihr Vorgehen rechtfertigen. Die bisherige Unabhängigkeits partei ist nunmehr in drei Fractionen zerfallen, in die Fraction Ugron (etwa 60 reactionär-klerikale Mitglieder), die Fraction Zusth (etwa 30 Vertreter liberaler Tendenzen) und in die noch mehr link« stehende, bisher schon selbst ständige Fraction EötvöS (10 Mitglieder). Die Ber einigung der beiden letzten Fractionen dürste sich alsbald vollziehen. Die Mehrheit der Unabkängigkeits- und Achtundvierziger-Partei hat sich in schroffem Widerspruch mit ihren Principien in ein Anhängsel der vom Grafen Ferd. Zichy und Genoffen geschaffenen ungarischen Volks partei verwandelt, weil ihnen angesichts der klerikalen und christlich-socialen Agitation vor ihren Wählern bange ist. Der Rest unter Zusth nnd Eötvös dürfte sich nun der liberalen Partei noch mehr nähern. Die französische Republik wird bekanntlich bei der in diesem Sommer stattsindenden Eröffnung deS Nord- Ostsee-Canals durch zwei unter dem Commando eines Admirals stehende Panzerschiffe vertreten sein. Die Ein ladung der französischen Marine ist also erfolgt und von der Regierung der Republik auch angenommen worden. Zn Paris hat die Einladung des deutschen Kaisers in allen vernünftig und ruhig denkenden Kreisen einen sehr günstigen Ein druck hervorgerufen, nnd der „Figaro" gab ja demselben Ausdruck, indem er letzter Tage schrieb, die Nachricht beweise wiederum, daß Frankreich nicht mehr wie eine gefährliche Nation betrachtet wird, mit der man unter dem ersten besten Vorwände anbinden müsse, wie die Alarmistcnblättcr dies immer darzustcllen und fürchten zu machen suchten. „Es ist also eine große friedliche Kundgebung", schloß der „Figaro", „die im nächsten Zuli stattsinden wird." Da- zegen ist der „Zntransigeant" gan: aus dem Häuschen, indem das Organ deS Marquis de Rochefort den höchsten Schimpf darin erblickt, daß die französische Marine die deutsche Flagge salutiren werde. Nochefort klagt auch den deutschen Kaiser an, daß er die thörichten Colonial-Unternebmungen Frankreichs nur begünstige, um daS französische Heer zn schwächen, die französischen Finanzen zu ruiniren und Frank reich mit Italien und England vollends zu entzweien. Der Director deS „Zntransigeant" hofft, die Kammer Werve Ein sprache dagegen erheben, daß ein französisches Geschwader sich nach der Nordsee begiebt. Vielleicht wird Henri Rochefort milder gestimmt, wenn er erfährt, daß auch die russische Marine bei der Eröffnung des Nord-Ostsce-Canals vertreten sein wird. Am Freitag erhielt der bekannte ciisllische Arbeiter abgeordnete Keir-HarLi e (Londoner District West Ham) vor dem parlamentarischen Ausschuß über die Arbeits losigkeit Gelegenheit, an Stelle der Kritik seine Staats und gesellschaftliche Weisheit keuchten zu lassen. Er begann mit der Bemerkung, daß die bestehende Noch viel größer sei, als den amtlichen Departements und ihren Organen bekannt wäre. Und darin mag er wohl Recht haben. Die Com mission möge sich aber auch davon Kunde verschaffen. T-ie Zahlen deS Localverwaltungs-Ausschuffes und seine eigenen wichen weit von einander ab. Zn LcedS gäbe es z. B. nach seinen Erkundigungen 8000 Arbeitslose und außerdem 10 000 völlig Mittellose unter der Arbeiterbevölkerung der Stadt. Liverpool habe zur Zeit 1800 Arbeitslose und 1ö 000 dem Hungertode nahe Frauen und Kinder. Zn seinem eigenen Wahldistrict West Ham sei kein Platz mehr im Arbeitshause. Die Armenpsleger ständen jetzt am Rande ihres Witzes. Sein Borschlag, den er in den Interims-Bericht ausgenommen wünsche, ginge nun dahin: das Reichsschatzamt möge die Summe von 100 000 L für die Arbeitslosen aussetzen. Einen gleichen Betrag hätten die Gemeinden auszusetzen. Dieses Geld sei nöthig, wenn nicht eine Hungersnoth entstehen solle, ehe die Commission ihren abschließenden Bericht erstatte. Der „Daily Graphic" bemerkt dazu: „Ter Vorschlag ist die Einfachheit selber. Mit 200000 L sollen die 1 250 000 Arbeitslosen gespeist werden. Das ist die Zahl Keir« Hardie's. Jeder bekommt also 2 sl». 6 ü. Das genügt für einige Wochen. Und dann? Das Recept nochmals machen lassen. Wahr scheinlich würde der Curs das Nebel noch verschlimmern. Wenn 100 000 L monatlich die Arbeitslosigkeit beseitigen könnten, so würde Feuilleton. Ein Lecher Leihe. 111 Roman von R. Teilet. Nachdruck »erboten. (Fortsetzung.) „Und Sic glauben, so wird es auch bei Miß Stuart sein?" „Gewiß. Ich beobachte ihren Fall mit größtem Interesse. Sie ist ungemein scharfblickend, nickt eine Idee geistiger Stö rung ist zu bemerken. Die Gehirnsubstan; ist in Ordnung — eS ist jeder empfangene Eindruck darin noch vorhanden. Aber die Erschütterung, die sie zur Zeit des Anfalls — oder damals in der Todtenhalle — erhielt, bat sie für den Augen blick ganz betäubt. Die Eindrücke können sich allmählich wieder beleben — oder sie müssen durch verwandte Eindrücke an gereizt werden, aber daß sie alle da sind, davon bin ich völlig überzeugt." „ES ist ein bedauernSwrrther Zustand", sagte ich, und malte mir seine eventuellen Folgen für Ethrlren aus. „Ich bin anderer Ansicht", erwiderte der Doctor lebhaft. Es kann für ihre geistige und körperliche Gesundheit von großem Nutzen sein, daß sie vollstanvig mit der Vergangenheit gebrochen hat." „Ab, Sie glauben also wie Fräulein von Busecke, daß Miß Stuart'S Vergangenheit irgend »in Geheimniß birgt?" „Ein Geheimniß? — ja. Daran kann man kauin zweifeln. Es ist entschieden etwas GeheimnißvolleS an ihr. Ich möchte fast behaupten, Miß Stuart sei aus ihrer Heimath geflohen. Ohne Grund würde sie nicht jede Spur ihrer Vergangenheit zerstört haben." „Aber sie sagten selber, sie hielten sie für rein und gut?" „Davon hin ich auch fest überzeugt. E» Aiebt Naturen, die man nicht verkennen kann, die man für rein halten muß — zu ihnen gehört Miß Stuart. Aber daS verhindert nicht, daß unglückliche Umstände mit ihrem Leben verbunden waren. Ihre Angehörigen können schlecht an ihr gehandelt haben. Sie kann entflohen sein, um einem drohenden Uuheile zu ent gehen. Ich Weiß eS nicht, ich vermutbe nur; aber wie bereits gesagt, davon, daß ein Geheimniß sie nmgiebt, bin ich fest überzeugt." Ob wir eS je ergründen werden?" „Wer kann es wissen! Hoffen wir das Beste! Im Moment können wir nicht» thun, al» warten und beobachten." Zch erinnerte mich plötzlich der andern Angelegenheit, über die ich mit vr. Falck hatte sprechen wollen und sagte: „Zch möchte gern etwas für Miß Stuart thun." „Sie haben schon viel für sie getban —, ja, eigentlich Alle». Und Miß Stuart ist Ihnen sehr dankbar." Er stieß die Worte hervor, als würde ihm das Sprechen schwer. „Aber ich möchte noch mehr thun", sagte ich. „Sehen Sie, Miß Stuart ist offenbar nicht reich. Zch dagegen lebe zu fällig in sehr guten Verhältnissen. Sie glauben nicht, welch Vergnügen eS mir bereiten würde, wenn ich die Kosten für Miß Stuart'S Unterhalt tragen dürste." „Das ist nicht nöthig", versetzte er kurz. „Zch tbäte es Herzlich gern." „Dir Sache ist längst geordnet." Er sprach so ungeduldig, als wäre ihm das Thema un angenehm und er es so rasch als möglich zu wechseln wünschte. Da ikm dies nicht gleich gelang, sagte er: „Sir müssen mit der Baronin darüber sprechen." „Das habe ich bereits gelhan." Ein rascher, scharfer Blick flog auf mich, der vr. Falck die Ueberzeugung zn verschaffen schien, daß ich von seinem Aner bieten wisse, denn er sagte plötzlich: „Ich will offen gegen Sie sein. Zch habe die Sache in die Hand genommen. Nun bitte ich Sie dringend, kein Wort mehr darüber zu verlieren. Es ist eine derartige Kleinigkeit, daß ich die Ausgabe kaum merke." „Aber es wurde mir sehr großes Vergnügen bereiten, wenn " „Sie dürfen nicht ein Monopol für derartige Vergnügen beanspruchen", unterbrach er mich und versuchte, sich zu einem Lächeln zn zwingen. „Aber bedenken Sie, Herr Doctor, wie viel Zeit und Mühe Sie ihr täglich widmen, — bei Ihrem Berufe doch ganz un schätzbare Factoren." „Immerhin nur ein geringer Ausgleich für da» große Unrecht, das ich ihr durch meinen Eigensinn beinahe zugefllat hätte. Sie waren ihr Lebensretter; genügt Ihnen daS nicht?" fragte er fast heftig, „und mißgönnen Sie mir die Beruhigung, die geringen Kosten für ihren Unterhalt zu bezahlen?" WaS konnte ich seiner überraschende» Heftigkeit gest«"- über antworten? Hatte ich ein Reckt, ihm meinen Willen aufzurwingrn? Er war mir bei der Baronin zuvorgekommrn und sie hatte sein Anerbieten angenommen — zu meinem großen Bedauern. Wir nahmen weniger herzlichen Abschied von einander als sonst, aber gleich nachdem wir unS getrennt hatten, sagte ich mir, daß ich unvernünftig und ungerecht gewesen se>. Es war von ihm reiner Edelmuth, so viel für ein Mädchen, das ihm nichts sein konnte, zu thun. Ich konnte ihm seine Heftig keit nicht nachtragen, er hatte sie nur angenommen, um seine Großmuth in weniger Hellem Lichte zu zeigen. Als mich mein angeborenes Gerechtigkeitsgefühl bis zu diesem Schluffe gebracht hatte, hörte ich plötzlich rasche Schritte hinter mir. Zch schaute mich um. Es war vr. Falck. Er war ohne Hut, sein blondes Haar und sein voller Bart flatterten im Winde. Noch nie halte er mir so imposant und löwenhaft auSgeseben und ich mußte es zugeben, daß er in seiner Art ein selten schöner Mann sei. „Verzeihen Sie", sagte er athemlos, „ich wollte Ihnen noch etwas sagen." „Nun, WaS wäre daS?" Er zögerte «inen Augenblick, al- überlegte er, wie er sich am besten auSdrücken sollte. Dann bemerkte er leise: „Nicht wahr, Sie sehen eS ein, daß Miß Stuart einstweilen noch vor jeder Erregung behütet werden muß?" „Gewiß sehe ich da» ein." . „Sie wird ihr Zimmer sehr bald verlassen' — vielleicht schon morgen — dann werden Sie sie gewiß oft sehen und sprechen. Man kann nickt vorsichtig genug in der Unter haltung mit ihr sein. Sie ist Ihnen sehr dankbar. Sehen Sie, Dankbarkeit erzeugt oft —" er zögerte einen Moment — „ein zärtlicheres Gefühl. ES wäre unrecht von Ihnen, wollten Sie da« Gefühl ermuthigen. Jede Erregung kann ihr in ihrem gegenwärtigen Zustande den größten Schaden thun." Seine Warnung berührte mich schmerzlich. Gerade jetzt, da ich nach dem langen Aufschub ans ein vertrauliches Gespräch mit Etbelren sehnsüchtig wartete, und danach verlangte, ihr mein Herz offen zu zeigen, sollte ich mir noch länger Zwang antbun und sie wie jede andere zufällige Bekanntschaft behandeln. Aber vr. Falck war Arzt und da er gerade Ethelren's Fall ganz besondere Aufmerksamkeit angedeihen ließ, hatte er sicher seine guten Gründe für seine Anordnung. „Zch miuß Ihrem Wunsche Folge leisten, das sehe ich ein", sagte ich zögernd. „Sie müssen eS allerdings, wenn Sie dem Mädchen nicht schaden wollen." Ohne mich noch einmal anzuschauen oder ein weiteres Wort hinzuzufügen, wendete er sich kurz um. 13. Capitel. Nach Verlaus weniger Tage war Ethelren wohl genug, um das Zimmer zu verlassen und mehrere Stunden des Tages im gemeinsamen Wohnzimmer zu verbringen. Endlich sollte ich sie also Wiedersehen. Sie saß in einem Lehnsessel im Salon die — Baronin und Therese waren bei ihr. Zu meiner Freude merkte ich eine entschiedene Aenderung in Ethelren's Aeußerem. Ihre Augen glänzten, ihre Wangen waren mit zarter Röthe — einem Zeichen wiederkehrender Gesundheit — bedeckt, das Gesicht war nicht mehr von so durchsichtiger, krankhafter Blässe als bei unserem letzten Zusammensein. Ihre Hand war, als ich sie im Krankenzimmer an meine Lippen gezogen hatte, so dünn gewesen, daß man fast fürchten mußte, sie zu berühren; jetzt war sie kräftiger, so daß man sie ohne Furcht ergreifen konnte. Zch dachte nicht wieder daran, sie zu küssen. Wir waren beide Engländer und wenn wir uns auch im Momente, als ihr Leben in Gefahr schwebte, über die steifen Regeln der Gesellschaft kinweggesetzt hatten, so war jetzt doch kein Grund vorhanden, ihnen zuwider zu handeln. Zch glaube, sie fühlte das ebenso instinktiv wie ich. Zn unseren Beziehungen zu einander hatte sich ein gutes Tbeil Romantik geltend gemacht. Zch hatte Miß Stuart'S Leben ans außergewöhnliche Art gerettet, und sie belohnte mich dadurch, daß sie mich ohne Scrupel an ihr Krankenbett rufen ließ. So lange der Tod über ihr schwebte, hatte Keiner von unS daran gedacht, seine Hand lungen ooer Worte nach der Wagicbaale des Salons abzumessen. Aber jetzt war cs anders geworden. Die Romantik mußte den Formen der Gesellschaft Platz machen. AlS wir unS im Salon der Baronin wiedersahen, reichten wir uns die Hände, wie gute Bekannte eS zu thun pflegen. Zch fragte sie, wie es ihr ginge, und sie antwortete mir, eS ginge ihr vortrefflich. Diese Unterhaltung kam mir nach Allem, was zwischen unö vorgegangen war, ziemlich kläglich vor. Aber das läßt sich nun einmal nicht ändern. Wir bandeln wed^r, noch sprechen oder denken wir, wie wir gerne möchten, immer sind wir von unsichtbaren TrennunaSmauern und Gräben umgeben, immer schwebt das Medusenyaupt der gesellschaftlichen Etikette vor unseren Augen. Nachvem ich mich nach Etbelren's Befinden erkundigt batte, sprachen wir von allem Anderen, nur nicht von ihr. Sie selbst betheiligte sich wenig am Gespräche, aber sie hörte ihm aufmerksam zu. Es war offenbar, daß sie wieder leb haften Antheil an, Leben nahm. Sie lächelte ab und zu, ja, sie lachte sogar zuweilen, kein Zug von Angst oder Sorge
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