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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.03.1895
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-03-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950304012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895030401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895030401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-03
- Tag1895-03-04
- Monat1895-03
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BezrrgS-PreiS d« »da de, im Smd». batrk a»d da Borortrn errichtete» »,»- at Pmtmaltz« tdgltch« L»ft»U»,> da Ha» ^ S^L ^Dach dt» Potz bqaa für D»tschla»d u»L Oesterreich: vtateljtdrUch L—. Direkt« tägliche Kreuzbandsendung da «««la-L: monatlich 7ckO. Ddvr»rga.»»»gabe erschrtat täglich '/,7Uhr. die Adad-U»Agab« Wocheetag» ö Ltzr. Ne-arNim vntz Erve-Mo«: Äoßanaesgaffe 8. Di» Srpeditto, ist Wochatag« aauntabroche, grösst»«» a, früh 8 «Lead« 7 U-r. Filiale,: vtt. Me«»'« G-eti«. <Alfre» Hahsid U»iv«rsität»strabr 1, S.ut« L-iche. Mühmtaastr. »«»pcat. «d »öuig<vl»tz 7. Moraen-Ausgabe. WM.TWblM Anzeiger. Drgan für Politik, Localgeschichte, Handels- undGeMsverkehr. Anzeigeu-Prei- die ff gespaltene Petitzeile 20 Pfg. «rclamea anler vem RedaetionSftriL (gg». Watten) SO-cg, vor den Fan>lUru:!o^,nrt,.e» i« gespalten) 40 Selcher« Schriften laut unsere« Preis- derzetchniß. Tabrllartlcher und Ziffern^ »ach höherem rarts. Ertraeveilagn» (gesalzt). «,r mtt da Morara-Ausgabe. ohne Postdesörderaag ^ SV.—, mit Poftdesördauag 70.—. Änftalsmeschluß fir Anzeigen: «drad-Au-gabe: Bormittag» 10 Uhr. Morgen.Lusgabe: Nachmittag» »Uhr. Gönn» and Festtag» früh '/,S Uhr. Mit den Filialen und Lnnadmestrllea je «ine halb« Stund« früh«. Aareia«» find fttt» »» dt, Eapedittsa zn richtnr. Druck m» »«lag von L Pol» in Leftqig Montag den 4. MArz 1895. 88. IahrgaU Socialpolitische Amschau. e. Adel verpflichtet. Dieses bekannte Wort will unter den Berbalknisftn der Gegenwart so verstanden sein, daß die durch Bildung, Reichthum und Geburt ausgezeichneten Schichten der Gesellschaft eS nicht lediglich als ikre Aufgabe zu betrachten daben, die Freudeu des Lebens zu genießen und großen Besitz zu erwerben, sondern daß sie sich auch der ernsten Pflichten bewußt bleiben, die sie gegen ihre in einer ungünstigen Lage befindlichen Mitmenschen zu erfüllen baden. DaS Wenigste, wa» man von den höheren GesellscbaslSschicbten verlangen kann, ist, daß sie Anderen ei» gutes Beispiel geben. Aber im höheren deutsche» Bürgerthum, in der Geburtsaristokratie und in der Beamtenwelt ist die alte Einfachheit, die schlichte Lebensführung eine Seltenheit geworden. Okur einzelne dieser Gesellschaftsschichten halten noch mit löblicher Treue an den alten guten Familienüberlieferungen fest; die meisten glauben ihrer Stellung ein „glänzende- HauS" und „noble Passionen" schuldig zu sein. Eine Umkehr von diesem an Abgründen reichen Wege ist schwer; aber immerhin kann man eS als einen Anfang zum Besseren bezeichnen, daß die Gefahren, welche auf jenem Wege liegen, erkannt werden. Bekanntlich bat schon vor geraumer Zeit der Kaiser die Officiere gemahnt, zu der alten Schlichtheit in der Lebensführung zurückzukehren. Auch der kürzlich in Berlin versammelte deutsche AdelStag bat eine Erklärung beschlossen, in der es heißt, dem deutschen Adel erwachse heute mehr als je die ernste Pflicht, sich ab- zuweuden von der Selbstsucht und dem Materialismus unserer Zeit und unter den gegenwärtigen Verhältnissen zu der früheren Einfachheit in den LebenSzewobnheiten zurückzu- kehren. Die sociale Pflicht der höheren Elassen ist mit dieser ein fachen Umkehr noch nicht erschöpft. Man kann von ihnen verlangen, daß sie auch selbstthätig an der Lösung der schweren Aufgaben unserer Zeit Mitarbeiten. Es ist eine erfreuende THatsache, daß auch diese Pflicht immer mehr anerkannt wird. Die Unterstützung der zahlreichen gemeinnützigen Bestrebungen unserer Tage beweist das. Au« der letzten Zeit ist in dieser Beziehung namenttich auch der Eifer zn nenuen, mit dem inan bemüh» ist, die Volksgesundbeit überall zu fördern, die Freude an der Natur und am Wald zu erhöhen und Volks- heilstätten für Lungenkranke und andere Gebrechliche einzn- iichten. Einer derartigen socialen Hilfstbätigkeit muß man von Herzen Glück wünschen. Sie muß unsere sociale Gesetzgebung ergänzen, deren vorbeugende Wirkung später mehr alS beute zur Geltung kommen wird. Immerhin trägt auch schon gegenwärtig diese Gesetzgebung zur Erleichterung deS LooscS der ärmeren Classen in einem achteuSwerthcn Umfange bei. Nach dem Geschäftsbericht deS NeichsversicherungsamteS sind, wie schon gemeldet, im vorigen Jahre 8 079 00» -L' von der Unfallversicherung an Verletzte und an die Verwandten Getödteter und Verletzter gezahlt. In derselben Zeit sind an 295200 Personen 34 400Ö00-F Alters-und Invaliden renten zur Auszahlung gelangt. Eine segensreiche Thätig- keit haben diese Versicherungsanstalten seit einiger Zeit auch noch auf einem anderen Gebiete socialen Nothstanves entfaltet. Sie gaben bisher für den Bau von Arbeiterwohnungen 5 741 000 ^ als Darlehen, und sie haben gegenwärtig wieder mehr als eine Million für den gleichen Zweck bereit gestellt. Die Wohnungsfrage für die arbeitenden Classen in ver ständiger und aründticher Weise zn lösen, ist eine der drängendsten Aufgaben der Gegenwart. Die gegenwärtigen FrrriHeton. Schwiegermütter. Ein Lebensbild von Flora Riuck. Nachdruck Vervotm. (Fortsetzung.) Einige Monate darauf wurde die Familie von neuem Unheil heimgesucht. Wilt'S Mutter, die in irgend einem Nestcheu HinterpommernS behaglich von den Zinsen ihres kleinen Cavitals lebte, hatte letzteres der „Ritterschastlichen Privatbank" anvertraut. Dieselbe krachte zusammen und die fast siebzigjährige Frau stand bettelarm da. Infolge der herzzerreißenden Briefe, die sie an den Sohn schrieb, reiste dieser zu ihr und fand sie in derart verzweifelter Stimmung, daß er sie mit (ich in sein Haus nahm und sie NöSchen'S Fürsorge anempfahl. Letztere emvfing sie mit offenen Armen. Der Scbmerz um ihre eigene Mutter war noch so frisch, so ungestillt in ihr, daß sie die neuerdings von ihr geforderte Dethätigung ihres kindlichen Pflichtgefühls als eine förmliche Wohlthat ansah. In den ersten Tagen ihrer Ürbersirdelung nach St. hielt sich die alte Frau nur in dem ihr bequem eingerichteten Stübchen auf. Sie fühlte sich matt und krank und mochte kaum da» Bett verlassen. Allmählich fand sich aber die alte Regsamkeit wieder bei ihr ein; die Theilnahme für ihre Um gebung, die Neugierde, den ibr noch fremden Verhältnissen auf den Grund zu schauen, drängte die eigenen Kümmernisse zeitweise in den Hintergrund, und eine-Morgen« erschien sie dann auch mit den Uebrigen zusammen an dem gemeinschaft lichen Kaffeetisch, freundlich begrüßt von Will und seiner Frau, mit lautem Jubel von Lieschen, die die herrlichen Tage der Freiheit und Verwöhnung im Hause deS GroßmülterchenS noch immer in bester Erinnerung hatte. Freilich mußte sie sich diesmal einen kritisch musternden Blick gefallen lassen; und es wollte dem kleinen eitlen Dinge gar nicht behagen, als die alte Frau, zu Will und Röschen gewandt» bedenklich sagte: „Hört Kinder, mir scheint, Liesel sieht aber ganz und gar nicht gut drein. Wenn ich denke, wie rund und frisch sie auSsah. al« sie bei mir war — und jetzt, diese dünnen Arme, da« schmale, blaffe Gesicht — nein Kinder, die gefällt mir nicht. Sie wird doch nicht krank sein?" Wilt zog seinen Liebling an sich und täschtrlte ihr zärtlich denen GeneverschnapS vrrschenkt wurde, heute A die ZaU derselben auf 175 000 gestiegen. Wenn man Frauen und ?inder mitrechnet, so Zustände auf diesem großen Gebiet sind geradezu eine öffent- ftche Gefahr. Auch in Oesterreich erinnert man sich in hohen Kreisen jetzt der schlimmen Zustände, die dort auf dem Gebiet der Wohnungsfrage vielleicht in einem noch ausgedehnteren Maße als in Deutschland herrschen. Kaiser Franz Joseph hat schon jetzt Anordnungen getroffen, nach denen das Jubelfest seiner siuifzigjäbrigen Regierung in einigen Jabren namentlich durch die Errichtung von WohlfahrtSanstalten gefeiert werden soll. Besonders in dem durch schleckte und tbeuere Arbeiter- wohnnnaen traurig sich auSzeichnenden Wien sollen billige und gesunde Wobnungen für die ärmere Classe gebaut werden. Auch ist angeordnet, daß alle einschlägigen Fragen zur Erörterung gelangen und Verwaltung-maßreaeln zur Verbesserung der Wohnungsverbältnisse zu ergreifen sind. Man hofft, daß nach dem Beispiel des Kaisers die gemein nützigen Bestrebungen auf diesem Gebiet auch in anderen österreichischen Gesellschaftskreisen eine auSgirbiae Unter stützung finden und somit auch in Oesterreich die Lösung der Wohnungsfrage mit etwas größerem Nachdruck «ls bisher in Angriff genommen wird. 2a allen Staaten drängt sich die Arbeiterfrage immer mehr in den Vordergrund, nicht nur der privaten gemein« L"-° UA äK-L.«WWÄWL. L 2n.--.si. ,-°n-n Nothstandsarbeiten angeorbnet, die bekanntlich in den ahlreichen deutschen Städten unter Anträge sormulirten Vorschläge zur Hebung der Getreide- greise, wie auck über die Verbilligung der landwirthschaft- ichen Production und die Erleichterung de- Absatz»« — also Herabsetzung der Eisenbahntarife für weitere Entfernungen — rrserirrn. Zu denjenigen Herren, welchen Referate übertragen worden sind, gehören ferner die Herren von Helldorff-Bevra, v. Kardorff, Graf von Mirbach-Sorquitten, Freiherr v. Huene, Freiherr v. Schorlemer-Alst, StaalSminister Graf Zedlitz Trützschler, (Jeneralconsul Ruffel und der LandeSdirector der Kheinprovinz Geh. Odrr-RegcrrungSrath vr. Klein. * Berlin, 3. März. Auf dem Di«marck-Commerse der Berliner Studenten hat» wie schon kurz erwähnt, auch der Generaloberst von Lov da» Wort ergriffen. Seine beachlenSwerlhe Ansprache lautet nach der „Post"l „Auch die preußüche Armer, die in König-treue und Vaterlands- cun», nls viele mit seuriaea Zungen zur lebe, im warmen Interesse für den Ruhm Deutschiand« sich mir der Nation einig suhlt, nimmt lebhaften, «ntheit an der in edler ?°mm't'"aus je 30 Linwobner r.ne jkmver murrcpiiri, ,c> komm! au, ^ „veemals mit- GcnrverschnapSknripc. Frauen Kuw*s aber echnet kommen in Belgien jährlich aus I'd'N K°Pf der v völkerüng 12 Liter Genever. Da dieser aber von v.el-n Frauen und Kindern überhaupt mckt getrunken wird i° sprach der frühere belgische Mm.fter Le,eun^ kürzlich die Ueöerzeuaung aus.datz ftder G-n-vertrmker m Belgien jährlich 48 Mer dieses Getrautes zu sich n«hmc^2m Zusammenhänge hiermit ftebt, daß ^"?bal ^ 3 . »hl der Verbrechen um 200 Proc., di» der Gcifteskranken um t39Proc.und der Selbstmorde um 140Proc. zugenommrn bat. 2n der Zeit von 1873-1893 wurden ,n Belgien kur 2 600 000 000 Franks Genever verbraucht, da- sind im </avr für 130 Millionen! — Umkehr nnd Einkrbr mahnenden Zahlen der belgischen statistik bildet da» Vorgehen der ungarischen ^d'^ung ««l dem Gebiete der Agrarfrage. .Der Eultusmmffter will einen Versuch damit machen, e,ne Anzahl der grotzrn fiskalischen Güter na» Ablauf der Pachtdauer zu zerschlagen unter leichten Bedingungen an landwirthschastliche und Arbeiter abzugeben. Auch in Deutschland wird man die Er- letzken Monaten auch in r< Aufwendung erheblicher Mittel ins Werk gesetzt sind. DaS englische Unterhaus hat vorläufig für derartige Nothstands arbeiten 80 000 Pfund bewilligt. 2n Schweden ist dem Reichstage jetzt der schon vor längerer Zeit angekündigte Gesetzentwurf der Regierung über die Vers > cherung und Pensionirung der Arbeiter überreicht. Derselbe macht sich die deutschen Erfahrungen zu Nutze und bat mehrfach die deutsche socialpolitische Gesetzgebung zum Vorbild genommen. Es ist jeder Arbeiter versicherungsberechtigt; nur nicht die Seeleute und solche Arbeiter, die ihren Lohn in Naturalien erkalten oder mehr als 1800 Kronen jährlich verdienen. Die Pensionsberechtigung soll im Alter von 70 Jahren eintreten, früher jedoch, wenn der Arbeiter durch Krankheit oder Unfall verhindert wird, sich zu ernähren. Grundbetrag der Pension bilden 50 Kronen jährlich, doch werden zu diesem Betrage classenweise Zuschüsse nach Maßgabe der gezahlten Beiträge geleistet. Die Gesammtkosten der Versicherung werden im Anfänge derselben aus jährlich 8 6l7 000 Kronen veranschlagt. Hierzu sollen die Arbeiter 3 414 000, die Arbeitgeber 1 813 000 und der Staat 3 390 000 Kronen beitragen. Eine andere Richtung hat die sociale Hilfstbätigkeit deS Staates neuerdings in Belgien eingeschlagen. Dort will man in nächster Zeit ein Arbeitsamt errichten, welches alle sich auf daS ArbeitSwescn beziehenden Nachrichten sammeln und verwertben soll. DaS Amt wird namentlich die Ausgabe haben, sich mit den Arbeiterverbältniffen nach jeder Richtung genau vertraut zu machen, um sachverständig bei dem Erlaß neuer social-politischer Gesetze milwirken und über die Aus führung bestehender Gesetze wachen zu tonnen. Da eS für die sociale Gesetzgebung materielle Unterlagen liefern soll, so wird sich das Amt auch mit den Einzelheiten des Trink last crs in Belgien zu befaffen haben. Es giebt keinen Staat, vielleicht selbst Rußland nicht ausgenommen, in dem dieses Laster einen solchen Umsang erreicht hat, wie in dem Eldorado der Klerikalen. 2m 2ahre 1851 brachte die Brennsteuer dem Staat dort 4 Millionen Francs, 1892 aber 33 Millionen 2n Belgien gab eS 1851 etwa 53 000 Wirthschaften, in das erglühende Gesichtchen. wobei er abwehrend sprach: „Ach Mutter, was Du denkst. Mache dem Kinde doch nicht Angst." Röschen aber sagte begütigend: „Mamachen, das ist in dem Alter bei den Kindern doch immer so. Lieschen wächst sehr und das macht sie mager und blaß; ein paar Jahre später wird sie schon wieder rund und nett werden, gelt Kleine?" DaS Kind nickte ihr dankbar zu. Frau Will hätte fick aber Wohl noch nicht zufrieden gegeben, wenn jetzt ihr Blick nicht auf die Kaffeemaschine gefallen wäre, die blitzblank mitten auf dem Tische stand. „Was, Ähr kocht Euren Kaffee auf 'nrr Maschine?" fragte sie gedehnt. „Ja, Mama", lachte Will, belustigt über ihr verdutztes Gesicht. „Das ist Dir ganz was Neue«, nicht wahr? Dafür haben wir unS bei Röschen ru bedanken, die hat sie ein- geführt. Und meine Frau hat Recht, eS sitzt sich ungeheuerlich gemüthlich dabei." „2a, aber der Spiritus — wa« kostet daS für Geld, mein Böhnchen", gab die Alte wieder zu bedenken. „DaS ist nicht so schlimm, Mamachen — die paar Pfennige — —>" fiel jetzt Röschen ein. »PiebeS Kind, so mußt Du nicht sprechen, die paar Pfennige werden schließlich zu 'ner Mark, die Mark zum Tbaler und so weiter. Wer daS Kleine nicht ehrt, ist de« Großen nicht Werth. Merke Dir das ja. Nur keine un- nöthigen Ausgaben. Auf dem Herd mußt Du ja doch Feuer haben, des «bwaschwafsrrS wegen, da ist hier der Spiritus ganz unnöthia." Röschen sab völlig betreten drein, Wilt aber, nach besten Geschmack diese Auseinandersetzung ganz und gar nicht war, erbob sich schnell und „räumte", wie er lacbenv sagte, „den beiden Frauen das Feld, um inS Geschäft zu gehen". Dem Gespräche wurde dadurch rin Ende gemacht. Röschen trug da« Geschirr ab, nachdem Alle getrunken batten, machte Lieschen für die Schule fertig und ging dann hinaus in die Küche, um die nöthigen Vorbereitungen für das Mittagsmahl zu treffen. Hierher kam ihr Frau Wilt nach und suchte sich nach Kräften nützlich zu machen. Dabei sah sie, wie Röschen da rum Schmoren bestimmte Stück Fleisch mit einer kleinen Bürste behutsam bürstete, schnell abspülte und dann inS mittlerweile zum Kochen gebrachte Wasser warf. Förmlich erschreckt sprang sie zu. Deutsches Reich. * Leipzig, 3. März. In per Sonnabendsitzung des preußischen Abgeordnetenhauses verschaffte der Abg. von Eynern, wie wir mit Bedauern constatiren müfsrn, Herrn Stöcker die Gelegenheit, als Vertreter der freien Wisferr schafl aufrutreten. Die nationaUiberalen Abgeordneten Bueck und Prof 0r. Paasche ließen erfreulicher Weise den Aus führungen ihre« Fractionskollegen ungesäumt den nothwendlgen Commentar folgen. Einen ausführlichen Bericht hierüber finden unsere öfter an anderer Stelle. * Berlin, 3. März. Die Tagesordnung für den StaatSrath lautet, wie die „BreSl. Ztg." vou gut unter- richleter Seite erfährt, folgendermaßen: I. Maßnahmen zur Hebung der Preise landtvirth- schastl,ck,er Produkte: o. dir Monopolisirung deS Handels mit ausländischem Getreide in Verbindung mit einer Bestimmung der Preise für da« eingefübrte aus ländische Getreide nach Maßgabe des Preisstandes im 2n- lanve innerhalb der letzten 40 Jahre, d. die Monopoli sirung de« Handels mit ausländischem und inländi schem Getreide, e. die Eontingentirung der Ein fuhr ausländischen Getreides, ck. die Besteuerung deS zum Eonsum im Jnlande eingeführten ausländischen Getreides in Staffelform, «. die Einführung eines staat lichen Brod Monopols, t'. der Ankauf des Getreide« durch den Staat und die Verarbeitung desselben in fiScalischen Michlen zu Mebl. II. Hebung des Zucker- und SpirituSpreiseS. HI. Maßnahmen auf dem Gebiete der WährungS Politik. IV. Maßnahmen zur Verbilligung der landwirtb schriftlichen Production. Für jeden dem StaatSrath zur Berathung überwiesenen Gegenstand sind zwei Referenten bestellt. Irrig ist nach der „N. A. Z." die von anderer Seite gebrachte Meldung, Graf Kauitz solle nicht über den seinen Namen tragenden Vorschlag rrserirrn. Graf Kauitz wird sowohl über die in seinem eigenen Begeisterung dargebrochten Huldigung für den hervorragenden Staatsmann, den weifen Rathgeber unseres alten Heldenlaiser« Lebhafter Beifall.) Uno Sie, die akademische Jugend, sind heute die Träger dieser Begeisterung, deshalb sehen wir. Genossen und Mitkämpfer der großen Zeit, hoffend in die Zukunft, Venn ntchtswürvig ist die Ration, die ihre großen Männer nicht -u ehren weiß. (Lebhafter Beifall.) Wir blicken hoff- nunassreudig in die Zutunst, blicken aber auch in dankbarer Be scheidenheit zurück in die Zeit, da König Wilhelm!., unterstützt von einem Bismarck, Moltke und Roon, den Grundstein zumDeutjchen Reiche legte. ES war im Jahre 1850, alS di» preußische Armee zuversichtlich zum Kampfe zog, aber durch die politischen Berhält»iffr gezwungen, mußte sie still wieder in Ihre Quartiere zurückkehren. Da sangen wir keine Siegeslieder, aber da war ein Maim, der vou den Frei- britskriegen her dir Zukunft Deutschlands treu im Herzen trug, der Prinz von Preußen. AlS Gott ihn an die Spitze der Regierung ries, da war eS seine erste Sorge, das Schwert Ml schmieden -u Drutfchland» Größe. Er hielt Umschau unter den Männern seiner Zeit und seine Wahl siel aus Blsmarck, Moltke und Ro»n. Es war die erst» unsterbliche Thal Bismarck», daß er in jener Dranaperiode seinem königlichen Herrn die Hand reichte und die Bahn ebnete, aus welcher der König seine Armee zum Siege führte. Das ist das unauflösliche Band, das BiSmarck mit der preußischen Armee verbindet. (Beifall.) Ihm ist »s auch za danken, daß der Geist deS Vertrauens, der BaterlaodSlirbe, der Opferwilligkeit wieder in der Nation lebendig wurde, der Geist der 1870 die Nation von der Saar d-S zum Lcean geführt hat. Ls war am 26. Juli 1870, als wir die Mosel üdrr- fchritten hatten und nach einem heißen anstrengenden Lage im Waide zu kurzer Rast äbgesessen waren, da trat ein armer Holzhauer an mich heran und drückte mir seine Freude aus, daß wir gekommen seien. ' Er erzählte, daß von vier Söhnen einer in Böhmen gefallen, zwei andere bei der Armee seien und nwr der vielte zu Hause weile, daß er aber auch diesen gem hingeben werde, wenn es gelte, den Feind von den Grenzen zu jagen. (Beifall.) So sprach ein einfacher Mann, der Geist at»r, in drni er sprach, war der Geist, in welchem unsere wackeren Schaaren die Höhen von Spichern gestürmt, unsere brandenburgischen Regimenter dem Feinde die Heldenbrust geboten haben. So lange dieser Geist anhält — und daß er noch lebt, zeigt diese Verfarnmlung —, brauchen wir Niemand zu fürchten. (Lebhafter Beifall.) Und nun laffen Sie unS den begeisterten Ausdruck dieses Geistes dem Alten im Lachsenwalde zurufen: Rufen Sie mit mir: „Alldeutjchland soll leben!" Bon den flammenden Worten des alten Soldat»» mächtig ergriffen, stimmte dir Jugend begeistert rin in den Ruf und sang dann nach seiner Weisung di« Wacht am Rhein. Al» das Lied verklungen, sagte er: „Und nun noch ein letztes Gort! ES ist ein alter Corpsftudeat, der zu Ihnen ge- iprochrn hat und der sich einig mit Ihnen fühlt in der Be geisterung". Rauschender, lang anhaltender Beifall folgte auch dieser Aeußerung de» Generalobersten. — An den „Aber Kind, so in dem Zustande willst Du daS Fleisch schon kochen?" Verwundert sah sic die junge Frau an: „Ja Mama, wieso meinen Sie — ich verstehe nicht " „Du versiehst nicht? Nun weist Du Töchterchen, dann werde ich Dir morgen 'mal erst zeigen, wie man Fleisch ordentlich wäscht, ehe mau es kocht. Man legt eS womöglich eine Viertelstunde vorher in kaltes Wasser, damit alle un reinen Säfte und daS Blut herausziehen kann, und dann wäscht man es tüchtig ring« herum ab. So gehört sich das." Bescheiden erwiderte Röschen: „Entschuldigen Sie, Mama; man weiß jetzt aber, daß daS kalte Wasser dem Fleische die Kraft entzieht — Doch unwirsch unterbrach die Andere sie: „Ach so, daS ist wohl auch so 'ne neumodische Manier, wie sie jetzt auf tauch,n. Na weißt Du, mit so waS darfst Du mi« alten erfahrenen Frau aber nicht kommen, da« kenne ich denn dock bester." Damit verließ sie erregt die Küche und ging ins Wohn zimmer hinüber. Al- Rö-chen diese« nach einiger Zeit betrat, fand sie die alte Frau am Fenster mit ihrem Strick zeug sitzend, wobei sie musternden BlickeS die Einrichtung deS sehr großen Raume« Überschaute. Fragend empfing sie die Schwiegertochter: „Sag mal, Kind, warum steht denn bei Euch eigentlich der Tisch in der Mitte? Der gekört doch vor'- Sopba?" Röschen mußte lachen. „Warum? Ja Mama, au- ver schiedenen Gründen. Einmal sitzt Keiner von unS auf dem Sopha beim Esten oder deS Abend« beim Arbeiten oder Lesen; so steht er auch gerade unter der Hängelampe, nun und dann kann auch daS Mädchen den Teppich rund herum und im klebrigen" schloß sie mit einem komischen Teuften, „man hakS fetzt allgemein so." „Ach so", brummte die alte Frau Auck wied-,- neumodische Manier. '« wird schwer halten das Alle« ?n meinen alten Kopf hinrinrubringen." ^ * Nach zwölf Uhr kam Lieschen au- der Schule- ihr erster Agenick^hatte" Dan°n'st' 5'' ^m Fenster luS zugenickk hatte. Darm lief sie hinaus m die Kü sie ru Röschen I-m» Rä«ch-nfch"pp--tt Ni». °" «""-O"-»«» - d-w-, Hu»,»"""' E'««ch-N Brod, ich Hab« so -rg,„ „Mein Herz, Du weißt ja, daß Du vor Tisch kein Brod mehr bekommst. Wozu bas unnöthige Betteln." Maulend zog sich Lieschen zurück. Gleich danach kam Frau Wilt in die Küche und ging direct in die Speise kammer. Röschen hörte sie mit der Brodkapsel klappern und fragte ahnungsvoll: „WaS wollen Sie, Mama?"' „Liesel ein Stück Brod schneiden, mein Töchterchen. Das Kind hat Hunger und hungern braucht sie nicht, Gott sei Dank, nicht." Die junge Frau aber ließ sich nicht einschüchterv. „Nein, bitte Mama, Lieschen bekommt kein Brod vor Tisch Mehr. Sie bat ihr reichliches Frühstück mitbekommen, um °ft1 Uhr essen wir, also verhungern wird sie schon nicht. Dieses außer der Zeit essen leide ich nun einmal nicht." Mit einem bösen Blick auf der Widersprechenden ernstes Gesicht sagte die alte Frau: „Ah so, nun begreife ich auck, woher das Kind so elend auSsieht und so abgemagert ist. Es bekommt eben nicht satt zu essen. Nuu, da» soll anders werden." Damit verlirß sie hastig die Küche und warf die Thür hinter sich schallend in« Schloß. Das Dienstmädchen aber, das Zeuge dieser unerquicklichen Scene gewesen war, sab mit leidig auf ihre Herrin, dir sich verstohlen die Augen wischte. Gegen »/«I Uhr kam Will nach Hause und die Familie ging sofort zu Tisch. Der Hausherr, der stets einen guten Appetit mitvrachte, machte sich eifrig über die Suppe her, und auch die beiten Frauen batten ihren Teller schnell aeleert. Nur Lieschen löffelte so langsam und zögernd darin herum, daß Wilt sie lachend seinen „SuppenkaSpar" nannte und aus die schrecklichen Folgen des „ich effe meine Suppe nicht, nein, meine Suppe eff' ich nicht" aufmerksam machte. Großmutter aber meinte: „Nun, vielleicht ißt sie Bier suppe gerade nicht gern, dann muß man sie nickt zwingen." Dann kam das Fleisch auf den Tisch und Wilt reichte die zierlich geschnittenen Stücke zuerst seiner Mutter bin. Diese aber wrbrte ab. „Nein, mein Söhnchen, ich danke. Ich effe heute kein Fleisch." Verwundert sahen Röschen und Wilt sie au, und letzterer >raate: „Warum denn aber nicht, Mama?" Nach einigem Zögern erwiderte sie: „Ja, weißt Du, mein Söhnchen. wenn ich nicht mit Appetit essen kann, dann laß ich'S lieber ganz sein. Reinquäleo, daS taugt nicht." (Schlich folgt.)
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