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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.03.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-03-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950305025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895030502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895030502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-03
- Tag1895-03-05
- Monat1895-03
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Dieser Vorschlag hat sicherlich die Zustimmung von vielen Millionen deutscher Neichsbürger, aber da seine Verwirklichung nicht allein in der Hand deö Reichstags liegt und überdies mancherlei staatsrechtlichen Bedenken unterliegt, so hätte er I von einem aus hervorragenden Männern gebildeten Eomite dem Bundesratbe oder den deutschen Fürsten direct unter breitet werden sollen. Auf diesem Wege bälte man erfahren, ob der Vorschlag überhaupt durchführbar sei, und hätte zugleich die Initiative in jene kräftigen Hände gelegt, welche die Durch führung hätten sichern können. Statt dieses Weges hat man den der Umfrage bei einer Reihe von Männern und der Veröffentlichung ibrec sehr verschieden lautenden Antworten gewählt. Damit ist der Vorschlag wohl so gut wie begraben, wenn nicht der Kaiser eine Form der Ehrung des großen Kanzlers findet, die im Wesen der Ernennung desselben zuin Ehrenbürger des Reichs entspricht und in der Seele des schon so oft tief verwundeten Mannes den Eindruck verwischt, den das Scheitern des zu früb in die öffentliche TiLcussion geworfenen Projectcs in ihm Hervorrufen muß. Dann hat man im Reichstage selbst die Frage einer gemeinsamen Kundgebung zu Ehren des Fürsten am 1. April erörtert und ist dabei leider aus Widerspruch gestoßen. Den „Leipz. Neuest. Nachr." theilte man diese Thatsache in folgender Form mit: „Wie wir aus Berlin aus absolut sicherer Quelle erfahren, sind die Vorbesprechungen, die innerhalb des Reichstags statt- sanden, um eine einende Kundgebung am 1. April zur Feier des Geburtstages des Fürste» Bismarck zu veranstalten, Volt ständig rcsuttatros verlaufen. Tas Cent rum, das ja leider bei uns überall maßgebend ist, bat im Seniorenconvent eine Anregung des Präsidenten v. Levetzow mit der Androhung eines Scan- dats bcaulwortet. So jeden sich die nationalen Parteien leider außer Stande, eine gemeinsame Kundgebung der Volksvertretung zu veranstalten. Wie uns von anderer Seite mitgetheilt wird besteht in den nationalen Parteien die Absicht, am 1. April da durch zu demoiisirireir, daß man einfach der Sitzung fern bleibt und es dem klerikalen Vicepräsidenien v. Buol überläßt, fein Scepter über Freisinnige, Klerikale und Socialisten zu schwingen. — Der Jeiuitenantrag wird angenommen, eine Ehrung des größten Deutschen abgelehnt. Auch ein deutscher Reichstag l" Wie unangenehm diese Meldung in Friedrichsruh über rascht hat, gebt daraus hervor, daß die „Hamb. Nachr." sie nur mit „allem Vorbehalt" wiedergeben. Sie wird jedoch vom Abg. Pros. I)r. Hasse auf Anfrage der „Leipz. Neuest. Nachr." durch folgende Zuschrift bestätigt: „Nach den angestellten Vorerörterungen wird jeder Vorschlag, im Reichslage selbst eine Ehrung des Fürsten Bismarck vorzunehmen, aus den lebhafteste» Protest des leider in allen Neichstagsange- legenheiten den Ausschlag gebenden Centrums stoßen, demgemäß abgelehnt werden und damit die Schande des deutschen Reichs tags aller Wett kundgegeben. Es werden deshalb die national gesinnten Abgeordneten zu ihrem Schmerz daraus verzichten müssen, am 1. April eine Kundgebung des Reichstags anzuregen, und vor- zichen, am 1. April eine Sitzung des Reichstags überhaupt nicht vorzunehmen." Aus einem bereits in unserem heutigen Morgenblatte mit- gethcilten Telegramm gebt jedoch hervor, daß das Eentrum teineswegs einmüthig zu einem Proteste gegen eine Kund gebung zu Ehren deS Fürsten oder gar zu einem Skandale im Falle des Versuchs einer solchen Kundgebung entschlossen ist. Nachdem zahlreiche städtische Behörden vorwiegend katholischen Charakters in die Ernennung des Fürsten zum Ehrenbürger dieser Städte gewilligt haben, ist es auch kaum denkbar, daß die Eentrumsfraction des Reichstags durch eine so schroffe Stellungnahme viele Tausende von Centrums wählern vor den Kopf stoßen werde. Und überdies ist die Fraction zu sehr bemüht, ihre „RegierungSsähigkeit" darzu- lhun, und ist durch die Rede de« Fürsten Hohenlohe auf dem Berliner Studentencommerse von den in den maßgebenden Kreisen herrschenden Anschauungen viel zu gut unterrichtet, als daß sie sich an maßgebender Stelle in den berechtigten Verdacht der Verkennung und Mißachtung höchster nationaler Verdienste setzen dürfte. Die Opposition des Centrums wird daher zu überwinden sein, wenn nur der Präsident des Reichstags es nicht an Energie fehlen läßt. Schon einmal bat dasCentrnm bewiesen, daß es Herrn v.Levetzow nicht fallen lassen mag. Betont er jetzt seinen entschiedenen Willen, zurückzutreten und dem gegen jede Ehrung des Fürsten Bismarck protestirenden Centrum die Stellung eines Nachfolgers zu überlasten, so werden die Herren Qr. Lieber, Gröber und Genossen sich schwerlich zu einem Schritte entschließen, der für sie selbst von den unangenehmsten Folgen sein müßte. Hält sich das Centrum von der Sitzung am 1. April fern, um nicht direct in die Ehrung des Fürsten Bismarck einstimmen zu müssen, so ist das seine Sache. Es mag auch die socialdemokra tischen Eollegen unter den Arm nehmen. Bleiben die Letzteren aber, so hat der Präsident jetzt Gewalt genug, um einen Scandat zu verhüten oder die Scandalmacher zu strafen. Einer sollen Möglichkeit ängstlich aus dem Wege zu geben, liegt für den Präsidenten kein Anlaß vor. Fürst Bismarck weiß zu gut, wie die Socialdeinokratie ihn liebt und ehrt, um sich zu wundern oder zu ärgern, wenn die Vertreter dieser Partei an seinem Geburtstage sich rüpeln. Aber aus das Tiefste würde es ihn verwunden und mit der tiefsten Mißachtung vor dem Reichstage müßte es ihn erfüllen, wenn dessen erster Repräsentant durch Social- und Centrnmsdemokraten von der Erfüllung einer Ehrenpflicht des deutschen Parlaments sich abhatten ließe. Das darf nicht geschehen und es braucht nicht zu geschehen. Man wage es nur, diese zu erfüllen. Es wird leichter und besser gehen, als man denkt. Und wenn wirklich die Bänke des CentrumS bei den Worten des Präsidenten sich lichten und aus den Reihen der Socialdemokratie jene Rufe laut werden, die nur die Rufer schänden: tausendmal besser, als wenn der ganze deutsche Reichstag sich in schimpf liches Schweigen hüllt und damit beweist, daß er nicht nur unwürdige Glieder derNation umfaßt, sondern selbst einZerrbild dieser Nation ist. Man hätte den Teufel gar nicht an die Wand male», der Feier ein so häßliches Vorspiel gar nicht voraufgehen lassen, sondern handeln sollen, wie Ehre und Pflicht es fordern. Hat man den Muth zu solchem Handeln nicht, so wird man sich nicht wundern können, wenn die gesammle nationale Presse den Beschluß saßt, keine Silbe mehr über die Verhandlungen dieser Körperschaft zu veröffentlichen. Das wäre die einzig richtige Antwort auf das Schweigen des Reichstags am t. April, der einzig richtige Grabgesang für eine Körperschaft, die sich selbst begräbt. In der französischen Presse wird immer noch auf das Lebhafteste das Thema der Betheiligung der französischen Marine au der Einweihung des Nordostseecanals und der französischen Maler an derKunstauSstellung inBerlin erörtert. Dabei sinkt entschieden die Waagschale zu Gunsten der Betheiligung, wenn man die Stimmen wägt und nicht Mt, S° schmb, u.d,r !-iih--< 8 arrail im „GauloiS": Deutschland? Man „Welche Beziehungen haben Anderer anerkennen. Vor muß gerecht sein und auch ^ j-l!. qgj,bxlm II. den ersten S« Ä L L L7? L7L" V °'- °» "«E"" Zauche" ünt'cr" Mrsten"gemäß. d°n -bersten Titel WU'chen Nation vochen. nun gut, dann wollen wir m den Krieg ziehe". Aber s/ lange man nicht entschlossen ist, sich ä" 'chlagen und zwar sofort, muß man geduldig fein und warten und nnt semen Nackbarn als wie mit gebildeten Leuten leben, ^eutjchlaio wird nickt zittern weil einige Maler von mehr oder weniger Talent ihre Kunstwerke nicht i» der internationalen AusiteUung in Berlin vorsühren wollen. Sie gehören übrigens einer ^ivat- geselljchast °», und diese kann thun. w°S sie will Weg n unsere? Marine jedoch giebt es nichts zu reden, und eS ,st ganz nennt: daß die Regierung, wenn sie die Einladung zur Eröffnung des Rordostseecanals erhalten hat, sie auch anniinmt. darüber Mittlerweile hat bekanntlich Frankreich d,e Einladung that- sächlicb angenommen und wird durch ein Geschwader von zwei Panzerschiffen und einem Aviso, und zwar, wie uns der Telegraph meldet, unter dem Commando des Eontreadnnrals Alpuier, in den Gewässern von Kiel vertreten sein. Gegen über den von einigen chauvinistischen Organen unternommenen Hetzversuchen darf diese Nachricht mit Genugthuung aus genommen werden, da daraus erhellt, daß die französische Regierung, in Uebereinstimmung mit den Ausführungen der besonnenen Pariser Organe, sich durch die Drohungen der Blätter vom Schlage des „Intransigcant" m ihrem Verhalten nicht bestimmen läßt. ES werden fa, namentlich aus milt- tairischen Kreisen, auch gewichtige ablehnende Stimmen laut, wie die Levat's, der ebenfalls früher Krlkgsminister war und sich im „Gil Blas" äußert: „Ein Osficier meines Alters muß sich erinnern. Wir werden uns stet« der Vergangenheit erinnern und die Annahme der Ein- ladung niemals billigen. Wie kann man an einem deutschen Feite theilnehmen, da Deutschland sich anschickt, die Silberhochzeit des Krieges von 1870 zu feiern." „ ^ , . . Aber derartige ablehnende Voten sind sehr m der Minderheit. Am Sonnabend war die Aufmerksamkeit der englischen Politiker gespannt auf die in London stattfindenden Neu wahlen für den dortigen Grafschaftsrath gerichtet Der Wahlkampf war um so heftiger, als sich in den Parteien nicht blos Gegner auf dem Gebiete der Local verwaltung, sondern politische Gegner gegenüberstanden. Hier Conservative und Unionisten, die im Gemeinbewesen die gemäßigte Fortschrittspartei repräsentiren, dort Home ruler, die die Radicalen und Progressisten auf commuualem Gebiete sind. Die Minister haben natürlich für ihre Bundesgenossen, die Radicalen, die unionislischen Partei führer für die Gemäßigten am Wahlkampfe eifrigst theil genommen. Dem AuSgange der Wahl sah man dem nach sowohl aus Gründen der Politik, als der Entwickelung des Gemeindelebens Mit großer Spannung entgegen. Sie hat nun mit einem überraschenden verhältnißmäßigen Siege der Gemäßigten und der Unionisten geendet. Ter Wahltag selber verlief äußerlich ruhig; kaum daß man in den Distrikten südlich der Themse und im Osten von Temple Bar einige lärmende Haufen, diesseits der Themse aber als einziges Zeichen deS wogenden Kampfes und der nahen Entscheidung eine bunte Laterne vor dem Nationalliberalen Club sah. Tie Abstimmung begann um 8 Ubr Morgens und dauerte bis 8 Ubr Abends. Um Mitternacht war das (telegraphisch schon mitgelbeilte) Hauptergebniß bekannt: 57Radicale,51 Gemäßigte Unwnisten), v. h. die Gemäßigten gewannen 22 Sitze und das lauptfächlich im Ostende, dem Hauptsitze der Radikalen, Wae die moralische Bedeutung ihres Sieges noch erhöbt. DaS am Montag veröffentlichte Schlußergebniß lautet noch deprimiren- der für die extreme Linke ----59 gegen 59'. Das bedeutet einen Gewinn der Gemäßigten von 28 Sitzen! Die Londoner Presse aller politischen Färbungen con- tatirt die völlige Niederlage der Radicalen. „Daily News" ühren in einem Leitartikel aus, man sei zwar aus den Verlust einzelner Sitze gefaßt gewesen, keineswegs aber auf die that- sächliche Vernichtung der radical-fortschrittlichen Mehrheit. „Daily Chronicle", das wackerer als irgend ein anderes Blatt für die Unterlegenen gearbeitet hat, ist völlig untröstlich aber die Undankbarkeit Londons und nennt den Wahltag den schwarzen Sonnabend. Die unionislischen Blätter be jubeln den Zusammenbruch der bisherigen Mehrheit, und mit Reckt, denn der Ausfall der Grafschastswahlen ist ein Gradmesser für die kommenden allgemeinen Parlaments wahlen. AuS englischer Quelle wird berichtet, daß die Friedens pourparlers zwischen Japan und Vhina gute Fortschritte machten. Demgegenüber dürfte daran scstznl,alten sein, daß der vom englischen Standpunct aus ohne Weiteres begreifliche Wunsch, dem Kriege ein Ende bereitet zu sehen, den Tbat- sachcn denn doch um eine ganz erhebliche Strecke Weges vorauseilt. Selbst die englischen Berichte müssen zugeben, daß es sich einstweilen lediglich um Erörterungen inner halb der Kreise chinesischer Staatsmänner und Würden träger handelt; wenigstens wird nut keinem Worte er wähnt, ob und wie Japan sich zu der Sache zu stellen gedenkt. Was aus Japan verlautet, ist ent weder rein militairischer Natur, oder betrifft, soweit es das politische Gebiet streift, die Frage der Aufbringung der Kosten, welche die Fortsetzung des Krieges beansprucht. Nach den bisherigen Erfahrungen wird man in Japan jedes neue Entgegenkommen Chinas zunächst einer strengen Prüfung unter dem Gesichtspuncte der formalen Correctheit unter ziehen und dann erst die sachlichen Vorschläge des Gegners sich daraufhin ansehen, ob sie überhaupt der ernsteren diplo matischen Behandlung verlohnen. Und da jeder inzwischen neu errungene japanische Erfolg in einer entsprechenden Verschiebung der Unterhandtungsbasis seinen Ausdruck finden muß, so ist ein fester Anhaltspunkt für Friedens- Verhandlungen, so lange gleichzeitig die Kriegsaction ihren Fortgang nimmt, überhaupt nicht abzusehen. — Mittlerweile arbeitet Rußland unausgesetzt an der Ver stärkung seiner maritimen Position im äußersten Osten. Wie die „Gazzetta di Venezia" meldet, wäre die russische Mittelmeer-Escadre zur Verstärkung der Flotten abtheilung des äußersten Orients abberufen Man glaube, daß dieselbe nicht mebr ins Mittelmeer zurückkehren werde, wo Rußland keine vitalen Interessen zu vertbeioigen habe, zumal da die Bemühungen, im Mittelmeere eine Flottenstation zu finden, gescheitert seien. Alle Mittelmeerstaaten hätten ablehnend geantwortet. Feurllets»». Ein Lecher Leihe. 17j Roman von R. Tellet. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Ich ging Etbelrcn entgegen; wir begrüßten uns beide, als wenn unser Begegnen ein ganz zufälliges gewesen wäre. Es aiebt Fälle, da Heuchelei zur Tugend wird. Ethclren als Frau spielte natürlich ibre Nolle wahrheitsgetreuer als ich. „Wie sonderbar, daß wir uns noch nie hier getroffen haben, Mr. Lindley", sagte sie. „Ich gebe sehr oft bierber." „Hätte ick das eher gewußt. Miß Stuart, so hätten wir uns wohl öfter hier gesehen." Sie schenkte meiner Bemerkung keine Beachtung. „Ich liebe dies Fleckchen Einsamkeit inmitten der Stadt. Die Leute hier scheinen nicht viel darauf zu geben. Man sieht, wenn nickt gerate Concert ist, kaum zwei oder drei Menschen hier." „Die Deutschen", sagte ick, „schwärmen für Natur. Aber ohne Bier und Musik bat die Natur keinen Reiz für sie." ES fiel mir plötzlich ein, daß ick nicht bergekominen sei, mit ihr über die Natur oder über die Eigentümlichkeiten deS deutschen Volkes zu sprechen. Wir waren in eine Seiten- allce gelenkt, in der wir uns ganz allein befanden. Schweigend gingen wir neben einander her. Mein Herz schlug so heftig, daß eS mir fast Sckmerz verursachte. Ich schaute Etbelren an. Sie batte die Augen niedergeschlagen; ihre Wangen waren rosiger gefärbt, als der kurze Weg zu tbun im Stande gewesen fern konnte. Ich wußte, daß sie ein entscheidendes Wort von mir erwartete. Aber so sehr ich mich danach sehnte, es zu sagen, durfte ick es thun? Meine Lippen waren durch die schreckliche Thatsacke, die sie selber gänzlich vergessen batte, versiegelt. Doch — wir tonnten nicht länger schweigend neben einander geben — ick mußte etwas sagen. „Miß Stuart", begann ick und brach sofort wieder ab Es war mir ganz unmöglich, jetzt in Gemeinplätzen zu reden Ich betrachtete das als eine Art Profanation. Ethelren war ja nur deshalb hier, weil die beitige Liebe, die Jeder im Anderen fühlte, auch wenn sie biSder nickt ausgesprochen war, unser Zusammensein weiht». WaS würde sie von mir senken? Was mußte sie denken, wenn kein Wort der Liebe lber meine Lippen kam? Ich raffte mich auf und begann abermals: „Miß Stuart, ich hoffe, Sie betrachten mich als Freund?" Wie anders waren die Worte gewesen, die ich ihr zu sagen gehofft batte! Ich wollte die Liebe mit einem Schlage in Freundschaft wandeln. Sie schlug die Augen auf. Meine Worte hatten nichts enthalten, was sie veranlaßt hätte, zu Boden zu schauen. „Gewiß, Mr. Lindley", sagte sie. «Ich bin fest davon überzeugt, daß Sie mein Freund sind. Es wäre Undankbar keit, an Ihrer freundlichen Gesinnung zu zweifeln." „Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen", erwiderte ich. „Es sind Verhältnisse cingetreten, die mich leider zwingen, Ihr Vertrauen auf eine barte Probe zu setzen." Sie sah mich erstaunt an. „Ich verstehe Sie nickt. Was ist geschehen?" „Das ist eben das Traurige", sagte ich, leidenschaftlich und über den Widerspruch, den ich selbst bei jedem Worte offenbarte, verzweifelt, „das ist eben daS Traurige, daß ich Ihnen diese Verhältnisse nicht erklären kann. Es ist bester, daß Sie nichts davon wissen." „Ich bin bereit, Alles zu hören", antwortete sie, offenbar durch meine Bemerkungen in hohem Grade bestürzt. „Ich weiß, ich spreche in Rätbseln. Wenn Sie Ver trauen zu mir haben, so glauben Sie mir, daß eS mir sehr schwer wird, nicht offener sein zu dürfen. Ich kann es aber nicht ändern." Sie errötbete tief — ich glaubte, aus Unwillen. „Ich versiebe nicht, warum Sie in Räthseln sprechen, Mr. Linvley. Was nickt offen gesagt werden kann, sollte gar nicht gesagt werden. Ihre Geheimnisse, denke ick, sind am besten bei Ihnen aufgehoben." Sie war empfindlich — ich fand es nur zu begreiflich. Wie konnte sie mein sonderbares Betragen und die Ver änderung, die ein einziger Tag in mir erzeugt hatte» deuten? Wenn auch nicht mit Worten, so hatte ich sie doch mit meinen Augen siebend, dringend um die Zusammenkunft gebeten. Und zu welchem Zweck? Nicht um meine Liebe zu erklären, sondern nur, um i» Räthseln zu sprechen. Kein Wunder, daß sie sich beleidigt fühlte. Sie schien plötzlich Verdacht zu hegen, daß ich mit ihr ein falsches Spiel trieb. Das war mehr, als ich ertragen konnte. Ick blieb stehen, wandte mich zu ihr, sah in ihre Äugen und ergriff ibre Hand. „Miß Stuart", sagte ich, „seien Sie mir nicht böse. Behandeln Sie mich nicht grausam. Sehen Sie denn nicht, wie sehr ich leide? Haben Sie Mitleid mit mir! Der Tag wird kommen, an dem Sie Alles verstehen und mir vergeben werden." Sie entzog mir ihre Hand nicht; sie schlug die Augen nieder und antwortete sehr sanft: „Nicht wahr, Mr. Lindley, Sie sehen selber ein, wie un möglich es mir ist. Sie zu verstehen. Aber ich will mir Mübe geben, das Beste zu glauben." Abermals dankte ich ihr und brach dann von diesem gefährlichen Thema ab. Ich war meiner nicht so ganz sicher und fürchtete, trotz meiner festen Vorsätze, meine Liebe in jedem Momente zu verralhcn. „Wir sind also darin einig", sagte ich, „daß wir bis zum Beginne glücklicherer Zeiten Freunde bleiben wollen. Ich möchte Ihnen gern meine Freundschaft beweisen. Hoffentlich ballen Sie eS nicht für zudringlich von mir. wenn ich Ihnen sage, daß es mir scheint, als fühlten Sie sich bei der Baronin nicht mehr sehr behaglich?" „Nein", antwortete sic mit ihrer reizenden Aufrichtigkeit. „Sie haben recht mit Ihrer Vermuthung. Die Baronin und Fräulein Therese behandeln mich seit einiger Zeit sehr un freundlich. Auch haben sie mir angedeutet, daß es ihnen lieb wäre, wenn ich auSzöge. Ich null keinen zweiten Wink abwarten, sondern sehe mich bereits nach einer anderen Wohnung um." „Darf ich Ihnen dabei behilflich sein? Meine Wirthin Frau Dahlweiner, hat eine Schwester, die in einer sehr hübschen Villa wohnt und Zimmer vermiethet. Ich alaube eS würde Ihnen bei ihr gefallen." „Aber wer weiß, ob die Zimmer nicht zu theuer für mich sind", meinte Ethelren. st« sind nicht theuer", erwiderte ich, denn ich beab- sein 'sollten ° °"""S"en. baß sie für Ethelren nicht theuer „Ick will gern englischen Unterricht ertheilen", sagte Ethelren, „,ch bm jetzt der deutschen Sprache mächtig genug dazu. Aber wie, auf welche Weise, soll ich zu Schülern - „Vielleicht melden sich auf eine Annonce hin welche bei Ihnen . rntgegnete ,ch und überlegte im Stillen, ob ick ihr auch darin nützlich sem könnte. ^ ^ Sie dankte mir herzlich und setzte hinzu: Wie sehnte ich mich danach, sic in meine Arme zu nehmen und sie zu bitten, mich für sie sorgen zu lassen und ihre Zukunft so zu gestalten, wie eS nur Liebe vermag. Wieder mußte ich mein Herz bezwingen. Was diese Selbstüber windung mich kostete, ahnte Etbelren nicht. Wir sprachen noch Näheres über ihre Angelegenheiten, dann gab ich ihr die Adresse von Frau Dahlweiner's Schwester, damit Etbelren die Wohnung selbst besichtigen könnte, da eS nicht schicklich gewesen wäre, daß ich für sie miethete. Aber ich nabm mir vor, Frau Dahlweiner einen Wink zu geben, daß Ethelren nur den halben Preis der Wohnung erfuhr und ich die andere Hälfte bezahlte. Aus diese Weise behielt Ethelren, die natürlich in dem Glauben erhalten wurde, die ganze Mietbe zu zahlen, das Gefühl der Unabhängigkeit. Damit ich Zeit zur Ausführung meines Planes behielt, überredete ich Etbelren, erst am anderen Tage zur Besichti gung des Zimmers zu schreiten. Welchen Grund ich angab, weiß ich nicht mehr; sebr glaubwürdig wird er schwerlich gewesen sein, er that jedoch seine Wirkung und das ge nügte mir. Ich begleitete Etbelren bis zum Gartenthor, dann trennten wir uns. Unser Abschied war kühl — tiefe Niedergeschlagen heit hatte sich unser beider Herzen bemächtigt. Ich hielt cS für richtig, mich nicht mit Etbelren auf der Straße zu zeigen; auch selmte ich mich nach Alleinsein, um ungestört Nachdenken zu können. Daher ging ich in den Garten zurück und begab mich noch einmal z» der Terrasse bin. Als ich an dem runden Sitze angelangt war, bemerkte ich, daß jetzt Jemand dort saß, eine Dame. Es war Therese. Wenn eS ohne Unhöflichkeiten möglich gewesen wäre, dem Begegnen mit ihr ausznweichen, hätte ich eS gern getban. Es war mir sehr unangenehm, in meinem erregten Zustande vor sie hinzutreten, und der Umstand, daß sie Etbelren unfreund lich behandelte, stimmte mich ebenfalls nickl sonderlich freund schaftlich gegen sic. Aber ich konnte ihr nickt entgehen, denn sie erhob sich von ihrem Platze und trat mir einige Schritte entgegen. „Guten Morgen, Mr. Lindley", sagte sie. „Ich wollte Sie, so lange Sie mit Miß Stuart zusammen waren, nicht stören." Sie batte unser Zusammensein also beobachtet. Ta e- aber durchaus nicht einem Rendezvous zwischen Liebenden ge glichen hatte, konnte Theres« unmöglich etwa« Arge« darin gefunden haben.
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