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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.03.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-03-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950312022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895031202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895031202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-03
- Tag1895-03-12
- Monat1895-03
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BezugS-PreiS 1» der Hanptexpeditton oder den t« Stad», teztrk und den Bororten errichtet« Äu«. oaoestrlle» ab geholt: vierteljährliche «.SO, bei zweimaliger täglicher Zustellnug irr« Lau« KLO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: viertrftLdrlich ^ S.—. Direct« tägliche Krruzbandieuduag tu« Ausland: monatlich 7.KO. Die Morgen-Au-gabe erscheint täglich '/,7Uhr^ dt» Abeud-Ausgab« Wochentag« b Uhr. NeLactio» »»- Expedition: Aahanne«gafse 8. Di« Srpedtttou ist Wochentag« »annterbrochr» geöffnet »a« früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Filiale»: Dtt« R1e«m« Gortt«. (Alfred Htt-Usd Universität«strak« 1 L<ui« Lösche. Katharinenstr. 14, patt. und Köntgsvlatz 7^ Abend-Ausgabe fMacrCaMall Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Kandels- nnd Geschäftsverkehr. Anzeigen Prei- die «gespaltene Petitzeile -'o Psg. Neelame» unter dem Redactionsstnch (4g»> lvalteu) bO^H, vor deu Familieunachrichte, (6 gespalten) 40^- Vrotzer» Schriften laut uuserem P«i4- Nerzeichnig. 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Expedition des I^eip/ixer lasedlLttes. Politische Tagesschau. * Leipzig, 12. März. Zn der Presse ist neuerdings die Frage der Besser stellung der «ricgsinvaliden und der Hinterbliebenen der in den Kriegen Gefallenen angeregt worden. Es erleidet keinen Zweifel, daß die Gesetzgebung die fünf- undzwanzigste Wiederkehr der großen Tage von 1870 nicht würdiger begehen könnte, als durch eine Hebung der materiellen Lage der nicht oder wenig bemittelten invaliden Kämpfer oder der durch den Schlachtentod ihrer Ernährer beraubten Wittwen und Waisen. Die jetzt bewilligten Renten sind durchaus unzulänglich. So erhält die Wittwe eines im Kriege gegen Frankreich gefallenen Landwehrmannes nicht mehr als 180 -6 jährlich, während Frankreich den Wittwen seiner Gefallenen ein Jahresgehalt von 640 ^ gewährt. Dabei hat Frankreich eine aus dem Kriege stammende enorme Schuld zu ver zinsen, während Deutschland ohne directe materielle Schäden aus dem Fctvzuge von 1870 hervorgegangen ist. Läßt sich danach die Verpflichtung zu einer größeren Aufwendung für den gedachten Zweck nicht leugnen, so entsteht doch die Frage, ob die Mittel so bcauem zu beschaffen wären, wie cs augenblicklich in mehreren Leitungen behauptet wird. Vor wenigen Tagen ist einem von dem nat.-lib. Abg. Grafen Oriola nn Reichstage geäußerten Wunsch nach Erhöhung der Znvalidenpensionen mit dem Hinweise auf die neuen hohen Kosten begegnet worden, und es erscheint denn auch noch als zweifelhaft, daß der Znvalidenfonds auöreicht, um ge reckten billigen Ansprüchen zu genügen. Ist dies nicht der Fall, so liegt darin selbstverständlich kein Hinderniß, eine Ehrenschuld abzutragcn. Nur soll man nicht auch hier in den Febler verfallen, eine Ausgabe zu empfehlen, ohne gleich zeitig die nachdrückliche Forderung zu erheben, daß sie, wenn nötbig, durch erhöhte Einnahmen ihre Deckung zu finden hat. Die württembergtschc Abgeordnetenkammer bat in ihrer Adreßvebatte auch den Antrag Kanitz einer Erörterung unterrogen. Mit der einzigen Ausnahme eines Mitgliedes der Volkspartei, der einen Nothstanb der Landwirtyschaft leugnete und deshalb von seinen Parteigenoffen mit charakteristischer Beflissenheit deSavouirt wurde, betrachteten, den Sitzungsberichten Stuttgarter Blätter zufolge, alle bürgerlichen Redner die Lage des Ackerbaugewerbes als überaus ernst. Blieb auch die Auffassung siegreich, daß es sich um ein acutes, nicht ein chronisches Uebel handele, an dessen Behebung nicht verzweifelt werden dürfe, so fehlte es doch nicht an den Ausdrücken schwerer Be sorgnis. Dieser fast völligen Uebereinstimmung hinsichtlich des gegenwärtigen Zustandes ging jedoch die ebenso ein- müthige Verwerfung des Antrags Kanitz zur Seite, und zwar waren es Mitglieder der gemäßigten Parteien, die mit der Abweisung des theils als undurchfuhrbar, theils als schädlich bezeichneten Projektes vorangingen. Einer Befürwortung der Einfuhrverstaatlichung durch den zu den Privilegirten gehörigen Abgeordneten Freiherrn von Gaisberg, ließ Freiherr von Wöllwarth die Namens aller übrigen Mitglieder der Ritterbank abgegebene Er klärung folgen, an die Durchführung des Antrags sei nicht zu denken. Die Berliner Leitung des Bundes der Land- wirthe dürfte jedoch jene vereinzelte Empfehlung kaum als solche gelten lassen. Freiherr v. Gaisberg, Vorstand des Bundes der Landwirthe in Württemberg, betonte, der An trag Kanitz würde für die süddeutschen Verhältnisse bedeutender Modifikationen bedürfen. Seine Freunde verföchten ihn deshalb anders als die nord deutschen Conservativen, da sie glaubten, daß er ihnen eher schaden als nützen könnte. Wenn der Ankauf von Ge treide, so äußerten sich die Redner weiter, regulirt werden würde, so würden die großen Mühlenbesitzer ihren Bedarf weit leichter vom Staate beziehen als vom Produ centen. Wenn man jetzt in Ulm (bei der Reichstagsersatz wahl) seine Stimme von der Zustimmung zum Antrag Kanitz abhängig macken wolle, so gehe man von der Anschauung aus, daß, so wie die Verhältnisse liegen, auf Annahme nicht zu rechnen sei; aber man sehe in dem Antrag, wenn er auch des Ausbaus und der Verbesserung noch sehr bedürftig sei, wenigstens einen kleinen Gewinn für die Landwirthschaft, so daß man für ihn eintreten müsse. — Ueber die Schwierigkeit, ein Monopol für verschiedene Theile eines und desselben Wirtschaftsgebietes verschieden zu gestalten, hat sich der Freiherr von Gaisberg, den Berichten nach, nicht ausgelassen. Die „Nat.-Lib. Correspondenz" erinnert hinsichtlich der bolontalpolitik des Grafen Eaprivi noch an folgenden, Miss mann betreffenden Vorgang: „Dem Abg. Hasse, von dem im vorigen Jahre Bedauern über das rasche Ende des Regiments Wissmann's in Ostafrika aus- gesprochen worden war, hatte Gras Caprivi am 17. Februar 1894 zur großen Genugthuung der Gegner der Colonialpolitik laut stenographischem Bericht das Nachstehende erwidert: „Der Herr Vorredner hat Herrn von Wissmann ein gewiß verdientes glänzendes Zeugniß ausgestellt; aber unter Herrn von Wissmann kam der Bureaukratismus etwas zu kurz, der Militarismus blühte: unter Herrn von Wissmann haben mehrere Officiere im kaiserlichen Dienst gestanden, als heute in Afrika sind. An dem fehlenden Beisatz von Bureaukratismus bei Herrn von Wissmann werden wir noch einige Jahre laboriren, nnd ich vermuthe, die Rechnungscommission dieses Hauses wird noch später ernstlich damit zu thun bekommen. (Hört! hört! links.) Die Verhältnisse, wie sie damals lagen, gaben zu einer geordneten Verwaltung gar keine Möglichkeit, und es ist denn auch ziemlich leicht mit den Geldmitteln umgegangen worden. (Hört! hört! links.) Bor wenigen Tagen lag mir ein Antrag vor, das Kalk» I» Lst-Iril- >» I-i, mus,.n -tt-, °,rw-»un- Wmm-'im'-- -m solch-« üb-- d-ll-n ^--w» » w°-b-°k, bl-l-culch z-ichi-' LÄ Ztir" °! """ b» Lg«l,sw° 'abg-g-tm hat' »daß di- Borwürs-. w-lch- man frub-- Z-g-n WM'mann A-,i»<->, w-g-n l^i-chl-r Fma»,wir,blch ft Ostairika sich nach vollständigem Abschluß der ^echnungei ^i» b s,L?i,t b-b-n b-i R-chnnng«I°gu»g sind °°n >m> >«»->»-« "ich, d-i-g> w°rd-n. W-h sch-mlich Iraj-N Cou-«schwa»!ung-n an d,-s-m D-I--II d Schuld." Der italienische Botschafter am Wiener Hofe Graf Niara hat in der in Lausanne erscheinenden „Bibliothtzque Universelle" unter dem Titel „Erinnerungen e.ne« Diplomaten aus dem Jahre 1870" eine Studie veröffentlicht, welche eine werthvolle Ergänzung zu den bereits bekanntenEinzel- heilen aus der Vorgeschichte des dcutfch-sranroffschen Krieges bildet. Graf Nigra, welcher bekanntlich zur kritischen Heit der Vertreter Italiens in Paris war, hatte in dieser Eigenschaft natürlich die beste Gelegenheit, die Stellungnahme Italiens zu den sich vorbereitenden ernsten Ereignissen zu beobachten und darf somit als classischr Zeuge in dwser Frag- gelten D.eS umsomehr, als der nunmehrige italienische Botschafter am Wiener r» seinen erwähnten Erinnerungen bei jedem unparteilichen Leser derselben den Eindruck der unbedingten Glaubwürdig keit Hervorrufen muß. Graf Nigra erzählt nämlich die einschlägigen Ereignisse auf Grund der Zwischen ihm und seiner Regierung zur fraglichen Zeit gewechselten offic,ellen Aktenstücke, sowie anderer officieller Dokumente, die zu seiner Kenntniß gekommen sind, bewegt sich somit in seiner Dar stellung durchaus auf sicherem Boden. Ein weiterer Beweis für die Richtigkeit der Angaben des Erzählers Uegt übrigens auch darin, daß dieselben, soweit sie durch osfikielle Publi kationen von anderer Seite bereits bekannt geworden sind, vollinhaltlich bestätigt werden. Man braucht z. B. blos die Aktenstücke zur Vorgeschichte des deutscl»-fran zösischen Krieges, welche Gras Bismarck ,n der Sitzung des Reichstages des Norddeutschen Bundes vom 20 Juli 1870 an die Mitglieder desselben verteilen ließ, mit dem soeben ver öffentlichten Artikel des Grafen Nigra zu vergleichen, um sich davon zu überzeugen, daß beide Publikationen, so weit sie die selben Ereignisse behandeln, in, Wesen vollkommen identisch sind. Auch die einschlägigen Stellen des eben erschienenen drittenBandes des GeschichtSwerkeS Heinrich v. Sybel's: „Begründung des deutschen Reiches durch Kaiser Wilhelm I.", decken sich vollständig mit der Darstellung des Grasen Nigra, deren Hauptzweck wohl darin liegt, einen dokumentarischen Nachweis dafür zu liefern, daß Italien vor und während des deutsch-französischen Krieges jederzeit in der loyalsten Weise bemüht war, zuerst den Krieg, wenn irgend möglich, zu verhüten und später, als derselbe schon in vollem Gange war, Frankreich aus diplomatischem Wege die weitestgehende Unterstützung angedeihen zu lassen. Dafür bringt Graf Nigra fast auf jeder Seite seiner Erzählungossicielle Akten stücke als Beweise vor, so daß fürderhin die Haltung Italiens gegenüber Frankreich in der Stunde des Unglücks von keiner Seite mehr in irreführender Weise wird dargestellt werden können. Dies ist daS große Verdienst der Publikation des Grafen Nigra, welche gerade im gegenwärtigen Augenblicke, wo die italienische Regierung auf das Eifrigste bemüht ist, das Mißtrauen Frankreichs gegen Italien zu bannen, von allen Kreisen, denen die Stärkung des europäischen Friedens am Herzen liegt, um so freudiger begrüßt werden muß. Die Mehrheit, die der RegierungSentwurs des neuen belgische» GemeindcwahlgesetzeS in den Kammcr- sectionen gefunden hat, macht seine Annahme im Hause wahrscheinlich. Gleichwohl bedeutet das Gesetz u, der Lösung des Problems, die den leitenden Staatsmännern Belgiens zu vollenden obliegt, nämlich die plutokratischen ^ormen des belgischen Staatslebens in ein demokratisches System hinüberzuleiten, eher einen Schritt rückwärts, als vorwärts. , Der Widerstand der Linken und der durch ihre Wahlverpsiichtungeu gebundenen Uerikal-demokra tischen Abgeordneten gilt zunächst der für die allgemeine gleiche Waylstimme ausgestellten Forderung des Alters ve» 30 Jahren und dreijähriger OrtSansässigkeit. Nun ist aller dings auch nicht recht ersichtlich, weshalb denen noch fünf Jahre lang ein Einfluß auf die Gestaltung deS communalen Lebens verweigert werden soll, die mittelbar, durch ihr aktives und passives Wahlrecht zu dem maßgebendsten Factor der Gesetzgebung, der Kammer, eine Einwirkung hierauf in allgemeiner Weise und in höherer Bedeutung schon aus- üben. Größere Bedenken erregen die Formen, an die das Recht der ersten Mehrstimme für die 35 Jahre alten vcr- heiratheten Bürger und Wittwer mit Kindern geknüpft ist, und zwar dadurch, daß die Zusatzforderung den für die Kammerwähler geltenden einheitlichen Satz von 5 Fr. staat licher Wohnungssteuer für die Gemeindewähler in vier Stufen von 5 bis 20 Fr., je nach der Größe der Gemeinden von 1000 bis 25 000 Einwohner, erhöht. Zunächst wird eS selbst dem nichtradicalen Städter schwer einleuchten, weshalb er erst für 20 Fr. ein Bürgerrecht erwerben soll, das der un gebildete Landbaucr schon für 5 Fr. besitzt. Das Verhältnis; der Wählstimmen zur Wähler- und Einwohnerzahl wird hier durch zu Gunsten der kleinen, klerikalen Landgemeinden und Städte und zum Nachtheil der großen Industrie- und Handels- centren bedenklich verschoben und in Wahrheit das Gegen- theil von dem erreicht, was die Begründung des Gesetze« er reichen zu wollen angiebt, „unter Gemeinden von ungleicher Bedeutung eine Gleichheit der Verhältnisse aufrecht zu er halten". Dieses ist auch die von sehr realen Folgen sich erweisende parteipolitische Seite des Gesetzes; in jenen Gemeinden wird die klerikale Macht der Gemeinde vertretung einseitig befestigt, in diesen durch das an Stelle der Stichwahlen tretende System der verhältnißmäßigen Ver tretung die liberale Macht durchbrochen werden. Das von den Kammerwählern geforderte Katastraleinkommen eines liegenden Gutes von 48 Frcs. als Bedingung einer zweiten Mebrstimme erhöht die Vorlage für die Gemeindewähler ans l50 Frcs., so daß der Besitz als solcher mit der Bcwerthuilg seiner Interessen im Ganzen über drei Stimmen verfügt. Außer dem hält die Vorlage die durch daS Kammerwahlgesetz dem Inhaber eines bestimmten Amtes oder BefähigungSreugnissis bewilligten zwei Mehrstimmen aufrecht. Da diese beiden Stimmen unt jeder der vorgenannten Mehrstimmen bis zur Höchstzahl von vier, entgegen den drei Stimmen der Kammer- Wähler, verbunden werden können, so liegt hierin ein Vor theil für die Capacitätswähler und die Anerkennung, daß Befähigung und Bildung für die Ausübung bürgerlicher Rechte werhvollcr sind als Besitz, ein Grundsatz, der die vortheilhafteste Seite der Vorlage bildet. Deutsches Reich. * Leipzig, 1l. März. Zu der Leipziger Erklärung in Sachen der Umsturzvorlage sind bis heute früh circa Feuilleton. Ein Lecher Lethe. 23j Roman von R. Teilet. Nachdruck verbottn. (Fortsetzung.) Mr. Badgerly starrte mich in sprachlosem Erstaunen an. Seine Frau ebenfalls. Nach einigen Minuten des Schweigens sagte er: „Ich fürchte, ich verstehe Sie nicht." „Ich will es Ihnen erklären: Ich möchte gern Ihren Beistand rur Entwirrung des die Beschimpfung betreffenden Geheimnisses haben. Würden Sie es übernehmen, die Person, von der ich glaube, daß sie die Thal verübt hat, zu inter viewen ?" „Natürlich zum Zwecke der Veröffentlichung." „Nein, nicht eigentlich zu diesem Zwecke, sondern zu dem, mir eine Belehrung zu verschaffen, nach der ich außerordent liches Verlangen trage." Mr. Badgerly erhob sich von seinem Stuhle, blieS seine Brust auf und steckte seinen Daumen in die Armlöcher seiner Weste. „Verstehe ich Sie recht, Mr. Lindley, Sie wünschen, daß ich für Sie das Amt eines Detektivs übernehme?" „Ja, etwas Derartiges ist allerdings mein Wunsch. Selbst verständlich würde ich Ihnen ein glänzendes Honorar dafür bieten." „Bedauere. Sie habe» sich in der Person geirrt, Mr. Lindley. Ich gehöre der Presse an, und um ihr einen Dienst ;>i erweisen, bin ich bereit, Jeden zu interviewen, vom Monarchen auf dem Thron bis zum Mörder in der Kerker zelle. Abir nur für die Oeffentlichkeit. Ich bin ein Mann der Presse, kein Geheimpolizist. Sie finden, was Sie suchen, auf der Polizei, Mr. Lindley." Er stand so aufrecht er stehen konnte, da, der arme Mann, mit aufgeblasener Brust und so stolzer Miene, wie sie einem »ur das Gefühl großer Rechtschaffenheit im Berufe verleihen kann. Eigentlich bewunderte ich ihn tatsächlich. Es hatte mir sehr fern gelegen; ihn verletzen oder ihm einen Vorschlag machen zu wollen, ver sich mit seiner Würde nicht vertrug. Ich hatte einfach seinen Charakter falsch beurtheilt und keine Ahnung davon, welchen Werth die drei Worte „für di« Oeffentlichkeit" für ihn besaßen, und welchen Unterschied sie ausmachten. „Verzeihen Sie", sagte ich, „wenn ich Sie unabsichtlich verletzt habe. Ich hielt es nicht für ausgeschlossen, daß Sie dies kleine Nebengeschäft für mich übernehmen würden." „ES wäre ein Geschäft, das sich nicht mit meinem Berufe vertrüge, Mr. Lindley." „Dann wollen wir die Sache als abgethan betrachten. Bitte, entschuldigen Sie meinen Besuch und seinen Zweck." „O, wollen Sie nicht noch ein wenig bleiben? Liebes Kind, ich bin überzeugt, daß Mr. Lindley ein Glas Sherry, daS Du ihm vorsetzest, nicht ablehnen wird." Aus Furcht, durch eine Weigerung Mr. Badgerly's Ge fühle aufs Neue zu verletzen, nahm ich seine dargebotene Gast freundschaft an. „Ich hoffe, es schmeckt Ihnen?" Es war eine Mischung, welche die sarkastischsten Er gießungen in Einem erzeugen mußte. Wir schieven als die besten Freunde. So enttäuscht ich im Ganzen war, hegte ich doch gegen Mr. Badgerly keinerlei Groll.. Er hatte den heiligen exclusiven Charakter seines Berufes treu gewahrt, und das mußte ihm in diesem grundsatz losen Zeitalter hoch angercchnet werden. 29. Capitel. Da Mr. Badgerly mir seine Hülfe verweigert und ich kein großes Vertrauen zu dem Tacte des Detectives von Profession hatte, sah ich ein, daß mir nichts Anderes übrig blieb, als in eigener Person einen neuen Versuch zu wagen. Aber ehe ick das that, beschloß ich, mir den Weg vorher durch einen Brief an Mrs. Darvill zu bahnen, indem ich sie bat, mir zu verzeihen und ihr eine Erklärung meines Be suches ablegte. Der Brief lautete folgendermaßen. „Sehr geehrte Frau! Ich bedauere ganz außerordentlich, daß der Besuch, den ich mir vorgestern die Freiheit nahm, Sie irgendwie erregte und alterirte, und gebe Ihnen die Versicherung, daß mir nicht« ferner lag, als die Absicht, Ihnen Aerger zu bereiten. Aber meine Unkenntniß all der Ihnen offenbar bekannten näheren Umstände — vielleicht auch ein Mangel an Tact ans meiner Seite — bewirkten eS, wie ich leider fürchten muß, daß Sie mich als einen Feind betrachteten. Gestatten Sie mir. Ihnen nochmals zu versichern, daß ich es durchaus nicht bin. Ich hege gegen Sie keine anderen Gefühle als Achtung und — wen» ich mich so auSdrückea darf — tiefe« Mitleid, da Ihr Leben, wie es scheint, von barten Schicksalsschlägen betroffen ist. Abgesehen davon, bin ich aber auch fest über zeugt, daß unsere Ansichten und Interessen im hoben Grade ldentisch sind. Nach dem. was Sie mir neulich sagten, bin ich zu dem Schluffe gekommen, daß Sie in den Händen eines Schurke» gelitten haben und ich habe triftigen Grund für die Bermuthung, daß dieser selbe Mann auch mein Feind ist. Bestätigt sich daS, so bin ich gern bereit, ihn suchen zu helfen, und — wenn eS Ihnen recht ist, daß wir gemeinsam handeln — ihn zu strafen. Allein ist Jeder von uns wahrscheinlich machtlos, zusammen können wir vielleicht erfolgreich wirken. Ich hoffe, Sie geben auf meinen Vorschlag ein uud gestatten mir in diesem Falle gütigst, Sie nochmals aufzusuchen. Inzwischen verbleibe ich Ihr ganz ergebener Fitzallan Lindley." Ich zeigte Vaux den Brief, ehe ich ihn zur Post schickte, und fragte meinen Freund, ob er zufrieden mit ihm sei. Er meinte, der Brief könnte vielleicht einen Zweck haben, aber ^ setzte hinzu: „Du thätest gescheit» daran, Dir zu diesem Besuche ein Stahlhemd anzuziehen — falls sie Dich über- haupt nochmals bei sich sehen will. Nach Allem, was ich von Dir gehört habe, ist die Frau in der That gefährlich". d«ike", sagte ich, „es muß irgend ein großes, schreck liches Unrecht an ihr begangen sein und daS hat ihre ganze Natur verändert." ? v , Ich erwartete mit großer Ungeduld die Antwort auf memen Brief. Da mehrere Tage vergingen, ohne daß sie emtraf, begann ich schon zu fürchten, sie würde überhaupt nicht mehr kommen. Da brachte mir der Briefträger eines Tage« ein kleines zierliche« Couvert, bei dessen Anblick eS nnr nicht im Entferntesten in den Sinn kam, daß es von MrS. Darvill sein könnte. Es sah so gar nickt nach einer derartigen Schreiber,» ans. Das Billet war auf rosa- arbenem Papier geschrieben und duftete zart; die Hand schrift war zwar e.n wenig unregelmäßig, aber trotzdem unverkennbar d.« e.ner gebildeten Dame. Wer wußte ob ste nicht ,n ihrer Jugend ein liebliche« Wesen gewesen war b>» grau,«. Schicksal s>. mi, har.» Hand LL und sie zu der gemacht batte, die sie iekt " ,,-iu.u Bill., .i°» d.r'a^ lag ein rührendes Pathos — e« war ^ / der°Ge?an!*° schreiben können, und unwillkürlich sti!a nock^imme^iü! ^ wahnsinnige Frau vielleicht »«och »mmer im Herzensgründe etwas Iuliahaftes besaß. ^ Der Inhalt des BilletS lautete folgendermaßen: „Geehrter Herr! Ihren Brief habe ich erhalten und sage Ihnen meinen Dank dafür. Ich fürchte, ich bin bei Ihrem neulichen freund lichen Besuche ein wenig heftig gegen Sie gewesen, aber mein Unglück ist so groß, daß es mir, wenn ich daran erinnert werde, nicht möglich ist, ruhig zu bleiben. Wenn Eie in der That gekommen sind, mir zu helfen, so werde ich mich freuen, Sie nochmals bei mir zu sehen. Sie treffen mich morgen Nachmittag 3 Uhr zu Hause an. Ihre ergebene A. Darvill." Baux und ich aßen gerade zu Mittag, als ich das Billet erhielt. Natürlich las ich es ihm vor. „Das klingt nicht wie Wahnsinn", bemerkte ich nach dem Lesen. „Im Gegentheil, es klingt außerordentlich vernünftig. Welcher Durchschnittsmensch würde den unwillkürlichen Humor haben, den Versuch, einen Gast zu erstechen, mit „ein wenig heftig gewesen" zu bezeichnen! Köstlich! Ich möchte den Vorzug genießen wollen, ihr ganzes Etikettengesetzbuch durch- zulescn. Darin kommen sicherlich Gebote und Regeln vor, wie: Es gehört nicht zum guten Ton, einen Gast selbst ober- sächlich mit dem Messer zu ritzen, oder Verletze nie die orm so sehr, daß Du Deinem Gast in den NachmittagSthce Gift tröpfelst. Eine wirklich gut erzogene Person wird solche Details für dazu geeignete Gelegenheiten aufhebeu u.s.w. u.s.w. Wirst Du sie morgen besuchen?" „Gewiß." „Aber sei, bitte, vorsichtig. Sie kann Dir eine Falle legen." „Das halte ich nicht für wahrscheinlich, aber natürlich will ich aus meiner Hut sein. Ich kenne die Dame jetzt gut genug, um zu wissen, daß man im Verkehr mit ihr etwas Borsicht anwenden muß." Präcise um 3 Uhr fuhr ich am anderen Tage vor den« Hause Acaciaplatz 8 vor. Ich batte mich vorher durch einen Brief angemeldet, infolge des öffnete mir daS kleine Dienst mädchen, das offenbar Befehl batte, mich ohne Zögern ein- zulaffen, sogleich die Thür. Ich fragte leise: „Wie gebt eS Ihrer Herrin heute?" „Viel besser, mein Herr." AuS diesen Worten schöpfte ich Hoffnung, vielleicht die gewünschte Aufklärung zu erhalte». Ich wurde nach oben geführt und ceremoniell al« Mr. Lindley angemekdet. Mr«. Darvill saß genau auf demselben Platze als bei
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