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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.03.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-03-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950321021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895032102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895032102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-03
- Tag1895-03-21
- Monat1895-03
- Jahr1895
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Tabellarischer und Zifferusitz nach höherem Tarif. Ogtr«-Beilage« (gefalzt), »», mit de« Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderuna vü.—, mit Postbeförderung 10.—^ Amuhweschlub für Anzeige«: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Marge a-Aosgabe: Nachmittag« »Uhr. So»»- «d Festtag« früh Uhr. Vet de, Filiale» »ad Annahmestelln» je et»« halbe St»nd« früher. Anzeige» Pa- stets »» die Ggtze-itt»« P, richte». Arr» »^ Verlag vo, L V-l» Leid»«« 89. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 21. März. Französische Blätter melden, der Papst habe die Absicht, den Fürsten Bismarck, der bekanntlich auch Ritter des Ehristusordens ist, zu seinem 80. Geburtstage zu beglück wünschen. Wenn sich das bestätigt — und es ist wahrschein lich —, so wird das Cent rum sich zu entscheiden haben, eb es dem Papste, oder Blättern vom Schlage des „Vorwärts", des „Bocholter BolkSblatteS" und rer „Osnabr. Volksztg." folgen will, von denen das letztere schreibt: „Man kann ihm (dem Fürsten Bismarck) nicht nachrühmen, daß icin Wirken ein uneigennütziges und für seine Person unfruchtbares Morsen. Er hat sich immer für seine Dienste ganz reell bezahlen lassen. Seine Dotationen, die er »ach den Kriegen von 1866 und 1870 bezogen hat, betragen viele Hunderttausende von harten Thalern. Später hat nian bei Gelegenheit seines 70. Geburtstages im ganzen Reiche für den armen Mann collectirt, welche Collecte Millionen einbrachte. Ideal Lenkende Menschen glaubten damals, Bismarck würde die auch zum Theil aus Arbeitergroschen stammende Summe zu einer wohlthätigen Lüftung benutzen; aber da kannte man Len Realpolitiker schlecht. Er ließ sich dafür das Gut Schönhauseil kaufen und — schenken. Auch heute wird in manchen Provinzen wieder für den armen Mann collectirt und er wird an seinem 80. Geburtstage wieder eine ganz beträchtliche Vermehrung seiner zeitlichen Güter vergnüglich ein streichen." Und es wird dem Centrum und seinen Verbündeten im Reichstage nicht erspart werden, Farbe zu bekennen und offen vor dem Reiche und dem Auslande ihren Protest gegen eine Ehrung des Fürsten zu motiviren. Immer mehr verschwinden die kläglichen Stimmen, die aus Sorge vor Widerspruch von einem im Reichstage zu stellenden Anträge abmahnen, und immer lauter erheben sich solche Stimmen, die es für eine Ehrenpflicht der nationalen Parteien erklären, die Opposition zur offenen Aussprache zu zwingen. So schreibt heute die sreiconservative „Post" in völliger Uebereinstimmung mit dem, was wir wiederholt ausgeführt haben: „Diejenigen Parteien, welche die Einheit Deutschlands, die Er richtung des Reiches unter dem Kaiserthum der Hohenzollern als die grüßte nationale Errungenschaft ansehen, würden der ihnen durch ihre deutsch-nationaie Gesinnung vorgezeichneten Pflicht nicht ge- nügen, wenn sie nicht Alles, was in ihrer Macht steht, unternähmen, damit an dem Tage, wo Kaiser, Fürsten und Volk sich zur Zeier der Verdienste des größten deutschen Staatsmannes ver- cinigen, die gesetzmäßige Vertretung des deutschen Volkes unter Len Glückwünschenden nicht fehlt. Nicht sowohl um des Fürsten Bismarck willen, der des Glückwunsches dieses Reichstages leicht entrathcn würde, aber um des Reichstages selbst willen, dessen Ansehen bei allen Vatcrlandssreunde», bei allen wirklich deutsch gesinnten Männern unseres Volkes unheilbar geschädigt werden müßte, wenn er dem schmachvollen Beispiele der Berliner Stadtverordneten versammlung unter der Führung des Herrn Singer folgen wollte. Es versteht sich von selbst, daß bei dieser Auffassung vor dem Lande und Volke die Haltung jedes Reichstagsabgeordneten durch nament- liche Abstimmung öffentlich sestzustellen sein wird. Auch dürfte gründlich zu erwägen sein, ob für Len eigentlich unglaublichen, aber leider nicht unmöglichen Fall, daß der Antrag ans Beglückwünschung des um die Einheit und Größe Deutschlands am meisten verdienten Mannes unter den Lebenden im Reichstage ab ge lehnt wird, es mit der Würde deutschnationaler Parteien vereinbar ist, im Prä sidium des Reichstages vertreten zu sein." Hoffentlich bestätigt sich die Nachricht, daß Herr von Levetzow selbst am Sonnabend im Reichstage einen Antrag auf Ehrung des Fürsten stellen werde. Der Präsident liefert dann den Beweis, daß er im Falle einer Ablehnung dieses Antrags vor den Consequenzen nicht zurückschreckt. Unser Berliner tztz-Correspondent hatte am Dienstag (s. unsere Abend-Ausgabe vom 19. d. M.) gemeldet, das preußische Staatsministerium habe am Tage vorher eine Novelle zum Vereins- und Versammlungs gesetz berathen, welche demnächst dem preußischen Landtage zugehen solle. Heute veröffentlicht die offictöse „Berliner Correspondenz" folgende Erklärung: „Die Nachricht des „Leipziger Tageblattes" (Abend-Ausgabe vom 19. d. M.), in der gestrigen Sitzung des Staatsministeriums sei eine Novelle zum Vereins- und Versaminlungsgesetz berathen worden, beruht aus Erfindung." Wir sind natürlich nicht in der Lage, die Richtigkeit deS officwsen Dementis zu prüfen, lassen aber, durch die Erfahrung belehrt, dieses Dementi so lange auf sich beruhen, bis der „Reichsanzeiger" über die Angelegenheit sich äußert, der gar Manches besser weiß, als die „Berl. Corr." So hatte die letztere bekanntlich gegenüber der Meldung unseres Berliner tztz-Correspondenten vom 9. Februar d. I., der preußische Handelsminister v. Berlepsch sei mit dem Vorschläge, den Berufsvereinen Corporationsrechte zu gewähren, durchgedrungen und eine solche Gesetzesvorlage werde den Ministerrath in seiner nächsten Sitzung beschäftigen, die kategorische Behauptung ausgestellt, eine derartige Vorlage sei im StaalSministerlum „weder im Princip genehmigt, noch überhaupt verhandelt worden". Bald darauf erfuhr man durch den „Reichsanzeiger", daß thatsächlich Vorarbeiten betreffs der Regelung der Corporationsrechte der Berufsvereine „im Staats- ministerium einer allgemeinen Besprechung unter zogen worden waren". Der „Berl. Corr." ist es aber bis zur Stunde noch nicht eingefallen, diese Richtigstellung ihrer Behauptung durch den „Reichsanz." zu erwähnen. Grund genug, entweder den lauteren Wahrheitseifer oder die genaue In formation des officiösen, von Herrn v. Köller so hoch gepriesenen Blattes in Zweifel zu ziehen. Zu diesem Grunde kommt aber in derselben Nummer des Blattes, welche das neueste Dementi enthält, noch ein zweiter, recht schwer wiegender. Die „Berl. Corr." meldet nämlich am Schluffe ihres Berichtes über die gestrige Sitzung des preußischen Ab geordnetenhauses: „Nächste Sitzung Sonnabend, 23. März, 11 Uhr: Antrag Achenbach, unterstützt von der conservativen und frei- konservativen Fraktion, daß der Präsident dem Fürsten Bismarck zu dessen 80. Geburtstage die Glückwünsche des Hauses darbringe; kleine Vorlagen." Bekanntlich ist der Antrag, dm Präsidenten des preußischen Abgeordnetenhauses mit der Beglückwünschung des Fürsten BiSmarck zu beauftragen, nicht nur von der conservativen und der frciconservativen Fraktion des Hauses unterstützt, sondern auch von sämmtlichen Abgeordneten der nationalliberalen Fraction unterschrieben. Daß das officiöse Blatt diese letztere Thatsache einfach unter schlägt, wirft auf seine Objectivität ein grelles Licht, vor dem man hoffentlich in politischen Kreisen die Augen nicht verschließt. Zunächst wird man sich zu vergewissern haben, ob eine derartige tendenziös entstellende Berichterstattung in der Absicht desgesammten preußischen Ministeriums liegt, oder lediglich in der eines einzelnen ReffortS. Es verlohnte sich wohl, den preußischen Ministerpräsidenten darüber gelegentlich im Abgeordnetenhause zu interpelliren. Während der laufenden Tagung hat die luxemburgische Abgeordnetenkammer eine bemerkenswerthe Probe politischer und religiöser Unduldsamkeit abgelegt. Die evangelische Gemeinde in Luxemburg hat sich erst im vergangenen Jahre als protestantische Kirchengemeinde im Sinne des Gesetzes constituirt und wurde bei dieser Gelegenheit durch aroßherzoglichen Beschluß als Consistorial kirche anerkannt. Bis dahin bestand sie nur als thatsächliche, unter dem Patronat sta-Mch mch. bei der vom deS Groß Herzogs von Staat Luxemburg sich nannte auch den Pfarrer, wahrend v ^ Unterstützung damit begnügte, der Gemeinde ein l Satzungen von etwa 2000 ^ zu gewähren. gelinde wird nunmehr gesetzlich const>tu,rten K rche ^ ^ Geistliche vom Consistorium »ewa, t Deutlich nach Landesherrn bestätigt. Der ^ > ) Staatsangehöriger der Vorschrift des Gesetzes Luxemburg Katholiken sind sein. Da die Luxemburger aber durcyweg^ ^^gen gc- und es bis jetzt mcbt zu Gemeinde fast bracht haben, da ferner die hies ge evang , 1 ^ gesetzlichen nur aus Deutschen besteht, bl-eba ck) a ^„en deutschen Bildung der Gemeinde n.chtS ubr.g, g Gesetz folgter Neuordnung das Amt beibebauen. ^ - tzliche Reichsangehönger ist, so kan, die Gemei bat nun daS WSEHZ-LL Verbrechen begangen, m -wer an den Gu ^ SSKlLGtzSW- baffer und Ultramontane rächten sich »un rndem e vw Laufbahn eines Mannes entzweibrachen, der m AnU m o ÄmLU. H L°r>m,"g d.r vom ersten Tage an ein Dorn »Ni Auge war. Die von französischen Socialdemokraten geleitete und socialdemokratisch betriebene Ge n o sse ns ckaftSb ackeret von Limoges befindet sich seit ewigen Tagen nn Aus stande, der durch die brutale Maßregelung ein es Arbeiters von Seiten der socialdemokratischen Gc)ck>aftS- leitung provocirt worden ist. Der Betreffende hatte sich bei Ausführung einer Nebenarbeit von einem Anderen helfen lassen, für welches Vergehen gegen die Betriebsordnung er unverzüglich aus der Arbeit gejagt wurde. Die Kameraden, denen diese Strafe außer allem Verhaltlnß rn der begangenen Zuwiderhandlung schien, protestirten, und da das nicht« half, legten 12 Arbeiter von 15, wohlgemerkt, lauter waschechte, zielbewußte Genoffen, die Arbeit nieder. Ohne sich auch nur im Mindesten auf Ver handlungen mit den Streikenden einzulassen, stellte die Be- triebsleitung sogleich zwölf andere Arbeiter — Streikbrecher würde man sie im socialdemokratischen Parteijargon nennen müssen — ein, von denen aber alsbald drei sich auf die Seite der Streikenden schlugen. Diese Handlungsweise der social demokratischen Genoffenschastsbäckerei hat unter den ziel- bewußten Elementen von Limoges und weit darüber hinaus flammende Entrüstung hervorgerufen. Bis jetzt sind die socialdemokratischen Arbeitertyrannen noch unbehelligt ge blieben, aber die Streikenden wollen den Verwaltungsnnt- aliedern ihre „Vergewaltigung der socialdemokratischen Grund sätze" nickt ungestraft hingehen lassen, obwohl von den social- demokratischen Deputirten alles ausarboten wird, um den «candal todtzumachen. Für den Kenner der Socialdemo kratie hat der Hergang kaum etwas Befremdendes. Wer nickt mit sclaviscker Unterwürfigkeit vor den Parteiarößen im Staube kriecht, der „fliegt hinaus", wie Herr Bebel sich so geschmackvoll ausdrückt. Und das will sich anmaßcn, den bürgerlichen Arbeitgebern Vorschriften zu machen, Wie sie ihre Arbeiter zu behandeln haben! Deutsches Reich. -» Leipzig, 21. März. In der Gewerbeordnungs- Kommission des Reichstags ist gestern eine Entscheidung gefallen, die, wenn der Reichstag sie zum Beschluß erhebt, für den gesammten Buchhandel von folgenschwerer Be deutung werden wird. Wir erhalten über die Commissions sitzung nachstehenden Bericht: Die (XI) Gewerbeordmwgscommission beschäftigte sich am 20. d. Dt. zum dritten Mal mit dem Artikel 7 der Regierungsvorlage, welcher lautet: „Das Aufkäufen darf ferner nur bei Kaufleuten ober solchen Personen, welche die Maaren produciren, oder in offenen Verkaufsstellen erfolgen. Jngleichen darf das Ausstichen von Bestellungen auf Maaren, soweit nicht der Bundesrath für bestimmte Waarcn Ausnahmen zuläßt. nur bei Gewerbtreibenden geschehen, in deren Gewerbebetriebe Maaren der angebotenen Art Ver wendung finden." Die Verhandlung beschäftigte sich diesmal fast ausschließlich mit dem Reisebuchhaudel. Für diesen traten mit großer Leb haftigkeit die Abgeordneten vr. Hasse und Müller (Sagan), gegen denselben die Abgeordneten Schwarze (Centr.) und vo» Salisch (cons) ein. Endlich kam es zu der recht umständlichen Abstimmung. Zuerst wurde mit 15 gegen 4 (Centrum) Stimmen der Antrag Gröber abgclehnt, der den fraglich»» Handel in den dritten Theil der Gewerbeordnung verweisen wollte. Dann wurde der Antrag Brauu (Centr.), der in der Regierungs vorlage die Worte „soweit nicht der BnndeSrath für bestimmte Waarcn Ausnahmen zuläßt" streichen wollte, mit Mehrheit abgelehnt. Ter von dem Abg. Vr. Förster (Res.) gestellte Antrag, in der Regierungsvorlage nach den Worten „bestimmte Maaren" die Worte einzuschalten „und Gegenden", lourde gegen 5 Stimmen abgelehnt. Der Abg. vr. Pachnicke (freist Ver.) hatte zu dem von den Abgeordneten vr. Hasse und Krüger (nat.-lib.) gestellten Anträge „im Falle der Annahme des Artikels 7 der Regierungsvorlage den Zusatz zu machen: „Auf den Handel mit Wein und auf den Buch handel finden diese Bestimmungen keine An- Wendung" den Zusatzantrag gestellt: „«sowie das Leinengewerbe und die Consection". Beide Anträge wurden mit 11 gegen 7 Stimmen abgelehnt. Nunmehr gelangte eine vom Vorsitzenden der Commission, dem Abg. von Holleufser (cons.), beantragte Resolution zur An nahme deS Inhaltes: „Der Reichstag wolle beschließen, den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, dafür Sorge zu tragen, daß bei de» Aus nahmen, die der tz. 44 Abs. 3 der Gewerbe-Ordnung zu- läßt, die Leinenindustrie und der Weinhandel vor« zugSweise Berücksichtigung finden." Der von dem Abg. vr. Hasse gestellte Antrag, auch den Buch. FeiriHetoir» Ein Lecher Lethe. äOl Roman von R. Teilet. Nachdruck verbottu. (Fortsetzung.) „Sie fragte Sie wohl nach dem Wege?" fragte Vaux in demselben gleichgiltigen Tone. „Ja. Ob ich ihr sagen könnte, wo Frau Metzger wohnte? War das nicht ein drolliges Zusammentreffen ? Und das Gesicht, das sie machte, als ich ihr sagte, ich sei Frau Metzger. Sie scheint daS Fräulein zu kennen, denn sie fragte mich, ob Miß Stuart bei mir wohne? Ob sie gesund sei? Ob sie oft Besuch habe? Ob jetzt zwei Herren bei ihr seien? Ich sagte, ich wüßte es nicht, ich sei ausgewesen, aber es sei nicht anzunehmen. Dann ging sie fort, offenbar zornig, obgleich ich mir nicht denken kann, warum. Ich war froh, daß ich sie loS war, mir wurde ganz bange, solche Augen machte sie." Vaux und ich tauschten abermals einen bedeutungsvollen Blick aus. „Ich fürchte, sie ist es", sagte Vaux auf englisch. „Sie ist sehr energisch und folgt nur ihren eigenen Eingebungen. Aber auf welche Weise mag sie Ethelren's Wohnung erfahren baden?" „Vielleicht hat sie sich auf der Polizei darnach erkundigt. Sie scheint im Reisen nicht unerfahren zu sein." Da ick wußte, wie sehr MrS. Darvill Ethelren haßte, war ich um die letztere eigentlich ein wenig in Sorge und bat Frau Metzger, falls die Frau, von der sie sprach, identisch sei mit derjenigen, die wir meinten, da diese letztere un zweifelhaft nicht ihren richtigen Perstand habe, recht vorsichtig ;n sein und falls sie sich noch einmal zeigte, sie nie ins Haus zu lassen. Im Stillen beschloß ich, falls sich mir die Ge legenheit dazu bot, auch Ethelren ein Wort der Warnung zukommen zu lassen. 35. Capitel. Nachdem wir unseren Kaffee getrunken hatten, ging Frau Metzger zu Ethelren hinein und fragte sie, ob sie mich noch empfangen wolle. Gleich darauf erschien sie wieder und brachte mir die gewünschte Zusage. Ich begab mich nach Ethelren's Wohnzimmer, in dem ich sie jetzt allein antraf. Sie hatte sich em wenig erholt. Der Kaffee schien sie körperlich erfrischt und die Abwesenbeit ihres Gatten und Mr. Vulpian's ihr eine geistige Erleichterung verschafft zu haben. Wenigstens empfing sie mich natürlicher und freund licher als vorher. Als ich ins Zimmer trat, kam sie mir entgegen und reichte mir die Hand. „Ich hoffe, Mr. Lindley, wir sind noch Freunde?" sagte sie mit traurigem Lächeln. „Auf meine treue Freundschaft können Sie zu jeder Zeit zählen, Miß Stuart", antwortete ich. „Ich komme nur deshalb noch einmal zu Ihnen, um Sie meiner Freundschaft zu ver sichern und Sie zu fragen, ob ich nicht irgend etwas für Sie thun kann." „Sie sind sehr freundlich", sagte sie, indem sie sich in einen Sessel fallen ließ und mich bat, ebenfalls Platz zu nehmen. „Es kann nichts für mich gethan werden. Wie Sie eben selber hörten, ist mein Fall gänzlich hoffnungslos. Jener Mann hat mich völlig in seinen Händen." „Aber Sie lieben ihn nicht?" fragte ich. „Ich hasse ihn", antwortete sie mit plötzlicher Energie. „Er ist der Fluch meines Lebens. Wie glücklich könnte ich sein, wenn er nicht wäre! Durch ihn ist alles Glück für mich dahin." Mir drängte sich eine Frage auf die Lippen, die ich nur mit größter Mühe zurückhielt. Wenn sie diesen Mann haßte, warum hatte sie sich dann in seine Hände gegeben? Mit weiblichem, feinem Gefühle schien sie mein Schweigen richtig zu deuten. „Ich sehe, Mr. Lindley, Sie können sich daS Ganze nicht erklären. Es kommt Ihnen sehr wunderbar vor, nicht wahr? Ich will Ihnen die Geschichte erzählen." „Gestatten Sie mir vorher eine Frage", sagte ich. „Sind Sie ganz sicher, daß Sie sich in Dem, was Sie mir jetzt mittheilen wollen, auf Ihr Gedächtniß verlassen können? Denn wenn Sie sich nach Dem, was jener Mann Ihnen gesagt hat, richten wollen, fürchte ich, sind Sie vielleicht auf Irrwege geleitet worden." „Ich wünschte, ich könnte dasselbe befürchten", sagte sie sehr traurig. „Aber leider kann ich nicht mehr daran zweifeln, daß ich mein Gedächtniß — oder einen Theil desselben — wieder habe. Bis heute Abend war es genau so geschwunden als zur Zeit Ihrer Abreise. Wenn ich mich bemühte, an meine Vergangenheit zu denken, kam eS mir stets so vor, als sähe ich in rin Chaos, und ich mußte mich immer der Gefühle erinnern, die mich beim Ersteigen deS Grenzstadt nahe gelegenen hohen Berge«, de« Eisenberge-, überkamen. Als ich von oben herab schaute, erblickte ich anfangs nur wallende Nebelwolken, allmählich sahen wir durch Risse in den Wolken, fern unter uns im Thale, ein HauS, einen Baum — aber nur einen Moment lang — dann hüllte der Nebel Alles wieder ein. Genau so war es mit meinem Gedächtnisse. Ab und zu kam eS mir vor, als haschte ich einen Schimmer von einem Orte oder Gegenstände, der mit meinem früheren Leben in Verbindung stand, aber ehe ich mich noch damit zurecht finden konnte, ehe ich ihn noch in meinem Geiste unterbringen konnte, war er schon wieder verschwunden. Dabei hatte ich die ganze Zeit das merkwürdige Gefühl, als sei mein Gedächtniß da und ich könnte es nur nicht gebrauchen. Wer weiß, ob eS ohne die Ereignisse des heutigen Tages je wieder tbätlg geworden Ware! Seine Thätigkeit hing in keiner Weise von meiner körperlichen Genesung ab, denn Doctor Falck findet, daß ich jetzt bedeutend kräftiger bin als vor meinem Anfälle. Wissen Sie aber auch, aus welchem Grunde? Ich denke nur darum, weil ich mich an nichts erinnern konnte — weil ich das große Unglück meines Lebens total vergessen hatte. Wollte Gott, ich batte ewig in diesem Zustande bleiben können! Ich glaube, A eS geblieben, wenn er nicht gekommen wäre. Seine Mn Blick, seine Stimme — es war, als sei jede« ein Schlüssel, der die verschlossenen Kammern meines Gedächt nisses öffnete. Vergessen Sie nicht: ich habe ihn Jahre lang gekannt, und er ist der Mensch, der den größten Einfluß am mein Leben auSgeübt hat. Sein Brief war eS — jetzt weiß ich eS ganz genau, der mich derartig erschütterte, daß ich in Starrkrampf versank, daß ich mein Gedächtniß verlor. Und sein Anblick war es, der mein Gedächtniß wieder zurück brachte. ° Sie schwieg einen Moment. Unwillkürlich erinnerte ich vr. Falck's Schluß, daß ihr Gedächtniß nur durch den Einfluß eines Anreizes, den er „verwandte Eindrücke" wieder herzustellen sei - d. h. Eindrücke die in nächster Beziehung zu den schlummernden Eindrücken' ständen So war es genau letzt geschehen. Der einzige Mensch de- diese verwandten Eindrücke ,n ihrem Geist err^aen könne- war wieder vor ihr erschienen, und ihr Gedächtniß wa! durck,' "E"' D°- w°, ,.?r IlaL K Ethelren fuhr in ihrer Erzählung fort- Corridorglocke läuten und öffnete die Thür. Mr. Darvill und der Rechtsanwalt standen draußen. Wenn ich sagte, ich hätte sie erkannt, so würde ich mich falsch ausdrückcn, denn das würde so viel heißen, als hätte ich mich auf der Stelle ihrer, ihres Einflusses aus mein Leben und Alles, was mit ihnen in Zusammenhang stand, erinnert. Und in Wahrheit wirbelte mein Verstand anfangs wirr hin und her. Ich be griff nichts — ich hatte einfach daS Gefühl, daß beide Männer meine Feinde seien — dasselbe Gefühl, das der Vogel der Schlange gegenüber hat. Was ich im ersten Momente der Ueberraschung sagte oder that, weiß ich nicht. Alber ich glaube, ich flüchtete mich vor ibnen. Dann begann Darvill zu sprechen. Er erinnerte mich an alte Zeiten, an seine Liebe, an unsere Verhcirathung, an meinen Scheintod. Er erzählte mir. daß er soeben zufällig erfahren hätte, ich sei nicht tobt, sondern lebte noch, und daß er auf der Stelle hergekommen sei, um mich als sein Eigenthum an sich zu nehmen. Ich muß ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen und zugeben, daß er weder zudringlich noch gewaltsam vorging. Er sprach leise, mit jener sanften, bestrickenden Stimme, d',e ich in vergangenen Tagen so gut kannte. Ich war nicht im Stande, clwaS zu erwidern. Ich konnte nur hilflos, mit gesenktem Haupte dasitzen, während daS seltsamste Gefühl sich meiner bemächtigte. Mr. Lindley, sind Sie vielleicht einmal zufällig NachtS in einem dunklen Zimmer gewesen, in dem eine altmodische Uhr plötzlich zu gehen begann? Das ist ein Schnurren, Summen und Ticken! Etwas Aehnlickes muß wohl in meinem armen Kopse vorgegangen sein. Nur daß bei mir das Uhrwerk nicht regelrecht, sondern wirr ging. Die ganze Maschinerie, die so lange Zeit still und bewegungs los dagelegen hatte, begann sich zu drehen und daS erste Gefühl, das ich in Folge dessen hatte, war daS deS heftigen Schwindels. Dann, allmählich, schien das ChaoS sich zu ordnen. Ich erinnerte mich der Vergangenheit; ich begriff die Gegenwart. Und nun bemächtigte sich meiner der alte Zorn und Haß gegen den Mann, der mein Leben zerstört batte. Ich erhob mich und gab meinem Unwillen in Worten Luft. Er erwiderte sanft, überredend, suchte mich zu be sänftigen — so ging es eine Weile fort — dann, als ich eben sagte, ob ich seine Frau sei oder nicht, ich hätte nie mit ihm gelebt und würde eS nie thun, erschienen Sie und Ihr Freund plötzlich. Die Erschütterung, Sie wiederzusehen, war zu viel für mich. Ich erinnerte mich in demselben Momente daran, daß sie mich stets für unverheirathet gehalten hätten und daß Sie mich nun für eine Betrügerin aasehen und
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