Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.03.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-03-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950322023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895032202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895032202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-03
- Tag1895-03-22
- Monat1895-03
- Jahr1895
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
2074 größeren Risicos. Da« Letztere ist unbestreitbar, aber da» volksparteiliche Organ übersieht, daß daS geldanlrgende deutsche Publicum, zumal daS über nur kleinere Capitalien ver fügende, das Risico zu übernehmen nur allzu geneigt ist, und zwar ein so hohe« Risico, daß jetzt ungeheuere Summen als für das Nationalvermögen unwiederbringlich verloren zu beklagen sind. Die an den exotischen Papieren in den letzten fünf Jahren erlittenen Verluste haben, indem sie die Kauf kraft empfindlich minderten, auf Industrie und Handel ge drückt und zählen so zu den Ursachen der wirthschaftlicken Depression, auf die zunächst der niedrige Zinsfuß zurück- geführt werden muß. Die Absicht, die Erneuerung der artiger Schädigungen deS NationalreichthumS thunlichst fern zu halten, rechtfertigt in hohem Maße die Zurückhaltung der Regierungen gegenüber den Conversionöwünschen, und nur wer an dieser Seite der Frage theilnahmloS vor- übergrht, kann sich zu deren politischer Fructificirung herbei lassen. Wenn, wie die „Freisinnige Zeitung" hervorhebt, Bedenken, wie sie jetzt geltend gemacht werden, bei früheren Convertirungen nicht erhoben worden sind, so erklärt sich das verschiedene Verhalten zum großen Theile aus den mit Argentinien, Griechenland u. s. w. gemachten Erfahrungen und im Allgemeinen aus der unverkennbaren Thatsache, daß die wirthschaftliche Constitution Deutschlands, hauptsächlich wegen der Notblage der Landwirthschaft, gegenwärtig eine zartere ist, als sie es zur Zeit der größten preußischen Con- version war. In Innsbruck circulirte bekanntlich eine Einladung zur Theilnahme an der Bismarck-Feier. Unter zahlreichen Unterschriften befanden sich auch die von uns mit- getbeilteo Namen von zehn Universitäts-Professoren, an der Spitze der deS Rector LlagnILciw. Acht davon haben nun am Mittwoch im amtlichen „Tiroler Boten" folgende Erklärung veröffentlicht: „Angesichts der einem Glückwünsche an den Fürsten Bismarck in seiner demonstrativen öffentlichen Bekanntmachung gegebenen, unser patriotisches Empfinden verletzenden Deutung sehen wir uns nun genöthigt, unsere Theilnahme an diesem Acte abzulehnen. Prof. Ur. Viktor Waldner, d. Z. Rector. Prof. vr. Emil Hein» richer. Pros. vr. Georg Jufsinger. Prof. vr. Ferd. Kalten brunn er. Prof. vr. Ludwig Lantjchner. Pros. Vr. Franz Frhr. v. Myrbach. Prof. vr. Gustav Pommer. Prof. vr. Wil» Helm Roux." Zn dieser Erklärung verlautet, die Zurückziehung der Unter schriften sei auf Veranlassung des Unterrichtsministers v. MadeySki erfolgt, der dem telegraphisch nach Wien berufenen Rector gesagt haben soll: „Wenn Sie sich weigern, so kostet es Opfer." Nach einer anderen Version hätte v. MadeySki geradezu die Amtsenthebung ange droht. Diese Androhung scheint ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben, und die Innsbrucker Universitätslehrer decken nun — wenigstens läßt die kurze „Erklärung" vorläufig keine andere Deutung zu — ihren nothgedrungenen Rückzug mit einer vielleicht gutgemeinten, aber „allzudeutsch" gehaltenen Interpretation des Bismarckgrußcs in einem dortigen Blatte. Anfangs waren Studentendemonstrationen gegen die acht Professoren (vr. Stolz, vr. Pichler und vr. Heinricher batten ihre Unterschriften nicht zurückgezogen) geplant, dieselben sollen nunmehr an eine andere, höhere Adresse gerichtet werden. Wir hätten von Herrn von MadeySki, obwohl wir seine klerikal feudalen Neigungenwohlkennenund mehrfach beleuchtet habendem derartiges Vorgehen nicht erwartet, wenigstens nicht von seiner staatSmännischen Klugheit; denn er müßte ja mit Blind heit geschlagen sein, wenn er nicht wüßte, daß es keinen treueren und mächtigeren Träger des österreichi schen Staatsgedankens giebt, als das deutsche Element. Dies ist durch die Cillier Affaire schon arg verstimmt und bat den Geschmack an der „Coalition" verloren, der Innsbrucker unerhörte Vorgang könnte dem so wie so nur künstlich zu- sammengehalteuen Faß leicht den Boden ausstoßen. Uebrigens wird der Tiroler BismarckSgruß auch ohne die Unterschriften der Innsbrucker Professoren in Friedrichsruh dankbar ent gegengenommen werden. In den orleanistischen Kreisen ArankretchS ist man überzeugt, daß die bevorstehende Verbindung zwischen dem Herzog von Aosta und der Prinzessin Helene von Orleans eine Annäherung zwischen Frankreich und Italien zur Folge haben werde. Der orleanistische „Soleil" giebt dieser Hoffnung ganz rückhaltlos Ausdruck. Da zwischen den beiden „lateinischen Schwestern", meint das genannte Blatt, kein ernstes Zerwürfniß herrscht, sondern nur Mißverständnisse und Empfindeleien vorliegen, die von gewissen Persönlichkeiten sorgfältig geschürt werden, weil sie aus einem gespannten Berbältniß Nutzen ziehen, so werde Prin zessin Helene mehr für die Annäherung beider Völker zu lbun im Stande sein, als die bestersonnenen diplomatischen Combinationen. Bei dieser Gelegenheit macht übrigens der „Soleil" eine interessante Enthüllung. Als es sich um daS HeirathSproject zwischen dem im Jahre 1892 verstorbenen präsumtiven englischen Thronerben, dem Herzog von Clarence, und der Prinzessin Helene von Orleans bändelte, wurde die französische Regierung in discreter Weise davon in Kenntniß gesetzt. Der damalige Minister des Aeußern, Herr Ribot, antwortete, dem „Soleil" zufolge, auf diese Anfrage Folgendes: „Wenn wir nur unserer republikanischen Ge haben, der eia armes Geschöpf so grausam und verächtlich behandeln kann." Ich gab Ethelren einen Wink, vorsichtig zu sein. Ich sagte ihr, daß ich Grund hätte, zu glauben, MrS. Darvill, wie ich sie noch immer nannte, sei «n Grenzstadt, und aus ihren eigenen Worten zu schließen, habe sie eine ausgesprochene Ab neigung gegen Ethelren gefaßt. Ethelren war verwundert darüber. „Ich weiß keinen Grund, aus dem sie mich hassen sollte", sagte sie. „Ich war stets freundlich und rücksichtsvoll gegen sie." „Sie bildet sich ein, Sie hätten ihr Mr. Darvill, den sie liebt, seit si« ihn kennt, entrissen." „Ach, wie wenig ahnt sie die Wahrheit!" sagte Ethelren mit ihrem bezaubernden, traurigen Lächeln. „Wir dürfen sie nicht nach dem Maßstabe, den wir an Andere legen, beurtheilen", sagte ich. „Wir dürfen nicht vergessen, daß sie geistig krank ist und die Dinge in anderem Lichte betrachtet, als ein Gesunder eS thäte. Darum aber bitte ich Sie, Miß Stuart, auf Ihrer Hut zu sein, nicht allein auszugehen und sie nicht anzunehmen, falls sie Sie besuchen wollte." „Aber ich möchte daS arme Wesen gern sehen", sagte Ethelren, „und mich bemühen, sie zu trösten. Sie sollte zu der Ueberzeugung kommen, daß ich nie absichtlich ihre Rivalin gewesen bin." „Das läßt sich vielleicht später machen, aber einstweilen, ehe sie nicht klarer sieht, können sie nicht vorsichtig genug sein. Ich flehe Sie an, Miß Stuart, beherzigen Sie meine Warnung." „Ich hakte sie zwar für überflüssig", erwiderte Ethelren, „danke Ihnen aber trotzdem dafür." Ein weiteres Versprechen vermochte ich ihr nicht zu entringen. WaS hätte ich ihr nicht noch Alles zu sagen gehabt! Als ich sie und ihren bezaubernden Liebreiz betrachtete, — den Liebreiz, der mir jetzt noch rührender erschien als früher — sehnte ich mich danach, ihr mein ganzes Herz auszuschütten. Aber daS durfte ich nickt wagen, da sie. wie sie selber glaubte, die Frau eines Anderen war. Es war ein grau sames Geschick, daS meine Lippen so versiegelt batte. Aber trotz aller anscheinenden Hoffnungslosigkeit hoffte ick noch immer, so wie ick dazu bestimmt gewesen war, sie dem Grabe zu entreißen, daß e« mir auch vielleicht bestimmt sein konnte, st» dem übenden Tode, zu dem Darvill « Schurkerei sie ver- sinnung Gehör schenkten, so könnten wir darüber mißvergnügt sein, daß der künftige Monarch einer der größten europäi schen Nationen die Schwester eines Prinzen heirathen will, den die Republik verbannt hat. Wir begreifen jedoch, von welch' hohem Interesse eS für Frankreich ist, wenn eine französische Prinzessin eine so hohe Stellung im Auslande einnimmt. Wir werden daher nicht nur nichts thun, um uns dieser Verbindung zu widersetzen, sondern uns ihr günstig zeigen, falls man uns darüber zu Rathe ziehen sollte". Offenbar ist auch diesmal eine ähnliche Anfrage von Stowehouse aus er folgt und eine zustimmende Antwort ergangen, denn nur so erklärt eS sich, daß der Herzog von Aosta bereits von dem Präsidenten der Republik in feierlicherAudienz empfangen wurde und dieser unmittelbar der italienischen Botschaft einen Besuch machte. Mittlerweile beeilen sich die halbamtlichen Blätter den Iubelbymnen der royalistischen Organe gegenüber festzustellen, daß die Heirath deS Herzogs jeder politischen Bedeutung ent behre und keinerlei Aenderungen iy den Beziehungen Frank reichs zu Italien Hervorrufen werde. Nun, cs ist noch nicht sehr lange her, daß die Diplomatie der Republik den Weg über die Boudoirs einer orlanistischen Prinzessin nicht ver schmäht bat. Jedenfalls kann dieser Herzensbund auch einmal politisch in die Waagschale fallen und für die sich vorbereitende handelspolitische Annäherung beider Länder nur förderlich sein, indem er geeignet ist, die hüben wie drüben vorhandene, in Frankreich aber bis feindseligster Gehässigkeit gestiegene Mißstimmung in etwas wenigstens abzuschwächen. Und das wäre auch vom deutschen Standpunkte aus sehr erwünscht. Deutsches Reich. * Berlin, 2l. März. Der Bund der Landwirthe hat be kanntlich den Reichstagsabgeordneten Schulze-Henne auf gefordert, für den Antrag Kanitz zu stimmen oder sein Mandat niederzulegen. Der Reichstagsabgeordnete antwortet darauf im „Soester Kreisblatt" mit einer Erklärung, die in einer Zeit, in der es in manchen Kreisen für erlaubt gilt, Forde rungen zu vertreten, von deren Unerfüllbarkeit und Verderb lichkeit man überzeugt ist, sehr woblthuend berührt. Es heißt in derselben: „Wenn die Nothlage der Landwirthschaft es mir zur Pflicht macht, allen praktisch durchführbaren Maßnahmen zuzusiimmen, welche zur Beseitigung oder Linderung derselben beitragen können, so kann ich für den Antrag Kanitz doch nicht eintreten. Eine Hebung der Getreidepreise auf diesem Wege herbeizuführen, kalte ich aus social- und handelspolitischen Gründen für bedenklich und nicht durchführbar. Zu Punct 2 der Resolution hindert mich die Verpflichtung, die ich meinen gesammten Wählern gegenüber übernommen, und Artikel 29 der Reichsversassung, dem Ersuchen auf Mandats niederlegung nachzukommen. Ich werde also treu meinem Versprechen, welches ich bei Uebernabme meines Mandats gegeben, die Interessen aller Berufs- und Erwerbszweige nach Möglichkeit wahrnehmen, aber immer das Gesamml- interesse des Vaterlandes im Auge behalten. Treu meinem Versprechen werde ich stets und nur nach meiner eigenen Ueberzeugung handeln und stimmen, und wenn es meine Gesundheit gestattet, bis zum Schluffe dieser Session mein Mandat ausüben. Durch den Beschluß der Ver sammlung des Bundes der Landwirthe bin ich zu meinem Bedauern zu der Erkenntniß gekommen, daß meine Mitglied schaft zum Bunde der Landwirthe sich nicht vereinigen läßt mit meiner Stellung als Reichstagsabgeordneter und habe ich deshalb meinen Austritt erklärt." — Der Bundesrath hat in seiner heutigen Sitzung den Gesetzentwürfen für Elsaß-Lothringen wegen Abänderung des Gesetzes vom 24. Juli 1889, betreffend Grundeigenthum, Hypothekenwesen und Notariatsgebühren, n»d des Gesetzes vom 22. Juni 189t, betreffend die Einrichtung von Grund büchern; ferner wegen der in die Geburtsregister einzu tragenden Vornamen und endlich betreffend die Bestellung von Amtscautionen die Zustimmung ertheilt. Der Gesetzent wurf wegen Feststellung des LandeSbauShaltsetats von Elsaß- Lothringen für 1895/96 wurde in der vom Landesausschuß be schlossenen Fassung genehmigt. Die Vorlage, betreffend die auf den Eisenbahnen Deutschlands — ausschließlich Bayerns — vorhandenen Abweichungen von der Umgrenzung des lichten Raumes, der Entwurf einer Verordnung wegen Einführung der Strandungsordnung in Helgoland, sowie der Entwurf von Bestimmungen zur Ergänzung der Beschußtafel für die Prüfung von Läusen u. s. w. für ein Einzelgeschoß wurden den zuständigen Ausschüssen überwiesen. Als Mitglied der Commission für die zweite Lesung des Entwurfs eines Bürger lichen Gesetzbuches wurde der königl. sächsische Geh. Iustizrath Börner ernannt. Endlich wurden Ruhegehälter für Reichs beamte festgesetzt und über verschiedene Eingaben Beschluß gefaßt. — Die inactiven Generäle der deutschen Armee werden in einer einfachen, aber würdig ausgestatteten Adresse dem Fürsten Bismarck zum Geburtstag gratuliren. — Dem Vernehmen der „Kreuz-Ztg." nach ist Fürst Radolin, derzeitiger Botschafter in Konstantinopel, zum Nachfolger deS Generals von Werder in Petersburg aus- erseben. Dasselbe Blatt meldet, daß der bisherige Bot schafter in Washington, W. G- R. Freiherr v. Saurma- Ie lisch zum Botschafter in Konstantinopel ernannt worden ist. — Die Anarchisten beabsichtigen, um einen Ersatz für den „Socialisten" zu schaffen, periodisch Flugblätter er scheinen zu lassen. Das erste dieser Flugblätter, das gegen wärtig viel verbreitet wird, beklagt bitter den Indifferen- tiSmuS der „Genossen", welche vielfach glaubten, mit dem Eingehen ihres Organs seien sie aller Verpflichtungen ledig, und die Opfer der anarchistischen Propaganda, resp. deren Familien ihrem Schicksale überließen. Die Hoffnung auf ein Wiederaufleben des „Socialisten" dürfe nicht aufgegeben werden; bis zu deren Verwirklichung jedoch wird den Genossen die eifrige Lectüre anarchistischer Schriften, ferner die Be schäftigung mit Goethe, Heine und Häckel angerathen. — Der anarchistischen „NnterstützungS"-Casse sind vom 5-December v. I. bis zum 5. l. M. nach der „Post" 820,25 ^ zu- geflossen, die Ausgaben betrugen in dem gleichen Zeitraum 801,24 V/ * FriedrichSruh, 21. März. Zu dem Morgenständchen am 80. Geburtstag des Fürsten Bismarck halten sich im Hamburger Verein für Kunst und Wissenschaft über 1000 Theilnehmer gemeldet. Auf Wunsch der Familie des Fürsten muß aber von dieser Ovation abgesehen werden. Man fürchtet, daß der Gesang den Fürsten gerade in diesem Jahre ganz besonders angreisen werde, und glaubt deshalb davon absehen zu müssen. * Bremen» 21. März. Der Senat verwarf auf das Entschiedenste den Plan zur Einrichtung einer bremischen Staatslotterie und erklärt sich sogar gegen eine com missarische Berathung des Planes. (M. Z.) * Nürnberg, 20. März. Der nationalliberale Verein hat in einer Versammlung eine Resolution ange nommen, die das Verhalten der Stadtvertretung gegen die in Anregung gebrachte Ehrung des Fürsten Bismarck bedauert und den von der deutschfreisinnigen Parteileitung erhobenen Vorwurf der Friedensstörung zurückweist. Oesterreich-Ungarn« * Wie», 21. März. Die „Pol. Corr." bestätigt nach einer Mit theilung von maßgebender Stelle, daß von einer Abberufung des deutschen Botschafters Grafen Eulenburg anläßlich des Rücktritts des Botschafters v. Werder keine Rede sei nnd daß alle Meldungen hierüber auf willkürlichen Bermuthungen beruhen. * Wie«. 21. März. Abgeordnetenhaus. Gelegentlich der Beantwortung einer Interpellation des Abgeordneten Scha mane k durch deu Justizminisler, worin dieser erklärte, der Gesund heitszustand der in Pilse» inhaftirten Omla dinisten sei ein guter, erregten die Jungtschechcn im Anschluß an die durch eine Bemerkung Schamanek's veranlagte Zurechtweisung des Präsi denten großen Lärm, so daß Brzeznowsky und Sokot Ordnungsrufe sich zuzogen. Bei dem Schlüsse der darauf fortgesetzten Steuer debatte, welcher mit 100 gegen 6 Stimmen angenommen wurde, kam es in Folge des Widerspruches des Abgeordneten Geßmann, sowie beleidigender Aeußerungen desselben gegen das Präsidium nochmals zu tumu ltuaris che n Scenen. bei denen die Abge ordneten Geßmann und Purghardt zur Ordnung gerufen wurden. * Pest, 21. März. Bei der heutigen Debatte des Magnaten- haufes über das Gesetz betreffend, die freie Religionsübung, konnte keine Uebereinstimmung über das Ergebniß der Abstimmung erzielt werden, weshalb der Präsident Kronhüter Szlavy eine neue Abstimmung für morgen anberaumte. Mittlerweile wurden die Listen verglichen, und es stellte sich heraus, daß 119 für und 119 dagegen gestimmt hatten. Demnach wird der Präsident morgen zu Beginn der Sitzung entscheiden und zwar, wie be stimmt verlautet, zu Gunsten des Eingehens in die Special- debatte. Frankreich. * Paris, 21. März. Präsident Felix Faure empfing heute Nachmittag 5 Uhr den Herzog von Aosta in Privat- auoienz. Die Unterhaltung, welcher sonst Niemand bei wohnte, dauerte etwa 20 Minuten. Der Präsident begab sich hieraus auf die italienische Botschaft, um dort seinen Besuch abzustatten. — Heute bildete sich in der Kammer unter Vorsitz von Jules Roche eine Freihandelsgruppe, welche die Wiederanknüpsung von Handelsbeziehungen zwischen Frankreich und Italien, der Schweiz und Spanien anstrebt. Die Gruppe zählt 115 Mitglieder. * Paris, 21. März. Senat. Ministerpräsident Ribot brachte das Budget für 1895 ein; dasselbe wurde der Finauzcommifsion überwiese». Belgien« * LenS, 22. März. (Telegramm.) Der Bergarbeit er - Congreß hat den Vorschlag angenommen, wonach der Arbeitstag in den Bergwerken, einschließlich der Ein- und Ausfahrt auf 8 Stunden festgesetzt und schwere Strafen für die Betriebsleiter bestimmt werden, welche Arbeiter zur Mehrarbeit nöthigen. Spanien. * Madrid, 21. März. Die Königin-Regentin bat heute Nachmittag mit CanalejaS, Puigcerver und Abarzuza conferirt. Die Persönlichkeit, welche mit der Bildung des Cabinets betraut wird, wird morgen bezeichnet werden; ein Cabinet Canovas gewinnt an Wahrscheinlich keit. — Eine Militair-Zeitung schlägt ein politisches Programm vor, welches besonders die Beförderung aller Officiere nach 40 Dienstjahren zum Obersten und eine Erhöhung deS Armeebudgets enthält. dämmt hatte, zu entziehen. Ich machte einen verzweifelten Versuch, über gleichgiltize Dinge zu sprechen und fragte Ethelren, ob daS Unterrichtgeben ihr Freude macke. Sie bejahte es und behauptete, sich sehr zufrieden zu fühlen — Jeder hätte sie freundlich behandelt, selbst die Baronin und Tberesa. Letztere, die Ethelren früher ihre Abneigung ge zeigt, hatte sich total geändert und war jetzt eine intime Freundin von ihr geworden. Auch vr. Falck war sehr freund lich gegen sie gewesen und beehrte sie fast täglich mit seinem Äesuch. Ich hätte der leisen, süßen Stimme, die ich so unendlich liebte, stundenlang lauschen mögen. Während unseres ganzen Gespräches war es mir nicht entgangen, daß Ethelren'S Wesen gegen mich eine Aenderung erfahren hatte — eS war nicht herzlich wie früher, sondern ihre Freundlichkeit war ein wenig gezwungen, und ihre ganze Art zu sprechen, hatte etwas unbeschreiblich Trauriges. Zu wiederholten Malen hatte Ethelren ihre Dankbarkeit gegen mich betont und gesagt, ich sei ein Freund, dem sie sich nie erkenntlich genug erzeigen könnte, aber der Hauch innerer Neigung, den die Liebe so rasch aus den einfachsten Worten heraushort, schien jetzt todt zu sein oder zu schlafen. Hatte sie wirklich aufgehört, mich zu lieben, oder war es ihr nur gelungen, nun da sie wußte, daß sie mich nicht lieben durfte, jedes Anzeichen der Zuneigung zu unterdrücken? Ich fühlte, daß eS mir unmöglich war, noch länger bei ihr zu bleiben, und verabschiedete mich daher von ihr. „Ich bin froh, daß wir dies Gespräch mit einander hatten, Mr. Lindley", sagte sie, indem sie mir die Hand reichte. „Es wäre mir sehr schmerzlich gewesen, wenn Sie mich falsch beurtheilt hätten. Jetzt verstehen wir einander — nicht wahr? Und wir bleiben immer Freunde, ja?" Sie betonte das Worte „Freunde" so hörbar, daß ich wohl merkte, sie that es, um mir anzudeuten, daß wir unter keinen Umständen je etwas Anderes als Freunde sein konnten. 36. Capitel. Vaux hatte die ganze Zeit sehr geduldig in Frau Metzger'S Wohngemach auf mich gewartet. Er schien sich nicht gelang weilt zu haben. Mit seinem glücklichen Temperamente hatte er sich mit der würdigen Frau vorzüglich unterhalten und amüsirt. Sie erzählte mir später, daß er die drolligsten Dinge im drolligsten Deutsch zu ihr gesprochen hätte. Dann hatte er sie gefragt, ob er rauchen dürfe, was sie natürlich bereitwilligst gestattete. Dadurch war sie an ihren seligen Gatten erinnert worden, der ein starker Raucher gewesen war. Sie erzählte Vaux zahlreiche Anekdoten aus ihres Gatten Rauchabenteuern. Auf diese Weise verging Beiden die Zeit, die ich bei Etbelren verbrachte, rasch und angenehm. Da am heutigen Abend nichts mehr getban werden konnte, beschlossen wir, nach Hause — d. h. in meine Wohnung — zu gehen. Etbelren blieb unter Frau Metzger'S Obhut, und die gute Frau versprach uns, sofort nach unserem Fortgehen ihre Wohnung zu verschließen und zu verriegelu. Nnd that- sächlich hörten wir sie, als wir die Treppe hinabgingen, die Thür verriegeln und die Sicherheitskette an ihr befestigen. Auf der Fahrt nach meiner Wohnung erzählte ich Vaux den Hauptinhalt meines Gespräches mit Etbelren und fragte ihn, wie er den jetzigen Stand der Dinge beurtheile. ES lag mir hauptsächlich daran, seine Meinung darüber zu bören, ob die von Ethelren beschriebene Trauung giltig sei oder nicht. „Gott sei Dank, ich bin kein Jurist", antwortete er. „Daher ist meine Ansicht über diesen besonderen Act von Schurkerei nur die eines Uneingeweihten. Aber wenn ich mich all dessen erinnere, was ich ab und zu über schottische Trauungen sprechen gehört habe, fürchte ich, daß eine derartige Ehe Giltigkeit hat." „Trotzdem daS Mädchen während der ganzen Zeit glaubte, es handle sich um einen Scherz?" „Woher weißt Du, daß sie das glaubte?" fragte Vaux. „Weil sie es mir gesagt hat", antwortete ich warm. „Gewiß. DaS genügt Dir. Aber es genügt vielleicht einem unparteiischen Weltmanne nickt, um so weniger, als drei Zeugen da sind, die — beschwören können, daß Alles ernst gemeint und auSgeführt wurde." „Aber wenn eS ernst gemeint gewesen wäre, bätte es nicht an einem solchen Orte, zu solcher Zeit stattgefunden — als kleines Intermezzo einer heiteren Abendgesellschaft." „Auch dafür giebt es Erklärungen. Beide Parteien — so wird es heißen — wünschten, daß die Ehe geheim ge halten wurde, damit Mrs. Bolhwell sich nicht deshalb erregte. Daher arrangirten sie diese kleine Scene, die als Scherz gelten, aber ernst gemeint sein sollte. Verlaß Dick darauf, ein Mann wie Darvill läßt keine Vorsicht außer Acht und überlegt Alles, was er thut." „Du glaubst also wirklich, daß Miß Stuart mit ihm ver- heirathet ist?" „Da ich ein Laie nnd kein Jurist bin, so muß ich Dir darauf mit „Ja" antworten." Italien. * Rom. 21. März. Wie der „Esercito" und die „JtaNe" melden, könnten in Folge einer Veröffentlichung Calmettr'S im „Figaro" über die Haltung des Ober-CeremonienmeisterS am königlichen Hofe, Grafen Gianotti, in der Angelegen heit des Hauptmanns Romani einige Veränderungen in den hohen Hofbeamtenstellen stattfinden. Großbritannien. * London, 21. März. Die Kaiserin Friedrich ist heute Nachmittag hierher zurückgekehrt. — Die Erkrankung des PrivatsecretairS der Königin, Sir Henry Ponsenby, hat eine ernstere Wendung genommen, so daß ärztliche Hilfe gerufen werden mußte. * London, 21. März. Labouchöre hat vorgeschlagen, den Schuhmacherstreik dem Schiedssprüche eines einfluß reichen ComitöS zu unterbreiten. * London, 21. März. Unterhaus. Parlainentsuntersecretair >es Auswärtigen Grey erklärte, die Regierung werde keine Be- mühungen sparen, um rin gemeinschaftliches Vorgehen mit den übrigen Mächten behufs Einführung von Reformen in Armenien zu erreichen; dieses Ziel würde aber nicht durch weitere Vorschläge für eine internationale Aetion in diesem Augenblick erreicht werden. Der Parlamentsunterjecretair im Colonialamte Buxton theilte mit, Loch habe über die Zusammenkunft der Transvaal.Commission mit dem Könige von Swaziland, den Königinnen und einer großen Anzahl Swazis kurz telrgraphirt. Alle Theilnehmer seien unbewaffnet er- schienen; Joubert habe den König Nbunu bei der Hand genommen und ihn im Namen von Transvaal als obersten Chef anerkannt. Diese Erklärung habe allgemeine Befriedigung hervorgerufen; die Zusammenkunft sei in größter Ordnung verlausen. Gleich nach der Zusammenkunst hätten sich Joubert und Smils nach Transvaal vegeben. Außer der Eskorte habe keine bewaffnete Macht die Grenze von Swaziland überschritten. Der Minister des Innern Asquith beantragte hierauf die zweite Lesung der Bill, betreffend die Ent staatlichung der Kirche von Wales. Hicks-Beach beantragte die Ablehnung dieser Bill. * Lovestoft, 21. März. Infolge von verschiedenen Vor stellungen beschloß der Coroner die Untersuchung über die mit der „Elbe" untergegangenen Passagiere auf un bestimmte Zeit zu vertagen. Der Coroner erhielt von der deutschen Regierung eine Mittheilung ihrer Absicht, den Geh. NegierungSratb Capitain znr See a. D. Donner als Vertreter zu entsenden und zugleich die Anfrage, ob die Untersuchung weiter hinausgeschoben werde. Ebenso empfing er auch die Bitte um Vertagung von den Eigenthümern der „Eratbie". Was das betrifft, daß die Verhandlungen vor dem Rottcrdamer Gericht noch nicht zu Ende geführt sind, so verweigern die Eigenthümer der „Crathie", ihren Zeugen die Zeugnißablegung zu gestatten; sie machen geltend, es könne präjudicirend auf das Verbiet der englischen Jury wirken, wenn der Befund des Rotterdamer Gerichtshofes vorher bekannt wäre. Der „Norddeutsche Lloyd" theilte dem Coroner mit, daß die Zeugen in der die „Elbe" betreffenden Sacke nicht vor einer Woche sich für die Untersuchung zur Verfügung stellen könnten. Rußland. * Wie der „Kölnischen Zeitung" aus Petersburg, 21. März, gemeldet wird, ist nach den neuesten dort ein gelaufenen Nachrichten das Befinden deS Großfürsten- Thronfolgers etwas besser. Aste«. * London, 22. März. Wie dem „Reuter'schen Bureau" aus Yokohama gemeldet wird, bezweifelt man dort, daß die Friedensunterhandlungen, die jetzt in Shimonoseki eröffnet werden sollen, einen Erfolg haben werden. Die japanische Militairpartei', welche für eine Fortsetzung des Krieges bis zu einem vollständigen Siege Japans sei, habe jetzt in der Politik eine vorwiegende Stimme, und das japa nische Parlament theile diese Ansicht. Inzwischen würden frische Truppen für den activen Dienst abgesandt. * London, 22. März. (Telegramm.) Die „Times" melden ans Lhanghat vom 21. d. Mts.: Nach Telegrammen auS dem Norden sind viele japanische Schiffe vor Shanghaikwan, Taku und Khikhou erschienen. Eine Trnppen-AuSschiffung wird in Kurzem erwartet. Die chinesischen Truppen kalten sich bereit, den Einsall zurückzu weisen. Wie verlautet, soll eine japanische Flotte an den PeScadores-Inseln angekommen sein. Amerika. * New-dork, 22. März. (Telegramm.) Heute wurden 125 an Bord des „Majestic" angekommene Diamant schleifer angebalten, da vermuthet wird, daß dieselben unter festen Arbeitsverträgen einwandern. * Ncw-Vork, 22. März. (Telegramm.) Der „New- Jorker Herald" veröffentlicht folgendes Telegramm aus Lima von gestern: Am Sonntage bei Tagesanbruch drangen dieTruppeu der Aufständischen in Lima ein und besetzten die Kirchthürme und andere günstige Puncte. Den ganzen Tag tobte ein heftiger Straßenkampf. In der Nacht herrschte vollkommene Dunkel heit, keine GaSlaterne brannte. Die Stille wurde allein durch das Treiben der trunkenen Soldaten und vereinzelte Schüsse „Aber wenn es so ist, wenn Darvill weiß, daß seine Ehe mit Miß Stuart giltig ist, — hat er ihr Vermögen schon in Sicherheit gebracht. Nun, das ist die Hauptsache, warum erhebt er dann noch Ansprüche an ihre Person? Er hat nur zu beweisen, daß sie lebt, und dann kann, wenn er rechts kräftig mit ihr verbeirathet ist, Niemand das Vermögen an- greifen, daS allem Anscheine nach schon in seinen Händen ist." „Der Grund seines Handelns ist sehr klar, aber er wird Dir nicht gefallen. Darvill liebt nicht nur Miß Stuart'S Vermögen, sondern auch sie selber." Der Gedanke empörte mich. ES kam mir wie eine Tempelschändung vor, daß ein solcher Schurke ein so gutes reines Wesen wie Etbelren lieben sollte. Trotzdem konnte eS wahr sein. Wer hätte auch eine derartige Schönheit sehen können, ohne ihren Zauber zu fühlen? „Wenn er sie geliebt hätte", sagte ich schließlich, „würde er wohl ihren Tod so rasch verschmerzt und jenes arme Wesen geheirathet haben?" „Wie wissen wir, daß er ihren Tod verschmerzte? Es kann ein großer Schlag für ihn gewesen sein, aber trotzdem mußte er an seine Zukunft denken. Wenn ein Mann seine Frau verliert, so führt er trotzdem sein Geschäft weiter. Darvill's Verheirathung mit Miß Fraser war eine einfache Geschäftssache — gerade so, als habe er einen Antheil an einer Goldmine gekauft." „Du scheinst Dir einzubilden, Du verständest ihn voll ständig." „Nein, nicht vollständig, Fichte sagt, in den schalsten Charakteren sind oft Tiefen, die kein Mensch ergründen kann. Und dieser Mann ist durchaus kein schaler Charakter. Aber ich weiß zweierlei von ihm. Erstens, daß er ein Schurke, zweitens daß er ein Mensch ist. DaS Factum, daß er großer Sckändlichkeiten fähig ist, schließt ihn nicht von menschlichen Gefühlen aus. Glaube mir, einen gänzlich ge fühllosen Schurken giebt eS nicht auf der Welt. Achilles war an der Ferse verwundbar — in jedem menschlichen Herzen giebt es eine weiche Stelle. Der größte Mörder der Neuzeit war ein neapolitanischer Bandit. Aber aus welchem Grunde mordete er? Um seiner alten Mutter ein bequemes Alter zu verschaffen. So glaube ich, daß die einzige weiche Stelle in Darvill's Herzen seine Liebe zu Miß Stuart ist. Natürlich findest Du darin keinen mildernden Umstand, aber er ist eS trotzdem. Darvill ist nicht ganz Speculant. Er begnügt sich nicht mit ihrem Gelde, er will sie selber haben. (Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder