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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.03.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-03-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950323024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895032302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895032302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-03
- Tag1895-03-23
- Monat1895-03
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' —»rv-—-——» Vkzngd» R» der Hvirptexpedttton oder den iw beyrt und deu Borortra errichteten Äus» ßabrstellen abgrholt: vierteljährlich.4 «50c bei jwtmlaiiaer täglicher Zustellung jr.« Has« bchü. Durch di« Pos» de^eu für Deutschland und Oesterreich: viertel,ehrlich -ch <-—. Direct» tägliche Areozbandsendung iu< AuOaud: monatlich 7.bO DieMorgen-dlu-gabe erscheint täglich V»? Uhr, dir Abend-Autgode Wochentag» ü Uhr. Ledartion und LrpeLitio«: A»tza»ne«>asse 8. DieEipedition ist Wochentag« anunterbroche« gebsfuet »«, früh 8 VÄ Abend« 7 Uhr. Filialen: Vtl» Ekle««'» Sarti«. (Alfred H«ha1>» UniversitSt-strahe I, L««i» LSsche. Aatharineustr. 14. Part. und »Sakg-ptatz 7. Nbend-Aasgabe UchMer TagMalt Anzeiger. Organ für Politik,Localgeschichte,Handels-nndGeMsverkehr. Äl«zeige«'PrekS dtr 8 gespaltene Petitzeile 20 Pfg.' N'clamen unter dem Redactionsslrich läge, spolren) 50^, vor den Famiiieonachrichtr» (8 gespalten) 40^. Größere Echristen laut unserem PreiA- »erzeichniß. Tabellarischer und Zisjernsatz nach höherem Tarif. El.tra-Vrill,qrn !geialzt>. nur mit de, Morgen »Ausgabe, vl,»e Postbefürderung tiO.—, mit Postbejörderung ^tl 70.—- Iinnahmeschtuß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen- Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Soun- und Festtags früh '/,9 Uhr. «et den Filialen und Annahmestellen ,e ein« halbe Stunde früher. Anreigen find stets an dt- «rptditl-u zu richten. Druck vnd Verlag van E. Polt tu Leipzig ^-151. Tonnabenö den 23» März 1895. Zur gefälligen Leachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den 24. März, Vormittags nur bis /»S Uhr geöffnet. LxpeMlon des ^a^edlattes. Politische Tagesschau. * Leipzig, 23. März. Es steht jetzt fest, daß heute im Reichstage der Präsident v. Levetzow selbst die Anregung geben wird, dem Fürsten Bismarck die Glückwünsche des Hauses auszusprechen. Mit aller Bestimmtheit wird ferner versichert, daß sowohl Herr v. Le vetzow, als auch Herr Ist-. Lürtlin entschlossen seien, auö dem Präsidium des Reichstags auSzu scheiden, wenn die Mehrheit desselben gegen eine Ehrung des Altreichs kanzlers stimmt. Trotzdem scheint das Eentrnm, das vor 10 Jahren unbedenklich seine Zustimmung zu einer solchen Ehrung gab, diesmal zu einem „einmüthigen" Proteste ent schlossen zu sein. Der „Köln. Volksztg." zufolge wird Graf Hompesch im Namen des Eentrums eine längere Erklärung abgeben, in der die ablehnende Haltung der Fraction be gründet wird. Dann würden die Freisinnigen und die ^ocialdemokraten folgen. Weiter heißt es: ,,Es ist nicht ausgeschlossen, daß eine höchst unerquickliche Erörterung an den Antrag sich knüpfen wird, je nachdem die Eartelparteien wollen, denn die Erklärungen der ablehnenden Parteien werden so gehalten sei», daß Niemand herausgefordert wird. Die Cartelparteien scheinen aber gerade aus einen Lcandal hinarbeiten zu wollen. Bei der Abstimmung wird keine Stimmenthaltung von Seiten der einzelnen Parteien statt finden, sondern mau wird ausdrücklich gegen den Antrag stimmen." Es ist indeß nicht ausgeschlossen, daß an dem „einmüthigen" Proteste der Fraction nur ein Bruchtheil derselben theil- nimntt. Die „Freist Ztg." freilich zählt bereits triumphirend 213 Stimmen gegen die Huldigung und nur 175 dafür zu sammen, wobei sie vorauSsetzt, daß die Nltramontanen voll zählig sich einfinden. Es ist aber doch noch fraglich, ob alle süddeutschen Ultramontanen zu den Leuten zu zählen sind, die Herrn Eugen Richter den Gefallen thun, nach Berlin zu reisen, um gegen die Bismarck-Ehrung zu demonstriren und sich dadurch in Gegensatz zu ihren Wählern zu setzen. Denn im katholischen Volke ist das Gefühl der Freude an der Größe des Vaterlandes und das der Dankbarkeit für die Männer, die sie unS geschaffen, noch nicht erstorben. Auf alle Fälle wird die Entscheidung des Reichstags von großer Tragweite sein. Kommt es zu einer Ablehnung des Antrags und in Folge dessen zu einem Wechsel im Präsidium, so ist die schon längst wünschenswerthe Scheidung der Geister und ein klareres Verhältnis zwischen den Fractionen des Reichstags unausbleiblich. Tie Ablehnung des Antrags Äailit; durch den preußi schen Staatsrath hält, wie zu erwarten war, die Freunde dieses Antrags nicht ab, ihn nach wie vor als das allein wirksame und deshalb unerläßliche Mittel zur Besei tigung der landwirthschaftlichen Nothlage zu preisen. Um die Gründe der Ablehnung kümmern sich diese Herren nicht; sie fordern Glauben an ihr Allheilmittel, wie an ein kirch liches Dogma, und werfen zn den Ketzern Alle, die den Ver kündern des Kanitz'schen Heils das Opfer der eigenen Ueber- zeugung nicht zu bringen vermögen. Wesentlich kommt ihrer fortgesetzten Agitation der Umstand zu statten, daß der preußische Staatsrath nur eine auS preußischen Staatsangehörigen gebildete und nicht einmal alle Stände und Berufszweige im reckten Verbältniß repräsentirende Körperschaft ist, deren berathendcs Votum nicht einmal die preußische Krone und das preußische Ministerium, geschweige denn der Reichstag und der Bund es rath sich anzueignen brauchen. An die Letzteren soll daher so schleunig als möglich appellirt werden. Die Unterzeichner des im Reichstage bereits eingebrachten Antrags werden voraussickttich beantragen, den Gegenstand am Mittwoch der künftigen Woche auf die Tagesorvnung zu setzen, und sie dürfen hierbei auf das Entgegenkommen einer sehr großen Mehrheit rechnen, da der Wunsch, jene Angelegenheit noch vor der Osterpause der parla mentarischen Erledigung zuzuführen, ein weit verbreiteter iß. Die deutschconservative Partei wünscht freilich das Gegentheil einer raschen Erledigung; ihr kommt es lediglich auf die schleunige Herbeiführung eines neuen Agitationsstadiums an, dem dann möglichst lange Dauer gegeben werden soll. Die Partei sucht daher die Verweisung des Antrags an eine Com mission herbeizuführen, und bemüht sich zu diesem Zwecke um die Unterstützung deS CentrumS, daS möglicher Weise auf anderen Gebieten Beweggründe findet, den Eonservativen in dieser Sache gefällig zu sein. Sollte wirklich mit Een trums Hilfe eine Commissionsberatbung zu Stande kommen, so würde leider ein erheblicher Theil der Wirkung deS Gut achtens des Staatsraths verloren geben. 2m titigarischcil Magnatenhause bat der Kampf zwischen Liberalen und Klerikalen nm die beiden nock übrigen tirchenpolitischen Gesetzentwürfe, die freie Reli gionsübung und die Reception der Juden begonnen, und bereits am Donnerstag hat das Cabinet Banffy eine Niederlage erlitten: nachdem das erstere Gesetz mit einer Stimme Majorität, der deS Vorsitzenden, in die Special debatte bugsirt war, wurde es dort mit 120 gegen 118, also mit 8 Stimmen Mehrheit, abgelebt» t. In deu Kreisen der Klerikalen hatte schon geraume Zeit vorher große Zuversicht geherrscht und man batte sicher auf sechs bis acht Stimmen Majorität gegen das Gesetz gerechnet. In der Tbat war ein anderes Resultat nicht mehr zu erwarten, seit der Papst sich zu einem jener, aller staatlichen Autonomie Hohn sprechenden Eingriffe in das Parteileben Un garns entschlossen, als er an den Grafen Zichy den Brief gerichtet hatte, welcher die neue, von den klerikalen Aristokraten zu dem ausgesprochenen Zweck der Volksaufwiegelung Hegen die Kirchenreform gegründete Voltspartei segnete, zeit die Allocution desselben Papstes über die Civilehe, welche diese ausdrücklich als Verletzung der Reckte der Kirche und als eine Gefahr für die ungarische Nation hinstellte, kurz vor der Abstimmung zur Veröffentlichung gelangt war. Dazu kam noch eine abermalige Bischofsconserenz und eine Versammlung der reactionairen Oberhausmitglieder, in denen die Losung ausgegeben wurde: Widerstand bis aufs Aeußerste! Die Folge dieser wüsten Agitation war eine in den niederen Volksschichten, namentlich auf dem Lande, bemerkbare bedroh liche Gährnng, und der Tag von Neutra mit seinen blutigen Ausschreitungen wird denkwürdig bleiben. Da wuroen slowakische Bauern von Geistlichen gegen die magya rischen Wähler geführt. Die Volkspartei, wie sich die klerikalen Aristokraten nennen, ist somit entschlossen, die nationale Frage in Ungarn anfzurollen und die höchsten Interessen zu bedrohen. Wie verblendet schließen sich ihr M-nt-n7'k-S oÄr"m Die unaariscke Aristokratie wird es noch einmal vereuen haben. daß sie den Herrsckaftsgelüsten des romisch-n Klerik^ mus ZN Liebe mit denk nationalen »Feuer ö.ksptt - wird nun die Abstimmung ,m Oberhäute l"r ^olgensurdas Cabinet Banffy haben? Sein energischer, mit den, eiserner Consequen; ausgestattete ^nbrer '1^., , ^ nicht zu weichen, sondern will d.e gefallene Vorlage „cch mals vor das Oberbaus bringen. Er ^hut, losern , was allerdings noch nickt g-wiß M, der Znstni' nung der Krone sich versichert bat, Recht daran, denn emn a muß der Kampf des Liberalismus in Ungarn nnt den Feudalklerikalismus zu voller Klarheit durchgerungen werden, eS muß sich endlich zeigen, l>b cS die Be stlmmling der ungarischen Nation ist, vom klerikalen Adel unterjocht zn werden. Fällt die Vorlage über die reUgwll- Freiheit endgiltig, dann werden die kleritalen Magnaten, durch diesen Erfolg angestachelt, noch einmal alle Kraft ausbicten, um 'das durchzusetzcn, was sie Revision der confestionellen Gesetze nennen, was jedoch in Wirklichkeit die Vernichtung derselben ist. So jeden wir neuen, gefahrvollen Sturmen ,n Ungarn entgegen, denn die liberale Partn, welche der all gemeinen Sympathien in den bürgerlichen Schickten stmer i,t, ist entschlossen, keinen Fuß breit freiwillig zu weichen, ^ver Sieger bleiben wird, ist sobald nicht abzusehen. In Spanien ist die von vornherein wahrscheinliche Lösung der Ministerkrise gestern eingetreten: Canovas det Castillo, der frühere Ministerpräsident und Führer der Conservativen, ist mit der Neubildung des Cabinets betraut worden. Der Einfluß des Marschalls Martine; Campos, der 89. Jahrgang. ernsterer Verwickelungen mit den Vereinigten Staaten in sich tragen, brach in Madrid der Consliet zwischen der Presse und dem Ofsicicreorps ans, der das Ministerium S>agafta zum Rücktritt zwang. Es war das immerhin eine nicht 'ganz alltägliche Häufung unliebsamer Geschehnisse, welche einem StaatSuianne, dessen Kreise sie fort und fort stören, wobt die Neigung zur weiteren Fortführung der öffentlichen Geschäfte rauben oder doch wenigstens so sehr schmälern konnten, daß er seinen Verbleib auf dem erponirten Posten von Bedingungen abhängig machte, die im Augenblick nicht erfüllbar schienen, wie die Nburtbeilung der mit dem Madrider Ossiciercvrps in Consliet geratbenen Journalisten vor dem Civilgericht, wofür Sagasta sich schließlich, nach kurzem Schwante», entschlossen hat. Wir haben niemals besondere Sympathien für das Regime Sagasta gehabt, daß aber die Königin Regent», gut beralhen war, als sie im gegenwärtigen Augenblick einen Systemwechsel wagte, möchten wir dock bezweifeln. Einmal ist der vom abgetretenen Cabinet aufgestellte Staatshaushalt nock zu erledigen, dann droht die eubanische Angelegenheit sich zu einem schweren Consliet mit den Vereinigten Staaten auszuwachscn und endlich ist die conservative Partei, wie sich bei den letzten Wahlen gezeigt hat, gespalten, also lein fester Verlaß auf sie. Unter diesen Umständen mußte vor allen Dingen die Continuität der Negierung gewahrt werden. mit Nachdruck und Eonsequenz für Sagasta eingetretcn, war. ist also dock nickt mächtig genug gewesen, diesen zu halten. In den Kreisen der Armee war Sagasta sehr unbeliebt, ;a cs herrschte gegen ihn eine äußerst gereizte Stimmung, die auck dadurch nicht gemildert wurde, daß Campos sich für Um in die Sckanze schlug. Diese Stimmuu^ wurde von den auch sonst sehr zahlreichen politischen Feinden Sagasta'S ausgebeutet, cs wurde mit Hochdruck gegen ihn Stimmung gemacht und sogar der Aberglaube inS Feld geführt, als sei Sagasta ein prädestinirtcr Mann des Unglücks. Seitdem er das Staatsruder führte, so wurde gesagt, sei Spanien ununterbrochen von Widrigkeiten beimgesucht worden. Zuerst folgten sich Schlag auf Schlag die anarchistischen Sprengbombcn- attcntate, verbunden mit den soeialrcvolutionairen Schild erhebungen in Barcelona, Cadix und den anderen größeren Mittclmeerhäfcn. Dann kam die verfehlte Handels- und wirtb- schastspolitische Campagne, welche zum Aufhvren der vertrags mäßig geregelten Handelsbeziehungen zwischen dem deutschen Reiche und Spanien führte. Im Anschluß hieran entspann sich der Zwischenfall von Melitta, der Spanien in einen Consliet mit Marokko verwickelte. Kaum war es dem diplo matischen Tact des Marschalls Martine; Campos gelungen, die Beziehungen zwischen beiden Ländern wieder ins Geleise zu bringen, da drohte der Tod des Herrschers von Marokko, alles aufs Neue in Frage zu stellen, und so pflanzte sich die marokkanische Afsaire fort bis zur Insultirung des marokkanischen Gesandten durch den General Fuentes und der Katastrophe der „Reina Regenta". Der Aufstand ans Cuba erhebt immer drohender sein Haupt, und während eö darüber schon zu Zwischenfällen gekommen ist, welche den Keim Deutsches Reich. * Leipzig, 23. März. Der Verein der Colportage- buchbändler zu Leipzig hat dem Reichstag folgende Petition zugesandt: Den Anträgen der Herren Gröber, Hitze und Genossen (Nr. 69 der Drucksachen des Reichstages), ebenso den Anträgen der Regierung (Nr. 9i der Drucksachen des Reichstages), soweit Liese Anträge durch Beschränkung des Hausirhandcls zugleich den soliden Abonnementöbuchhandcl, ja den gesammten Reisebuchhandel zu vernichten und dadurch auck den gesammten Verlagsbuchbandel und das Buchgewerbe zu schädigen drohen, die Genehmigung zn versagen. ^ Berlin, 22. März. Die parlamentarischen Bemüh ungen, eine Aenderung der bestehenden Zollsätze auf Tabak und Tabaksabrikate außerhalb des Rahmens der Regierungs vorlage heroeizusühreu, werden für sehr wenig aussichtsvoll gehalten, zumal da die neu aufgetauchten Vorschläge sich in einem fundamentalen Gegensatz zu einander befinden, indem einer seits der finanzielle Gesichtspunet in den Vordergrund gerückt, andererseits eine Erhöhung des Zollschutzcö für inländischen Tabak aus die Gefahr einer Vermiudcrung der bis herigen Erträge angestrcbt wird. Nicht gänzlich aus geschlossen wäre höchstens eine isolirte Erhöhung des Zolles auf fremdländische Tabaksabrikate nach den Sätzen des Regicrungsentwurfes. Im klebrigen dürfte die Signatur der gegenwärtigen Session, welche ihr durch die Lcistungsfähialcit des Reichstages aufgedrückt ist, auch von dieser Seile her kaum eine Verwischung erfahren und die Finanzresorm aber mals scheitern. Da die Budgetcommission den über die Ueber- wcisungen hinauügehendeu, durch Matricularbeiträge zn deckenden Mehrbedarf aus unter 7 Millionen herabgcdrückt hat, so würde die von der Regierung vorgcschlagcne Erhöhung des Zolles auf Cigarren und Cigaretten ungefähr ausreicken, nm die Steuerzahler der Einzetstaatcii nock ein weiteres Iabr über daS ihnen Bevorstehende zu täuschem * Berlin, 22. März. Die Abberufung des Generals von Werder aus Petersburg wird in der fetzt bei der Er örterung aller Personalfrageu üblichen Art sensationell anf- gebausckt, indem erzählt wird, der General sei durch seine Abberufung überrascht worden, und er habe dies selbst ge äußert. Es ist möglich, daß General von Werder in der FeniHetsn. Ein Lecher Lethe. 32j Nachdruck verboten. Roman von R. Teilet. (Fortsetzung.) „Er wird sie nie besitzen", sagte ich, „und wenn ich ihn selber tödten müßte". „Oho, es würde schlecht und tböricht von Dir gehandelt sein, ihn zu tödten. Habe Geduld und laß die Hoffnung nicht sinken. Augenblicklich scheint daS Spiel sich für ihn zu erklären, aber es sind mächtige Faetoren, die für Dich Mit wirken. Wenn das Mädchen Dich wirklich liebt, wird sie seinen Ansprüchen nie nachgeben." „Es kommt mir fast so vor", sagte ich, „als liebte sie mich nicht mehr." „Du kannst Dich irren. Vergiß nicht, daß sie unter den veränderten Umständen ihr Wesen gegen Dich ändern muß." Diese Versicherung gab mir einen schwachen Trost. Vaux fuhr fort: „Vielleicht hilft uns ein Rechtsanwalt. Vielleicht entdeckt er einen Fehler in der Verhandlung oder eS stellt sich heraus, daß die Trauung für ungiltig erklärt werden kann. Vielleicht erfahren wir etwas aus Darvill'S früherem Leben, das ihn veranlaßt, unS Concessionen zn machen nnd auS eigenem An triebe zu erklären, daß die Trauung ein offenbarer Betrug war. Das sind Alles Chancen — freilich sehr unsichere — die unS aber doch eine kleine Hoffnung lassen. Vor allen Dingen haben wir jetzt den großen Vortheil, daß wir nickt mehr gegen einen unsichtbaren Gegner kämpfen. Darvill ist ans Licht getreten und zur Verfolgung seines Zweckes muß er da bleiben." „Ich freue mich, daß Du die Sache so hoffnungsvoll betrachtest", sagte ich. „Mir will im Moment Alles sehr dunkel scheinen." „Noch mehr", setzte Vaux hinzu. „Ich bin fest überzeugt, daß außerdem eine andere Kraft, gegen die wlr nichts thun können, mitarbeitet. Sie kann für oder auch gegen uns handeln." „Welche Kraft wäre daS?" „Ich wünschte, wir könnten Sie steuern oder regieren — aber da« können wir nicht. Es ist das Element des Unab wendbaren im menschlichen Geschicke — die unerbittliche Folge, die in der oder der Gestalt den Schritten jedes be gangenen Unrechts folgt." Er sprach ernster als sonst, sein Ernst machte tiefen Ein druck auf mich. Sonst hätte der Gedanke an eine Nemesis als mitwirkender Factor, wie er sie darstellte, mir Wohl wenig glaubwürdig geschienen. Unterdessen hatten wir das Flußufer, an dem Frau Dahl- weiner's Haus lag, erreicht. Meine gute Wirthin begrüßte, uns auf das Herzlichste. Unser Gepäck war bereits da und ein ganz ausgezeichnetes Souper erwartete unS. Wir waren beide müde — was hatten wir nicht Alles erlebt seit unserer Abreise von London — nnd froh, gleich nach dem Essen zu Bette geben zu können. Aber, als ich im Bette lag, war eS mir ein Ding der Unmöglichkeit, einzuschlafen. Ick warf mich erregt hin und her, und meine Phantasie malte mir unterdessen hundert schreckliche Dinge vor. Ob sich die augen blickliche Verwirrung je lösen lasten würde'? Ob Ethelren mich wohl noch liebte? Ob sie wirklich mit Darvill ver- heirathet war? Ob Darvill über mich oder ich über ihn siegen würde? Welche Schritte sollte ich vor allen Dingen jetzt ergreifen? — Das waren die Fragen, die mich im Schweigen der Nacht unablässig verfolgten. 37. Capitek. Unerquickt und bleich erhob ich mich früh'am anderen Morgen von meinem Lager und verließ vor dem Frühstück das HauS, weil meine Aufregung mich nicht zur Ruhe kommen ließ. Natürlich schlug ich den Weg nach Frau Metzger's Wohnung ein. Als ich dort anlangte, war Alle- ruhig. Die Hausthür stand bereits offen, daher ging ich nach oben und sprach mit der Frau. Es war während der Nacht nichts geschehen. Das Fräulein schlafe noch. DaS waren die neuesten Nachrichten, mit denen ich mich einstweilen begnügte. Als ich nach Hause ruruckkehrte, war Vaux schon auf- gestanden und das Frühstuck bereit. Frau Dahlweiner hatte viel ru fragen und viel zu sagen, aber ich war nicht so mit- theilsam ibr gegenüber als sonst. Ich war zu sehr mit meinen eigenen Gedanken beschäftigt, um mich um der guten Seele gulmüthiges, triviales Gespräch kümmern zu können. Vaux jedoch antwortete für mich, und nach einer Weile war Frau Dahlweiner so liebenswürdig, unS allein zu lasten, worauf ich Vaux erzählte, daß ich mich bereits nach Ethelren erkundigt hätte und daß nichts Neue- dort vorgefallen sei. „Natürlich nicht", antwortete er lachend. „Was sollte in der Nacht Vorfällen? Oder hast Du etwa eine Zwangs- cntführung befürchtet? Verlaß Dich darauf, das würde Darvill nicht ähnlich sein. Das ist etwas Altmodisches, Veraltetes, und er ist ganz von modernem Geiste erfüllt. Er arbeitet mit feineren Waffen — feinen Fäden des Gesetzes — feinen Wirkungen des persönlichen Einflusses. Aber seine Zeit wird kommen. So lahm die Nemesis auch oft scheint, sie wird ihn doch erreichen." „Aber wann? Vielleicht erst dann, wenn Ethelren und ich keinen Vortheil mehr davon haben?" „Das werden wir sehen. Ich bin ein Orakel und kann nur keine Details entlocken lassen." Während er sprach, hatte ich mich dem Fenster gegenüber niedergesetzt, und als ich jetzt hinausschaute, bemerkte ich, daß sich ein kleiner Aufkauf am Ufer zu bilden begann. Ich schaute den Fluß hinab — ein dunkler Gegenstand trieb auf seinem Wasser — ein Boot mit mehreren Insassen folgte ihm. Gerade in diesem Momente hatte das Boot den Gegen stand erreicht, und die Ruderer beugten sich herab und ver suchten, ihn in die Höhe zu ziehen. ar, 7- Vaux!" sagte ich. „Was schwimmt da auf dem Waster?" Er folgte der Richtung meines Blickes. Der Fluß ist an der Stelle nicht sehr breit und das Boot war nicht sehr weit von uns entfernt; daher konnte» wir beide erkennen, daß der Gegenstand, der jetzt in die Höhe gezogen wurde, e,ne Leiche war. „Gewiß wieder ein Selbstmord!" sagte Vaux. „Das arme Wesen ! Wie grausam ist doch das Leben!" Die Ruderer hatten den Leichnam ins Boot gelegt nnd kamen jetzt rasch dem Landungsplätze an unserer Hausthüre zugefabren. „Wollen wir hinuntergehen?" fragte ich. Vaux war damit einverstanden. ÄlS wir den Landungs platz erreicht hatten, landete das Boot ebenfalls gerade Die Männer stiegen aus und befestigten es. Wir bemerkten, daß die Leiche, die mit bedecktem Gesichte dalag. Frauenlkleider trug Aus den ersten Blick frappirten mich die großen muskulösen Hände de- Leichnams. ^ ^ Nun sprangen die Männer wieder inS Boot, um die Leicke herauSzuheben. E,n Schutzmann hatte sich schon genähert um Vorgänge be,zuwohnen. Ich, der ich für gewöhnlich einen Abscheu vor SchreckenSscenen hatte, schaute ebenfalls w,e gebannt nach dem Boote hin. Es' war k!in- 8 Arbeit, die Leiche ans Land zn schaffen. Während cs ge schah, fiel das Tuch vom Gesichte der Tödten herab. „Mrs. Darvill!" riefen Vaux und ich wie aus einem Munde. Sie war cs in der That und unverkennbar. Die Blässe, die der Tod über ihr Gefickt gezogen hatte, war nicht im Stande, die häßlichen, seltsamen Züge zu veredeln. Das arme Geschöpf. Im Leben war sie bäßlich gewesen, jetzt im Tode aber geradezu abschreckend. Sie war ein Beispiel für die Grausamkeit der Natur. „Sollen wir uns an der Sache bctheiligen?" fragte ich Vaux, nachdem wir nnscrn ersten Schreck überwunden hatten. " „Ja. Du bist gewiß einverstanden damit, daß wir das Wenige, das für sie geschehen kann, thun — nämlich für cm anständiges Begräbnis; sorgen. Es wird jedenfalls Zeit und Mühe sparen, wenn wir dem Schutzmanne sofort sagen, das; wir wissen, wer die arme Frau ist und alte Beerdigungskosten übernehmen wollen. Thun wir cs nicht, so wird die Leicke nmthmaßlich nach der Anatomie geschafft werden." Ich näherte mich dem Polizisten und machte ihm die Notlügen Mittheilungen. Gleichgiltig — alle Polizisten sind mehr oder weniger gleichgiltig — schrieb er meinen Namen und meine Adresse in sein Notizbuch ein. Dann wurde die Leiche in ein nebenanstehendes Häuschen geschasst und wir kehrten in meine Wohnung zurück. „Ein trauriges Loos", sagte ich — womit ich jedoch mehr der armen Frau Leben als ihren Tod meinte. „Es unter- liegt keinem Zweifel, daß sie sich selber daö Leben genommen hat. Sie ertrug daS Leben eben nicht länger." „Ick nehme an", versetzte Vaux. „daß sie jetzt glücklicher ist. als zw ze zuvor war. Welch' ein Leben hat die Arme ge führt. Sie war vollständig von Dem ausgeschlossen, das den Frauen selbst über Armuth und Leid hinweghilft — von der Liebe. Ihr Herz mag sich oft nach Liebe gesehnt haben, fand aber me Erwiderung darauf. Flehende Blicke auf ihre Neben- menschen gerichtet; eisige, zurückweisende Augen als Antwort. Ja, sie war sehr beklagenswerth! Ich batte Vaux nie so bewegt gesehen. Für gewöhnlich machte eS ihm Freude, jedes Gefühl abzuleugnen. Aber seit einiger Zeit schien eine entschiedene Veränderung mit ihm vorzugehen. „Wäre sie am Leben geblieben", setzte er hinzu, „so wäre ihr L00S noch trauriger geworden, als eS ohnedies war, denn wenn die Ehe mit Miß Stuart giltig ist, würde die arme
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