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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.03.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-03-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950326028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895032602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895032602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-03
- Tag1895-03-26
- Monat1895-03
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LtiU» lvezug-.Prei- OßEtzl Hnnptexpetzttiim od«r de» (M ttttrk «ad den Bororten errichteten «as. Deutschland und Oesterreich: virrteHthrlich X . Direkt« täglich» Ikrrnzbandiendnng in« Ausland: monatlich DleMorgen-Ausgabe erscheint täglich'/,7 Uhr, dt» Sdend-tzlusgabr Wochentags b Uhr. Ledacttou «»- Lk-e-itto«: JotzunneSgastr 8. Abend-Ausgabe. «» Geöffnet »»» früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Dtt» Me««'s Sorttm. (Alfred Ha-ald Universitatsstraste L, r-ui» Lösche. Uathariaeustr. 14. Port. und ikönlgSplttz ^ Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschiihte, Handels- und Geschäftsverkehr. 2lnzeige»»AeeiA dke gespaltene Petitzeile 20 Pfg.' Arclamrn unter dem Redactio-nSstrich <4gt» s»«lt,ll, 50-4, vor den Aamilieunachrichte» (6 gespalten) 40 Größer, Schriften laut unserem Preis- »ritetchnch. Tadellarifcher und Ziffernjatz nach höherem Tarif. Optra-veilagen (gefalzt», uur mit de, Morgen-AuOgabe, ohne Postbesördrrung SO.—. mit Poflbefördrrung 70.-. Annahmeschluß snr Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen- Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Sonn- und Festtag» früh '/,g Uhr Bet den Filialen und Annahmestellen ,»ein» halbe Stunde früher. «»teigen sind stets an dt« «ptzedttiou zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig 15«. Dienstag den 26. März 1895. Politische Tagesschau. * Leipzig, 20. März. Den richtigen Maßstab für dieTborheit undBoSkeit, die am Sonnabend in dem Beschlüsse des Reichstags, dem Fürsten Bismarck einen Glückwunsch zu seinem 80. Geburts tage zu versagen, zu Tage gekommen sind, darf man nicht in den Kundgebungen rer patriotischen Empörung suchen. Biel besser lassen sie sich an dem Berbalten der Presse der Reichstagsmehrheit und des Auslandes ermessen. Jene ist verlegen und macht den kläglichen Versuch» die — Ver ehrer Bismarcks für die Abstimmung seiner Gegner verantwortlich zu machen. Der Protest des Grafen M atuschta giebt die Erklärung für den kleinlauten Ton der Centrumsorgane, und was den freisinnigen Blättern das Gegentheil von einem SiegeSjubel erpreßt, das kann man am genauesten von — Freisinnigen erfahren. Was die auslän d isch e Presse anbetrifft, so haben selbst die deutsch feindlichen Zeitungen, sofern sie zu den anständigen zählen, nur Ausdrücke der Mißachtung für den Reichstag, und die anrüchigen französischen Ehauvinistenbläkter beneiden ihn offenbar um seinen Beschluß. Ein deutscher Uebcrläufer sucht die Erklärung des schändlichen Verhaltens in dem Umstand, daß die Reichstagsmehrheit Jahrzehnte vor Bismarck gezittert habe, scheint also in dem Vorgang vom 23. Marz eine Orgie sreigelaffener Sclaven zu erblicken — was um so bitterer ist, als der Mann die deutsche Demokratie kennen zu lernen Ge legenheit gehabt hat. In Deutschland beschäftigt man sich mehr als mit dem Reichstag mit Bismarck und seiner Feier, die gestern mit der Huldigung der Abgeordneten ihren Anfang genommen bat, um beule durch den Besuch des Kaisers in Friedrichsruh eine erhebende Fort setzung zu finden, die eine ganz besondere politische Be deutung durch den Umstand gewinnt, daß dieselben Parteien, die am meisten eine vollständige innere Aussöhnung des Kaisers und seines ersten Kanzlers fürchten, diese Aussöhnung geradezu erzwungen baben, indem sie den Kaiser mit „tiefster Entrüstung" gegen die Feinde Bismarck's erfüllten. Dadurch ist die innere Politik des Fürsten dem Kaiser förmlich ausgedrängt. Der Monarch hat dem Altreichs kanzler beispiellose Ehrungen zugedacht, die Zahl der aus dem Inland wie dem Auslande angekündigten Ovationen wächst stündlich; demgegenüber tritt die Schande vom Sonn abend zurück, ohne in Vergessenheit zu geratben. Die Abrechnung mit dem Reichstage wird kommen, sich die Feststimmung durch ihn verderben zu lasten, ist das deutsche Volk nicht gesonnen. Auch politische Folgen außer der bereits erwähnten dürfte vor dem Geburtstag des Fürsten Bismarck die Abstimmung des Reichstages kaum nach sich ziehen, jedenfalls nicht die Ausschreibung von Neu wahlen, welche Forderung der Empörung ihre Entstehung verdankt, aber einer reiflichen Prüfung nicht Stand hält. Zunächst ist abzuwarte», wie die Frage der Neubildung des Reichstagspräsidiums gelöst wird, ob das Centrum zu dem Präsidenten noch einen Vicepräsidenten stellt, ob ein Pole oder ein Angehöriger einer Fraktion von einem Dutzend Mitglieder die deutsche Volksvertretung vertreten wird. Sehr richtig beurtheilt man die Situation in Süddeutschland, wo man entschieden vor einer verfrühten Auslösung deS Reichs tags warnt und die Forderung stellt, die jetzige Reichstags majorität und ganz besonders das Centrum erst recht zeigen zu lasten, was sie ist und was sie will. Wir müssen dem „Schwab. Merk." vollständig beipflichten, wenn er schreibt: „Das Taseltuch zwischen dem deutschen Volke und diesem Reichstag ist entzwei. Der Reichstag selbst hat es zerschnitten; der Kaiser hat den Schnitt feierlich erbreitert. Sollte nicht dieser Reichstag aufgelöst, die Leute, die sich so benehmen, heimgeschickt werden? O »ein! Heute — so stehen leider die Dinge — kämen ie alle wieder, und noch einige dazu. Ter Vorgang vom 23. Marz inuß erst noch mehr im deutichen Volke wirken, der Reichstag muß erst zeigen, was er kann, Herrn Spahn und etwa auch Herrn Singer an der Spitze. Man muß es erst erkennen, wer eigentlich der Schuldige ist, und was die Folgen sein werden. Richter und die Seinen bis zn Bebel und Genossen sind nur die Werkzeuge gewesen. Die Drähte hat das Centrum gezogen. Der Beschluß voin 2:4. März ist nur ein Glied in der Kette, die dem deutschen Volke von einer konfessionellen und nichts als con- fessionellen Partei um den Hals gelegt werden soll. Man soll sehen — das wollten die Ultramontanen mit der Bismarck - Mißachtung zeigen, so gut wie mit dem Jesuilenbrschluß —, daß sie die Herren im deutsche» Reiche sind oder doch sein wollen. Sie wissen genau, daß der Jesuitenbcschluß niemals vom Bundesrath angenommen werden wird. Sie brauchen auch diese Annahme gar nicht, denn die Jesuiten sind mitten unter uns. Aber sie wolle» die Gewalt haben, zunächst einmal über den Reichstag, daß er ihren Willen thut. Sie wissen genau, daß die große Mehrheit der katholischen Reichsbürger gerade io national auch gegen Bismarck denkt, wie alle andern. Aber sie, die Lenker, wollen einen andern Schein erwecken mit Hilfe der deutschen Volksvertretung, die sie — Tank der deutschen Demo kratie, wohl der verblendetsten Partei, die es je gegeben hat — be herrschen. Soll diese Herrschaft dauern? Ter 23. März wird dasür sorgen, daß sie bricht. Es ist genug und übergenug. Endlich werden und müssen den deutschen Wählern die Augen übergehen." Zu den schon oben erwähnten französischen Blättern, die den deutschen Reichstag um seinen Beschluß vom 23. d. beneiden und sich zu der Gesinnung beglückwünschen, welche die Redner der Mebrbeit an den Tag gelegt haben, gehört besonders die „Estafette", deren Auslassungen um so be- merkenswerther sind, je häufiger man in diesem Blatte ge mäßigt-liberalen Anschauungen begegnet. Welchen Schaden die Bismarck-Hasser unseres Reichstags dem Ansehen des Reiches zugefügt haben, gebt am deutlichsten aus folgender Auslassung der „Estafette" hervor: „Sieht man näher zu und vergleicht man de» Beschluß des Reichstages mit den Meinungen', die in deutschen Zeitungen und verschiedenen preußischen oder deutschen Städten wie Berlin und Breslau ausgedrückt worden sind, so überzeugt man sich leicht, daß die Kälte oder auch die entschiedene Feindseligkeit, auf welche die Bismarckfeier stößt, den Charakter einer imposanten sittlichen Kund gebung annimmt. Endlich wird es doch klar, daß der Ruhm des Kanzlers in Deutschland selber weniger aus Bewunderung für sein Genie und Achtung vor seinen Grundsätzen, als aus vorüber gehender Begeisterung für sein Werk der Eroberungen bestand. Jetzt, da der Sieg errungen und Oesterreich bei Sadowa, Frankreich bei Sedan überwunden ist, jetzt, da das deutsche Volk keinen National» haß mehr zu befriedigen und keine Eroberungen mehr anzustreben hat, sieht es ein, daß sein großer Mann ihm unnütz geworden ist und ihm selbst schädlich werden könnte durch die Entrüstung, die seine Schärfe in ganz Enropa erregt hat. Als der frieden- dringende Einfluß Rußlands die europäische Lage umgestaltet »nd die Beschwichtigung unserer Revanchegedanken die ganze Lächerlichkeit der Bismarck'schen Drohungen dargethan hatte, erweiterte sich noch die Kluft zwischen dem Kanzler und dem deutschen Volke. Dieses erachtete mit Recht, das; es, ohne in Undank zu verfallen, die Fehler seines „Ruhmlieseranteo" einsehen und den Mitteln sowohl, die er allgewendet, als dem Ziele, das er angestrebt hatte, geringere Anerkennung zu zollen brauchte. Der alte Fürst Bismarck ist zu gescheckt, um nicht zu begreifen, was seine Schutz befohlenen von 1860 und 1870 ihm jetzt für eine Lehre geben. Die Lehre ist vielleicht hart, aber gerade deshalb entspricht sie dem Verfahren, das der Staatsmann zur Zeit seiner Allmacht zu ge brauchen pflegte. Wir wollen nicht daran denken, daß wir besiegt worden sind, und wollen unserem Sieger nicht fluchen. Wir sehen in ihm nur den Mann, der seine Macht mißbraucht hat und dafür büßen muß.... Fürst Bismarck rühmte sich, die Ereignisse weit vorauszusehen. Schwerlich aber ahnte er, daß einst der Tag kommen würde — 24 Jahre nach dem Frankfurter Frieden — in welchem Deutschland sich mit Frankreich vereinte, um seine Politik zu brandmarken." — Weiterhin spricht die „Estafette" noch ihre Freude darüber auS, daß der deutsche Kaiser sich im Zorn mit dem Reichstag überworfen habe: „Das könnte wohl das Vorspiel zu einem Zusammenstoß sein, aus welchem die deutsche Einheit schwrrvermundet hervorgehen würde. Wir können uns dazu nicht genug Glück wünschen!" Nun, wir sind nm die deutsche Einheit nicht besorgt, denn wir wissen, daß im Reichstag nicht die Mehrheit des deutschen Volkes gesprochen bat, daß dieses vielmehr bis tief in die Reiben des Ka-»olicis»ius und deS Freisinns hinein das Verhalten seiner Vertreter aiffS Entschiedenste mißbilligt, za verurtheilt im Sinne des kaiserlichen EntrüstungStele- gramms, aber das Ausland, das geht aus den haßerfüllten Aeußerungen der „Estafette" bervor, verwechselt — und zwar nicht ohne einen Schein des Rechts — das deutsche Volk mit dessen Abgeordneten im Reichstag, und schüttet seine Ver achtung über jenes aus, während lediglich diese sie verdient haben. Das Lanken wir der Mehrheit vom 23. März! Unsere „freisinnige" Presse ist in der Regel rasch bei der Hand, außergewöhnliche Vorgänge der inneren Politik fremder Staaten ihrem Publicum in der Sauce ihrer Weis beit zu serviren, wobei gewöhnlich ein „Grund zur Be schämung" für Deutschland absällt, wo entweder die Achtung der Regierungen vor der öffentlichen Meinung und den Parlamenten geringer, oder das Rückgrat deS Parla ments gegenüber den Regierungen schwächer sei, als in dem Lande, das gerade zu dem publicistischen Erguß den Anlaß giebt. Ausnahmslos geschieht dies bei den besonders beliebten Vergleichen deutscher politischer Zustände mit denen des „liberalen" Ungarn. Um so mehr muß es Wunder nehmen, daß die deutschen Vertreter der demokratischen Orthodoxie eine Woche haben verstreichen lassen, ohne eine „Würdigung" des sensationellen Vorganges im ungarischen Abgeordnetenhaus« zum Besten zu geben, der mit der Ge nehmigung der strafrechtlichen Verfolgung der beiden Abgeord neten Hollo und Bartha wegen durch die Presse verübter Ver leumdung des CabinetS Wekrrle geendet hat. Wenn Derartiges in Deutschland passirt wäre! Die Regierung, welche die Auslieferung beantragt hätte, wäre geringschätzig auf die Minister Englands, Serbiens und vor Allem natürlich Ungarns hingewiesen worden, die einen solchen Act kleinlicher Empfindlichkeit und politischer Unklugheit weit von sich weisen würden, und der Reichstag, von dem Verleumder eines Ministers den Gerichten überantwortet worden waren, Kälte mindestens zu hören bekommen, kein Deutscher, der sich ein Gesüh sür die Ehre seines Vaterlandes bewahrt habe, könne mehr ncck den Karpathen reisen, da er sich schämen müsse, den freienSlowaken und Huzulen jener Berge ins Antlitz zu blicken. In Ungarn aber war Alles ruhig, obwohl man dort sehr lebhaft zu werden vermag und Pester Blätter beispielsweise einen Be schluß des ungarischen Parlaments, einem Deak, Andrassy oder auch Kossuth die Ehre zu versagen, nur bei unterschied lichen Risiken so hätten beurtheilrn können, wie die Organe des deutschen Radicalismus und Philisterthums die letzte Ab stimmung „unseres" Reichstages. Vielleicht geben diese Zeitungen jetzt zu, daß man in Deutschland freier als in Ungarn und namentlich sicherer als dort leben kann. Tie Niedermetzelung deS englischen Lieutenants Roß und seiner Leute im Tschitralgebiete mag sich zwar vom militairischen Standpuncte aus verschmerzen lassen; ob sie aber dem englischen Prestige in Indien nicht empfindlicheren Abbruch thut, als unter den obwaltenden Umständen politisch zulässig erscheint, ist eine andere Frage. Daß die Katastrophe überhaupt eintreten und den gemeldeten Umfang gewinnen konnte, liegt unzweifelhaft an der den Engländern im Felde schon so oft verhängnißvoll gewordenen und doch, wie es scheint, unaus rottbaren Gewohnheit, sich mit souveräner Verachtung des Gegners über die primitivsten Regeln der Marsch- und Lager- icherung hinwegzusetzen. Das tragische Ereigniß drängt nun »ehr die anglo-indische Politik zu dem Schritte, den sie schon angst aus freien Stücken bätte tbun sollen, nämlich zu der Unterweisung Tschitrals mit Waffengewalt. Die -isher beliebte dilatorische Behandlung der kleinen Raubstaaten im nordwestlicken Grenzgediete mußte nothwendigerweise bei zenen Halb- bezw. Gauzbarbare« den Glauben erzeugen, daß die englischen Behörden zu schwach oder zn muthloS seien, ihnen den Kops zurecht zu setzen. Jetzt ist natürlich ein Eifer in die anglo-indische Militairverwaltnng gefahren, der dafür bürgt, daß die Tschitral-Expedition fick unverzüglich in Marsch setzt, der aber nicht mehr verhindern tan», daß die Volksleiden- chaften entflammt sind und den Truppen ihre Aufgabe un- wthigerweise erschweren. Ja es erscheint sogar nicht ausgc- chlossen, daß ihre Kräfte nickt einmal hinreicken, um gründ iche Arbeit zu macken. Alsdann wäre es nicht unmöglich, einmal, daß die Aetion sich in die Länge zieht und zweitens, daß der Geist der Unbotmäßigkeit auf benachbarte Gebiete über springt, was für den Augenblick allerdings noch nicht zu befürchten ist, zumal da nicht nur der Khan von Nansagai, sondern auch der einflußreiche Mulla von Manki sich auf die englische Seite geschlagen haben. Auch für Indiens Finanzen dürfte die Verschlimmerung der Lage im Nordweslen die unerfreuliche Folge nach sich ziehen, daß der sür die Tschitral-Expedition auSgeworsene Credit zu einem erheblichen Betrage wird über schritten werden müssen. Tenn derselbe war nur sür eine bloße militairische Temoiislration, nicht aber für den inzwischen eingetretenen Ernstfall berechnet. Ein Feldzug, wie ihn die anglo-indische Militairverwaltnng jetzt an der Nordwestgrenze, in dem wilden Gebirgstcrrain wird führen müssen, erfordert aber ganz bedeutende Aufwendungen für Transportmittel und Zufuhr der unentbehrlichen Lebens- und Kriegsbedürfnisse. — Was an tatsächlichen Meldungen über den Aufstand bis heute vorliegt, ist au anderer Stelle zu finden. Deutsches Reich. -V. Ans vem 20.säckmschcnRcichstagswal»lkrcisc(Zschopau- Marieuberg :c.), 23. März. Bekanntlich hatte auch der Abgeordnete unseres Wakllreises, Herr v. Herder, bei der zweiten Lesung der Forderung von vier Kreuzern kein defini tives Votum abgegeben. Anfragen aus dem Kreise seiner Wähler, was ihn dazu bewog, dürsten Herrn v. Herder zn folgender Erklärung im „Zschopauer Wochenblatt" Ver anlassung gegeben haben: „Eine Anzahl meiner politische» Freunde und ick haben bei der zweiten Lesung »och nicht unser definitives Volum abgeben können sowohl zn Titel ü „Ersatz Leipzig" als auch sür die „3 Kreuzer" Titel 6, 7 und 8 über die Kosten und Armirnng dieser Schiffe. Bei dem jetzigen wirthschaftlichen Rückgang bedeutender Erwerbs zweige Deutschlands tragen wir große Bedenken, solche Ausgaben zu bewillige», namentlich wenn dadurch sür die Zukunft das Budget wesentlich belastet wird. Tie Gesammtausgaben für die genannten Schiffe werden gegen 40 Millionen Mark betragen. Wir müssen dringend wünschen, Laß uns auch »och nähere Aufklärung darüber gegeben wird, wie hoch die Koste» sich belaufe», um welche das Budget in Zukunft durch diese Neubauten belastet wird für Zinsen, Amortisation, Kosten für Besatzung, Reparatur, Kohlen u. s. w. Wir werden uns erst iu der dritten Lesung definitiv entscheiden, und haben uns aus diesem Grunde der Abstimmung enthalten. Wir glauben so am besten die Stimmung weiterer Bevötkerungs- kreise klar und deutlich wiederzugebe» " Mit diesem Glauben dürste Herr von Herder auf dem Holzwege sei». Weite Bevölkerungskreise werden aus seiner Erklärung nur das geflügelte Wort: „Ohne Kanitz keine Kahn e" heraushören. FeitiHetoir. „Ihr stabt es gewagt!" (Ein Wort an die Neinsager im Reichstag) von Ernst von Wildenbruch. „Ich Hab' es gewagt" — eine schlafende Welt Fuhr taumelnd empor, als das Wort erscholl, Als Ulrich von Hutten die Nacht zerriß, Als der Frühlingssturm durch die Lande schwoll. „Ich Hab' es gewagt, Dir zu sagen einmal. Daß wir satt Deiner sind, Dü fremde Brut, Die Du Deutsch Dich nennst und auf fremdem Altar Zum Opfer bringst unser Fleisch und Blut. Die Ihr Freie Euch nennt, weil vom heiligen Zwang Des Vaterlands Ihr nichts fühlt noch wißt, Die Ihr Freie Euch nennt und Knechte seid Des Neids und der Lüge, die Euch durchfrißt." Ein Fehde-Handschuh, das war sein Wort, Den Dunkelmännern, dem falschen Gezücht — Ganz Deutschland nahm jauchjend den Handschuh auf Und warf ihn klatschend dem Feind ins Gesicht. Und Luther kam, und es wurde das Wort Zum rollenden Donner, zum Weltenmeer, Und Deutschland stand vor den Augen der Welt Wie der Cherub der Menschheit herrlich und hehr. Doch die großen Herzen gingen dahin, Die Würmer mästeten sich vom Koth, Sie hetzten ^lud ätzten und schürten das Gift, Und die Stunde kam — und Deutschland war todt. Und als keine Hoffnung am Himmel mehr stand Und alles und alles verloren war, Da kam uns der Bismarck, da kam der Mann, Den Huttens und Luthers Geist uns gebar. Da wurde die Jugend wieder jung. Die Greise gingen in Frieden zur Ruh', Weil sie Deutschland wieder lebendig geseh'n, Und alle Wunden schloffen sich zu. Und cS kam die Stunde, es kam der Tag, Da wurde der Bismarck achtzig Jahr — Und alles stand auf, was in deutscher Brust An Großem, an Gutem, an Edlem war. Alle Deutschen thaten die Hände zum Bund; „Heut ist keine Zeit für Hader und Zank — Als Brüder ziehen wird heut zu ihm, Der zu Brüdern uns machte, und sagen ihm Dank." Durch alle Seelen ein Rauschen gina, Wie wenn Gottes Stimme zum Menschen spricht — Da — mitten hinein in den heiligen Ton Kam ein Keifen und Gellen: „Wir danken ihm nicht". „Ihr dankt ihm nicht?" Alle Köpfe im Land Sahen staunend sich um: „Wo kam das her? Wer wagt es, die keilige Stunde uns Zu störe», zu lästern, zu schänden? Wer? Wer seid Ihr? Wir wollen ihn kennen und seh'n, Den Mund, der so vorlaut vor Deutschland spricht! Ihr kündigt uns Fehde? Den Handschuh her, Damit er Euch klatsche ins Angesicht! Hat Euch die deutsche Erde genährt? Jst'S unsere Svrache, die Ihr sprecht? Die Ihr fühllos seid für Deutschlands Gefühl Und mit Füßen tretet sein heiliges Recht? Die Ihr, wohnend im HauS, das wir Euch gebaut, Und sitzend auf Stühlen, die wir Euch gestellt, Das deutsche Land, Euer Vaterland, Zur Schande macht und zum Spott der Welt? Wer seid Ihr? Vertreter des deutschen Volks? Das wagt Ihr zu sagen, das wollt Ihr sein ? Ein Hohngelächter von Nord zum Süd, Von Westen zum Ost ruft donnerd: „Nein!" Mit allem, was Deutschland Euch gab und verlieh, Mit seiner Sprache, mit seinem Geist, Kämpft Ihr sür Alles, was Deutschlands Feind, Was den Leib ihm zerfleischt und das Herz ihm zerreißt Der Tag ist gekommen, die Hülle siel, Heut sahen wir Euch in Aug' und Gesicht —- Einen andern Tag verkünde ich Euch, Er kommt nach diesem und heißt das Gericht!" (Nat.'Ztg.) Ein Lecher Lethe. 34) Roman von R. Teilet. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) „Ich muß ihr Glück wünschen geben", sagte er, und warf die Blouse ab, die er bei seinen chemischen Experimenten trug, um seine Kleider zu schonen. Das wollte ich eben haben. „Es ist mir sehr lieb, daß Sie zu Miß Stuart gehen wollen", bemerkte ich. „Sie weiß einstweilen noch nicht, daß ihr Gatte todt ist, aber meiner Ansicht nach müßte sie eö er fahren. Wollen Sie so gut sein, es ihr mitzntheilen?" „Gern. Wie groß auch ihr erster Schreck sein mag, sie kann sich nur freuen, von dem Schurken befreit worden zn sein. Finden Sie nicht, daß sie sich wunderbar erholt hat?" „Ich fand sie sehr niedergeschlagen aussehend, aber sie sagte mir, ihre Gesundheit sei jetzt ganz vorzüglich." „O ja, sie ist aus der Nervosität, die damals den Starr krampf veranlaßte, glücklich herausgekommen. Ich glaube, jetzt ist kein Rückfall mehr zu befürchten. Damals war sie sehr schwach, — die Blutcirculation sehr mangelhaft, — die Nerven in beständiger Aufregung und Anspannung — kurz, der ganze Zustand war ein derartiger, um einen solchen Anfall zu begünstigen. Jetzt ist Alles normal." „Dank Ihrer Behandlung und Vorsicht", bemerkte ich. „Zum Theil allerdings. Natürlich habe ich gethan, was ich thun konnte. Ich hegte immer ein gewisses Gefühl der Schuld, außerdem aber war der Fall auch vom wissenschaft lichen Standpuncte ans sehr interessant. Aber der Haupt factor für ihre völlige Genesung war entschieden das Verlieren deS Gedächtnisses. Der Gedanke an ihre Sorgen nagte an ihrem Leben wie ein Krebsschaden. Sie war so glücklich, plötzlich, mit einem Schlage alle ihre Soraen zu vergessen, und das war die Hauptveranlassung, daß sie neue Frische und Gesund heit erlangt hat. Der Tran! der Vergessenheit wäre im Stande, manche blassen Wangen wieder rosig zv färben." „Sie mögen recht haben", entgegnete ich, „aber wie ich Ihnen bereits sagte, ist Miß StuarrS Gedächtniß fast voll ständig zurückgekehrt." „DaS erwartete sch", erwiderte er, „sobald sie nur in Verbindung mit früheren Eindrücken gebracht werden konnte. Sehen Sie, das war der Fall, als sie ihren Gatten wiebersah. Jetzt macht daS keinen Unterschied aus, oder vielleicht ist es o gerade gut. Ihre Sorgen sind gehoben. Die Vergangen- )eit, die ihr eine prickelnde, schmerzende Wirklichkeit war, ist etzt nur eine interessante Bilderreihe. Ich freue mich, daß hr Gedächtniß wieder hergestellt ist, dadurch wird sie natür- icher." Er hatte während des Sprechens seine Hände gewaschen. Nun wandte er sich mir zu. „Sie müssen mich entschuldigen", sagte er. „Ich will einen anderen Rock anziehen. Bitte, warten Sie nicht auf mich. Guten Morgen." Ehe ich noch antworten konnte, hatte er das Zimunr ver- assen. Aber ich ging nicht fort. Meine Droschke stand vor der Thür, und da unsere Wege ziemlich die gleichen waren, war es nur höflich, daß ich dem Doctor einen Platz in meinem Wagen anbot. Er ließ mich länger warten, als ick geglaubt hatte. Als er endlich wieder ins Zimmer trat, schien er etwas überrascht, ja sogar unangenehm überrascht zu sein, mich noch da zu finden. „O, es thut mir leid, daß Sie gewartet haben", sagte er. „Hätte ick daS gewußt, so hätte ich mich ein wenig beeilt." Ich erklärte ihm den Grund meines Wartens, und wir »egaben uuS beide zum Wagen. Unwillkürlich siel mir das Aeußere des Doctors auf. Er war sehr sorgfältig gekleidet. Sein Haar war glatt, sein Hut elegant, sein Anzug neu und vorzüglich sitzend. Etat 4veS sonstigen schwarzen Shlipses trug der Doctor einen farbigen. Helle Glacehandschuhe und eine Rose im Knopfloch vollendeten die Toilette. Seit ich Len Doctor nicht gesehen batte, hatte er entschieden große Fort schritte in der Kunst, sich zu kleiden, gemacht. Wir fuhren schweigend dahin. Er war in Gedanken ver tieft — vermuthlich grübelte er über ein wissenschaftliches Problem nach. Vor Frau Metzger's Thür ließ ich Hall machen. Der Doctor verließ den Wagen, und ich fuhr nacy meiner Wohnung, wo Vaux mich schon erwartete. Er theilte mir mit, daß er soeben ein Telegramm aus London erhalten hatte, in Folge dessen er möglicher Weise, einer wichtigen Geichästsangelegenheit halber, sofort nach Hause würde zurückkchren müssen. Das Telegramm war von Vaux' Rechtsanwalt und handelte, wie ich glaube, von einem Gutskaufe, zu dem Vaux' persönliche Anwesenheit noth- wendig war. „Wenn Du mich hier noch brauchtest, Fitz", sagte er, „würde ich natürlich um Deinetwillen hier bleiben. Aber sa
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