Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.04.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-04-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950402021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895040202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895040202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-04
- Tag1895-04-02
- Monat1895-04
- Jahr1895
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
VezugS.PreiS v> der tzauptelpedtnon oder den t« vtod». bezir» «G dm Vorort«» errtchtsr» «u«. ookftell«»»,,h»lt: vierteljährlich^ 4.ÜK Kt «wetmalta« täglich« Zustrll»»» ins La»» b.bO. Durch dt« Post tezogra fü» Levtschlavd mch Orfterrrich: oirrteljthrlich t.—. Dir«ct« täglich« Kreuzbaudieadung in» Tullaad: monatlich 7.LÜ. WieMorgr».«u»gab« «richeint täglich'/,? Uhr, dt» Abenb-Äusgab« Wochentag» b Uhr. Ne-gclio« »«- Lrveditto«: Johanne»,aste 8. Mi« Expedition istWoch«ntag« nnnnterbroch«, geossaet M« früh 8 bi» Ab,ad« 7 Uhr. Filiale«: Otto Me««'» Gorti«. (Alfred Gotznh, U«iversität»strah« 1, Laut« Lösche. Uathortnrnftr. 14, Part, und »önig«vlatz Abend-Ansgabe. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- vnd Geschäftsverkehr. Anzeigen.Prei- die «gespaltene Petüznle 20 Pfg. U»elam«» uattr d«a Rrdaction-strich (4a» spalten) bOch, vor den Familirnaachricht» (6 grstiaitm) 4Ü4- Grober« Schriften laut unserem Prri»- »Utttchuib. Tabellarisch» und Zissnasa» »ach höherem Tarif. Grtra-Vetlagrn (gesalzt», nur mit d« Morgen-Ausgabe, ohne Postbefürderung SO.-, mit Postbefürderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeige«: «brav-Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen- Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Soun- und Festtag« früh '/,d Uhr. V«t dm Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stunde früh». Anreise» find stet» an di« Grpetztti«» zu richten. Druck »ud Verlag von <k. Pol» in Leipzig ^sW. Dienstag den 2. April 1895. 8S. Jahrgang Politische Tagesschau. * Leipzig, 2. April. Der 1. April ist vorüber, aber von der Verlegenbeit, in der nach der Vorhersage klerikaler und anderer Partei organe sich an diesem Tage die „ Bis marcksch wärmer" befinden würden, ist nirgends etwas zu bemerken gewesen, ab gesehen von dem Platzmangel in den zu Feierlichkeiten bestimmten Räumen. Die Feststimmung und ihre Bekundung waren allgemein und überwältigend; selbst in Berlin verriethen reichster Flaggenschmuck und eine glänzende Beleuchtung sehr wenig von der Existenz einer kräh- winkeligen Stadtverordnetenmehrheit, wie im ganzen Reiche etwas von dem Geiste der 163 Regensburger zu ver spüren war. Das Interesse an der Auffahrt vor dem Schlosse, wo der Kaiser zu Ehren des Fürsten Bismarck ein feier liches Mahl gab, hat nicht einmal durch den Umstand ge litten, daß der zweite Vice Präsident des Reichstages nicht zu sehen war. Die Einladung an ihn unk seine zwei College« hatte des Lustigen genug geboten, so daß die Schau lust sich bescheiden konnte. Das wohlwollende Berlin fand sogar eine ausreichende Erklärung für das Nichterscheinen des Herrn Schmidt. Dieser ist ihm aus einer älteren, damals auch zutreffenden Schilderung der „Nationalzeitung" als Ebenbild des guten Güldenstern im „Hamlet" wohl be kannt. Man begreift es, daß er dre Gelegenheit er- riff, jene für einen Politiker nicht durchweg schmeichel aste Charakteristik Lügen zu strafen. Die Gelegen- heit war gut gewählt: ein Güldenstern geht stets zu Hofe, wenn er gerufen wird. Wer künftighin Herrn Schmidt-Bingen nicht unvergleichlich findet, wird nach Römer- dramen greifen müssen. Nach den vorliegenden Berichten hatten übrigens die Volks parteilichen Führer ihre Nicht- theilnahme an der Feier nur im engsten Kreise zu begeben Gelegenheit, und das Gleiche gilt von den Klerikalen. Hat doch Trier, die Stadt des heiligen RockeS, Bismarck, welchem die Katholiken nach der Centrumsauffassung nicht zum 80. Geburtstag gratuliren dürfen, zum Ehrenbürger ernannt. Die Erklärungen vom 23. März sind von der nationalen Begeisterung hinweggefegt, möchten die Autoren bald Nachfolgen! Der Erklärung des englischen UnterstaatSs ecretairs für das Auswärtige, SirE.G rey, in der Unterhaussitzung vom 28. v. M., daß das Cabinet das gesammte Nilgebiet als zur englisch-egyptischen Interessensphäre gehörig betrachte und vaß es den etwaigen Versuch Frankreichs, am oberen Lauf des Nils für sich Erwerbungen zu machen, als „einen Act besonderer Unfreundlichkeit" betrachten würde, eine Auffassung, von der man in Paris genau unterrichtet sei, wird allseitig eine sehr ernste Bedeutung beigelegt. Sie hat, wie Labouchöre im Laufe der Debatte betonte, zwar nicht als Drohung für Frankreich, aber als eindringliche Warnung zu gelten. Auch die englischen Blätter äußern sich in gleichem Sinne und betonen, es gäbe Grenzen für Zugeständnisse und Höflichkeit und Frankreich riskire die ewige Schmach, zuerst die Brand fackel in daS Pulvermagazin Europas zu schleudern. Mit der Erklärung Gretxs hat die englische Regierung in ihrer afrikanisch-egyptischen Politik offenbar einen gewaltigen Schritt vorwärts gelhan: sie tritt dadurch Frankreich mit Ansprüchen entgegen, die bisher nur für einen Wunsch galten. In Paris aber wird man, und zwar mit vollem Recht, den Spieß umdrehen und England der „Unfreundlichkeit" be schuldigen. Der Rechtsstandpunct, den die Engländer für sick- geltend machen wollen, ist ja auch durchaus unhaltbar. Zu Beginn des laufenden Jahrzehnts hat England mit Deutsch land und Italien ein Abkommen getroffen, worin diese beiden Mächte den egyptischen Sudan als im britischen Interessengebiet liegend anerkannten. Das besagt doch nicht mehr, als daß Deutschland und Italien für sich keinen Anspruch auf den Sudan erhoben, und konnte in so lange für Frankreich nicht bindend sein, als dieses dem Ueberein- komnien nicht zustimmte. Diese Zustimmung einzuholen, hat die britische Regierung unterlassen, es ist daher unerfindlich, wie sie jetzt Frankreich abhalten will, sich in dem von den Egyptern tatsächlich ebensowenig wie von den Engländern in Besitz genommenen Quellgebiet des Nils festzusetzen, wofern sie es auf einen Waffengang mit der Republik an kommen lassen will. Wir fürchten nicht, daß eS so leicht zum Aeußersten kommen wird, denn im entscheidenden Moment ist England ja immer muthig zurückgewichen. Während England so im Interessenstreit mit Frankreich auf dem besten Wege ist, den Kürzeren zu ziehen, scheint sich soeben auch die Möglichkeit einer Entfremdung von Rustland aufzuthun, nachdem noch bis vor Kurzem die Londoner Presse in allen Tonarten die englisch-russische „Entente" besungen. Als nämlich die überraschende Nachricht vom ostasiatischen Kriegsschauplatz eintraf, der Mikado habe in einen Waffenstillstand mit China gewilligt, tauchte in englischen Blättern sofort der Verdacht auf, der plötzliche Entschluß des Mikado sei auf geheime, unter der Hand in Petersburg getroffene Abmachungen zwischen Japan und Rußland zurückzuführen. Ein solcher Verdacht findet seine Stütze in der Thatsache, daß die sonst in Europa und speciell auch in England unbekannte hochwichtige Nachricht von der Einwilligung des Mikado in die Waffenruhe zuerst von Petersburg aus verbreitet werden konnte. Die Nachricht ist so wichtig, aber zugleich so überraschend, daß man alle Ursache hätte, sie zu beanstanden, wenn sie nicht auch von einer ganz anderen Seile, von Washington aus, bestätigt worden wäre. So aber läßt sich mit gutem Grunde annehmen, daß die Hauptschwierigkeiten für den Abschluß des Friedens zwischen Japan und China überwunden sind. Denn mit der Bewilligung deS Waffenstillstandes giebt der Mikado einen zu großen Trumps aus der Hand, als daß er sich dazu verstanden hätte,- wenn er sich nicht entweder vollständig versichert hielte, daS zu erreichen, was er zu erlangen wünscht, oder wenn er es nicht für angezeigt hielte, einem von Rußland und Amerika ans ihn geübten Druck nach zugeben. Daß die Wendung, er habe aus Entrüstung über den Mordanfall auf Li-Hung-Tschang die provisorische Ein stellung der Feindseligkeiten zugestanven, nur eine t'a^on ckv parier ist, liegt auf der Hand. Das Hauptinteresse aber wird sich jetzt darauf richten, zu erfahren, was sich Rußland und die Union für ihre Friedensvermittelung ausbedungen haben und ob England — leer auögeht. Deutsches Reich. * Berlin, l. April. Die freisinnige Volkspartei hielt gestern hier ihren Parteitag für die Provinz Branden burg, die Altmarck und Mecklenburg - Strelitz ab. Herr Eugen Richter verbreitete sich bei dieser Gelegenheit über die politischen Tagesfragen und bemerkte u. A., daß die Partei mit dem bisherigen Verlauf der ReichSlagSsession leidlich zufried-n sein könne. Die Bismarckwoche, die so glänzend begonnen, habe kläglich geendet, indem die Verhand lungen über den Antrag Kanitz den tiefen Gegensatz zwischen den „nationalen" Parteien und zwischen der Regierung und den Conservativen enthüllten Das Centrum stehe offenbar vor einem Wendepnnct in seiner Entwickelung. Als Vorkämpferin für die Toleranz (!) und heftigste Gegnerin jeder Unterdrückung des Glaubens und deS Zwanges der Ge wissen sei die Partei groß geworden und habe auch Mit glieder an ihre Fahnen gefesselt, deren KatholicismuS oenig ausgeprägt war. Jetzt schlage sie direct entgegengesetzte Bahnen ein. Mit der Annahme der Umsturzvorlage und den Anträgen, welche die Partei dazu gestellt und mit Hilfe der Conservativen, mit denen sie eben erst aus Anlaß >er Bismarckehrung zusammengerathen, durchgesetzt, habe sie Ich zur schlimmsten Intoleranz bekannt. Es sei die Gefahr vorhanden, daß die Umsturzvorlage Gesetz werde, wenn auch zur Zeit Niemand sagen könne, welche Constellation ich im Plenum ergeben werde. Jedenfalls ständen nach Ostern harte und schwere Kämpfe bevor. Auf die BiS- marckehrung eingehend, erklärt der Redner, das bekannte Telegramm des Kaisers habe nach allen Berichten die Position der Partei in dieser Frage nicht verschlechtert, sondern verbessert. Der Redner lheitte weiter mit, daß, nachdem die Einladung an das Präsidium, an dem Prunkmabl im kaiserlichen Schlosse theilzunehmen, ergangen, die Fract ion zusammengetreten sei und einstimmig beschlossen habe, daß der Abgeordnete und erste Vicepräsident Schmidt der Einladung Folge nicht zu leisten habe. Herr Schmidt hat darauf dem Hvfmarschallamt mitgetbeilt, er bedauere, verhindert zu sein, der Einladung zu folgen, selbstver ständlich ohne Angabe von Gründen. Daß Herr Schmidt Urlaub zu dem Zwecke genommen, um der Ent scheidung auszuweichen, wie berichtet worden war, sei blanke Erfindung. Zum Schluffe nahm der Parteitag ein stimmig ohne Discusnon eine Resolution gegen die Umsturz vorlage, eine Resolution gegen die Tabakfabrikat steuer und eine Resolution an, in welcher der Fraktion Anerkennung dafür gezollt wird, daß sie in der Frage der Bismarckehrnng den Anschauungen der Partei treffenden und würdigen Ausdruck gegeben. Bei dem folgenden Festmahl wurde ein Telegramm an den Abgeord neten Schmidt-Elberfeld abgesandt, das seine mannhafte Haltung anerkennt. — Bei der Festtafel, die beute im Weißen Saale des königl. Schlosses zu Ehren des Fürsten Bismarck stattfand, saßen der Kaiser und die Kaiserin nebeneinander, den Mittel platz gegenüber hatte der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe inne. Zn beiden Seiten folgten die in Berlin und Potsdam zur Zeit weilenden Prinzen und Prinzessinnen, sowie die übrigen Geladenen. Soweit man beobachten konnte, richtete der Kaiser an Herrn v. Buol einige Worte. In Abgeordnetenkreisen cursirl das Gerücht, der Kaiser habe den Herren v. Buol und Spahn gegenüber sein Bedauern ausgedrückl, daß sie „aus so trüber Veranlassung den Reichstag bei diesem Feste verträten". Unter den Geladenen befand sich auch Herr v. Levetzow — nach der Zusammensetzung der eingrladenen Gesellschaft offen bar lediglich auf Grund seiner Eigenschaft als früherer Prä sident des Reichstages. Der Gewährsmann der „Nat.-Ztg." will beobachtet haben, daß Herr v. Buol und Herr Spahn kräftig in daS Hurrah einstimmten und ihr Glas bis auf den Grund leerten. — Dem Reichskanzler Fürsten Hohenlohe, den daS Kaiserpaar bekanntlich gestern zu seinem Geburtstage per sönlich beglückwünschte, überreichte die Kaiserin ein prachtvolles Rosenbouquei, der Kaiser ein goldenes Cigarren-Etui mit der kaiserlichen Chiffre in Diamanten Beide Majestäten ver weilten gegen eine Stunde im Palais deS Reichskanzlers. — Zu der Meldung über das Ausscheiden der Leiter des Preßbureaus und des Statistischen Bureaus ans ihren Stellungen beim Bunde der Landwirthe wird frei sinnigen Blättern noch mitgetheilt, daß in diesen Tagen auch der dem ersten Vorsitzenden v. Plötz besonders zugetheilte höhere VerwaltuugSbeamte und einer der bekanntesten Wander redner des Bundes ihre Beziehungen zum Bunde gelöst haben. Uebrigens sind die Finanzen des Bundes der Landwirthe nicht die besten; im letzten Jahre haben die Ausgaben die Einnahmen um 40 000 überschritten. Wenn in dem in der Feenpalast-Versammlung abgegebenen Rechenschaftsbericht der Etat gleichwohl mir einem beträchtlichen Ueberschuß an gesetzt worden ist, so rührt das daher, daß der aus den Extra beiträgen herrührende Reservefonds aus die lausenden Ein nahmen übernommen worden war. — Wie die „Nat.-Ztg." erfährt, ist der Polizeipräsident Thon in Stettin zum Oberpräsidialrath in Posen an Stelle des Herrn v. Iagow ernannt. Sein Nachfolger in Stettin wird der im Ministerium des Innern beschäftigte Landrath v. Wind he im. An Stelle des Letzteren ist der Landrath v. Hollen ff er, Mitglied der äußersten Rechten des Reichs tags, als Hilfsarbeiter in das Ministerium des Innern einberufen. Auch dies läßt wieder die Richtung erkennen, in welcher Herr von Köller die Verwaltung, insbesondere die Ernennungen innerhalb derselben, zu handhaben gedenkt; die Vorkämpfer des Antrags Kanitz unter den politischen Beamten werden abermals die beruhigende Gewißheit empfinden, daß ie nichts zu besorgen haben. — Der von dem Regierungs-Assessor v. Lindequist, als Vertreter der Kaiser!. Landeshauptmannschaft für das süd westafrikanische Schutzgebiet, mit dem Capitain der Zwartbooi- Hottentolten David Zwartbooi abgeschlossene Schutz vertrag vom 19. Januar 1895 hat die Genehmigung des Kaisers erhalten. — Auf der sächsischen Gesandtschaft fand am Sonnabend der zweite und letzte große Empfang statt - Unter den zahlreichen Gästen sah man den Prinzen und die Prinzessin Friedrich von Hohenzollcrn, die Frau Prinzessin Heinrich IXX. Reust, den Herzog von Ratibor, die Fürstin Lichnowskq mit Tochter, die Erbprinzessin von Hohenlohe-Schillingsfürst und Prinzessin Elisabeth, den Staats- secretair des Auswärtigen Amtes und Freifrau von Marschall, den Minister des Innern v. Köller mit Gemahlin, den Kricgsminister und Frau Bronsart v. Schellendorss, die Freifrau v. Hammcrstci» mit Töchtern, die Botschafter von Oesterreich, Spanien, Amerika und der Türkei, den Baron mid die Baronin v. Jlajuba, den Frei herrn und die Freifrau v. Barnbüler, den niederländischen Gesandten Tets van Goudriaan, den zur Zeit hierher commandirten Chef des königlich sächsischen Generatstabes, General-Major Frhrn. v. Hausen, eine Anzahl sächsischer Officiere, den Prinzen Salm-Horstmar uud viele andere. — Der commandirende Admiral Freiherr v. d. Goltz ist von seiner schweren Erkrankung so weit genesen, daß er am Freitag seinen ersten Ausgang ins Freie hat unternehmen können, der ihm gut bekommen ist. Der beabsichtigte Aufenthalt im Süden ist aus- gegeben. — Für die neu errichtete Stelle eines Unterstaatssecretairs im Reichs-Postamt ist der Director der Abtheilung I daselbst, Wirk!. Geh. Rath vr. Fischer, in Aussicht genommen; seine Ernennung zum Unterstaatsjccretair steht unmittelbar bevor, vr. Fischer in -eit einigen Jahren stellvertretender Bevollmächtigter Preußens im Bundesrath. * Posen, 1. April. Die Strafkammer deS hiesigen Land gerichts verurtheilte heute den Redacteur des polnischen Blattes „Goniec wieikopolski", Stefan Szyperski, wegen Beleidigung und Bedrobung der Begründer des „Vereins zur Förderung des DeutschthumS in den Ostmarken", der Herren Kennemann, von Hansemann und von Tiedemann, zu drei Monaten Gesänzniß. Es handelte sich um das vom Minister von Köller in der Sitzung des Abgeordnetenhauses am lö. Februar erwähnte Gedicht, daS die Huldigungsfahrtcn um Fürsten Biömarck, sowie die Gründung des Vereins be- pricht und in dem es am Schluffe heißt, die Herren sollten sich büten, daß sie in ihren eigenen Häusern nicht gehängt würden. FeuNleton. Die Französin. 21 Roman von Arthur Zapp. II. Nachdruck verboten. Zwanzig Jahre sind vergangen. Die Wunden, welche der rausame, schonungslose Krieg auf beiden Seiten geschlagen, ind in der langen Friedenszeit fast vollständig vernarbt, wenn auch hier und da plötzliche, spontane Kundgebungen beweisen, daß die Erinnerungen an die blutigen Tage noch nicht ganz geschwunden sind. Auch in Gerhard von Marenburg lebt noch manchmal, besonders in nächtlichen Träumen, das Ge- dächtniß an die furchtbaren Tage von Metz auf und dem phantasirenden Geist malt sich daS Bild des auf sein Com- mandowort erschossenen Spions, und der gräßliche, schrille, unvergeßliche Schrei tönt in das Ohr des Träumenden: „Fluch meinen Mördern! ES lebe Frankreich!" Zwanzig lange Jahre waren vergangen und hatten ibm manche Auszeichnung, manche Freude gebracht. Ein glück liches Familienleben verschönte ihm seine dienstfreien Stunden. In seinem Berufe hatte er eine ganze Anzahl seiner Kameraden überflügelt; seit geraumer Zeit in den Generalstab versetzt, war er in verhältnismäßig kurzer Zeit zum Oberst und Chef des Generalstabes eines Armeecorps vorgerückt. Seine Brust schmückte eine ganze Reihe höherer Orden. Dennoch nagte wie ein Wurm ein stiller Schmerz an seinem Herzen. Es war ihm nicht gelungen, mit seiner un glücklichen Schwester eine Aussöhnung herbeizuführen, die er nach dem traurigen Geschick, daS sic betroffen, innig gewünscht hatte. Als die Capitulation von Metz den Siegern den Zutritt zu der feindlichen Stadt eröffnet, hatte ihn die un erbittliche, strenge Pflicht deS Dienstes abgehalten, sich per sönlich seines Auftrags an die Wittwe des Erschossenen zu entledigen. Noch an demselben Tage, als die Festung sich ergeben, hatte sein Regiment den Befehl erhalten, in Eil märschen auf Paris zu marschieren. So hatte er sich be anügen müssen, seine Schwester brieflich von dem, was ge schehen, in Kenntniß zu setzen. Erst zwei Monate später waren ihm ein paar förmliche Zeilen von Helenes Hand zu- Akgangen, durch welche die eben von schwerer Krankheit Ge- uesrode ihm kurz deu Empfang seine- Schreiben- bestätigte Der Schlußsatz ihres Briefes batte ihm bewiesen, daß sie in der Aufregung des frischen, heißen Schmerzes ihm einen persönlichen Antheil an dem gewaltsamen Tode ihre- Galten zumaß und seiner mit Groll und Bitterkeit gedachte. „In dem Blute meines armen Roger hast Du Dein Rachegelüst gekühlt und Dir die ersehnte Genugtbuuvg ver schafft. Die Ehre der Freiherrn von Marenburg ist glänzend wieder hergestellt. Zwischen mir und Euch aber ist jetzt mehr wie je das verbindende Band zerrissen. Roger's letzter Wille, den ich als ein beiliges Vermächtniß betrachte, bannt mich an das unglückliche Land, dem ick als Wittwe des für sein Vaterland Gestorbenen und als Mutter eines auf fran zösischem Boden geborenen Kindes nicht nur äußerlich, sondern auch mit dem Herzen fortan angehöre." Kurz nach dem Friedensschluß war es ihm gelungen, einen längeren Urlaub zu erhalten. Er war nach Metz geeilt, um seine Schwester aufzusuchen. Aber weder in der Rue de Paris, noch sonst in der Stadt irgendwelche Spur von ihr. Alles was er über sie in Erfahrung brachte, war, daß sie daS annectirte Gebiet verlassen und sich nach Frank reich gewandt hatte. Niemand wußte wohin. Und so war er all die Zeit über völlig im Ungewissen über ihr Geschick, ja, er wußte nicht, ob sie überhaupt noch lebte. . . . ES war im Jahre 1890. Die Famlie deS Obersten saß am Frühstückstisck. Obenan der Oberst, eine hohe, breit schulterige, noch elastische Gestalt. In dem gebräunten, von einem kurz und spitz gehaltenen Vollbart umrahmten Gesicht blickten ein Paar blaue freundliche Augen. Seine Gattin, die etwa fünf Jahre jünger sein mochte, mußte ehemals eine auffallende Schönheit gewesen sein. Noch jetzt fiel da- ein wenig blasse Gesicht durch die Reinheit der Linien auf. Ihre Bewegungen waren würdevoll und gemessen, der Blick, mit dem sie eine eben begangene Ungeschicklichkeit deS Dieners strafte, war ein strenger. Zwischen dem Ehepaar saß die Tochter-de- Hauses, eine ' ährige Blondine, die von ihrem Vater die freund lichen Züge geerbt hatte, während der einzige Sohn, der fünfundzwanzrgjährige Assessor Herbert, in den feingeschnittenen Zügen seines Gesichts mehr Ähnlichkeit mit der Mutter aufwies. „Was giebt'S Neues in der Politik, Papa?" fragte Herbert, während der Oberst nach einem flüchtigen Durch licken die Morgenzeitung au» der Hand legte. Ein Schatte» flog über da» Gesicht de» Officier». „Man rasselt wieder einmal mit dem Säbel", ant wortete er. „So?" rief der junge Assessor und seine Augen leuchteten. „Das interessirt mich. Du erlaubst, Papa?" Er griff nach dem Zeitungsblatt und überlaS rasch die ihm von seinem Vater mit dem Finger bezeichnete Stelle. „Es giebt leider auch unter den Politikern Leute", sagte der Oberst, „die sich der Tragweite ihrer Handlungen nicht recht bewußt zu sein scheinen." „Weißt Du, Papa", nahm Herbert wieder das Wort, die Zeitung sinken lassend — „ich glaube, über kurz oder lang kommt es doch wieder rum blutigen Krach. Eher geben die da drüben doch keine Rübe." Der Oberst sah mit einem sarkastischen Blick zu seinem Sohn hinüber und sagte: „Ich glaube, es giebt auch unter uns junge Heißsporne, denen eine Wiederholung von 1870 gar nicht unlieb wäre." Herbert erröthete leicht und erwiderte dann lächelnd: „Das kannst Dn einem doch nickt verdenken, Papa! Wozu ist man denn Reserveosficier? Ihr zu Eurer Zeit battet es gut: vierundsechzia, sechSundsechzig, siebzig! Solch ein frischer, fröhlicher Krieg wäre doch einmal eine ganz an genehme Abwechslung." „Solch ein frischer, fröhlicher Krieg!" wiederholte der alte Officier und herber Tadel mischte sich in den Klang seiner Stimme. „So sprechen alle Die, welche wie Du, den Krieg nur auS den Schilderungen begeisterter Geschichts schreiber kennen, die selbst nie den Krieg gesehen haben." „Wie? Du — Du bist gegen den Krieg, Papa, Du, ein alter Feldsoldat?" „Eben weil ick ein alter Feldsoldat bin", gab der Oberst zur Antwort, während ein tiefer Ernst sich in seinen Zügen malte — „weil ich den Krieg aus eigener Anschauung kenne in seiner ganzen Wildheit, mit seinen Scenen voll Blut und Greuel, mit seinem Gefolge von Elend, Trauer und Thräuen, eben deshalb kann ich ihn nicht herbeiwünschen und deshalb erscheint er mir als da- größte von allen Uebeln. Ich will mir gern an dem Ruhm genügen lasten, daß wir, die Armee, ein Bollwerk des Feinde- sind, eine Schutzwehr gegen den Krieg, den gräßlichen, furchtbaren, grauenvollen." Der Sprechende schüttelte sich unwillkürlich. Seine Stirn furchte sich. Mne Augen blickten über den Kopf de- Sobne» hinweg träumerisch in» Leere mit einem AuSdrucke von Schmerz und Grauen, al« tauchte vor ibm wieder jene SchreckcnSscene auf, die seine nächtlichen Träum« so ost mit Schauder und Entsetzen erfüllte. Aber nur eine kurze Minute, dann strich er sich mit der Hand über das Gesicht und mit einem freundlichen Blick und in einem frischen, heiteren Ton, als seien nun alle bösen Gedanken und Er innerungen gebannt, wandte er sich an seine Tochter: „Nun, Else, wie war's gestern auf dem Ball beim Präsidenten? Ich habe ein paar Mal in den Tanzsaal geblickt, jedes Mal sah ich Dich in voller Tbätigkcit." Er markirte lächelnd mit den Schultern die Bewegung des Tanzens. „Ja, es war reizend, Papa", gestand daS junge Mädchen in ehrlichem Enthusiasmus. „So himmlisch habe ich mich noch nie aus einem Ball amüsirt." „Besonders während des Cotillon, wie?" warf Herbert neckend ein, „den Du mit Lieutenant Kramer tanztest und während des Contre und des Walzers." „Wie, alle drei?" erkundigte sich der Oberst und heftete den Blick halb erstaunt, halb schelmisch auf seine Tochter. „Freilich", neckte Herbert, „alle drei hat sie mit Lieutenant Kramer getanzt." Und mit gekünstelt ernster Miene hob er den Finger gegen die Schwester: „Du!" Das junge Mädchen senkte ihr über und über erglühendes Gefickt über ihren Teller. Der Vater kam ihr gutmüthig zu Hilfe. „Nun, nun, waS ist da weiter? Lieutenant Kramer wird eben einer der besten Tänzer sein, da kann ich's Else gar nicht verdenken, wenn sie sich ihn so oft wie möglich zum Partner gewinnt." Die Frau Oberst aber schien die Sache nicht von der humoristischen Seite anzusehen, denn ihr Gesicht legte sich in strenge Falten und tadelnd sagte sie: „Ich bade eS auch schon mit Mißfallen bemerkt, daß Ibr Euch auffallend an einander attachirt. Ich erwarte, daß Du Dir künftig dem Lieutenant gegenüber mehr Zurückhaltung auferlegst, hörst Du! Drei Tänze an einem Abend, noch dazu den Cotillon und den Contre, daS streift hart an die Grenze des Schicklichen". In den Mienen deS jungen Mädchens arbeitete e» heftig; ihre Brust hob und senkte sich in kurzen Zwischenräumen. Man sab, daß die Worte der Mutter eine ungestüme Er regung in ihr bervorriefen. Plötzlich hob sie ivr hübsches, noch immer dunkelrotbeS Gesicht, mit der lebhaft hervor- gesprudelten Frage: „Hast Du denn in Deiner Mädchenzeit mit Pava nie mehr als zwei Tänze auf einem Ball getanzt, Mama/" (Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite