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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.04.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-04-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950404024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895040402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895040402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-04
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Tabellarischer und MernsaG »ach höhere« Taris. Extra-Verlagen (gesalzt), u»r mit d«. Morgen-AnSaade. ohne Postdesörderuu, «0 —, mit Postdesörderung 7V.—. Ainwlsmrschlub für ^ryrigr»: Abend-Ausgabe: Bormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- «Uhr. Sonn- und Festtag» srüh Uhr. vei den Filialen und Annahmestellen je ein» balde Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Uxpedittaa zu richte». Lrnck und Verlag von E. Bol» in Leipzig 8S. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 4. April. Die freisinnige Volkspartei bat eS bekanntlich für an gemessen gehalten, am Sonntag, gleichsam zur Porseier des 8V. Geburtstags des Fürsten Bismarck, in Berlin einen Provinzialparteitag abzuhalten und sich von ibm zu der am 23. März im Reichstage beobachteten Haltung beglückwünschen zu lassen. Herr Eugen Richter bat bei dieser Gelegenbeit nach einem unwidersprochen gebliebenen Berichte, den wir in unserem Abendblatte vom Dienstag mitgetheilt haben, den folgenden historisch-politischen Gedanken entwickelt: „Das Zentrum sei als Borkämpferin für die Toleranz und heftigste Gegnerin jeder Unterdrückung dcS Glaubens und des Zwanges der Gewissen groß geworden und habe auch Mit glieder an seine Fahnen gefesselt, deren Katholicismus wenig ausgeprägt war. Jetzt schlage die Partei direct entgegen gesetzte Bahnen ein. Mit der Annahme der Umsturz vorlage und den Anträgen, welche das Eentrum dazu gestellt und mit Hilfe der Eonservativen, mit denen eS eben erst aus Anlaß der Bismarck-Ehrung zusammengerathen, durchgesetzt, habe es sich zur schlimmsten Intoleranz bekannt." Der Führer des Fortschritts, des Freisinns und der Bolkspartei hat die Welt daran gewöhnt, einen hohe» Grad politischer Kurzsichtigkeit an ihn» zu beobachten, aber cs muß doch überraschen, daß er die feierliche Gelegenheit eines Parteitages benutzt hat, um der Welt zu verkünden, daß er sich mit seiner Gefolgschaft fünf undzwanzig Jahre hindurch über daS Wese» der stärksten und seit Langem im deutschen Reichstage ausschlaggebenden Partei in einem fundamentalen Irrthum befunden bat. Oder wird der Irrthum vorgeschützt, um die vierjährige, den Liberalis mus so schwer schädigenbeBundeSgcnossenschaft des Freisinns mit dem Ultramontanismus nachträglich zu entschuldigen ? Gleichviel, wer, ohne selbst klerikal zu fein, „vor Mehreren" zu sagen wagt, die Centrumspartei sei eine Vorkämpferin der politischen Freiheft gewesen, der stellt sich unter die Erscheinungen des öffentlichen Lebens als eine beachtenswerthe Curiosilat. Das Centrum war, was es ist, von Anbeginn, und wo eS sich für liberale Einrichtungen entschied, handelte es gemäß der von dem französischen Klerikalen Veuillot in der Zeit Napoleon s III. ausgeplauderten, für den Ultramontanismus in allen Vcrfassungsstaaten maßgebenden Regel: „Wir helfen den Liberalen die Freiheit erkämpfen, um die errungene zur Ausrottung des Liberalismus zu gebrauchen." Diese Nicht schnür war in dem bisherigen Verhalten des CentrumS zur Umsturzvorlage so deutlich erkennbar, daß selbst Herr Richter sie hatte bemerken können: neben den auf Erstickung jeder geistigen Lebensregung berechneten Anträgen Rintelen die Erweiterung der „Freiheit" — der geistlichen Agitation durch die Beseitigung des Kanzelparagraphen und ihr Schutz durch Festhalten an dem Rechte, geistlichen Ungehorsam gegen die Staatsgesetze zu glorificiren. Auch in der Beschränkung auf die religiöse Toleranz wäre die Beurtheilung der Vergangenheit deS Centrums, die ihr seitens deS Herrn Richter zu Theil geworden ist, eine völlig ungerechtfertigte Diese „heftigste Gegnerin jeder Unterdrückung des Glaubens und des Zwanges der Gewissen" hat in Bayern nicht geruht, bis die Ältkatholiken ihrer Rechte verlustig gingen, und sucht in Preußen, wie alljährlich die CultuSetatSdebatten im Abgeordnetrnhanse zeigen, dasselbe vurchzusetzen. Auch daS Spüren nach dem Bekenntniß der Staatsbeamten und die Anfeindung der nichtklerikalen Katholiken unter ihnen ver riethen von jeher daS Gegentheil von dem, was Herr Richter am Centrum bewundern zu dürfen glaubt. Die römische Kirche versteht es allerdings trotz des Unsehlbarkeitsdogmas, durch Milde gegen nicht ganz strenggläubige Glieder den Abfall derselben zu verhüten; aber daS Ce nt rum, das sich gar häufig päpstlicher als der Papst erweist, hat von solcher Milde noch nichts gezeigt. Daß für Politiker „mit wenig ausgeprägtem KatholieiSmuS" die Anziehungskraft des Cen trumS in dessen Duldsamkeit gelegen habe, ist eine neue, noch nicht einmal von dieser Partei vorgetragene Auffassung. Bisher glaubte man, der Haß gegen die deutsche Entwickelung seit 1866, zu deren Hemmung und Rückbildung das Eentrum gegründet worden ist, habe ihm religiös indifferente particu- laristiscbe Katholiken sowie Protestanten zugeführt, und die Fortschrittspartei der siebziger Jahre hat diesen Glauben ge lbeilt. Das Centrum gefiel eben Welfen und Anderen als Partei auö denselben Gründen, der eS dem späteren, unter die jetzige Führung geratbenen Fortschritt als Bundesgenossen Werth machte. An die Zerreißung dieses Bündnisse- glauben wirdaher trotz des plötzlichen peinlichen Erstaunens deS Herrn Richter nicht. Als er sich mit dem Centrum zu dem als groß und die politische Constellation der nächsten Zukunft bestimmend gedachten Acte der Verweigerung der Ehrung BiSmarck's ver band, batte sich dieses schon längst durch seine Anträge ;ur Umsturzvorlage „zur schlimmsten Intoleranz" bekannt. Und wenn nun Herr Richter mit den Seinigen gegen die vom Eentrum verböserte Umsturzvorlage Sturm läuft, so wird er doch aus alter Liebe zu vr. Lieber und den Seinigen, aus gemeinsamem Haß gegen Bismarck und sein Werk, wie auS HilsSbedürstigkeit diesen Sturmlauf abbüßen durck) um so größere Unterwürfigkeit unter das Commando des CentrumS, so oft dieses sein „freiheitliches" Bestreben durch Fesselung der deutschen Kraft und Hemmung des wirklichen Fortschrittes bekundet. Daß die verbündeten Regierungen, wenn sie den unheilvollen Einfluß des Centrums auf die Reichspolitik brechen ober wenigstens vermindern wollen, den Conserva- Itven ziemlich weit entgegenkommen müssen, ist selbstverständ lieh. Aber unverständlich wäre eS, wenn dieses Entgegen kommen so weit ginge, daß cs nicht nur die mittelparteilichen Elemente zurückstieße, sondern auch die Regierungsautorität in Gefahr brächte. Seltsam muß daher die heute von der „Kreuzztg." bestätigte Nachricht berühren, daß der preußische Landrath und eonservative Abgeordnete von Holleusser, einer der eifrigsten Vertheidiger des Antrags Rani«, in das Ministerium des Innern berufen worden ist. Herr v. Hol leuffer ist gewiß nicht dazu auSersehen, unter den Augen des Herrn v. Koller eine Tbätigkeit zu entfalten, die ihn in einen GewissenSconslict mit seinen agrarischen Ueberzeugungea bringen müßte. Und trotz seines entschiedenen Eintretens für den Antrag Kanitz, den der Kaiser und seine Minister für un durchführbar und schädlich bezeichnet baden, wird dieser Herr befördert. Das muß förmlich wie eine Prämie auf die Be kundung noch größeren Eigensinnes in der Verfolgung der unmöglichen agrarischen Ziele wirken und das Vertrauen auf daS Zielbewußtsein der preußischen Regierung erschüttern Es wird daher höchste Zeit, daß das preußische Ministerium in seiner Gesammtheit energische Stellung gegen die Agitation für den Antrag Kanitz nimmt. Nach der Erklärung des Reichskanzlers ,m Reichstage richtet sich die Agitation deS Bundes der Landwirthe gegen die Regierung selbst, es wäre daher unerhört, wenn der preußische Minister des Innern den von ihm abhängigen Beamten gestattete, sich auch fernerhin an dieser Agitation zu betheiligen. DieRegierungwürde anderen falls ihre eigeneStellung untergraben; denn welche Bedeutungsol man der Ablehnung des Antrages Kanitz beimessen, wenn die Landräthe und ReaierungSräthe in der Provinz kein Bedenken tragen, für die Hebung der Getreidepreise durch Verstaat lichung der Getreideeinfuhr zu agitiren? Die ländliche Be völkerung würde darin den Beweis sehen, daß es der Regie Frage braucht ja nicht vo damit warten können, werden; aber lange wird man n cht am ^ durch ohne die Regierung dem Vorwurf a ^l^indruck der Er-, ihr Verhalten dazu beigetragen da , Gegen klärungen im Parlament abzujch '^m Grafen Eulen- atz zwischen dem ^ der ReichSregierung auf ,urg früher eine e.nhe.t ick Haftung d . ^ren . ist l Regierung führt nur thatsächlich die Geschäfte fort. Unter , Ableknuna deS Antrages Kanitz nicht ern, l ^ ^ März ist König Oskar II. aus Stockholm nach rung Innt ,d.r ^ ^ ^ kann, waS sie will. ^ j ^Waiim zurückgefthrt und zum großen Kummer der demo kratischen Presse von der Bevölkerung jubelnd empfangen worden. Er richtete dann an das Ministerium Stang die Aufforderung zur Zurücknahme des Entlafsungsgesuches. aber in einer am 3l. März abgehaltenen StaatSratdssitzung wollte daS eonservative Cabinet nach dem Wahlausfall auf seinem Rücktritt besteben. Danebenber gingen wiederholte Versuche des Königs, die norwegische Linke für einen Ausgleich ^einen"uiHr"preußischen Legierung aus °er I gewinnen und auch die eigens berufene schwedische ReichS- fte unmöglich machte, war erklärlich Nach d-r^'.^ vermochte d.e radwaftn Forderungen der bes Reichskanzler^,tS und d*« nicht zu befriedige». Wie we,t dieselben gehen, davon MinisterpraiidcntenamtS in der Person des ftur,ten O y w gab, wie gemeldet wurde, der rad.eale Großthmadeputirte mub man -in. Wiederholung d,e,.r " um^o ^ ^griff durch d.e Äeußerung des Bedauerns mehr für ausgeschlossen halten, als die E" scheid darüber, daß „cm fremder Mann in einem fremden Lande mehr für ausgeschlossen ya.ien. u.- -- preußischen LLL' >md'LL"L p--«-" getroffen worden ist. Meinung ln ^an^'-ich^W d gung und Spionage d,e von.den durch planmäßiges Hetzen bervorgerufen tollsten Räubergeschichten immer wieder - wird, läßt sich das „Journal des Dsbatö folgen ^Bon"deu nemsttn Geschichten spricht man ohne Zweifel gegen- wär'.^ bereits nicht mehr und schänttsich zeuge» Sll7'biNch°n^ stände dau-rnder Ueberspannung^ mildem ^man ^ ^ ihrer traurigen eines Ttieiles Radaupatrioten und durch die neu aufgestachelt! mit besser ernstlich beschäftigen sollte. .Die standes liegt darin, daß die Neuigkeitsiager in Beschäftigung durch die krankhafte Neugierde der Bevölkerung angeregt und rrmuthigt werden. Dieser TY der Bevölkerung verlangt nämlich so gierig und ungesunden Gemütsbewegungen, da« ^ unerläßlich w rd> ihm jeden Morgen die Nerven ein wenig zu peltfcheii. ndem man it>m das Vaterland in Gefahr erscheinen loht. Es gab eine Zeit, wo die allgemeine Verachtung und ihre furchtbarste Folge, der Verlust massenhafter Abonnenten, mit diesen drehten Bersucken itets und trotz alledem (guaml mSme - das Lieblingswort der Hetz. Patrioten) die öffentliche Aufmerksamkeit zu galvanistren, kurzen Proeeß gemacht hätte. Allein heute ist das Aller anders geworden cze mehr falsche beunruhigende Nachrichten em Blatt in Umlau setzt, desto mehr Käufer reißen sich darum, und desto mehr i>t man noch geneigt, ihm aus seiner „Wachsamkeit" ein Verdien,l zu machen. Das „geistreichste Volk der Welt" verschluckt heute, ohne zu zucken, die verrücktesten Schnurrpfeifereien und regt sich über die thörichtsten Räubergeschichten auf. Doch, wie gisagt, eS liegt eine sehr ernste und thatsächliche Gefahr dann, daß sich >m Lande langsam aber stetig eine solche Umwandlung des Geistes vollzieht. Was soll daraus in der Stunde der höchsten Gefahr werden. Tie Geschichte und der gesunde Menschenverstand lehren unS, daß in diesen Stunden der Entscheidung die werthvollsten und wescnt> liebsten Tugenden für eine Nation in ruhiger Sammlung und uu bedingter, unerschütterlicher Kaltblütigkeit, in unverbrüchlichem Ver- trauen auf die eigene Kraft und ihr gutes Recht, auf sich selb,I und auf alle Diejenigen bestehen, denen sie selbst ihr Schicksal an> vertraut hat. Der Erfolg ist nur um diesen Preis zu erlangen, und Diejenigen entrücken uns den Erfolg, die sich bemühen, die Nervo sität des Volkes, den furchtbarsteil von all unsera Feinden, von dem wir uns am notbwendigsten losmachen müßten, zu nähren und über mäßig zu reizen. Leider ist keine Aussicht auf eine beruhigende Wirkung dieser vernünftigen Strafpredigt vorhanden Die norwegische Krise spitzt sich immer mehr zu. Seit dem 27. Februar ist das Land insoweit ohne Regierung, als das eonservative Ministerium Stang seine Entlassung ein gereicht und der König sie principrell genehmigt hat; die der Oberbefehlshaber der nationalen Wehrkraft sei". Auf diese vom Präsidenten bezeichnender Weise nicht gerügte Äeußerung hin hat denn der König jede weitere Verhandlung mit der Linken als völlig aussichtslos abgebrochen und nach dem vergeblichen, weil von der Linken aufs Heftigste be kämpften Versuch, ein Geschäftsministeriilin Michetet zu bilden, ist, wie unS beute berichtet wird, folgendes Schreiben des Königs vor dessen Abreise von Christiania an den Minister präsidenten Stang ergangen: Christiania, 3. April. „Ich habe nach meiner Ankunft in Cbristiania ernstlich die dringenden und wiederholten Vorstellungen meiner norwegischen Minister, ihr Abschiedsgesuch zu bewilligen, in Erwägung gezogen. Allein ich kann den vom Staatsrath vor- geschlagenen Weg erneuter Verhandlung mit der Majorität des Storthings nicht einschlagen. Ich muß bestimmt festhalten, daß die Majorität meine hierfür ausgestellten Bedingungen schon unzwei deutig abgelehnt hat. Auch später ist nichts geschehen, was meine hierauf bezüglichen Ansichten ändern könnte. So lange die Majorität des Storthings ihre gegenwärtige Haltung nicht ändert, verbietet mir meine Stellung als König von Norwegen und König der Union, nochmals mich an diese Majorität zu wenden. Tie Verfassung Norwegens kennt keine Forderung, daß der König ge zwungen ist, als Minister nur Männer zu wählen, welche der Majorität des Storthings angehören oder ihre Parteiansichten theilen. Da ich trotz meiner ehrlichen Bestrebungen keine Möglichkeit er blicke, auf irgend eine andere Weise ein neues Cabinet zu erhalten, kann ich jetzt keine Entscheidung über die Abschiedsgesuche des Ministeriums treffen. Mein warmer Wunsch, die Unionsfragcn ohne Zögern in einer für beide Reiche befriedigenden Weise zu ordnen, hat sich zu meiner großen Besorgniß nicht erfüllen lassen, weil meine norwegischen Rathgeber unter den gegenwärtigen Um ständen eine sachliche Verhandlung mit Schweden für unmöglich halten". Daß auch nach diesem, in jedem Worte correcten, Schreiben des Königs die Lage unhaltbar bleibt, liegt ans der Hand, denn so tauge die jetzige radicale Storthingsmehrbeit nicht be seitigt ist, kann ein conservatives Ministerium sich unmöglich halten und das Land koinmt aus den schwersten Conflicten nicht heraus. In welcher Weise die Krise sich weiter- entwickeln wird, ist unmöglich abzusehen, so viel aber kann mit Befriedigung constatirl werden, daß unter den Wählern der Linken selber die Forderungen um Erzielung eines Aus gleichs sich mebren. So ist immer noch zu hoffen, daß da» Land, wenn es nochmals befragt wird, sich nicht im «inne des radicalen Separatismus eines Rinde auSspricht. FerriHetsir. Die Französin. 4s Roman von Arthur Zapp. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Die Frau Oberst fühlte sich ebenso sehr übrrachscht wie empört. „Schweig!" rief sie heftig — „schweig! Es kommt Dir nicht zu, an diese Dinge zu rühren, die glücklicherweise über- slanden sind. Auch ich will — und dafür solltest Du mir dankbar sein — nicht mehr daran denken. Nur daS Eine laß Dir gesagt sein, daß Du gut thust, Dich in diesem Hause mehr als die Tochter Deiner Mutter zu fühlen, die eine Deutsche, eine geborene Freiin von Marcnburg war, denn als daS Kind Deines Vaters." Die letzte Äeußerung traf die Gescholtene noch weit herber, als eS der frühere Tadel gelban. Madeleine fühlte sich in ihren heiligsten Gefühlen gekränkt. Sie hatte zwar ihren Vater nie gekannt, aber seit früher Kindheit an hatte sie sich gewöhnt, sein Andenken als etwas Heilige- zu bewahren und nun, nun wurde ihr zugemuthet, ihn zu verleugnen!, ja, eS sich vielleicht als Unglück und mehr: als förmliche Schuld anzurechnen, daß sie seine Tochter war. Die Thränen stürzten ihr vor Schmerz und Erbitterung in die Augen, während sie mit zitternder Stimme entgegnete: „Ich weiß nicht, waö Du damit sagen willst, Tante, daß ich mich nicht als die Tochter meines Vaters fühlen soll, aber wenn Du meinst, daß ich Grund hätte, meines Vaters anders als mit Gefühlen der Verehrung und Liebe zu ge denken, so — so verleumdest Du ihn." „Madeleinei" „Ja, so verleumdest Du ihn. Mein Vater war fran zösischer Officier und ist in der Schlacht für sein Vaterland gefallen und deshalb bewundere und verehre ich ihn." Die Frau Oberst lachte schrill auf, aber sie besann sich noch im rechten Moment. Die fromme Legende, daß Roger Roncourt in ehrlichem Kampf als Soldat sein Leben verloren batte, war auch ihrenKindern mitgetheiltworden. Weder Herbert noch Else ahnten, in welcher Beziehung ihr Vater zu Roger Roncourt'« Tode stand. Mit der oft geübten Selbstbeberr- dtr feinen Dame bezwang die Frau Oberst dir sie anwan delnde Versuchung, die Trotzige zu demüthigen und niederzn- schmettern. „Ich habe Dir nicht zugemuthet, sagte sie mit der Miene stolzer Ueberlegenheit", und nicht von Dir verlangt, daß Du Dich Deines verstorbenen Vaters anders als mit kindlichen Gefühlen erinnerst, nur erwarten wir von Dir, daß Du vor uns nicht unnöthiger Weise diesen Erinnerungen Ausdruck giebst. Auch wir sind berechtigt, zu verlangen, daß man unsere Gefühle schont, hörst Du! Was Deine Unart betrifft, deren Du Dich soeben gegen mich schuldig gemacht hast, so werde ich darüber Deinem Onkel berichten. Die Frau Oberst rauschte würdevoll, mit erhobenem Haupte aus dem Zimmer. Madeleinc aber brach auf dem nächsten Stuhl zusammen, schlug ihre Hände vor das zuckende Gesicht und die in ihr stürmenden Empfindungen machten sich in einem heftigen Schluchzen Luft. Else war dem sich im Zeitraum weniger Minuten ab spielenden Vorgänge mit einen« Gemisch von starrem Entsetzen und staunender Bewunderung gefolgt. Wo nur Madeleine den Muth hernahm, ihrer Mama, vor der Alle im Hause einen unbegrenzten Respect hatten, so zu begegnen'? Unent schlossen stand sie nun da und wußte nicht, sollte sie der Mama folgen oder bei Madeleine tröstend Zurückbleiben. Ihr weickieS Herz entschloß sich endlich zu einem Compromiß, und die Weinende liebevoll mit einem Arm umschlingend, plauderte sie tröstend, halb verweisend: „Sei gut, Madeleine, weine nicht! Bedenke doch, wie sehr Du Mama erzürnt hast! Wüßtest Du nur, wie streng sie in solchen Dingen denkt und wie furchtbar peinlich ihr die Erinnerung an — na, an die leidige alte Geschichte ist, die ihr und Papa damals so vielen Kummer und so viele Wider wärtigkeiten bereitet bat. Und Du bist doch die Jüngere und hättest Dich nicht so weit Hinreißen kaffen sollen, Madeleine!" Aber die Wogen der Erregung gingen viel zu hoch in der Brust der Gekränkten, als daß sie ruhigen Erwägungen zu gänglich gewesen. Ungestüm aufspringend, inachte sie sich heftig loS und mit überschäumender, maßloser Leidenschaftlich keit, rief sie: „Geh', laß mich! Ich Haffe Dich, ich hasse Euch Alle! Ihr kalten, stolzen, deutschen Barbaren." Wie erstarrt, völlig wehrlos stand die blonde Esse diesem schrankenlosen, südländischen Ungestüm gegenüber. Madrleinr aber rannte heftig davon und schloß sich ,n ihr Schlafzimmer ein. Hier konnte sie ungestört und rückhaltlos sich der Pflege der ihr thruren Erinnerungen hingeben. Hier bewahrte sie «,»»» L/rOllLsuir»», vir: uuv rin sorgenlosen, heiteren Jugend, da noch warme Mutterliebe umgab, geblieben. lieber ihrem Bette batte sie die Pho< graphien ihrer Eltern angebracht, zur Seite deS Krucifipl daS ihr der Prediger bei ihrer Confirmation geschenkt. In einer Schublade ihrer Commode hob sie die wenig Schmuckgegenstände auf, die sie von ihrer Mutter her best ferner einige Papiere, von denen sie sich nicht hatte trenn mögen: ihre Schulzeugnisse, den ConfirmationSschein und ei Anzahl von Briefen, die alle von derselben Hand herrührt und mit dem stolzen Namen: „Gaston de Saint Sauveu unterzeichnet waren. Auch ein Bild besaß sie von dem Bri schreider, daS denselben in der kleidsamen Uniform der K detten von St. Cyr darstellte. Gaston de St. Sauveur war der um drei oder vier Jak ältere Gespiele ihrer Kindheit. Er war der Sohn eines e! maligen Offiziers und einstigen Regimentskameraden v Madeleines Stiefvater, die Btide, nachdem sie den actir Dienst qnittirt, Anstellung im Civildienst gefunden. Iah lang hatten die Familien ,n Nancy in enger Freundschaft vl Hunden gelebt und Gaston war der tägliche Gespiele Mal leine S gewesen, ihr kindlicher Ritter und Beschützer. Spät als Gaston eine Freistelle in St. Eyr erhalten, sahen sie s nur zweimal im Jahre während der Ferien, aber die schwän, rischen Beziehungen, zu denen sich die Kinderfreundschaft o mählich entwickelt hatte, setzte sich in einem von beiden Sei, mit Eifer gepflegten Briefwechsel fort. Erst als Gastod Vater von Nancy nacb einem entfernteren Departement v setzt worden, schlummerte die lebhafte Correspondcnz allmäh! ein. Einige Jahre vor dem Tode ihrer Mutter batte Ma ft,ne nur noch erfahren, daß Gaston als Lieutenant in Armee eingestellt worden war. <>ru»r.>an» in . Dann trat eine lange Pause in ihren beidrrseitiaen Ziehungen em. d.e nur einmal, als Madeftin.'S Mutwr b.j strömten Worte der Klage und Sehnsucht über ihre zuckenden Lippen. „O Gaston, Gaston, warum hast Du Deine kleine Made leine verlassen'? Komm, o komm und hole mich aus diesem garstigen, unfreundlichen Lande in unsere schone sonnige Heimath zurück!" . . . Gegen Mittag ertönten Männerschritte vor ihrer Thür, Madeleinc hatte gerade noch so viel Zeit, ihre Briefe zusam- menzuraffen und in daS Schubfach ver nahestehenden Com- mode hineinzuwerfen, als Oberst von Marenburg eintrat. Sein Gesicht sah ungewöhnlich ernst aus und ein Ausdruck von Kummer und Betrübniß sprach aus den sonst so freund lich blickenden Augen. „Madeleine", begann der Oberst in einem Tone, der härter klang, als sie eS von ihm gewöhnt war, „Du hast Dir eine Unziemlichkeit gegen Deine Tante zu schulden kommen lassen." Sie stand ausrecht ihm gegenüber, das Gesicht unwillkür lich senkend. Die weiche» Empfindungen, in denen sie noci, eben geschwelgt, wichen flugs einer Aufwallung von Trotz und Bitterkeit. „Die Tante hatte mich gereizt", erwiderte sie kurz, „und mich schwer gekränkt." All der Schmerz und die Empörung, welche sie während des Wortwechsels mit der Tante beherrscht, kam von Neuem über sie und mit leidenschaftlicher Heftigkeit stieß sie heraus: „Ich ertrage eS nicht, daß Ihr mich über die Achsel anseht, weil ^nein Vater ein Franzose war. Ich bin nun einmal eine Französin und werde eS immer bleiben, wenn Ihr mich auch Alle darum haßt." Er sah sie eine Weile schweigend, leise den Kopf bewegend an. Dann entgegnete er und seine Stimme klang diesmal we,ch und mild: „ThörichteS Kind! Niemand denkt daran, Dir aus Deiner Nationalität, die Du Dir ja nicht selbst gegeben hast, einen Vorwurf zu machen. Niemand bei uns überhaupt baßt Jemanden, weil er ein Franzose oder ein Engländer oder sonst von irgend welcher fremden Nation ist. Im Gegentheil —" ein feines Lächeln huschte über sein Gesicht — „hast Tu noch nicht bemerkt, daß Du als Französin für Deine Cousine von viel größerem Interesse bist, als Du eS sonst wärest- Du wirst, je länger Du bei uns weilst, je öfter die Erfahrung machen, daß aus nns Deutsche alles Fremdländische einen eigenen Reiz auSübt . . . Wenn die Tante sich, WaS ich be- daure, zu einigen harten Aeußerungrn Hinreißen ließ, so ge schah e» also nickt au« diesem Grunde, sondern aus eine»
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