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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 06.04.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-04-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950406027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895040602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895040602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-04
- Tag1895-04-06
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Nachr." sagen nämlich: „Wir fürchten, das), wenn die Regierung der Borlage in ihrer jetzigen Gestalt zustimmt, dies eine Bewegung in der Be völkerung ähnlich derjenigen gegen Len Zedlitz'scheu Schul gesetz-Entwurf zur Folge habe» und die Gegensätze der inneren Lage noch mehr verschärfen wird." Man darf wohl mit Reckt annehmen, vast Fürst Bismarck den ihm befreundeten Fürsten Hoben tobe gegenüber aus dieser seiner Befürchtung kein Hehl gemacht hat. Um so auf fallender ist es, daß das Organ des Herrn v. Böller, die „Berl. Corr", von der Umsturzvorlage in ihrer fetzigen Gestalt wie von etwas spricht, was die Regierung kaum berührt. DaS halbamtliche Organ sagt nämlich heute ganz beiläufig: „Aus der Commission ist hauptsächlich durch Beschlüsse der Mit glieder aus dem Centrum und den conservativen Parteien ein Ent- ionrf hervorgegangen, der in manchen Puneten über die RegieruiigS- Vorlage hinausgeht und wahrscheinlich noch lebhafte Debatten iin Plenum Hervorrufen wird." Bon einem Wunsche der Regierung, die vom Centrum in die Borlage bineingebrachteu Ungeheuerlichkeiten durch das Plenum beseitigt zu sehen, kein Sterbenswörtchen. Man kann sich daher nicht darüber wundern, das; die CentrumS- presse die nach ultramontanem Recepte veränderte Borlage schon als unter Dach und Fach gebracht und das Cenrrum selbst trotz der Borgänge vom 23. März als bereitwilligst von der Regierung ausgenvmmenen Helfer und Tonangeber an sieht. Und diese Siegesgewißheit muß fick noch steigern durch die wahrhaft zärtliche Rücksichtnahme, die sogar der „Reichs anzeiger" auf dieGefüble und Bedrängnisse des Centrums nimmt. Die schon im heutigen Morgenblatte signa- lisirte Kundgebung dieses Regierungsorgans lautet nämlich wörtlich: „Seiner Majestät dem Kaiser und König sind aus Anlatz der Feier des achtzigsten Geburtstags des Fürsten v. Bismarck, Herzogs von Lauenburg, zahlreiche Hnldiguiigste legramme von Festverjammlungen und Vereinen, von städtischen Behörden und einzelnen Personen zugegangeii. Seine Majestät haben dieje Kund- gedungen» deren Beantwortung im Einzelnen unmöglich ist, mit Genugthuung entgegengenomme» und Allerhöchstihre Freude über diesen Ausdruck patriotischer Gesinnung zu erkennen gegeben." Also keine Silbe darüber, daß in einem großen Theile jener Huldigungstelegramme Bezug genommen ist auf die Entrüstungsdepesche des Kaisers au den Fürsten Bis marck; keine Silbe darüber, daß der Kaiser diese Zustim mungen mit Genugthuung und Freude begrüßt bat; nur schonendste Rücksicht auf dieselbe Partei, die durch ihre Hal tung gegenüber der Bismarckfeier die Entrüstung des Kaisers und der Mehrheit der Nation herauSgesvrdert hakte und trotz dem den Bersuch macht, der Negierung und der deutschen Nation ein Gesetz zum Schutze des Ultramontanismus auszu drängen. Eine solche Rücksicht ließe sich allenfalls begreifen, wenn daö Centrum in besserer Situation seinen Wählern gegenüber sich befände, innerlich unerschüttert dastänre und durch Festigkeit seiner Haltung sich auszeicbnete. Aber ganz das Gegentheil ist der Fall. Mit vollem Recht führt heute die „Magdeb. Ztg." aus: „Tie Machtstellung des Centruins im Reichstage ist nur ein Popanz, vor dem eine starke, zielbewutzte Regierung im Reiche sich nicht zu fürchten braucht. Seitdem iin Februar 1887 die „aus schlaggebende" Partei sich bei der Militairvorlage „vor der Front erschotz", indem sie durch ihren damaligen Führer v. Franckeil stein erklären ließ, datz sie sich der Abstimmung enthalten werde — der Abstimmung in einer Frage, über die es zu einer Reichstagoauslösniig gekommen war — bat es kaum eine bedeutsame andere Enftcheibung im Reichstage gegeben, bei der sich nicht ein ähnliches Schauspiel wiederholt hätte. Man braucht »ur a» die Vorgänge beim Handelsver träge mit Rußland und an Len Widerstreit der Ansichten über die Tabaksteuer innerhalb der „ausschlaggebenden ' Partei zu erinnern. Nicht einmal in der Agrarfrage, a»f die die „Nordd. AUg- Zlg." sich beruft, ist ein klarer, eftchcinicher Wille in der Parlei vorhanve». Nur um den Verlegenheiten bis aus Weiteres aus- dem Wege zu gehen, hat sie eomrmssarische Berathung des An trags Kanitz beantragt, unchvem ihr Redner die moralische >»iv wirtbichastliche Unzulässigkeit der Forderung dargechan halte". Nlmiiit man noch hinzu, daß das Centrum durch seine Stellungnahme zur Bismarckfeier sich in die Nesseln gesetzt hat und jetzt alle möglichen Windungen machen muß, um wieder mitlhun zu dürfen, so kann man keinen Augenblick darüber im Zweifel sein, das; eS bei energischer Haltung der Regierung in eine den ursprünglichen Absichten der Umsturz vorlage entsprechende Abänderung der Commissionsbeschlüsse willigen würde und willigen müßte. Um so beschämender ist es, diese Fraetion und ihre Bestrebungen jetzt mit einer Rücksicht behandelt zu sehen, deren die festesten und selbstlosesten Stützen der Regierung kaum jemals sich zu erfreuen gehabt haben. Ein solches Nachspiel der großen Tage der BiSmarckieier haben sich die Millionen von Deutschen, die in der Entrüstungsdepesckw des Kaisers an den großen Kanzler den treffendsten Ausdruck ihrer eigenen Ucberzeuzung und Empfindling sahen und begrüßten, nicht träumen lasse«: am wenigsten haben sie befürchten zu müssen geglaubt, daß die Rolle des „Helden" in diesem Nachspiele die Regierung spielen werde. Zu dem traurigen Capitel der leichtfertige» Berstet;»»» des Bauernstandes bringt die „Deutsche Tageszeitung" vom 3. d. M. einen lehrreichen Beitrag. Das Blatt eignet sich nämlich eine Betrachtung über einen Proceß an, der kürzlich vor Gericht mit der Berurtheilung eines gewissen Lesser in Kottbus zu 2^ 4 Jahren Gefängniß, zu fünfjährigen Ehrverlust und zur Zahlung von 10 »00 . -l Geldstrafe seinen Abschluß gesunden hat. Lep'er war dcS Meineids und der Verleitung eines Entlastungszeugen zu meineidigen Aussagen für sckuloig befunden worden. „Gleichzeitig" — so heißt es nun in der erwähnten Betrachtung — „kamen auch seine fürchterlichen Wu ch ergesckäfte und seine erbarmungslosen Ab- schlachtiingcn der wendischen Bauern zur Kenntnis; derBehörde." Es versteht sich, daß die Bestrafung zunächst nur wegen Meineids und Verleitung znm Meineid erfolgte. Die wuche rischen Geschäfte, in die man hier Einblick gewonnen, werken den Gegenstand einer besonderen Anklage bilden und voraussichtlich ebenso ihre Sühne finden, wie das MeineidS- verbrechen. Die Sachlage ist so einfach, daß man bei einiger Unbefangenheit nur seine volle Genugthuung darüber äußern dürfte, daß hier einmal ein wirksames Cxenipel slatuirt werden tonnte. Weit entfernt, aus diese einfache und be friedigende Sachlage hinzuweiscn und sich mit der Erwartung der zweiten Berurtheilung wegen Wuchers zu begnügen, fährt die „Deutsche Tageszeitung" folgendermaßen fort: „Der Wucherer, der zwei Jahre lang Zeit hat, über weitere speculative Unternehmen nachzudenke», ist »ur mit zehntausend Mark an seinem „heiligsten" Besitze, ani doaren Gelbe, geschädigt. Er wird nach dieser unfreiwilligen Panse mit frischen Kräften und unter vollem Schutze der Gesetze sein „ehrliches", der Cultur jo werth- volles Gewerbe weiterbetreiben. Die ausgewucherten Bauern aber, die noch nicht zu Grunde gegangen sind, scheu ihren Ruin vor Auge». Ist es da nicht zu bedauern, daß es nicht gesetzlich erinva- licht ist, Len Geschädigten die erwucherten Summen wieder zurück- zuerstatten und Leute» von» Schlage des Lesser und Consorten wenigstens Geschäfte mit Immobilien auf die Dauer zu verbieten?" Wer dies »uii liest, muß nothwendig zu der Bermutbung kommen, daß unsere Gesetze dem Bewucherten jeden Rückgriff aus den Wucherer, desgleichen aber auch der Aussichtspolizei jedes Einschreiten gegen Halsabschneider, Banernwürger und Consorten verwehren. Wen» man aber für sich ei» Vorzugs recht iu Anspruch nimink, Wortfübrer der Bauern z» sei», wie daS ja gerade die „Deutsche Tageszeitung" anderen Zeitungen gegenüber lkut, dann sollte man doch zum Allermindesten vorher die Reichsgesetze, betreffend den Wucher,sich eingeprciqt kaben. Nickt elwa erst die 1893er Novelle ;n»i Wuchergesetz bat den oben erwähnten RückforderungSanspruch eingeführt. Schon im Reichsgesetz vom 2 t. Mai 1880 beißt es: „Sämintliche von dem Schuldner u. s. w. geleisteten Vermögens. Vorthelle müssen zurückgeivahrt und vom Tage des Empfanges an verzinst werden . . . Das Recht der Rückforderung verjährt in fünf Jahren." Nack der Novelle von 1893 besteht dieses Rückgrisisrecht in Bezug auf alle wucherischen Bortheile, ob sie »n Wege dcS Sack-, deS Eredit- oder des verschleierten Wuchers er worben sind. Schon durch die Gewerbeordnung von 1809 ist die Aufsichtsbehörde befugt worben, n. a. auch dem gewerbsmäßigen BermittelungSagcnten für Jiiimvbiliar- Bertrage, Darlehen u. s. w. daS Gewerbe überhaupt zu ver sagen, „wenn Tbatsacken vorliegen, welche die Unzuver lässigkeit deS Gewerbetreibenden in Bezug auf diesen Ge werbebetrieb darlbun (tz. 35, 3)." Da bei Lesser diese Unzu verlässigkeit notorisch ist, kann er gar nickt daran denken, nach der Rückkehr in die bürgerliche Gesellschaft je wieder die Genehmigung zn einem Gewerbe als Vermittler von Darlehen oder dergleichen zu erhalte»; dies um so weniger, als die 1893er Novelle zum Wuchergesetz auch deu gewerbs mäßigen Betrieb der Viehverstelliiug, des Biehbandels und (ganz ausdrücklich) des Handels mit ländlichen Grundstücken noch in den tz. 35,3 der Gewerbeordnung eingegliedert hat. — Man erwirbt sich gar kein Verdienst um den Landmann, wenn man ilm in das Gefübl der Webr- und Schutzlosigkeit gegen alle Gefahren hineinverhetzt; im Gegentheil, man bringt ihn dahin, daß er, mit Staat und Gesellschaft zer worfen, die Arbeitskraft und das Vertrauen verliert. Das ist bann weit sicherer sein Untergang, als eine Mißernte oder die augenblickliche Unverkäuslichkeit deS geernteten Kornesi Ans die ausfallenden Beschwerden Grey's im eng lische» Unterhaus betreffs der angeblich auf die Schmä lerung der englischen Interessen in Afrika aus gehende französische Colonialpolitik hat gestern bereits der Minister des Auswärtigen Hanotaux im Senat sehr prompt geantwortet und seinem Besrcmden über das Un- motivirte und Anmaßende der englischen Ouerelen deutlichen Ausdruck gegeben. Ueber die Sitzung liegt uns folgender Bericht vor: - Paris, 5. April. In der Beralhiing des Budgets des Ministe rin ms des Auswärtigen erklärte der Minister des Auswärtigen Hanotaux ans eine Anfrage Lamarzelle's, die An- gelegenheit des Forfchmigsreisenden Mizon und die Uganda- Frage, wegen deren er, der Minister, und seine Amtsvorgänger sehr dringende Vorstellungen an die englische Regierung gerichtet haben, würden leicht erledigt werden, wenn sie nicht ziljammeu- gehorten mit einer Gruvve von Fragen von allgemeinerer Bedeutung, die seit Langem zwischen den beiden Regierungen erörtert werden. Gerade diese Gruppe von Fragen habe in den letzten Tage» im englischen Unterhaufe zn einer sehr leb- hasten Debatte Anlaß gegeben. Er wolle erklären, datz der Charakter, welchen diese Debatte durch gewisse Redner erhielt, sowie die Debatte selbst ihn wirk lich überraschten. Wenn ein »c»»s entscheidendes oder auch nur wichtiges Ereignis; politischen oder diplomatischen Charakters riiigetreten wäre, so Hütte er die plötzliche Erreg unq, die sich im englischen Unterhaus«: kundzngeben schien, verstanden, aber er könne versichern, kein Ereignitz solchen Charakters liege vor. Die seit mehreren Jahren hinsichtlich der afrikanischen Angelegenheiten zwischen England und Frankreich eingeleiteten Verhandlungen befänden sich noch in der Schwebe; die Diplomatie fetze die Arbeit fort. Er fei darüber erstaunt, datz man anläßlich der am Freitag im englischen Unterhaufe abgegebenen Erllärungen dieser wichtigen Thatsachr nichi Rechnung getragen zu haben scheine. Er frage sich, weshalb man an Frankreich gleichsam öffentlich Beschwerde über seine Absichten gerichtet habe, da man doch über deren Charakter nicht in Unkciiiiniitz sein konnte. Der Minister unterzog vdaiiil drei Fragen: bezüglich des Niger, bezüglich de« Mekong und bezüglich des ob er en Nil, einer Besprechung und erklärte, hmsichl lich des oberen Metung befände» sich die englisch-französische Commission im vollständigsten Eiiiveriläudiiiß; in dieser Hinsicht sei keinerlei Schwie- rigkeit vorauszuschen. Was den Niger angehe, so sei diese Frage der Rechte der Niger-Compagnie, welch« entgegen der inter nationalen Berliner Acte beansprucht, den ganzen Handel in ihre Hände zu bringen und jeden Transit in dem uv» ihr mehr oder weniger thatsächlich besetzten Gebiete zn unterbinden, von erheblicher Tragweite. Die Frage sei zwischen Frankreich und der englische» Regierung zu erörtern, aber, gestützt aus die Acte vom Jahre 1885 be- streite die sranzüsische Regierung, bis die Frage auf diplo- malischem Wege erörtert sei, den Anspruch der Niger- Compagnie. WaS die egyptiscbc Frage — die brennendste von allen — cuibetrisst, so sind die Erklärungen Hanotaur'S ein wahres Meisterstück kluger, vorsichtiger, aber dabei doch selbstbewußter Diplomatik. Der Minister führte auS: Die Gebiete, um die es sich handelt, stehen unter der Souveränität des Sultans; wenn sie einen recht mäßigen Herrn haben, so ist es der Khedive. Dies voraus gesetzt, jagen wir zur englischen Regierung: Ihr erklärt, daß England kraft dcS Abkommens von 1890 einen Theil dieser Gebiete zu seiner Einslutzsphäre rechnet; laßt uns »nn wenigsteiis wissen, auf welche Gebiete sich Eure Ansprüche beziehen: sagt uns, bis wobin sich Liese Ciiisliltzjphüre erstreckt, die nach Eurer Ansicht am linken User LeS Nils beginnt und sich nach Norden hin, man weiß nicht wohin, ausdehnt; kurz, Ihr richtet an uns eine vage, unbestimmte Forderung, die in Wendungen formulirt ist, die zu verschiedenen Dentungen Anlaß gebe». Ihr bringt in einem einzigen Satz die egnpkische und die englische Einflußsphäre zusammen; sagt uns doch, wo Egypten aufhört und wo die Einflußsphäre ansängt, die Ihr fordert. Ihr wünscht, daß wir gegenwärtig nnd nach meiner Ansicht vorzeitig, die fernere Gestaltung dieser Gebiete regeln. Ihr wollt unsere Zustimmung erlange», ohne daß Ihr Euch mit uns auch nur auseinandersetzt, wozu wir unsere Zustimmung geben solle». Unter solche» Bedingungen seid nickt erstaunt, daß wir unsere Einwilligung verweigern und uns unsere Freiheit bewahren. Auf so klare und berechtigte Fragen, suhr der Minister fort, habe nun die französische Regierung eine bestimmte Antwort nicht erhalten können. Wenn er die englische Regierung drängte zu antworte», so würden die Unter- Handlungen abgebrochen werden und zwar nicht Seitens der französtschen Regierung. Wenn nu» auch der Minister im Weiteren einen „ver söhnlichen" Ton insofern anschlägt, als er zu einer „späteren definitiven Abgrenzung der Interessengebiete der betheili^ten Länder in jenen sernen Gegenden" sich bereit erklärt, so fahrt er doch fort, er setze voraus, das; das geschehen werde „unter Achtung der Rechte des Sultans und des Kbedivcs und unter Sicherstellung dessen, was jedem Einzelnen von Beiden nach seinen Leistungen zukomme." Das ist ebenso deutlich wie bestimmt und durchaus correct. Wir sind, daS klingt aus jeder Zeile der Aeußerungen Honotanx's heraus, überall auf den in Frage stehenden Gebieten, auch in Egypten, völlig gleichberechtigte Concurrenten und wenn ihr Egypten über kurz oder lang, statt eurem Versprechen gemäß, es zn s-: Feuilleton. Die Französin. Sj Roman von Arthur Zapp. Nachdruck verboten. (Fortsetznng.) ,.Madeleine!" Sie drehte sich halb nach ihm herum. „Du bist mir noch eine Entschädigung schuldig", erklärte Herbert. „Wofür?" „Ich habe nicht ein einziges Mal mit Dir getanzt?" „Warum hast Du nicht?" „Weil Du beständig von einer undurchdringlichen Mauer von Tänzern umgeben warft. Das war ja ein förmliches Kämpfen um Dich. Haben Sie schon mit der Französin ge tanzt? fragte Einer den Andern." „Mit der Französin?" „2a, so nennen sie Dich." Sie lächelte überrascht und erinnerte sich der Worte, die der Oberst einst zu ihr gesagt. Herbert stand noch immer bittend, wartend vor ibr. „Nun?" Ihre Stimme klang freundlicher als vorher. „Soll ich etwa mit Dir post kostum durch den Saal walzen — ohne Musik?" Er schüttelte mit dem Kopf und sah sie mit einem Blick an, in dem leidenschaftliches Begehren mit zagender Aengstlich- keit kämpfte. Sein Athem ging hastig und das Blut schoß ihm heftig ins Gesicht. Dabei bewegten sich seine Lippen, Loch ohne einen Laut hervorzubringen. Offenbar wagte er nicht, dem kühnen Wunsche, der sein Herz in schnelleren Schlägen pochen machte, offen Ausdruck zu geben. „Nun?" Erstaunt blickte sie ihn an. Plötzlich zuckte ein Blitz keS Verständnisses in ibr auf und auch auf ihrem Gesicht flammte heiße Gluth auf. Befangen, den Blick von ihm wendend, in unsicherem Tone fragte sie: „Wa — was willst Du denn aber, wenn nicht tanzen?" Er athmete noch ein Mal tief auf, dann sagte er, nach einem Seufzer des Bedauern-, in deutlichem Ton der Resig nation: „Gieb mir die Rose ans Deinem Haar!" Ein eigenthümlicher Ausdruck huschte über ihr Gesicht, ein Gemisch von Enttäuschung, Geringschätzung und innerlicher Befreiung. Schon hob sie die Hand empor, aber auf halbem Wege ließ sie sie wieder sinken. Schelmisch blitzten ihn ihre Augen an. „Nimm sie Dir selbst!" rief sie, leichtfüßig davonsliehend. Ihm gab eS einen Ruck und im Nn war er hinter ihr her, nicht minder leichtfüßig wie sie. Kurz vor der Thür schwelle zum Nebenraum holte er sie ein. Mit der linken Hand umschlang er sie sanft, die rechte reckte sich zu ihrem Haar empor, in dem als einziger Schmuck eine prächtige Marschall Niel-Rose winkte. Aber neckisch bog sie den Kops hin und her. „Madeleine!" stammelte er flehend. Und plötzlich — war eine falsche Wendung ihres Kopfes schuld oder riß ihn seine kecke Leidenschaftlichkeit hin? — plötzlich preßten sich Hcrbert's Lippen auf die ihren. Einen k,irren Moment schloß sie die Augen widerstandslos, einen kurzen Moment, dann riß sie sich ungestüm von ihm loö und eh' es sich Herbert versah, spürte er die weichen, zarten Finger ihrer Rechten auf seiner Wange. In der nächsten Sccunde war sie verschwunden. Verdutzt, halb betäubt blickte er ihr nack. Unwillkürlich tastete er über die gemißhandelte Wange hin, auf der dunkle Gluth flammte, und er war einen Augen blick lang unentschieden, ob er sich ärgern sollte oder nicht. Aber dann glitt ein stilles Lächeln über seine Züge und seine Lippen flüsterten: „Frauenhand beleidigt nicht." Und träumerischen Blickes in der Richtung der Davon» geflohenen starrend, fügte er in zärtlichen Lauten hinzu: „Madeleine!" V. Kurze Zeit nach dem Ball erhielt Madeleine eines TageS einen Aries mit dem Poststempel Paris, der ihr ebensoviel Uebcrraschung wie Freute bereitete. Gaston de St. Sauvenr schrieb ihr nach mehr als ein jähriger Pause. Zuerst entschuldigte er sein langes Schweigen. Er habe so ausschließlich seinen militairwisienschaftlichcn Studien gelebt, Las; er daneben alles klebrig» vernachlässigt habe. Sein Fleiß sei nicht ohne Belohnung geblieben. Vor Kurzem sei er in den Generalstab versetzt worden, eine außer ordentliche Auszeichnung bei seinen jungen Jahren. An diese Mittbeilung knüpft er die Meldung, daß ein Freund von ihm, ein Pariser Journalist, im Begriff ff,, eine Studienreise nach Deutschland anzutrrten. Henri Larcher, Mit arbeiter veS weltbekannten „Figaro", beabsichlige, alle größeren Städte Deutschlands zu bereisen, um ei» möglichst umfassendes Material zur Beurtheilung der Deutschen der verschiedenen Stämme zu gewinnen. Sein Werk habe einen cultnrellen Zweck. Es solle dem Frieden, der gegenseitigen Verständigung der Völker dienen . . . Zwei Wochen später wurde Madeleine eines Mittags in den Cmpfangssalon gerufen. „Der Herr Franzose ist da!" meldete ihr Thielke mit wichtigem Gesicht. Diadelcine hätte beinahe einen kanten Schrei ausgestoßen, als sie iiuii den Salon betrat, und sich einem jungen Mann gegenüber sah, der fast Zug um Zug dem Bilde entsprach, das sic von ihrem Jugendfreunde treu im Gedachtniß bewahrte. Nur ein wenig männlicher und reifer sah der ihr Gegenübertretende aus, der ihr die Hand entgegcnstreckle und sie, ehe sie einen Laut hervorbrachte, hastig anredete: „Ich bringe Ihnen die herzlichsten Grüße unseres beider seitigen Freundes Gasten. Nacht wahr, die Aehnlichkeit zwischen ihm und mir ist überraschend ?" Und min erstaunte Madeleine noch mehr und ihre Ver wirrung wuchs. Das war auch Gaston's Stimme. Er war es — ohne Zweifel, er war es selbst. Fragend sah sie zu ibm ans. Auö seinen Augen sprühte ein rascher, warnender Blick zu ibr hinüber, als wollte er sagen: „Sei auf Deiner Hut! Ich bin eS: Gaston! Verrathr mich nicht!" Noch mit ihrer Befangenheit kämpfend, setzte sie sich. Das AllcS war ihr wie ein Traum. Gaston, den sie noch eben hundert von Meilen fern gewähnt, saß ihr nun plötzlich gegenüber und plauderte mit dem Oberst und seiner Gattin ,0 unbefangen, als sei der rätselhafte Vorgang, der sie fast in einen Zustand der Betäubung versetzte, etwas Alltägliches. Das Alles hatte sich im Verlaus weniger Sekunden ab gespielt und jetzt war das Gespräch, das nur durch Made- leine's Eintritt unterbrochen worden, zwischen dem Oberst und dem jungen Franzosen bereits wieder in vollem Gange. Der Letztere war der Typus eines echten Franzosen: sein Gesicht war länglich und schmal von bleicher Farbe. Die gebogene Nase nahm einen großen Raum darin in Anspruch. Die Augen waren tiefdunkel und steckend und ihr Blick hatte etwas Lauerndes und Unstätes. Schnurr- und Kinnbart gaben dem Kopf, den krauses, schwarze- Haar bedeckte, einen Zug von Kühnheit und Abenteuerlichkeit. „Sind Sie zum ersten Mal in Deutschland?" fragte der Oberst. " »Ja, Herr Oberst. Aber ick schätze Deutschland seit lauge und es ist seit Jahren »nein Bestreben, mich mit der deutschen Sprache und der deutschen Literatur vertraut zu machen. Ich habe die Hauptwerke Goethe's und Schiller's deutsch gelesen und kenne auch von der neueren Literatur das Bedeutendere. Jetzt leitet mich das Bestreben, den deutschen Volkscharakter an der Quelle zu studiren." „Ein Bestreben", warf der Oberst höflick ein, „das um so schätzenöwerther und verdienstvoller ist, als es wohl auch heute in Ihrem Batcrlanvc noch immer ziemlich vereinzelt austritt." „Allerdings — die Thatsache Witt ich nicht bestreiten", versetzte der Franzose gewandt, „so bedqnernSwerth sie ent schieden auch ist. Es sind leider bei uns immer noch in den weitesten Kreisen ganz schiefe Ansichten über Deutschland und deutsche Verhältnisse verbreitet. Wenn es mir gelingt, durch die von mir beabsichtigte Arbeit bei unö eine gerechtere Würdigung dcS Nachbarlandes anzubahnen, so werde ich für meine Mühe reich belohnt sein." Während der Oberst und seine Gattin auf diese mit tönendem Pathos und sprudelnder Lebhaftigkeit gesprochenen Worte mit einigen höflichen Bemerkungen erwiderten, fühlte ich Madeleine von wachsendem Befremden beherrscht. Sie erinnerte sich des flammenden Hasses, den Gaston de St. Sauvenr einst gegen Deutschland an den Tag gelegt und wie er immer von dem künftigen Revanchekrieg als dem Ziel seiner heißesten Wünsche gesprochen hatte. Woher dieser lötzliche Umschwung? Und warum die Maskerade über- aupt ? Was hatte das Alles zu bedeuten? Die Fragen schossen ihr blitzartig durch den Kopf, ohne daß sie Zeit gehabt, über dieselben nachzudenken. „Gedenken Sie lange bei uns zu weilen?" fragte der Oberst. „Im Ganzen ungefähr ein Jahr", antwortete der Fran zose. „Ueber meinen Aufenthalt in den einzelnen Städten, die ich zu besuchen beabsichtige, habe ich mir nicht- Bestimmtes vorg(nommen. Wo ich am besten Gelegenheit finde, meinen großen Zweck zu fördern, dort werde ich im Interesse der Sache am längsten zu verweilen haben." Er sagte daS Letztere mit einer unverkennbaren Betonung. In diesem Augenblick trat Herbert ein. Der Oberst machte die jungen Leute mit einander bekannt und sagte dann, zu dem Franzosen gewandt: „Mein Sohn wird sich gewiß ein Vergnügen daraus machen, Ihnen zu dienen und Sie bei seinen Bekannten »in«
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