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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.04.1895
- Erscheinungsdatum
- 1895-04-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189504080
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18950408
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18950408
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-04
- Tag1895-04-08
- Monat1895-04
- Jahr1895
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.04.1895
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Bezug-.PrelS Al tz«r Hanptexpedition oder den im Stadt« bezirk pnd den Bpryrten errichteten Aus gabestellen « bß » h «lt: viert,ljährltw 4.50, bei zwetmaliaer täglicher Zustellung ins Vaus -4 ü.bO. Durch die Post bezogen für Drutschlaud und Lesl»rr»ick: vierteljährlich »i 6.—. Direct» tägliche Kreuzbandseudung tu» HülSiaad: monatlich 7.50. »ahme »ach Sonn- und Festtagen '/,? Uhr, di, Abend-Ausgab« Wochentags 5 Uhr. Lr-nrtio» Lrpeditton: -ohneenes-astr 8. Die Er-editio» ist Wochentag- ununterbrochen ge-Mlrt von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filiale«: Ltt» Klemm« Sortim. (Alfred Hahn), Unidersität-straße 1. L««i» Lösche, tkathariuenstr. 14, Part, und «SmgSplatz 7. ^?I7S. npMkr.TaMatt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. Montag den 8. April 1895. Auzeigen.PreiS die i» gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclamru unter dem Redactionsstrich (4ge- spalten) 50^, vor den Famiitennachrichten (6 gespalten) 40/^. tNrohrre Schriften laut unserem Preis- Verzeichnis;. Tabellarischer und Mernsatz nach höheren! Tarif. Extra-Vcilagr» (gesalzt), nur mit der Morgen-ÄuSgab», ahne Postbeförderung .4 60.—, mit Postbesörderuitg -4 7V.—. Aunalimeschluk für Anzeigen: (nur Wochentags) Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen »nd Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 88. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. ... Kallgkmrkknschillk. armünser, sowie Gönner und Freunde unserer Eltern und Anstalt werden hierdurch zu der Dienstag, den S. April von S—11 und 12—1 siattfiudeudeu Ausstellung der Schulerarbeiten, sowie öffentliche« Entlassung der Schüler Dienstag, den S. April, 11 Uhr ergebenst eiaarladen. Leipzig, den 5. April. Das Lehrerkollegium. zur Lekarmlmachung. In unserem Firmenregister sind zufolge Verfügung vom 28. Aiärz 1895 am 29. März 1895 folgend» Firmen mit dem Sitze io Dommitzsch eingetragen worden: unter Nr. 17: „T. A. Thomee", Inhaber: Kaufmann Carl Alwin Thomee zu Dommitzsch; unter Nr. 18: „Ottmar Dirr", Inhaber: Brauerribesitzer Ottmar Dirr zu Dommitzsch; unter Nr. 19: „G. Jacobi". Inhaber: Kaufmann Gustav Jacobi zu Dommitzsch; unter Nr. 20: „Otto Kürsten", Inhaber: Kaufinann Otto Kürsten zu Dommitzsch; unter Nr. 21: „Wilh. Schammelt", Inhaber: Kaufmann Wilhelm Schammelt zu Dommitzsch; unter Nr. 22: „G. M. Ehrlich", Inhaber: Kaufmann Carl Max Ehrlich zu Dommitzsch. Ferner ist bei der unter Nr. 11, früher Nr. 273 des Registers des Amtsgerichts Torgau, eingetragenen Firma: „Ernst Kühnast" in Spalte 6 vermerkt worden: Die Firma ist erloschen. Eingetragen zufolge Verfügung vom 28. Marz 1895 am 29. März 1895. Dommitzsch, den 29. März 1895. Königliches Amtsgericht. Politische Tagesschau. * Leipzig, 8. April. Die dreiuudsiebzig Sitzungen des Reichstags in dem ver flossenen Winter 1894/95 haben ein so überaus dürftiges positives Ergebniß aufzuweisen, daß die vielfach sich äußernden Klagen über die Unfruchtbarkeit der Bolksvertrctnng nur aUzuwohl begründet erscheinen. Seit Eröffnung des Nord deutschen Reichstages, also seit wohlgezählten achtund zwanzig Jahren, ist keine Wintertagung erlebt worden, die so vollkommen von dem Mangel an gesetzgeberischer Arbeitslust beherrscht worden wäre, wie die letzte. Endlose Debatten über alle möglichen und unmöglichen Fragen in Verbindung mit der Haushaltsberathung, so daß der Haushalt selbst nur mit Mühe und Noth noch einige Tage vor Jahresabschluß zu Stande kommen konnte; im Uebrigen ganz vorwiegend nur Auseinandersetzungen der Parteien oder der materiellen Interessengruppen über Bestrebungen, die den GesetzaebungSapparat gerne in Anspruch nehmen möchten. Dasjenige aber, was dieser Apparat zur Zeit zuzubereiten und aufzuarbeiten vor sich hätte, — wird möglichst aufgehalten oder geflissentlich unbrauchbar gemacht. Bisher mochte sich der Wählerschaft oder — — richtiger gesagt dem Volke die volle Tragweite dieser Verschleppung«- und Hintertreibungspolitik verheimlichen lassen. Nach Ostern geht das keinenfalls mehr an. Wie immer der Streit über die Umsturzvorlage zu Ende gehen und so starke Gegensätze er noch wachrusen mag: der Be völkerung wird darüber auf die Dauer nicht die Erkenntniß vorzuenthalten sein, daß neben dieser Umsturzvorlage noch sehr viele andere und wichtige GesetzeSentwürfe den Volks vertretern anvertraut sind — Entwürfe, die zumeist das wirthschaftliche Interessengebiet berühren und zwar dasjenige der Gesammtheit wie das bestimmter Erwerbs- gruppen. Dahin gehört vor allem die Reich «finanz- reform, andrerseits da« ansehnliche Bündel von Gesetzes- vorschlägen zum Schutze und zur Förderung des Mittel stände« in Stadt und Land. Falls es sich bewahrheitet, daß in dieser Frühjahrstagung auch noch der Entwurf, be treffend den unlauteren Wettbewerb und da« Börsen reformgesetz an den Reichstag gebracht werden soll, so hätte die Regierung in der Thal ihr Versprechen in weitem Maße ein gelöst und in bereitwilliger Weise die Führung betreffs derjenigen Reformen übernommen, die von allen nicht radicalen politischen Parteien und vom Centrum gemeinsam zu Gunsten de« Mittel standes verlangt werden. Dem Parlamente wird dann die entscheidende Frage gestellt sein, ob e« in der bisherigen Weise sortfahren will, ,m Sumpfe der imperativen Mandatswirth- schaft weiterzuwaten und den gefährdeten mittleren ErwerbS- classen langbegehrte Sicherungen vorzuenthaltrn, oder ob eS wenigstens durch positive Hilfsmaßnahmen der an- siuthenden socialrevolutionären Welle entgrgenwirken will. Ganz besonders werden die Führer der Agrarbewegung und die Antisemiten Anlaß haben, mit diesem Entweder- Oder sich ernsthaft zu befassen. Der außerhalb und inner halb des Parlaments in Scene gesetzte Lärm um eines praktisch niemals erreichbaren Zieles willen ist so bedenklich stark geworden, daß man sich gar nicht wundern könnte, wenn beispielsweise die Zucker- und die Branntweinsteuer- Reform darüber unerledigt blieben. Dann könnte sich der Rübenbau von der Weichsel bis zum Rbein und namentlich der Kartoffelbau im Osten der Elbe bei dem „Antrag Kanitz" bezw. bei den kornbau treibenden Lanbwirthen dafür bedanken, wenn sie alle ohne Ausnahme in der bisherigen kritischenLage verbleiben müßten,— nur weil just am unerreichbaren, nicht am erreickbaren Ende die Nothstandsaction beginnen soll. Llutatis wutrmckis gilt dasselbe von den Reformvorschlägen betreffs des Hausir- handels, des unlauteren Wettbewerbs u. s. w. Hier würden namentlich die antisemitische wie die orthodoxe Richtung bei den Conservativen und das Crntrum die Pflöcke zurückstecken müssen, wenn wenigstens dasjenige zu Stande kommen soll, was unser seßhaftes Gewerbe überein stimmend verlangt und billigerweise verlangen kann. Von unserem Parteistandpuncte aus könnten wir es am ruhigsten mit ansehen, wenn die gewerbsmäßige Verschleppung aller praktischen Arbeit ihr« Kreise weiter und weiter ziehen sollte, denn schließlich kämen die nachtheiligen Folgen, der gerechte Zorn der beeinträchtigten Interessen, doch über die Obstructionisten selbst. Aber wir sind unbefangen genug, den anderen EntwickelunaSgang aufs Lebhafteste zu wünschen, — einmal um der Sache selbst willen, die im Einzelnen überall dringlich genug ist, nicht zum Minderen aber auch in der Erwägung, daß der allgemeine parlamen tarische Niedergang dann immer wieder einmal zum Still stand kommt, wenn die Parlamentarier sich möglichst mit praktischen Fragen des Gemeinlebens beschäftigen, bei denen nicht gerade die reifere classische Bildung und die vornehmere Staatsauffassung, sondern nur die nüchternste, im täglichen Leben gewonnene Erfahrung sich zu bewähren braucht. Den Klagen gegenüber, die in der mittelparteilichen Presse über die unklare Stellung der Regierung zu der vom Centrum in ein Schutzgesetz für den Ultramontanismus verwandelten Umsturzvorlage laut geworben sind, läßt sich ein süddeutsches Blatt, das zuweilen aus dem Palais des Reichskanzlers Informationen empfängt, aus Berlin schreiben, man halte an maßgebender Stelle mit dem Urtheile zurück, „da erst nack den Beschlüssen der zweiten Lesung im Plenum für die Regierung die Zeit gekommen ist, ihrerseits Stellung zu nehmen". Es wäre traurig, wenn die Regierung wirklick zu einem solchen Ab warten entschlossen wäre, das nicht nur die vom Reichstage vor Ostern betriebene Zeitverschwendung auf den Rest der Tagung übertragen, sondern auch das Schicksal des Ent wurfs völlig ins Ungewisse stellen würde. Versäumt eS die Regierung, vor Wiederbeginn der Berathungen klar und bestimmt zu sagen, was sie von ihrem Entwürfe nicht preis geben und wa» sie von den durch das Cenlrnm in Len Ent wurf hineingebrachten Bestimmungen nicht annehmen will, o zieht sich die zweite Plenarberathung i» endlose Länge und der ganze Wirrwarr der Commissivnsberathung beginnt aufs Neue. Das sollte doch die Negierung sich selbst und dem Reiche chon wegenderübrigen wichtigen Vorlagen ersparen, die noch der Erledigung darren. Und kommt eS ihr aus etwas mehr oder weniger Zeitvrrschwendung nicht an, so sollte sie wenigstens darauf bedacht sein, die Parteien nicht auf einzelne Puncte sich versteifen und durch den Streit um diese Puncte in einer Weise sich erhitzen zu lassen, die jede Einigung erschwert oder wohl gar unmöglich macht. Schon versteift sich das Cen trum auf sein« Forderungen, und die sich offieivs geberdende „Nordd. Allgem. Ztg." bemüht sich im Schweiße ihres Angesichts, die ultramontane Gefolgschaft zur nachdrücklichsten Unterstützung dieser Forderungen anzuregen und die Welt glauben zu machen, eigentlich seien die Nationalliberalen verpflichtet, dem Centrum beide Hände entgegenzustrecken. Die ehemalige Hauskatze des Reichskanzlerpalais beruft sich nämlich aus die bedeutungsvolle Rede des Herrn v. Ben nigsen vom 10. Januar, in der er dringend eine Ver ständigung darüber empfahl, daß der Unterwühlung unserer zetzigen Zustände in der fortgesetzten Minirarbeit der revo lutionären Parteien endlich ein Ziel gesetzt werbe, und sucht dann nachzuwrisen, daß die Haltung der nationalliberalen Presse im gegenwärtigen Augenblicke im Gegensatz zu dem Appell des Herrn v. Bennigsen stehe. Nun hat sich freilich in der Commission bis zum letzten Augenblicke der national liberale Abg. Ennecceru« im Sinne des Herrn v. Bennigsen bemüht, die gegen die Umsturzbewegung gerichteten Be stimmungen, die doch den eigentlichen Zweck der Vorlage darstellen, aufrecht zu erhalten und die eulturfeindlichcn Sonderzwecke der Ultramontanen fern zu halten. Aber was kümmert das die ultramontane Presse? Sie beruft sich auf das „Zeugniß" der „officiösen" „Nordk. Allgem. Ztg ", um der ganzen katholischen Bevölkerung den „unanfechtbaren Beweis" zu liefern, „daß da« Centruin der geeignetste Stütz- punct für eine maßvolle Politik ist", daß eS nicht einen Fuß breit von seinem Standpunkte abgehen darf, von der Regie rung selbst zu diesem Beharren aufgefordert wird und deshalb von jedem guten Patrioten unterstützt werden muß. Und zu alledem schweigt die unlängst von Herrn von Koller im preußischen Abgeordnetenhause als einziges officiöseS Organ bezeicknete „Berl. Corr."; vor alledem verschließen die In spiratoren dieser Correspondenz Augen und Ohren, um sich ihre Stellungnahme bis nach der zweiten Plenarberathung vorzubehalten! Ja, wollen denn diese Inspiratoren mit aller Gewalt ihre Stellungnahme verzögern, bis die Reichs tagsparteien ihre Stellung definitiv genommen haben und nichts mehr an derselben zu ändern ist? Wollen sie denn nur mit aller Gewalt, daß „Centrum Trumps" wird und die den Namen Hohenlohe tragende Regierung ebenso wie ehedem die den Namen Caprivi tragende von sich sagen lasten muß, daß sie nicht führe, sondern sich ziehen und schieben lasse, wie es dem Centrum gefällt ? Wollen sie vielleicht gar nach der großen BiSmarckwoche den Fürsten Bismarck nöthigen, abermals durch kräftige Reden vor den Staatsmännern zu warnen, die sich in das Schlepptau deS JesuitismuS nehmen lassen, oder bedarf e« einer Wieder- lwlung der KbnigSberger Rede des Kaisers, um auch seine Minister darüber aufzuklären, was bekämpft werden sol und muß? lieber den Beschluß des deutschen Reichstags, dem Kürsten Bismarck die Gratulation zum 80. Geburtstage zu versagen, liegen nunmehr die ersten ZeitungSstimmei: aus den Vereinigten Staaten von Amerika vor. Daß das Vorgehen der Freisinnigen und des Centrums eine sehr abfällige Kritik im Auslande erfahren würde, ließ sich erwarten. Aber das, was die deutsch-amerikanische Presse über die „Mehrheits-Par teien" sagt, übcrtrisst nach der folgenden Zusammen stellung der „Nat. Ztg." denn doch an Deutlichkeit noch das jenige, was ilir zugetraut wurde. So sagt z. B. das „Cineinuaticr Volksblatt": „Wenn Eugen Richter einen Funken von der Diplomatie Bismarck s besäße, so wäre eS mit der deutschen Freiheit besser bestellt als jetzt", und in einem anderen Blatte liest man: „Richter und Lieber und wie alle die deutschen Parteiführer heißen, möchten noch o sehr von ihrer Wichtigkeit durchdrungen sein, das deutsche Volk würde doch einen Bismarck gegen hundert ölcher Leute nicht bergeben." Die „Illinois - Staats zcitung" in Chicago, die ebenso, wie eine große Anzahl anderer ameritanischer Blätter, wie die „Westliche Post" in St. Louis, wie der „Anzeiger des Westens", wie die „New- Ljorker Staatszeilnng", von alten Achtundvierzigern rediairt wird, nennt den Beschluß des Reichstages eine Flegelei. „Mau weiß nicht, waS man zuerst an diesem Beschluß verdammen soll, den Mangel an Pietät, an Vaterlandsliebe oder an Höf lichkeit." „Die Gegner des Antrages Levetzow baben sich in allen drei Puncten auf das Schwerste vergangen", so heißt es in einem anderen Artikel. „Die Rücksicht auf die Deutschen im Auslande hätte den Beschluß Verbindern müssen", beißt es in einem Artikel, und damit kein Zweifel auftömmt, daß diese Anschauungen der Deutschen im Aus lande nichts mit parteipolitischer Stellung zu thun haben, wird binzugefügt: „Die Herren entschuldigen sich, sie behaupten, daß der Fürst die Parteien, welche sie vertreten, zu sehr ge kränkt habe, als daß sie ihm verzeihen könnten. Es liegt uns fern, bestreiten zu wollen, daß Fürst Bismarck als deutscher Kanzler in der mneren Politik manchen Fehler begangen und viele Menschen in ihren Gefühlen nnnötbiger Weise getränkt habe. Allein alles dieses muß vor der Thal sacke schwinden, daß Bismarck das deutsche Volk nickt blos zu seiner jetzigen Höhe emporgehoben, sondern vielleicht gar vor dem Untergänge gerettet hat." Tie BiSmarck-Feiern im Auslande haben durch den Beschluß des Reichstages gerade zu einen gewaltigen Anstoß bekommen und sind weit über das Maß dessen, was vorher geplant war, zu colossalen Ovationen angewachsen, als ob die Deutschen im AuSlande nun ihrerseits zum Theil wieder gut machen wollten, was von einigen Parteiführern im Reiche selbst gesündigt worden ist. In der belgischen Deputirtentammer ist die definitive Entscheidung über das Gcmeindewahlrecht gefallen, und zwar zu Gunsten der Regierungsvorlage, welche den Census wiedereinführt, den Beginn des Wahlrechts vom 21. auf das 30. Jabr hinaufrückt und einen dreijährigen Wohnsitz als Bedingung für die Theilnahme an den Wahlen vorschreibt. TaS Gesetz wurde, wie schon tele graphisch gemeldet, mit 90 gegen 52 Stimmen ange nommen. Die Erwartung der Socialistcn, daß ihnen ibr Rückzug, ihr Verzicht auf den Generalausstand erhebliche Zu geständnisse einbringcn werde, ist an der Festigkeit der Regierung gescheitert. Um aber die Stimmen der christlichen Demokraten zu gewinnen und den Arbeitern entgegenzukommen, hatte das Ministerium zwei Anträge der Klerikal-Demokraten an genommen. Der erste Antrag bestimmte, daß die Wähler der Industrie und Arbeitsräthe in den Städten von 20 00" bis 70 000 Einwohnern 2 Arbeitgeber und 2 Arbeiter, in den Städten von über 70 000 Einwohnern 4 Arbeit geber und 4 Arbeiter in die Gemeinderäthe entsenden, also vorweg eine Vertretung in den Gemeinderäthen haben. Dieses Zngeständniß betrifft aber nnr 29 Städte, welche allein In dustrie- und Arbeitsräthe besitzen Dieser Antrag wurde mit 89 gegen 47 Stimmen angenommen; alle Klerikalen stimmten dafür, alle Liberalen und Socialisten dagegen. Der Führer der Klerikal-Demokraten, Abbü Daens, welcher dieses den Arbeitern gemachte Zngeständniß für zu gering ansah, ent hielt sich der Abstimmung. Der zweite Antrag sichert den Feuilleton. Die Französin. Roman von Arthur Zapp. Nachdruck dkrdotrn. (Fortsetzung.) Sie schüttelte lebhaft mit dem Kopfe. „Der Grund liegt auf der Hand", erklärte er. „Wie hätte ich mich Dir, die Tu im Hause eines deutschen Officier« lebst, unbefangen nähern können, wenn ich unter meinem wirklichen Namen, in meiner Eigenschaft al« französischer Ofsicier aufgetreten wäre? Du begreifst, daß unter diesen Umständen von einem näheren Verkehr nicht hätte die Rede sein können. Und eS liegt mir doch daran, Dich recht oft zu sehen. Deshalb habe ich ja doch die weite Reise unter nommen." Er schwieg, als wolle er seinen Worten Zeit lassen, auf sie zu wirken. Madeleine hielt den Kopf gesenkt und erwiderte nichts. Ob der Grund, den er soeben angegeben hatte, völlig zur Erklärung und Entschuldigung de« von ihm begangenen Be truges auSreicht«, darüber nachzudenken, war sie im Augen blick gar nicht im Stande. Seine letzten Worte tönten in ihrem Herzen wieder und versetzten sie in eine eigenthümlichr rätbselhafte Stimmung. Freudige Genugthuung rang mit einer in ihr aufstrigenden unklaren Empfindung leisen Un behagen«. Und halb in fiebernder Spannung, halb mit instinktiver Furcht erwartete sie seine weiteren Worte. „Sieh, Madeleine", fuhr Gaston de St. Sauveur fort und preßte seinen Arm zärtlich an den ihren — „vergessen habe ich Dich nie, wenn ich auch eine ganze Zeit lang Dich scheinbar aus den Augen verloren. Dazu hat sich Dein theurrs Bild zu tief in mein Herz gegraben. Aber mein Beruf, an dem ich. wie Du weißt, mit Leib und Seele, mit vollem Enthusiasmus hänge, nahm alle meine Kräfte, meine Gedanken, meine ganze Ge,ftesthätiakeit in Anspruch. Ich sah nicht recht», noch link«. Der Ehrgeiz war mächtig in mir erwacht. Aber als ich die erste wichtige Stufe zu Ruhm und Ehren erklommen und mir eine kleine Pause der Erholung und Sammlung gönnen konnte, da wurden die alten, theuren Erinnerungen wieder in mir lebendig. Und plötzlich nahm eine unbesiegliche Sehnsucht nach der unvergeßlichen Gespielin und Freundin, nach Dir, Madeleine, von mir Besitz, die mir keine Ruhe mehr ließ. Ich kam um einen längeren Urlaub ein und reiste hierher, um einige Wochen in Deiner Nähe zu sein." In Madeleine war jeder Nerv gespannt. Mit an gehaltenem Athem lauschte sie seinen Worten, die ihr die Erfüllung ihrer stillen Träume zu verkünden schienen. Und dennoch konnte sie sich des Eindrucks nicht erwehren, al- läge in dem Klang seiner Stimme ein hohles, deklamatorisches Patho«, als klänge das, WaS er sagte, nicht voll au- dem Herzen heraus. Aber unter den anderen Gedanken und Bedenken, die sich in ihr regten , blieb ibr keine Zeit, dieser Empfindung nachzuforschen. Seine Erklärung drängte ,hr die Frage wegen der Zukunft auf. Wie dachte sich Gaston die Fortsetzung ihres Verkehrs und wie lange wollte er die Verstellung vor ihren Verwandten aufrecht erhalten? Eine natürliche mädchenhafte Scheu hielt sie ab, diesen Fragen vor Gaston offenen Ausdruck zu geben, aber er schien selbst das, was in diesem Moment in ihr vorging, zu ahnen, denn er brachte Viesen Pnnct von selbst zur Sprache: „Eine schickliche Gelegenheit, mich Deinen Verwandten zu offenbaren und vor Ihnen mein Jncognito zu entschuldigen, findet sich Wohl später. Zuerst kam es mir darauf an, Dich wieder zu sehen und zu erkunden, ob Du mir noch mit der alten Gesinnung zugethan oder ob ich Dir inzwischen ein Fremder geworden." „Ich habe oft an Dich gedacht, Gaston", antwortete sie mit schlichtem Gefühl. Er ergriff mit seiner freien linken Hand die ihrige, die auf seinem Arm ruhte und umspannt« sie mit kräftigem Druck, den ihre Finger leise, aber doch deutlich wahrnehmbar Wiedergabe». „E- liegt mir ferner daran, mich zu überzeugen", fuhr er fort, „wie Du Dich hier eingelebt, welche Stellung Du in der Familie Deiner deutschen Berwandten einnimmst. Ob Du noch mit uns fühlst, unter denen Du ausgewachsen bist, oder ob Du in Deutschland eine Deutsche geworden." Er beugte sich vor und sah ihr forschend ins Gesicht. Sie schlug die Augen voll zu ihm auf, und entgegnete mit Wärme: „So leicht löst man sich nicht von der Heimath. Wie könnt' ich je vergessen, daß ich in Frankreich geboren und daß mich mit dem Lande meiner Geburt die tbeuersten und heiligsten Erinnerungen meines Lebens unlöslich verbinden. Ich müßte ja vor mir selbst erröthen, wollte ich je vergessen, wer mein armer Vater gewesen und wofür er so jung sein Leben hingegeben." In den Augen deS Franzosen leuchtete eS und ein ehrlicher Gefühlston klang aus seiner Stimme. „Bravo, Madeleinei Deine Worte befreien mich von einer großen Sorge. Ja, hundertmal während meiner Reise hierher habe ich bei dem Gedanken gezittert; wie wirst du sie wiederfinden. Arme Madeleine! Wahrlich, ein schweres Loos, Wohlthateu avnebmen zu muffen von denen, die einem innerlich fremd gegenüberstehen, ja, die man al- Feinde zu betrachten durch Geburt und Erziehung gewöhnt worden ist." Madeleine zuckte leickt zusammen. Gaston'S Worte berührten sie peinlich. Sie hatte sich längst entwöhnt, in ihren Berwandten Feinde zu sehen, weil sie in einem anderen Lande geboren waren als sie selbst. Waren sie nicht alle voll Güte und Liebe zu ihr? Begegnete man ihr nicht mit aufrichtiger Herzlichkeit, in wirklich verwandtschaftlicher Zuneigung? Und lag die Zeit der Feindschaft, de« Haffes nicht weit, weit hinter ihnen ? Hatte Gaston nicht selcht wenige Tage vorher von den Cultur-Aufgaben gesprochen, deren Lösung beide Völker in friedlichem Wetteifer nachstreben sollten? Sehr weit entfernt, die Vorgänge in Madeleinr's Seele ,u atmen, sprach er eifrig weiter: „Tröste Dich, Madeleine! Die Zeit wird kommen, wo Du wieder in unser geliebtes Vaterland zurückkehrst, das sich rüstet zum heiligen Kampf. Die ich ihn ersehne, Madrleine, den Tag der Vergeltung, da wir die Schmach von siebzig im Blut unserer stolzen Feinde tilgen werden!" Eie sah ihn bestürzt an. So hatte er als halbwüchsiger Knabe gesprochen, wenn er itx den Ferien von St. Cyr nach Hause kam. „Du — Tu denkst noch immer an den Krieg?" stammelte sie. „DaS fragst Du mich?" rief er glühend, „Du, die Tochter eines Franzosen, der für das Vaterlano gestorben? Tag »mb Nacht ersehne ich den Revanchekrieg, wir Alle ersehnen ihn und bereiten uns dazu. Glaubst Du, ver Schimpf, den uns unsere Feinde angethan, schmerze weniger, weil zwanzig Jahre zwischen damals und heute liegen?" „Aber Gaston — vorgestern, dem Oberst gegenüber sprachst Du doch ganz anders!" Er sah sie überrascht an, ein überlegenes Lächeln spielte um seine Lippen. „Du Kind"' sagte er, — „mußte ich nicht so reden, im Charakter meiner Rolle? Du aber konntest das für bare Münze nehmen, Du Madeleine? Gemeinsame Culturarbeit. friedlicher Wettkampf — Phrase», wle Träumer nnv Schwärmer sie plappern! In meinem Herzen weiß ich nichts von Verbrüderung und internationaler Freundschaft, da lebt diesen deutschen Barbaren gegenüber nur ein Gefühl, das des Hasses, des blutigen, untilgbaren Haffes!" Es schauderte sie und unwillkürlich lockerte sich ihr Arm in dcm seinen, ohne daß er es in seiner Erregung wahrnahn. Beklommen und peinlich war ihr zu Muthe und plötzlich fiel ihr ein, das; es für sie die höchste Zeit sei, nach Hause zurück Mehren. Sie wollte ihren Arm au« dem seinen ziehen, aber er hielt ihn mit einer raschen Bewegung fest. „Tn willst doch nicht etwa schon gehen, Madrleine?" „Laß mich!" bat sie. „WaS soll man von mir denken?" „Aber wir haben ja kaum erst ein paar Worte gewechselt. Und ich habe Dich noch so vielerlei zu fragen." „Ein ander Mal, Gaston — Bedenke meine peinliche Lage!" „Du wirst Dich doch nicht vor ein paar Schrltworten fürchten?" Schmeichlerisch klang seine Stimme. .Hast Tu nicht mehr so viel Interesse für Deinen Gaston, daß Du um seinetwillen nicht gern eine kleine Verdrießlichkeit erträgst? Madeleine!" Sir fügte sich, wenn auch mit innerem Widerstreben.
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