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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.04.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-04-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950417029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895041702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895041702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-04
- Tag1895-04-17
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Corr.", daß man in den „bestunterrichteten und authentischsten politischen Kreisen" den Gedanken erwäge, aus die Annahme der Ümsttirzvorlugc in der ihr vom Centrum gegebenen Fassung Hinzuwirten, dadurch eine „Stärkung des Einflusses des Eentrums und zwar nicht blos im Parlamente" berbeizuführen und diese Partei für ihre weitere Mitwirkung bei der Reichsfinanzreform und für die Ablehnung des auf das Jesuitengesetz bezüglichen Reichs- tagsbeschlusseö durch Erfüllung der Forderung nach Ge währung der Corporationsrechte an Berufsvereine und sonstige Organisationen der Arbeiterschaft zu ent schädigen — diese Enthüllung hat augenscheinlich gerade in denjenigen Kreisen, die einem ähnlichen Plane nicht abgeneigt find, sehr peinlich berührt. Freilich siel mit dem Erscheinen dieser Enthüllung die Nachricht aus Karlsruhe zusammen, daß die amtliche „Karlsruher Zeitung" die Abwehrkund- gebung der nationalliberalen Parteileitung Badens gegen die Umsturzvorlage in ihrer jetzigen Gestalt billigt, und gleich zeitig wurde aus Stuttgart gemeldet, die württem- dergische Regierung sei entschlossen, im Bundesratbe gegen dieses Centrumswerk zu stimmen. Da mußte freilich jenen Kreisen ein Licht darüber ausgehen, daß ihre Rechnung ohne den Wirth gemacht sei. Die „Nordd. Allgem. Ztg.", die bekanntlich in mehreren Artikeln die Nationalliberaten wegen ihrer Opposition gegen jenes Machwerk bitter getadelt und dadurch den Anschein zu erwecken gesucht hatte, man wünsche an maßgebender Stelle, daß die Umsturzvorlage in der ihr vom Centrum gegebenen Fassung Gesetz werde, tritt daher einen völligen Rückzug an, indem sie in einem vom Tele graphen bereits signalisirten Artikel wörtlich erklärt: „Es ist unerfindlich, worauf sich die Annahme des Gewühls- mannes des „Hamb. Corr." stützt, daß die verbündete» Regierungen die Novelle zum Strafgesetzbuch auch in der Gestalt, die sie durch die letzten Commissionsbeschlüsse erhalten hat, für annehmbar zu erachten scheinen. Es ist ohne Zweifel richtig, daß die verbündeten Regierungen ein lebhaftes Interesse an dem Zustandekommen des Gesetzes nehmen und den Triumph, den die Socialdemokratie andernfalls davontragen würde, vereitelt zu scheu wünschen. Wir wissen aber von keinen Kundgebungen oder.sonstigen siche.rn Unzeichen, die den Schluß rcchtsertigtcn, daß die Regierung, um ihr Ziel zu erreichen, bereit wäre, sämmtliche Beschlüsse der Umsturzcommission ohne Ausnahme zu ratificiren; wo inan nicht ein Interesse hat, Mißdeutungen zu pflegen, wird man nur Symptome des Gegentheils bemerkt haben." Auch der Gedanke an ein Handelsgeschäft mit dem Centrum wird von der „Nordd. Allgem. Ztg." mit der Be merkung zurückgewiesen, daß sie nicht begreife, woraus die Annahme des „Ham. Corr.", daß bei der Reichsregierung Bereitwilligkeit zu einer Politik in diesem Stile vorliegen würde, beruhe. Endlich erklärt das ehemalige Kanzlerblatt, daß das Centrum allerdings in socialpolitischen Fragen mit den kund gegebenen Ansichten und Wünschen des Kaisers sich berühre, daß aber in den Fragen des Tempos doch ein merklicher Unterschied zwischen diesen Wünschen und den Forderungen des Centrums bestehe. Das will sagen, daß das Centrum auf die Gewährung der Corporationsrechte an Beruss- vereine und sonstige Organisationen der Arbeiterschaft unter den jetzigen Verhältnissen schwerlich zu rechnen habe. Diese Rückzugserklärung der „Nordd. Allgem. Ztg." be weist nun allerdings noch nicht, daß jene Kreise, die eine „Stärkung des Einflusses des Centrunis, und zwar nicht blos >m Parlamente" anstreben, auf die Förderung dieses Planes definitiv verzichtet hätten, .aber sie beweist wenigstens, daß diese Kreise mit ihrem Plane sich nicht hervorwagen und seine Verfolgung der Zukunft überlassen. Wäre dock» die Rechnung nicht nur ohne einflußreiche Wirthe iin BundeSrathe, sondern auch ohne die parlamentarische Mitwirkung derReichspartei gemacht, deren Organ, die „Post", am Schlüsse eines längeren Artikels über die Umsturzvorlage wörtlich erklärt: „Aus die Beseitigung der Centrumszusätze wird mit aller Kraft Bedacht genommen werden müsscn, selbst auf die Gefahr bin, daß jetzt wenig oder gar nichts Positives erreicht wirb. Tie abgejchwüchten Strafbestimmungen sind ohnehin nicht mehr von allzu großem praktischen Wcrthe; jedenfalls würde mit ihnen lange nicht soviel genützt, als durch die Verleihung der Corporationsrechte an die Berussvereine geschadet, und es wäre ein unheilvoller Jrrthum, wenn man mit der Annahme der Centrumsbcschlüsse eine wirkliche Schutzwehr gegen die Umstnrz- bestrebuiigcn erreicht zu haben und nun wieder die Hand in den Scliooß legen zu können glaubte." Mit dieser Erklärung ist die Möglichkeit einer un veränderten Annahme der Umsturzvorlage nach ultramontanem Recepte durch den Reichstag ausgeschlossen. Die Indiskretion des Gewährsmannes des „Hamb. Corr." hat mithin eine erfreuliche Klärung herbeigeführt. Die von dem Generalrath der socialdemokratischen Partei in Belgien zur Billigung seiner plötzlichen Schwenkung in Sachen des allgemeinen Ausstandes einberufene Vol^ Versammlung des Brüsseler Arbeiterbundes hat, wie berichtet, den Beschluß des Generalratbs gutgcheißen. Aber, wie zu erwarten war, gab es auch eine kräftige Minderheit, welche mit dem Hinweis auf die Kanonen und Bajonette der noch immer überlegenen Regierung betonte, daß die Partei leitung die Lage habe kennen und deshalb schon aus dein Congreß von dem Ausstand habe abrathen müssen. Nachdem sie dies unterlaßen, habe sie überhaupt kein Recht mebr gehabt, abzuwiegeln, sondern die Pflicht und den Auftrag, den Ausstand im gegebenen Augenblick allgemein zu organisiren. Die Wahrheit für beide, für die socialdemokratische Masse wie ihre Führer, ist, daß sie, noch immer trunken von ihren unerhofften Wahlersolgen im October und be rauscht von den siegesbewußten Brandreden in und außer halb der Kammer, zum Ausstande entschlossen waren, weil sie, allerdings nach mancherlcr ermuthigenden Erfahrungen der letzten Jahre, glaubten, vielleicht schon die Drohung, sicher sein Ausbruch werde die Regierung und die verrottete Bourgeoisie erzittern und geschmeidig machen, um ihr die verlangten politischen Rechte abzupressen. Als diesmal das Gegentheil eintrat, als diese vielmehr entschlossen die noch sehr scharfen Zähne zeigten, trat der Umschwung in der Leitung ein. Aber „die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los." Das trat in Lüttich, das trat auch in der jetzigen Versammlung in der Ankündigung der Minderheit hervor, sie werde auf dem Congreß in Antwerpen ein Tadelsvotum gegen den Generalrath beantragen. Damit hat es nun gute Wege. Die Parteidisciplin wird auch hier noch siegen. Für die Ordnungsparteien aller Länder aber hat die, wenn auch kurze, so doch intensive AuSstandsbewegung einen zwar nicht neuen, aber selten so klaren Beweis dafür geliefert, daß die Socialdemokratie nicht die Evolution der Gesellschaft, wie ihre gelehrten Vertreter stets von Neuern behaupten, sondern die gewaltsame Revolution will, sobald sie sich nur stark genug glaubt. Alle Anzeichen sprechen dafür, daß Belgien die historische Rolle zufallen wird, in dieser Entwickelung die ersten Stürme bestehen zu müssen. Aber wenn die Regierung stark bleibt, wird sie mit ungebrochenen Masten daraus hervorgehen. Das gilt auch für die übrigen monarchischen Staaten. In der französische» Hauptstadt ist man immer noch sehr erregt über die Bebauptung des Pariser „Times"-Cvrrespon- denten Blowitz, die Pariser Presse lasse sich von den fremden Botschaftern, mit Ausnahme des englischen, also auch von dem deutschen, bestechen, und bringe im Sinne dieser Botschafter gefärbte Artikel zum Nachtheile der Republik. Daß die Pariser Presse käuflich ist, weiß ja Jedermann, das verhehlt man sich auch in Paris nicht, aber auf den Blowitz'schen Vorwurf, der ebenso albern wie für das französische Nationalgesübl im höchsten Grade beleidigend ist, war man doch nickt gefaßt und man ist allgemein der Ansicht, daß Blowitz seine Behauptung, wenigstens in dieser Allgemeinheit, nicht aufrecht erhalten kann. Der Stand der peinlichen Angelegenheit ist augenblicklich fol gender: Blowitz hatte sich bereit erklärt, vor dem Syndikate der Presse Aufklärungen zu geben. Dieses machte aber in einer Sitzung geltend, daß es nur über Beruss- angelegenheiten zu entscheiden habe. Als dann der aus allen Pariser Zeilungsdirecloren bestehende Preßverband sich mit der Angelegenheit beschäftigen wollte, lehnte Blowitz dessen Compelenz ab, indem er insbesondere darauf hinwies, daß der Vorsitzende Paul de Cassagnac sich ihm stets seinvseUg erwiesen habe. Der Preßverband hat dann seine Befugnisse an das Syndikat übertragen, daS nun doch iin Widerspruche mit dem zuerst gefaßten Beschlüsse sich für kompetent er achten will und Herrn Blowitz für heute, Mittwoch, vor gefordert bat. Es bleibt abzuwarten, ob der „Times"-- Correspondent, der naturalisirter Franzose ist, sich noch stellen wird. Inzwischen hat dieser im „Figaro" eine Erklärung veröffentlicht, die jedoch weit eher, eine Hervorhebung seiner angeblichen Verdienste um Frankreich als eine Rechtfertigung wegen der der Pariser Presse zugesügten Beschimpfung ist. In Deutschland, wo Herr Blowitz niemals ernsthaft genommen worden ist, darf nur ein Punkt nicht mit Stillschweigen über gangen werden. Wie oft auch die abgeschmackte Fabel wieder holt worden ist, daß Deutschland im Jahre 1875 eine» Ueberfall Frankreichs in Scene setzen wollte und nur durch Rußland daran verhindert worden sei, maßt sich, wie die „Nat.-Ztg." mittheilt, Herr Blowitz doch von Neuem das an gebliche Verdienst an, damals durch einen Artikel in der „Times" die düsteren Pläne Deutschlands enthüllt und den Zaren darauf aufmerksam gemacht zu haben. „Gegenüber einem solchen Angstruse", versichert er bombastisch, „zögerte ich nicht, und, indem ich ohne rückwärts zu blicken, meine Stellung in die Waagschaale warf, schrieb ich den Brief vom 8. Mai, der die Wirkung bervorrief, welche der Herzog DecazeS davon erwartet hatte." In Wirklichkeit hat also Herr Blowitz im Jahre 1875 Frankreich gerettet; nur daß eS sich eben blos um eine freie Erfindung der angeblich von Seiten Deutschlands drohenden Kriegsgefahr handelt. Herr Blowitz ist jedenfalls bemüht, eine — Diversion zu machen, da im vor liegenden Falle lediglich in Betracht kommt, ob die gegen die Pariser Presse erhobenen Vorwürfe berechtigt sind, nicht welche Verdienste Herr Blowitz sich um den Weltfrieden im Allgemeinen und um Frankreich insbesondere erworben haben — will. Nach den bis jetzt vorliegenden Nachrichten ist der Friede zwischen China und Japan abgeschlossen. Die officielle Bestätigung dieser wohl kaum noch anzuzweifelnden Meldungen steht allerdings noch auS, auch ist für die eingehende Würdigung der in Shimonoseki getroffenen Vereinbarungen das zur Verfügung stehende informatorische Material noch zu dürftig, insbesondere soweit der Handels- und wirthschaftspolitische Gesichtspunkt in Betracht kommt. Auch vermißt man noch die wünschenswerthen Daten über die Rolle, welche fremde diplomatische Einflüsse, zwar nicht ofstciell, aber doch unter der Hand, bei dem Fortgang und dem Abschluß der Friedensverhandlnngen gespielt haben dürften. Es ist ja oft genug betont worden, daß die Gestaltung der ünftigen Entwickelung in Ostasien, nach Ende deS chinefiscb- apanischen Kriege-, eine Frage von allerhöchster Wichtigkeit nicht nur für die unmittelbar betbeiligten Staaten, sondern auch für alle andere» Mächte, welche in jenen Länder- und Meerestheilen Interessen wahrzunehmen haben, bildet. Als olche stehen in erster Linie die europäischen Westmächte, Deutschland, Rußland und die VereinigtenStaaten von Amerika. Jede dieser Mächlejhat ihre ostasiatische Jnlerefsenposition, welche unter Anlehnung an die bisherigen dortigen Einslußgrenzen entstanden und berangewachscn ist; jede ist also genöthigt, mit der neuen Ordnung der Dinge, deren Umrisse sich in den Einzelbeftimmuligen des chinesisch-japanischen Friedens skizzen- »aft abzeicknen, Fühlung zu nehmen. Ob das so ganz glatt und rasch vor sich geben wird, muß die Zukunft lehren. Es concurriren hier zahlreiche politische und wirthschastliche Fragen, deren erschöpfende und allseitig befriedigende Lösung sich nicht übers Knie brechen lassen dürfte. Deutschland hat Dank seiner bisherigen oslasiatischcn Politik gleichmäßig gute Beziehungen sowohl zu China und Japan, als zu allen übrigen an der Sachlage interessirten Mächten sich bewahrt und ist daher in der Lage, ohne Sorge vor Mißverständnissen oder bös willigen Mißdeutungen seiner Absichten für diejenige Politik einzutreten, welche seinen sachlichen Bedürfnissen und den Bedingungen des internationalen Einvernehmens, daS bisher die Aktion der fremden Mächte in Oftasien so wohlthätig geregelt hat, am besten entspricht. Die anderweitig gemeldete Heranziehung deS früheren deutschen Vertreters in China, von Brandt, zn begutachtender Thätigkeit in dem jetzigen Stadium der ostasiatischen Dinge legt die Vermuthung nahe, daß man im Berliner Auswärtigen Amt für die nächste Zeit den deutschen Interessen im fernen Osten verstärkte Auf merksamkeit und Arbeitskraft zuwendet, was sich auch darin kundgiebt, daß das deutsche Kreuzergeschwader in Ostasien durch das Panzerschiff 2. Classe „Kaster" und wahrscheinlich auch noch durch den Kreuzer 2. Classe „Prinzeß Wilhelm" verstärkt werden wird. Deutsches Reich. 4t Verl»», 10. April. Dem Vernehmen nach hat daS preußische Staatsininisterium seine Berathungen über den Gesetzentwurf, betreffend die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes, beendet und seine Beschlüsse zu der Vor lage gefaßt. Die letztere dürfte deshalb binnen Kurzem dem Bundesrathe zugehen. Es verlautet, daß rin beträchtlicher Theil der von den Interessenten bei der Begutachtung des im Januar im Reichsauzeiger veröffentlichten ersten Entwurfs geäußerten Wünsche Berücksichtigung erfahren hat, daß demnach der Entwurf in einer gegenüber der früheren mehrfach abgeänderten Gestalt den gesetzgebenden Factoren deS Reichs unterbreitet werden wird. Z. k. Berlin, 10. April. Aus einer im Reichseisenbahn- amte im Mai v. Js. abgehaltenen Conserenz von Vertretern der mristhetheiligten Bundesregierungen sind Grundsätze auf gestellt worden, nach denen der Güterverkehr aus den Eisenbahnen an Sonn- und Festtagen wesentlich ein geschränkt werden soll. Einzelne StaatSeisenbahnverwaltungen, namentlich die preußische wie auch die sächsische und die Verwaltung der Reichseisenhahnen in Elsaß-Lothringen, waren in dieser Richtung vorangegangen. Die vereinbarte« Grund sätze werden vom 1. Mai h. I. ab auf allen deutschen Eisenbahnen durchgejührt. Der Güterverkehr, aus genommen Vieh, Eilgut und lrichtverderbliche Güter, wird von diesem Zeitpuncte ab an Sonn- und Festtagen fast Fenillrtoir. Die Französin. I3j Roman von Arthur Zapp. Nachdruck vkrdoten. (Fortsetzung.) Madeleine war unfähig, etwas zu erwidern. Sie zitterte am ganzen Körper, in ihrem Kopfe war ein betäubendes Pochen und Hämmern, und einer Ohnmacht nahe sank sie ächzend auf einen nahestehenden Sessel. Thielke erschrak heftig. „Um Gotteswillen, Fräulein", rief er in seiner Angst. „WaS ist Ihnen? Nicht aut? Ich alter Esel! — — ^oll ich Ihnen 'n Glas Wasser holen oder 'n Tropfen Wein?" Madeleine raffte sich mit übermcnschlicher Anstrengung auf und hielt den Erschrockenen mit convulsivischem Griff zurück. „Lassen Sie nur, Thielke, mir ist schon besser, eS »st nur sagen Sie, mein On — der Oberst ließ ihn er schießen?" Ihre Augen, in denen es wie flackerndes Feuer brannte, bohrten sich m die seinen. Thielke bejahte hastig und wehrte ab. „Lassen Sie nur gut sein, Fräulein — es hat Sie angegriffen. Na ja, für io zarte junge Damen ist das nichts und am Ende soll ich Ihnen nicht doch 'n bischen was holen?" Madeleine erhob sich schwer, schüttelte mit dem Kopf und ging. Sie schwankte förmlich; es war ihr, als habe sie nun auch den letzten Halt verloren. Innerlich war ihr Alles wund und weh. Zu furchtbar war, was sie in den letzten vierundzwanzig Stunden erfahren. Ihr Aussehen war ein so erschreckendes, daß Else, als sie ihr iin Corridor begegnete, laut aufschrie. „Um Gotteswillen, Madeleine? Was ist Dir? Bist Du krank?" Sie wehrte die theilnahmvoll an sie Herantretende mit so heftiger, zorniger Gebärde ab, daß Else erschrocken zurückfuhr und tappte sich in ihr Schlafzimmer. Dort warf sie sich halb bewußtlos aus ibr Bett. Im Deliriuni ihres Schmerzes war sie unfähig, über ihre Lage, über DaS, was sie gehört, gerechte Erwägungen anzustellen. Grauen, Entsetzen und Haß loderten in ihr. Darum also des Onkels Freundlichkeit und Güte zu ihr. ES war das böse Gewissen, daß ihm keine Ruhe ließ, der Wunsch, an der Tochter zn sühnen, was er gegen den Vater, unter dem Einfluß persönlichen Hasse«, verschuldet. Der Ge danke stachelte sie und trieb sie mit jähem Ruck empor. Fort wollte sie, fort, noch in dieser Stunde, in dieser Minute. Es schien ihr unmöglich, ihm je wieder ins Auge zu sehen. Aber sie war so schwach und angegriffen, daß sie sofort taumelnd zurücksank. Und nun traten Onkel und Tante, von Else Herbeigerusen, ins Zimmer und näherten sich ihrem Bett. ,MaS ist Dir? Bist Du krank? Soll ich nach dem Arzt schicken?" Sie biß die Zähne auf einander und drehte sich mit heftigem Ruck nach der Wand um. Bei dem Anblick des Obersten war ihr das Blut so jäh in Stirn und Schläfe geschossen, daß es sie für Secnnden wie ein Schwindel ergriff. Jetzt Jegte er sanft seine Hand aus ihre Stirn — ein so heftiger Schauder schüttelte ihren Körper, daß er erschrocken zurücktrat und der hinter ihm stehenden Else zurief: „Schnell zum Arzt! ES scheint ein starkes Fieber zu sein." Kurz nach Else entfernte auch er sich, seiner Frau auf tragend, der Kranken beim Entkleiden behilflich zu sein. Der Arzt, der schon eine Viertelstunde später erschien, er klärte, daß nichts Bedenkliches vorliege. ES scheine lediglich ein Nervenansall. Ruhe und Schonung würden die Leidende in kurzer Zeit wieder Herstellen. Dazu verschrieb er rin be ruhigendes Pulver. Den Rest des Vormittages verbrachte Madrleine im Bett mit geschloffenen Augen, um nicht mit Else, die zu ihrer Pflege bei ihr saß, sprechen zu muffen. Aber während sie sich stellte, als schliefe sie, arbeitete ihr erregter Geist unablässig. Wie unrecht sie Gaston gethan! Er hatte ihr nicht zu viel, sondern rn wenig gesagt. Oder sollte ihm verborgen sein, welche Rolle der Oberst bei dem tragischen Ende ihres VaterS gespielt? Gaston war der Einzige unter allen Menschen, dem sie sich anvertrauen durfte. An den Händen deS Obersten klebte daS Blut ihres VaterS, und deshalb mußte ihr Bestreben sein, sich unabhängig von ihm zu machen, sein HauS sobald als möglich zu verlassen. Durste sie seine Wohlthatrn noch länger annehmen, ohne vor den Manen ihres VaterS zu erröthen? Bei Gaston war ihre Zukunft, sein Interesse war das ihre und die Pflicht gegen sich selbst gebot ihr, ihm in Allem, was er von ihr verlangte, zu Willen zn sein. Ganz von diesem Gedanken erfüllt, bot sie alle ihre Kraft und Selbst beherrschung auf, um ihre Schwäche zu besiegen, und am Nachmittag erhob sie sich vom Bett mit der Erklärung, daß ihr wieder völlig Wohl sei. Sie hatte im ParoxismuS ihres Schmerzes einen Plan gefaßt, einen tollkühnen, waghalsigen Plan, den sie am nächsten Tage während der GeburtstagS- gesellschast zur Ausführung bringen wollte. Als es ihr ge lungen war, Else einen Augenblick aus den« Zimmer zu entfernen, schrieb sie ein paar rasche Zeilen an Gaston de St. Sauveur. „Lieber Gaston! Morgen, während der Gesellschaft im Hause meines Onkels, zu der heute eine Einladung an Dich ahgegangen ist, werde ich Dir das von Dir gewünschte Mateistal ver schaffen, mehr als das, ich will Dir Gelegenheit geben, Dir selbst das Wichtigste auszuwählen. Du sollst mit mir ufrieden sein, Gaston. Deinem Ehrgeiz soll volle Be- riediaung werden und dem Tode meines VaterS die schuldige Sühne. Auf Morgen! Deine Madeleine." Am Abend steckte sie Thielke heimlich den Brief zu, damit er ihn an seine Adresse besorge. Der alte Bursche nickte eifrig, als sie ihm Vorsicht und Sorgsamkeit ans Herz legte. „Gewiß, Fräuleincben", flüstere er zurück —, „soll gewissen haft besorgt werden. Verschwiege« ? Natürlich, wie da-Grab. Werde doch an Ihnen nicht zum Verräther werden! Da kennen Sie Thielke n schlecht. Herrgott, man war doch auch mal jung." Er schmunzelte verständnißinnig und kan, sich in der ver meintlichen Rolle als Postillion d'amour ungeheuer wichtig und interessant vor. X. Die lebenden Bilder waren gestellt worden und hatten unter den Gästen der GrburtSlagSsrier einhelligen Beifall gefunden. Die Mitwirkenden zogen sich zurück, um sich in den ihnen angewiesenen Zimmern umzukleiden, während dir Übristen Festthrilnehmer sich in zwanglose Gruppen theilten, die eine mehr oder minder lebhafte Conversation führten. Diesen günstigen Moment hatte Madrleine zu Ausführung ihres Vorhabens gewählt. Sie machte Gaston, den sie schon vorher von Dem, was sie plante, verständigt, mit den Augen ein Zeichen und entfernte sich au« den GesellschastSräumen. Im Corridor, der nach den Familienzimmern führte wechselte sie ein paar rasche, halblaute Worte mit Thielke, der im Glanze seiner Gala-Livröe und in der Würde de« ihm erwiesenen Vertrauens sehr selbstzufrieden strahlte. Madeleine sucht ihr Schlafzimmer auf, vertauscht ihr Costüm mit einer GesellschastSrobe und betritt mit er wartungsvoll klopfendem Herzen den anstoßenden kleinen Salon. Wenige Minuten später wird die Thür leise geöffnet und Thielke steckt spähend sein ungeheuer wichtig blickendes Gesicht hinein. „Alles in Ordnung", wispert er über seine Schulter, nach dem ihm Madeleine zugenickt. Dann tritt er zurück und läßt den von ihm geleiteten jungen Franzosen herein. - Gaston de St. Sauveur steht «inen Augenblick zaudernd und wirft einen unwillkürlichen neugierigen Blick um sich. Dann eilt er mit raschen Schritten auf Madeleine zu, drückt ihr die Hand und raunt ihr ekstatisch zu; „Ich danke Dir, Madelcine. ich danke Dir herzlich. DaS ist mehr, als ich von Dir erwartete. Hat es auch keine Gefahr für Dich?" Sie antwortet mit einer geringschätzigen, wegwerfenden Bewegung, als wenn sie sagen will: „Ich fürchte nichts." In ihren Mienen prägt sich ein Zug düsterer Entschlossenheit auS. Dann flüsterte sie ihm mit der sieberischen Aufgeregt heit, die die Situation in ihr erzeugt, eine Erklärung in s Ohr, die ihn veranlaßt, erstaunt, auf'S Höchste überrascht auszu rufen: „Wir? Der Oberst sagst Du? Der Schwager den Schwager?" Sie nickt, während ein Blitz deS Triumphe- in seinen dunklen, unruhevoll hin u«d herschweisendrn Augen aufleuchtet. „Du wußtest eS nicht, Gaston?" fragt sie. „Nichts! Ich hätt' cs Dir sicherlich sonst gesagt", ent fährt es ihm aufrichtig. „Und Du, woher weißt Du —?" Sie unterbricht ihn nervös, ungeduldig: „Ein andermal! Komm'! Wir haben keine Minute übrig." Sie faßt ihn an der Hand und schreitet mit ihm der Thür ru, die in daS Arbeitszimmer deS Obersten führt. Leise, auf den Zehenspitzen treten sie in das dunkle Gemach Madeleine hat sich vorsorglich mit einer Schachtel Streich Hölzer versehen. Sie weiß, daß auf dem Schreibtisch neben der Lamp« immer eine Kerze bereit steht. Diese entzündet sie und deutet dann mit stummer Geberde auf die Karlen, Broschüren und Manuscriptbogen, die auf dem Schreibtisch und dem danebenftehenden großen Tisch liegen.
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