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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.04.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-04-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950419027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895041902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895041902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-04
- Tag1895-04-19
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Was der „Weise von Friedrichsruh" den Deutschen in Oester reich gesagt hat, beansprucht die Bedeutung eines Programms für die Stammesgenoffcu im Osten, und seine Ansprache an die Innungsvertreter ist Wohl geeignet, eine große Be wegung in ein neues Bett zu leiten. Die Handwerker sind nicht nach Friedrichsruh gegangen, nur um Bismarck zu sehen, sondern um ihn auch zu hören, und cs ist nicht zu glauben, daß sie seinen Aussprüchen und Rathschlagen die Autorität absprechen. Entsprechen sie aber dieser Erwartung, so wird vom 17. April an ein Wendepunkt in der Handwerkerbewegung datiren. Fürst Bismarck hat die Zwangsinnung in das Bereich der Unmöglichkeiten ver wiesen und den Erwcrbsgruppen des Mittelstandes ohne Ausnahme die freien Innungen und Genossenschaften als die Boraussetzung einer gedeihlichen Zukunft empfohlen. Seine Gäste aus dem Gewerdcstande, wohl durchweg Anhänger der Zwangsinnung und des Befähigungsnachweises, der mit der obligatorischen Innung steht und fällt, werden betroffen ge wesen sein, die Heilmittel, an deren Wirksamkeit sie geglaubt batten, durch Len erfahrensten und treuesten Berather der Nation verworfen zu jeden und den sreiwiUigenZusammenschluß, dem sie entweder eine untergeordnete Bedeutung beimessen, oder den sie, wie auf dem Innungs- und Hanvwerkerlage im Jahre 1892 geschehen, geradezu bekämpfen, als den einzigen Weg zur Besserung der Lage ihres Standes bezeichnen zu hören. Aber Fürst Bismarck hat nun einmal, und nicht ungefragt, ge sprochen, und die Freunde der Zwangsinnung stehen nun vor der Alternative, ihr Programm zu revidiren oder ihre Be rufung auf den Altreichskanzler und die Fahrt zu ihm als eine Irrung erscheinen zu lassen. Große, mächtige Parteien haben jüngst erfahren müssen, daß sie an der gewaltigen Gestalt Bismarcks nicht „vorbei" können, und das waren Parteien, die gewöhnt sind, den Mann zu befehden. Die „Zünftler" aber, um den üblichen Ausdruck, den wir nicht als ein Scheltwort gebrauchen» beiznbehalten, haben sich durch ihre Reise und vorher als Be wunderer des Fürsten, als Gläubige an die Richtigkeit seines UrtbeilS und seiner wohlwollenden Gesinnung bekannt. Es geht um so weniger an, die alten Geleise weiter zu durch fahren, als Bismarck durch seine Bemerkungen über die Reichstagsmebrheit, über die als „Drohnen" lebenden Partei führer und über die Möglichkeit einer künftigen ständischen Vertretung die tiefe Kluft gezeigt hat, die sich zwischen ihm und den demokratisch-manchesterlichen, sowie den socialistischen Beurtheilern der Mittclstandsfragen aufthut. Wenn der Gewährsmann des „Hamb. Corr.", der am Vorabend deS Osterfestes mittheilte, in den „bestunter richteten und authentischsten politischen Kreisen" scheine man geneigt, nicht nur die Umsturzvorlage in iyrer jetzigen Gestalt anzunebmen, sondern auch durch weitere Eooperation mit dem Ecnlrum den Einfluß dieser Partei nicht blos im Parlament zu verstärken, seine Weisheit wirklich aus Kreisen hatte, die auf den Gang der inneren deutschen Politik einigen Einfluß haben, so haben diese Kreise sich inzwischen überzeugt, daß an maßgebender Stelle eine solche Absicht nicht besteht. Denn der Gewährsmann des genannten Blattes versichert beute selbst, daß „inzwischen" Gelegenheit gewesen sei,sich davon zu überzeugen, „daß an entscheidender Stelle diejenige Auffassung Freitag den 19. April 1895. -—-Ms nicht besteht, welche anfänglich augenscheinlich vorausgesetzt wurde. Erwägungen qllgemeinpolitischer Natur fallen auch jetzt wieder gegen eine Losung schwer ins Gewicht, bei der man einen beträchtlichen Theil derjenigen Richtungen, auf deren Unterstützung eine kräftige deutsche Politik rechnen kann und muß, zu Gegnern haben würde". Und die „Bert. Polit. Nachr.", die zwar nicht ofsiciös sind, aber doch von alter Zeit her noch gute Verbindungen haben, deuten die Stelle, über deren Auffassung „man" sich getäuscht hatte, mit den Worten an: „Wie 1892 wenden sich auch heute die Blicke vertrauensvoll nach der Stelle, welche im Jabre 1892, nachdem die Politische Äesammt- lage sich klar entwickelt hatte, jo rasch und so entschieden Abhilfe herbeigesührt hat. Mit vollstem Rechte. Man darf fest vertrauen, )aß auch die jetzige Verwickelung eine Lösung finden wird, durch welche die Sammlung der staatserhaltenden Kräfte zur Abwehr gegen die Umsturzbestrebungen nicht beeinträchtigt wird." Die Presse des Centrums, die bereits mit der Annahme der klerikaiisirten Umsturzvorlage, mit der Knebelung der liberalen Professoren, „die den Atheismus erfunden haben", wie mit einex Thatsache rechnete, stimmt ihre Hoffnungen denn auch erheblich herab. Die „Köln. Volksztg." erklärt zwar trotzig: „Entweder wird die Sache so gemacht werden, oder sie wird gar nicht gemacht", aber da das Centrum eS nie an den stolzesten Worten hat fehlen lassen, wenn es zur Nachgiebigkeit im Stillen entschlossen war, so darf man auch jetzt erwarten, daß es mit seinem nut-nut nur einen Rückzug einleitet. Wir weit dieser geht, hängt aber nicht allein von der Haltung der verbündeten Regierungen, sondern auch ganz wesentlich von den konservativen Fractionen ab, denen nicht eindringlich genug die Erinnerung an den 23. März ans Herz gelegt werden kann, der auf das Ueberzeugendste an den Tag ge bracht hat, was der UltramontanismuS aus den Büchern der Geschichte verlöschen möchte und wohin alle seine Bestrebungen zielen. Noch nicht anderthalb Jahre steht Oesterreich unter dem Zeichen der Coalition und schon droht dieser eine nicht mehr abzuleugnende Gefahr; und zwar haben die nach dieser Richtung auftauchenden ernsten Befürchtungen ihren Grund darin, daß sich innerhalb der Coalitionspärteien selbst An zeichen der Zersetzung bemerkbar machen. Zerfällt die eine oder die andere der coalirten Parteien, dann ist die Gefahr für die Coalition überhaupt ernst geworden. Innere Einig keit weist aber beute nur mehr die polnische Partei auf, die deshalb fest zur Coalition steht weil sie weiß, baß diese ihr die vortheilhafleste Gelegenheit bietet, den Ausschlag zwischen den beiden anderen Parteien zu geben. Im Lager der Conservativen ist die Zer klüftung seit dem Austritte Dipauli's auS dem Subcomitö deS Wahlresormausschuffes eingetreten, und sie macht Fortschritte, seitdem die Schwäche der liberalen Partei durch deren Nieder lage bei den Wiener Gemeindewahlen zutage getreten ist. E- verträgt sich schlecht mit dem durch die Coalition gebotenen Zusammenwirken der Conservativen mit den Liberalen, daß die Gegner dieser von konservativer Seite Unterstütz»«; finden. Am schlechtesten bestellt ist es aber in den Reihen der liberalen Partei. Man müßte die Wahrheit fälschen, wollte man verschweigen, daß der Abfall der Liberalen von ihren bisherigen Führern und ihr Uebertritt theils in deutsch nationale, theilS ins socialdcmokratische Lager täglich Fort schritte macht, daß ferner vaS Vertrauen zu den die liberale Partei im Cabinet vertretenden Ministern bei der eigenen Partei einen starken Stoß erhalten hat. Es braucht zur Kennzeichnung dieser Verhältnisse kaum etwas anderes an geführt zu werden, als daß sich die „N. Fr. Presse", also rin Blatt, das bisher vor Allem die Interessen der liberalen Partei vertreten hat, in ihrer Osternummer nicht nur gegen den der liberalen Partei angehörenden HandelSnnnister Grafen Wurmbrand wegen seines Verhalten« in Sachen der Eisenbahnverstaatlichung kehrt, sondern auch an den eigentlichen Vertreter der Partei im Cabinet, an Herrn von P lener, Mahnungen richtet, die einer Absage an ibn sehr ähnlich sehen und hierdurch tatsächlich den in den Kreisen der Partei herrschenden Stimmungen Ausdruck giebt. Wir wollen ununtersucht lassen, in wieweit eben Mangel an Einfluß Herrn v. Plener dahin gebracht haben mag, daß er die von seiner Partei auf ihn gesetzten Hoffnungen enttäuscht hat, allein die Enttäuschung liegt vor. Diese Wahrnehmung wird aber in ihren Folgen die beiden liberalen Minister nöthigen, entweder entschiedener für die Interessen der Partei einzutreten oder aber einzugestehen, daß ihre Bemühungen keine Aussicht aus Erfolg haben. In dem einen wie in dem andern Falle erscheinen die wegen des Bestandes der Coalition gehegten Befürchtungen gerechtfertigt. In der Zusammensetzung und Ausbildung der englischen Freiwilligencorps ist zwar in letzter Zeit, namentlich seit allgemeiner Einführung der vervollkommneten Schuß waffen, Manches gebessert worden, und die früher übliche Be zeichnung ihrer Ostermanöver als „Picknicks" trifft dem äußeren Scheine nach heute nicht mehr so ganz zu. Wenn aber die Londoner Blätter über den Verlauf der diesmaligen österlichen Freiwilligen - Manöver in überschwenglichen Worten berichten und behaupten, daß England in seiner Freiwilligenarmee eine Streitmacht besitze, die, obwohl noch nickt im Stande, überallhin zu gehen und alle« Erdeuklicke zu leisten, doch stetig dem Ideale militairischer Vollkommenheit näher rücke, so kann man allen Betheiligten nur wünschen, daß England niemals in die Lage ge- rathen möge, seine Rettung vor feindlicher Invasion bei den freiwilligen Milizen suchen zu müssen. FachmilitairS stellen jenen Formationen zwar bereitwilligst daS Zeugniß aus, daß sie leisten, was man den Umständen nach von ihnen billigerweise verlangen kann, aber da sie Niemand fragt, ob das Geleistete von irgend welchem militairischen Belang ist, so haben sie auch keine Veranlassung, ihr Urtheil zu specifiewen. Der Durchschnittsengländer fühlt sich beruhigt bei dem Ge danken, daß es auch ohne sclavische Nachahmung der conti nentalen Heereseinrichtungen „geht", und würde dem schlechten Dank wissen, der ihm hinsichtlich der Freiwilligencorps reinen Wein einschenkte. Er betrachtet die Sache mehr als Sport gleich dem Rudern, Football, Cricket und sonstigen Leibesübungen, denn als bitteren Ernst, vor welch letzterem England nach allgemeinem Dogma durch seine insulare Lage und seine Flotte ausreichend geschützt ist. Es bleibt also bei dem Ostermanöversport und bei der tablo eonvenue, daß damitden Bedürfnissen der LandeSvertheidigung Genüge geschehe. Nach einer Meldung der „Agenzia Stephanie" wäre der chinesisch-japanische Friedensvertrag gestern amtlich rati- ficirt worden und enthielte außer den bereits bekannten Ab machungen als letzten Punct den förmlichen Abschluß eines Handelsvertrags zwischen beiden Mächten. Wir glauben, daß diese Meldung richtig ist und daß auf die für Japan so eminent wichtige Mercantilconvention die schwarzseherischen Prophezeiungen englischer Blätter von einem Schutz- und Trutzbiindniß Japans und Chinas zu reduciren sind, ein Bündniß, das sich in Peking, wie in Tokio sehr bald als unrentabel und für beide Theile höchst unbequem heraus gestellt haben würde. Für uns ist es dabei von Bedeutung daß Deutschland ebenso wie eine Anzahl anderer Länder, kraft der Meistbegünstigung in China an allen handelspolitischen Errungenschaften Japans theilnimmt. Z. 40 des deutsch-chinesischen Vertrage- von 1881 lautet: „Die contrahirenden Theile kommen überein, daß den deutschen Staaten und ihren Unterthanen volle und gleiche Theilnahme an allen Privilegien, Freiheiten und Vortheilen zustehen soll, welche von Seiner Majestät dem Kaiser von China der Regierung oder den Unterthanen irgend einer anderen Nation gewährt sind oder noch gewährt werden mögen. Namentlich sollen alle Veränderungen im Zolltarife oder in den Bestimmungen über Zolle, Tonnen- und Hafengelder, Ein-, Ausfuhr und Transit, welche zu Gunsten irgend einer anderen Nation getroffen werden, unmittelbar und ohne besondere» neuen Vertrag auch auf den deutschen Handel an wendbar sein." Wie aus guter Quelle verlautet, hätte Japan sick aus bedungen, daß es für seine Einfuhr in Ebina künftig mit der Zahlung von zwei Procent der Selbstkosten sämmtliche In- landszölle begleichen kann, wofür bisher 50 Procent des Einfuhrzolles bezahlt werden mußten. Es wäre sehr wesent lich, wenn diese Vergünstigung auch dem deutschen Export zu Gute käme, allein bei der Billigkeit der Löhne in Japan, der verhältnißmäßig kurzen Entfernung desselben von China würde schon gegen die japanische Einfuhr kein anderes Land auskommen können, wieviel weniger gegen die in China selbst arbeitende japanische Industrie! Unter welchen günstigen Bedingungen diese producirt, beweist eine Mittheilung aus Kioto, wo am Montag eine große japanische In dustrieausstellung eröffnet worden ist, an die „Tiyies". In derselben wird hervorgchoben, daß Faserstoffe, Gewebe, Lederwaaren, Maschinen, Möbel, Strumpfwaaren, Eisen- und Stahlwaaren, chirurgische und wijjenschaftliche Instrumente, Chemikalien, Glaswaaren re. durch ihre ganz außerordentliche Billigkeit jede Concurrenz unmöglich machen. Der chinesisch-japanische Handelsvertrag ist also von höchster Bedeutung für die ganze übrige an dem Handel mit China interessirte Welt, und diese wird nunmehr keine Zeit verlieren dürfen» ihrerseits ihre Interessen zu wahren. Was Deutschland betrifft, so schweben gegenwärtig noch Verhandlungen mit Japan wegen eines neuen Handels vertrags und die Erörterungen des Zollbeiraths scheinen eben beendigt zn sein. Sollte japanischerseitS auf Grund der infolge des Krieges total veränderten Gesammtlage ver sucht werden, an den noch vor Beginn desselben vereinbarten Grundlagen zu rütteln, so bedürfte es allerdings deutscher seits neben der Entfaltung diplomatischen Geschicks auch eines genügend selbstbewußten Auftretens. Wenn es sich be wahrheitet, was dem „Hamb. Corr." anscheinend ofsiciös aus Berlin geschrieben wird, es sei ein Trugschluß, wenn man aus der Verstärkung unseres ostasiatischen Geschwaders schließen zu können meine, die Reichsregierung beabsichtige auf handelspolitischem Gebiete in Ostasien die Initiative ru ergreifen, man fühle nicht das Bedürfniß, der englischen Politik die Kastanien aus dem Feuer zu holen, so können wir dem nichts entgegenhalten, wollen aber hoffen, daß die Reichsregierung den Augenblick, wo ein Eingreifen zu Gunsten Deutschlands etwa nöthig wird, nicht verpaßt. Jedenfalls dürfte cS ein Irrthum sein, von einem gemeinsamen Vorgehen der Mächte, auf das man nach dem „Hamb. Corr." in Berlin zu hoffen scheint, sich irgendwelche Erfolge zu ver sprechen. Zu einem solchen Zusammengehen feblen, zumal bei den divergirenden Interessen Rußlands und Englands, alle Voraussetzungen. Wir müssen uns, wie mit China, so mit Japan, so gut wie möglich zu stellen, und höchstens mit Amerika nähere Fühlung zu finden suchen. isl Die Französin. Roman von Arthur Zapp. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) „Ich beantworte Ihre Frage mit einer Gegenfrage," ver setzte Lieutenant Kramer und nahm sein Gegenüber fest ins Auge —," was veranlaßte Sie, sich bei uns unter der Maske eines harmlosen Journalisten einzuführen, Herr Lieutenant de St. Sauveur?" Wenn der deutsche Osficier geglaubt hatte, seinen Gegner mit dieser Frage, die er ihm wie eine Pistole auf die Brust setzte, varnicdergescbmettert zu sehen, so irrte er sich. Keine Miene in dem Gesicht des Franzosen deutete auf ein böses Gewissen hin, vielmehr zuckte ein leichtes Lächeln darin ans, während er mit leiser Ironie entgegnete: „So sehr auch Ihr liebenswürdiges Interesse schmeichelt, Herr Lieutenant, so muß ich doch zu meinem Bedauern Ihre Wißbegierde ungestillt lassen, denn das Motiv meines In kognito ist ein Gehcimniß, das ich mit einer Ihnen nicht un bekannten Dame theile. Mehr brauche ich Ihnen als Cavalier wohl nicht zu sagen." „Ein Teufelskerl," dachte der deutsche Osficier mit einer ärgerlichen Empfindung bei sich — „hat sich aus alle Even tualitäten gefaßt gemacht." Ein klein wenig bänglich wurde ihm zu Muthe, als er bedachte, daß er vielleicht schon zu spät komme uud mit einer Stimme, die den Unmuth in ihm nicht ganz verbarg, sagte er laut: „Doch — doch, Herr de St. Sauveur, Sie schulden mir noch über so mancherlei die nöthigen Erklärungen, die ich Ihnen nicht erlassen werde, wenn ich auch die Eigenschaft eine- CavalierS für mich in Anspruch nehme. Ich meiner seits aber finde es wenig cnvnljöremont, sich hinter dem Rocke einer Dame zu verkriechen, wenn man sich in der Klemme sieht." Der Angeredete gab sich eine stolze, ablehnende Haltung. „Ich glaube nicht, daß Sie zu nnr gekommen sind, Herr Lieutenant Kramer", versetzte er und sah bezeichnend nach dem Untrrofficier hinüber, der lautlos, in strammer militai rischer Haltung unweit der Thür stand, „um mir in Gegen wart dieses braven Unterosficiers Ihre Ansichten über cavasier- mäßiae Handlungsweise zum Besten zu geben." „Sie haben recht", sagte der Andere, faßte seinen Säbel und stützte sich auf den Griff, „kommen wir zur Sache! Ich frage Sie, was hatten Sie gestern Abend während der Gesell schaft im Marenburg'schen Hause im Arbeitszimmer des Obersten zu thun?" „Ah!" Der Franzose that, als ob ihm jetzt plötzlich ein Licht über den eigentlichen Zweck deS überraschenden Besuches aufginge. „Sie wissen —'? Nun, die Antwort auf Ihre Frage bat Ihnen vermnthlich bereits Ihr Freund, Herr Assessor von Marenburg, gegeben, als dessen Vertreter ich Sie wohl bei mir zu sehen die Ehre habe —" Aber der deutsche Osficier batte die Geduld verloren, mit seinem Gegner noch länger Verstecken zu spielen. „Sie täuschen sich", entgegnete er kurz und bestimmt, „wenn Sie glauben, daß ich als Cartelltrciger komme, um Ihnen die Ehre anzuthun, Ihnen die Forderung meines Freundes zu überbringen." Dem Franzosen noch einen Schritt näher tretend, ihm fest ins Auge blickend, rief er mit erhobener Stimme und einem Ausdruck unverhohlener Verachtung: „Mit einem Spion schlägt man sich nicht." Gaston de St. Sauveur verlor nun doch auf eine Sekunde seine Haltung und sein Gesicht wurde noch um einen Schatten bleicher. Aber er batte sich trotzdem gut in der Gewalt und schon im nächsten Augenblick fuhr er mit ziemlich natürlicher Entrüstung auf: „Mein Herr —" Aber dann schien er plötzlich die Situation humoristisch aufzusaffen, und er ließ ein lustiges Lachen hören: „Sie sehen Gespenster, Herr Lieutenant Kramer." „Meinen Sie?" entgegnete der Artillrrirofsicier, dem e» in allen Nerven zuckte, seine Nachforschungen zu beginnen. „Nun, wir werden ja sehen, wer von uns Bride» Grund zum Lachen hat." Er wandte sich an den Unterofsicier, welcher der ganzen deutsch geführten Unterhaltung mit stillem Interesse ge folgt war: „Unterofsicier Fichter, sehen Sie sich einmal den Inhalt des Schranke- da und der Commode an! Alles Schriftliche, sowie etwaige Photographien — der Herr ist Amateur« Photograph —, die Sie finden, legen Sie hierher auf den Tisch!" Als der Unterofsicier sich anschickte, dem Befehle seines Vorgesetzten nachzukommen, trat ihm der Franzose mit zorniger Geberde in den Weg: „Ich verbiete Ihnen, Unterofsicier —" und zu dem Lieu tenant gewandt: „Ich protestire gegen eine solche Behandlung. Ist das die Gastfreundschaft, die man in Deutschland fried lichen Fremden erweist?" Der deutsche Osficier aber versetzte kühl und unempfindlich: „Ich gebe Ihnen den Vorwurf zurück: Sie habe» mit der Gastfreundschaft, die man Ihnen erwiesen, schnöden Mißbrauch getrieben. Öder sollte es nur ein Zufall gewesen sein, daß Sie sich gerade das Arbeitszimmer des Obersten zum Schau platz Ihres angeblichen Stelldicheins gewählt ?" Der Franzose blieb die Antwort schuldig und trat ein paar Schritte zur Thür. Aber der Artillerieofficier kam ihm zuvor, drehte den Schlüssel herum unv steckte ihn in die Tasche mit den Worten: „Sie sind einstweilen mein Gefangener, Herr Lieutenant de St. Sauveur. Sollte eS sich Herausstellen, daß mein Arg wohn ein unbegründeter war, so werde ich nicht verfehlen, Sie um Entschuldigung zu bitte». Sie mögen dann die kleine Behelligung als eine Strafe für die Täuschung ansehen, die sie sich mit der Familie des Obersten und mit uns Allen er laubt. So! Nun nehmen Sie Platz» wenn eS Ihnen gefällt, und damit Ihnen die Zeit nicht lang wird, können Sie sich auch eine Cigarre anstecken, ganz wie eS Ihnen beliebt. — Unterofsicier Fichter, thun Sie, was ich Ihnen befohlen." Der Franzose setzte sich mit stillem Ingrimm. „Ich füge mich der Gewalt", sagte er etwa« pathetisch, während der Unterofsicier sich mit Eifer an die Durchsuchung aller Möbelstücke machte. Aber so sorgsam er auch forschte, nirgends fand sich daS Geringste, das dem Verdachte des deutschen Officiers auch nur einen Schatten von Anhalt gegeben. Die wenigen Zeitungen und Schriftstücke, die sich vor fanden und deren Durchsicht der Lieutenant Kramer sogleich vornahm, erwiesen sich schon bei der oberflächlichsten Be trachtung al- gänzlich unverdächtig. Dem Artillerieofficier wurde von Minute zu Minute unbehaglicher zu Muthe. DaS Lachen, daS ibm einige unter den Papieren de» Franzosen Vorgefundene Schilderungen deutschen gesellschaftlichen Lebens entlockt, machte einer Miene ärgerlicher Enttäuschung Platz. Sein Gesicht wurde länger und länger, je weiter der Unterofsicier in seiner resultatlosen Nachsuchung vorschritt. Die verstohlenen Blicke, welche er auf den französischen Osficier warf, singen an, die Verlegenheit, die ihn überkam, wiverzuspiegeln. Der Gedanke, daß er das Opfer einer Selbsttäuschung gewesen, daß er sich von der Spionenfurckt habe anstecken lassen und nun dem Franzosen gegenüber als Beleidiger dastand, jagte ihm heiße Schauer durch den Leib. Immer ängstlicher hing er mit seinen Blicken an jeder Be wegung, jeder Miene seines Unterosficiers. dessen stereotypes Achselzucken und einförmige Meldung: „Nichts, Herr Lieute nant" ihn nervös zu machen ansing. Desto behaglicher schien Gaston de St. Sauveur sich zu fühlen. Die Enttäuschung, welche deutlich genug in dem Mienen - spiel seines Gegners zum Ausdruck gelangte, schien ihm ein ungemeines Vergnügen zu bereiten. Es schien, als habe er den Aerger, der ihn anfänglich beherrscht, nun völlig über wunden und al- sei er nun nur noch für den Humor der Situation empfänglich. Er griff nach einer der Cigarren, die auf dem Tisch lagen und setzte sie mit einem ironischen: „Mit Ihrer liebenswürdigen Erlaubniß" in Brand, lehnte sich behaglich in seinen Stuhl zurück, schlug die Beine über einander und sah dem emsigen Bemühen seines Besuches mit spöttischem Lächeln zu. Alles war durchsucht, bis auf die Kleidungsstücke, die im Schrank hingen. Der Unterofsicier warf einen fragenden Blick auf seinen Vorgesetzten, dieser kaute unentschlossen an seinem Schnurrbart, in der übelsten Stimmung. „Bitte, genieren Sie sich nicht", ries der Franzose mit ironischer Höflichkeit, stand selbst auf und entledigte die Taschen der Kleider, die er anhatte, ihres Inhalts, während er, jeden einzelnen Gegenstand in die Höhe haltend, mit lauter Stimme verkündete: „Ein Portemonnaie — ein Taschenkamm — ein Messer — ein Taschentuch — Sie sehen, meine Herren, ich tbue mein Möglichste-, um Ihnen Ihre schwierige Ausgabe zu erleichtern. Ich darf nun wohl hoffen, daß Sie mich der Ehre Ihre- geschätzten Besuches entheben. Ich bin nämlich hundemäßig müde und möchte mich gern noch ein paar Stunden aufs Ohr legen." Der deutsche Osficier würdigte den Sprechenden keiner Antwort, sondern gab dem Unterofsicier rin Zeichen, seine Nachforschungen im Schlafzimmer fortzusetten, was zur Folge hatte, daß der Humor und die Gelaffenheit de» Franzosen plötzlich wieder in ärgerliche Erregung umschluaen. Er stieß einen französischen Fluch au», dem ein paar heftige Wort»
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