01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.04.1895
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-04-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950427012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895042701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895042701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-04
- Tag1895-04-27
- Monat1895-04
- Jahr1895
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Amuchmschluß für Aazrizen: l,»r Wochentag») «beud-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Marge,.«,»gabr: Nachmittag- 4 Uhr. Bet de» Ultale» und Annahmestellen je eine halb« Stunde früher. «uzetge« find stet« an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von «. Pol, in Leipzig. 89. Jahrgang Amtliche Bekanntmachungen. Die Beerdigung unseres verstorbenen Collegen, des außerordentlichen Professors der philo sophischen Facultät Herrn vr. pW. Robert Sachsie findet Sonntag, den 28. April, Nachmittags, die vorausgehende Trauerfeier um 4 Uhr in der Kirche -u Leutzsch statt. Für diejenigen Herren College«, welche an derselben theilnehmen werden, stehen Wagen von TV- Uhr vor dem Museum (AugustuSplatz) bereit. Leipzig, am 26. April 18S5. Der Reetor -er Universität. vr. P. Flechsig. Bekanntmachung. Da» städtische Freibad a» Schleußt,er Wege wird am 18. Mat d. I. erdsfaet. Di« Beaufsichtigung desselben ist auch in diesem Jahre Herrn Uschermeister Earl Wilhelm Meißner hier übertragen worden. Für die Benutzung de» Freibad«» gelte» die unter T nach stehenden Vorschriften. Leipzig, den 22. April 18SS. Der Rath der Etadt Leipzig. Id. 1716. De. Georgi. Morche. T 1) Die Anstalt kann in der Zeit von Morgen» S bi» Nach- mittag» 1'/, Uhr und von Nachmittag» 3'/, Uhr bi» zum Dunkel- werden unentgeltlich benutzt werden. 2) Die tägliche Schlnßzeit wird durch zwei Zeichen mit der Glocke augegebeu. 3) Nach dem ersten Zeichen wird Niemand mehr eingelassen, »ach dem zweite» habe» dt« Badenden sich sofort au» den Bassin» und sodann mit möglichster Beschleunigung an» der Anstalt zu entfernen. 4) Erwachsene werden in da» Bad nur gelassen, wenn sie mit Badehosen versehen sind. ü) Die Perron», Brücken, Au», und LuklrideKellen, Bassin» »ad sonstigen Räumlichkeiten der Anstalt dürfen in keiner Weife verun reinigt werden. 6) Niemand darf den Anderen bespritzen, untrrtaucheu oder sonst belästigen. . .... 7) Alle» unnöthige Schreien, Lärmen und Herumlcktfen In der Anstalt ist untersagt. 8) Abwaschungen mit Seife dürfen nur an dem dazu bestimmten Orte vorgenommen werden. 5) Da- Ein- und Au-stetgen darf nur auf Len Treppen geschehe». 10) Die j«d«»malige Benutzung der Anstalt ist ans die Dauer einer Stunde beschränkt. 11) Da» Mitbringen von Hunden in di« Anstalt ist verboten. 12) La» Betreten der Rasenböschnngen, da» Uebersteigen der Barriören und da» Baden in den Zu- und Abflußgräben ist nicht gestattet. 18) Jeder Besucher der Anstalt hat dem Aufseher auf dessen Brrlaageu seine» Namen und Stand, sowie seine Wohnung zu nennen. 14) De» Anordnungen de» Aufseher» ist unweigerlich Folg« zu leisten. 1b) Widersetzlichkeiten gegen denselben oder Zuwiderhandlungen gegen dies« Vorschriften werden mit Geldstrafe oder Haft oder auch mit dem Verbot« fernerer Benutzuug der Anstalt geahndet. Bekanntmachung. Der die-iährige Leipziger WuNmarkt wird am 17. und 18. -mit diese« -atzre« auf dem -leischerplatze Hierselbst ob- gehalten; e» kann jedoch die Anfuhre der Wolle in hergebrachter Weise bereit» am 16. Amt er. erfolgen, während da» An»leg«n derselben an diesem Lage nicht stattflndea darf. Maschine» und Gerüche, welche zur Landwirthschaft »nd mr Wollproducttoa Beziehung haben, können während de» Wollmarke» daselbst aufgestellt werde». Leipzig, den SS. April 189b. Der «atd der Et«dt Leipzig. I». 1860. vr. Georgi. -rumbiegel. Steckbrief. Gegen den unten beschriebenen Haurknecht Otto Schmidt au» Brehua, zuletzt iu Schkeuditz aufhältltch, geboren am 24. Juli 1874 zu Brehna, welcher flüchtig ist, ist die Untersuchung»-«« wegen Unterschlagung verhängt. E» wird ermcht, denselben zu verhaften und in da» nächste Gericht»- Gefäugntß abzuliefrr», sowie zu den hiesigen Acten 7 VI k. 828/94 Nachricht zu geben. Hall« a/S., den 18. April 18SS. Der Kduigltche I. Etaat»au«alt. Beschreibung. Alter: 20 Jahre, Statur: »aterfetzt. Haare: dunkelbraun, Stirn: niedrig, Augenbrauen: blond. Rase: stumpf, Mnnd: gewöhnlich, Zähne: gesuud, -in»: rund, Gesicht: rund. Gesichtsfarbe: gesund, Sprach«: deutsch. Kleidung: carrirter dunkler Joquett-An-ug. weicher schwacher Hut »nd rind-lederne Halbsttefelu. Besonder« Kennzeichen: Schmidt geht etwa» geduckt. Bei der Unterzeichneten Lande-anstalt ist die Lieferung von 148SO dg »Ute« reinen Prtrolen« zu vergeben. Die An- lieferuag hat franco Anstalt «tt 2000 dg am 1. September SS, 8000 - - IS. Oktober SS, 8000 - - I. December VS, 8000 - - 1». Januar 96. 3V00 - - 1. März z» «folgen. — 1,» » Angebote unter Beifügung de» Preise» bi» zum 10. Mai diese» Jahn» erbeten. ^»ntgltche L»nde»»«»st^t Hachwe^sche» ». »lofterdnch, ». E«r««r Der städtische Lagerhof in Leipzig l«Mrt V««rrn «Irr Art zn billigen Tarifsätze«. Die Lage» schein« werde» von de» «eiste» Bankinstitut«» belieben. Leipzig, den 26. April 1894. Dt« Depntntio» zm» Lngertzofe. Ban-Areal, in nächster Näh» st«» Bntznhose» »nst strr H«rth»«i»»n, schön gelegen, hat billig ,n verkanfe» Per Etnsttrnttz z» Swrukn». Der Begriff -er Beschimpfung und die Umsturzvorlage. Unter dieser Uebersckrist veröffentlicht der LandgerichtSrath vr. Kroneckerin dem freiconservativen „Deutschen Wocheubl." einen lehrreichen Artikel, der sich gegen die Vertreter der Ansicht wendet, daß die deutschen Richter nicht im Zweifel darüber sein würden, wo eine der von der klerikalisirten Umsturzvorlage mit Strafe bedrohten „beschimpfenden" Aeußerunaen über Religion, GotteSglauben, Christenthum, kirchliche Lehren, Monarchie, Ehe, Familie und Eigenthum wirklich vorliege, und daß daher nicht zu besorgen sei, der klare und einfache Begriff der Beschimpfung werde verkannt und auf blo» leichtfertig« Bemerkungen oder auf eine freie Be- urtheiluna, ein freie- Wort zur Bekämpfung von Uebrlständen zum Nachthril der freien geistigen Entwickelung de» Volke» anarwendet werden. Diese Ansicht bezeichnet der Ver fasser als vnrutreffeud und begründet diese» Urtheil durch folgende Ausführung, deren Beachtung sowohl den ver bündeten Regierungen als auch den konservativen Parteien de» Reichstage» auf da» Angelegentlichste empfohlen sei. „Der BeschimpfuugSbrgriff ist nach dem Ergebniß der jetzigen, sich wesentlich auf H. 166 beziehenden Rechtsprechung (die Beschimpfung de» Andenken» Verstorbener in 8- 189 und der beschimpfende Unfug an Hoheitszeichen in 8. 13S, au Gräbern in 8- 168 kommen weniger in Betracht) ein durchaus unsicherer; er ermangelt jeder festen Begrenzung und aiebt bei der Anwendung zu Zweifeln mannigfacher Art Veranlassung. Der Ausdruck „beschimpfen" bezieht sich seiner ursprüng lichen Bedeutung nach auf Angriffe gegen Menschen. Nach Grimm ist beschimpfen „mehr al» beleidigen, weniger als entehren; beleidigen braucht keinen Schimpf zu enthalten und kann blo- wehe thun; beschimpfen rührt die Ehre an, ohne sie zu nehmen". Immerhin ist der Begriff auch in seiner übertragenen Anwendung auf Angriffe gegen concrete leblose Gegenstände (Hoheitszeichen, Gräber) unschwer festzustellen. D« Schwierigkeiten beginnen erst mit der Ausdehnung auf Abstraktionen, wie Religionsgesellschaften, deren Einrichtungen und Gebräuche. Nach dem Sprachgebrauch de» Leben» b«eichnet man als beschimpfend einen Angriff, welcher in der Rohheit de» Aus druck» und darin sich kuudgebeudru Niedrigkeit der Gesinnung da- Bestreben zeigt, den angegriffenen Gegenstand in den Staub zu ziehen. So kennzeichnen namentlich Haelschner in seinem Strafrecht und Wach in seinem ausgezeichneten Artikel im Januarheft 1893 der „Preußischen Jahrbücher" jenen Begriff. Da- Reichsgericht nähert sich in einzelnen der zahlreichen hierüber rrgangrneu Entscheidungen dieser Auffassung, ohne sie bestimmt und ausschließlich zu vertreten. Während der erste Senat in einem Urtheil vom 21. Februar 1884 für die Annahme der Beschimpfung Rohheit des Ausdrucks verlangt, heißt e- in einer Entscheidung de» dritten Senat» vom 11. März 1882, da» Beschimpfen erfordere zwar gemeinhin" einen stärkeren Grad, eine verletzendere orm beleidigender Mißachtung, jedoch sei der Jnstanz- richter rechtlich unbehindert, m Ausdrücken oder Dar stellungen herabwürdigender und geringschätzeuder Art gleichzeitig Beschimpfungen zu erkennen, da diese Begriffe dem Wesen nach gleichbedeutend seien. Dieser An sicht kann nicht beigetreten werden. Eine bloße Kundgebung der Geringschätzung und «ine Beschimpfung sind dem Wesen nach grundverschieden: rrstere braucht keineswegs die Rohheit de» Ausdruck» und Gemeinheit der Gesinnung zu verrathen, welche für letztere erforderlich ist. Derselbe M. Senat sagt in einem Urtheil vom 31. März 1880, für die Frage, ob Beschimpfung vorliegt, seien die gewäblten Ausdrücke nicht allein maßgebend, vielmehr auch die obwaltenden Umstände zu berücksichtigen. Dagegen lehnt der I. Senat in seinem Urtheil vom 13. 20. Februar 1893 — einer derjenigen Entscheidungen, welche sich mit dem heiligen Rock zu Trier befassen — da» verlangen de« Angeklagten, bei Entscheidung der BeschimpfungSfrage auch den Gesammt inhalt seiner Flugschrift zu berücksichtigen. ausdrücklich al» unberechtigt ab. Warum der Gesammtiuhalt einer Schrift au» der Reihe der hier in Betracht zu ziehenden „Um stände" au»grschloffen werden soll, ist nicht ersichtlich. Da» Reichsgericht betont zwar mehrfach, der Begriff der Beschimpfung dürfe nicht verkannt werden, derselbe decke sich z. B. nicht mit dem der „Verspottung". Aber e» hat niemals eine Bestimmung jene« Begriffe» gegeben, e» hat vielmehr immer wieder als einen Gegenstand that sächlicher Erwägung erklärt, ob eine Beschimpfung vor- liegt, oder nicht. „Ebenso fließend", sagt der tv. Senat in seine« Uriheil vom S. Februar 1885, „wie die Grenzen »wischen blo» beleidigender Kundgebung und Beschimpfung ist aber auch die Grenze zwischen der letzteren uud einer bloße» abfällige« Kritik." Nicht miuder schwierig al» die Feststellung der Beschimpfuug ist die Feststellung de» beschimpften Gegenstände», also di« Entscheidung der Frage, ob B. durch Angriff« auf «er- -in.»- -M-- -Mi-l»-» R-Iiq-i- d-° A "'Di-"r-i- B-w-aung, w-lch- bi-rdll-ch d-n i^richtkn Der Rrdac- Beschimpfung Anderen durch AuS- tragen. Die Ergebnisse der sind widerspruchsvoll und unbefriedigend teur des ..Kladderadatsch" wurde wegen der Reliquieoverehrung, begcmgen unter . t,n b-„-ff« d-r r,i»-r s-b--uch'-» »u». druck „Humbug", angttlagt, aber fre'gesproch ' ^ dacteur Siwinna in B-uth-n wegen deS g e.chen ^ verurtbeilt Die Frage, ob m emer Beschimpfung»«« «u» -i-rb-upl li-g-, war im -rstm S-ll «"'A bejaht; beide Urtbeile fanden die Billigung de» R«ch«ger'cht». Derartige Beispiele lassen sich au» der Prax.» «och mehr an führen. Ein Redacteur, welcher bezüglich einer kirchlichen Em richtung die Worte „ist e» nicht eine Schande? gebrauchte, wurde s^reigesprochen. dagegen »« Verfasser emer Flugschrift, welche die Ausstellung de- heiligen RockeSalS„schmack voll" bezeichnete. vernrtheilt. Auch diese be'den Ent- scheidungen wurden in der RevisionSinstanz aufrecht er halten. Der letztgedachte Fall muß besonder» hervorgrhvbea werden. Er kennzeichnet die groge Ausdehnung, welche der BeschimpfungSbegriff in der Rechtsprechung erhalten hat. ES ist klar, daß hier, wo ein Protestant eine,hm anstößige Einrichtung der katholischen K,rche al« „schmachvoll oder „Schande" bezeichnet, eine Beschimpfung in dem oben dargestellten S,nn de» gewöhnlichen Leben- nicht vorliegt. Der Aeußernde hat die angegriffene Einrichtung keineswegs roh in den Staub gezogen, sondern sie blo« m kräftiger Ausdrucksweise al» Da» bezeichnet, wofür er sie auf Grund seiner kirchlichen Auffassung hält und halten muß. solche Aeußerungeu zeigen nicht eine gemeine, »w Religion verachtende, den Grundlagen unserer Gesellschaftsordnung feindliche Gesinnung, sondern gerade im Gegentheil eme tiefe religiöse Ueberzeugung. Mit Recht hat namentlich Wach darauf hingewieseo, daß in den Schriften Luther-, in den Schmalkaldischen Artikeln und zahlreichen anderen Veröffentlichungen der Reformationszeit sich viel schärfere Ausdrücke finden; da- Gleiche gilt aber auch von neueren Geschichtsschreibern, welche da« Reformationszeitalter be handeln und hierbei da» Ablaßwesen --- unzweifelhaft eine Einrichtung der katholischen Kirche — besprechen. Die Gerichte haben bei ihren Berurtheilungen meist zu sehr die Angehörigen der angeblich beschimpften ReligionS- grsrllschaft und deren Gefühle berücksichtigt uud dann regel mäßig gefolgert, weil der Angriff von diesen Personen al» beschimpfend empfunden ward, müsse sich der Aeußernde dieses beschimpfenden Charakter- bewußt gewesen sein. Die Gerichte haben dann meist den angeblich beschimpfenden Charakter unter Anführung näherer Umstände derart tat sächlich festgestellt, daß da- Reichsgericht im Revisionswege eine Gesetzesverletzung nicht finden konnte. Aber daß der artige Berurtheilungen da- RrchtSgefübl der Mehrheit de- Volke- verletzen, ist unzweifelhaft. Sie lassen — von wissenschaftlicher Kritik ganz abgesehen — ein kräftige-, wirkungsvolle» Wort gegen kirchliche Mißbräuche gefährlich erscheinen. Diese Erfahrungen ermuthigen nicht dazu, mit einer weiteren Ausdehnung de» BeschimpfungSbegriff» vorzugehen. Die« geschieht aber schon im Entwurf. Wenn hier be schimpfende Angriffe gegen Monarchie, Ehe, Familie unter Strafe gestellt werden, so klingt die- zunächst ganz unbedenk lich. Zieht mau aber jene Rechtsprechung in Betracht und erwägt man, daß danach Aeußerungeu, welche im gewöhn lichen Sinn keine Beleidigungen sind, doch ohne erkennbaren RechtSirrthum als solche festgestellt werden können, so muß man auf die Möglichkeit gefaßt sein, daß irgend eine scharfe Aeußerung eine-Hamburgers oder Lübecker» zu Gunsten der Re publik als Beschimpfung der Monarchie gedeutet werden könnte. Eine solche Beschimpfung würde andererseits möglicherweise festgestellt werden, wenn lediglich ein Angriff gegen bestimmte Zustände innerhalb der mecklenburgischen Monarchie beab sichtigt ist. Achnlich liegt die Sache bei Beschimpfungen der Ehe; eine scharfe Verurtheilung der Grldheirathen könnte zum Beispiel unter Umständen al- eiue solche Beschimpfung angesehen werden, ebenso eine vom katholischen Standpuncte an- erfolgende Verurtheilung der Wiederverheirathung Ge schiedener oder der Mischehen, wobei allerdings hervor- »»heben ist, daß schon unter der jetzigen Gesetzgebung der Pfarrer Bechtold in Thannweiler bestraft wurde, weil er eine derartige Ehe den Anschauungen seiner Religion ent sprechend als Concubiuat bezeichnet hatte. Weit bedenklicher ist die Aufnahme de-Eigeathum» unter die gegen beschimpfende Angriffe geschützten Recht-- güter. Der da« heutige Recht überwiegend, wenn auch nicht ausschließlich beherrschende römische EigeathumSbegriff wird von vielen Seiten angefochten, eine stärkere Berücksichtigung de» deutschen Recht» empfohlen. Eine scharfe Vertretung diese» Standpuncte- könnte leicht eine Verurtheilung au» 8. 130 Absatz 2 nach sich ziehen, nicht minder eine schroffe Hervorhebung der Mißstände, welche der Erwerb großer Vermögen iu der Weise mit sich bringt. Eine Fülle von Zweifeln nnd Streitfragen würde gerade bei diesem Puacte auftauchen. Die Bedenken gegen die Aufnahme der Religion an dieser Stelle ergeben sich aus dem oben Angeführten. D,e Commission hat zwar die Worte „die Religion" hier aestrichen dafür aber die weit gefährlichere Aenderung de« §. IKK ausgenommen. Nicht nur sollen schon beschimpfende An- «"ffe auf den Glauben an Gott oder da» Chnstenthum geahndet werden, sondern -» sollen auch, dem Entwurf de» Strafgesetzbuches entsprechend, die Lehren wieder geschützt Wa» für Unpäßlichkeiten daran» entstehen nUen, s^.^lcht einzufehen. Bi» jetzt waren Angriffe gegen einzelne Lehren al» solche straffrei. Der erste Strafsenat Reich», arricht» verlangt ,a einem Urtheil vom I. December 1894 de, emer Beschimpfung der UnfehlbarkeitSlehr, den Nachwei, ???" Annahme, daß damit gleichzeitig d,e katholische Kirche beschimpft werden sollte. Lei Annahme der Commisfiousvorlage wird jede scharf, Veurtheiluag ,m« der vielen dem Andersdenkenden anstößigen Lehren der katho- ischen Kirche der Gefahr einer Anklage auSgrsetzt sein. Mit Recht hat Wach hervorgehoben, daß schon der jetzige, al« FriedenSgesetz gedachte 8 166 vielfach, namentlich von der katholischen Kirche, al» Kampfmittel »»»genutzt wird; nach Aufnahme der „Lehren" würde da» iu noch weit höherem Maße der Fall sein. Nun könnten allerdings die Anhänger der Vorlage Fol gende- einwenden. Die bürgerliche Gesellschaft befindet sich n einem schweren Kriege gegen die Umsturzbestrebungen. Sie »raucht hierbei kräftige» Rüstzeug, wozu auch die vorliegenden Strafbestimmungen gehören. Wenn hierbei einer oder der andere scharfe Kritiker oder Vorkämpfer gegen kirchliche Miß- »räuche durch ein sachlich ungerechtfertigte- Urtheil leidet, so ist die» ebensowenig zu vermeiden, wie sich sonst Mißgriffe -er Behörden und namentlich der Gerichte vollständig ver meiden lassen. ES sind die» die Ovfer. welche die Gesellschaft »ringen muß, um in jenem Kampfe Boden zu gewinaea. DaS würde richtig sein, wenn Aussicht vorhanden wäre, diese- Ziel auf dem angegebenen Wege zu erreichen. DaS ist aber nicht der Fall. Die Strafbestimmungen gegen Gotteslästerung wollen nicht Gott schützen, sondern nur da» religiöse Gefühl. Um ;erade die schlimmsten, am meisten verletzenden Angriffe auf diese» Gesühl zu treffen, nahm man den Begriff der Be schimpfung auf. Durch die neuen Bestimmungen der Vorlage würde auch nicht» weiter geschützt werden al- da» monarchische Gefühl, die Empfindung für Ehe und Familienleben da» Eigenthum paßt auch in diesen Zusammenhang nicht hinein). Jene Grundlagen der Gesellschaftsordnung selbst dagegen würden lediglich durch Verhinderung beschim pfender Angriffe keinen nennenSwerthen Schutz erfahren; zrrade derartige Anariffe sind am wenigsten geeignet, diese Grundlagen zu gefährden. Auch in Arbeiterversammlungen machen heutzutage bloße Schimpfreden keinen erheblichen Ein druck mehr. Eine knappe, in agitatorischer Allgemeinheit ge haltene Schilderung der Mißstände, zu welchen das private Gruadrigenthum in deu Städten führt, enthält einen weit gefährlicheren Angriff gegen die Einrichtung de- Privateigrn- thumS überhaupt, als wenn die» letztere noch so oft als .Raub" oder „organisirte AuSplüuderung der arbeitrude« chimpfender Artikel in der „Freiheit". Gelänge wirklich die lntervrückung aller solcher Beschimpfungen, so würde die« ediglich die staat-erhaltenden Gruppen in eine gefährliche Sicherheit wiegen und zu dem Glauben veranlassen, daß die Umsturzpartrien nicht mehr thätig seien, weil man ihr miß tönende» Feldgeschrei nickt mehr hört." Deutsches Reich. * Leipzig, 26. April. Die Ersatzwahl in Dresden- Land veranlaßt die „Leipziger Zeitung" zu folgender Be trachtung: „Für unseren Satz, daß da- Reformerthum sich mehr und mehr zur Vorfrucht der Socialdemo kratie entwickele, hat gestern der Wahlkreis Dresden-Land ein Beispiel von klassischer Reinheit geliefert. In diesem Wahlkreise hat sich da» Stimmenverhältniß während der letzten fünf Jahre folgendermaßen entwickelt: Wahl vom Jahre: 1890 1893 I 1893 II 1895 Toaservative. 14 589 4 4SS 7 779 Social- dewokrateu. 12726 14 250 16943 16S7S Antisemiten. 10603 1? 08? 8 693 Noch im Jahre 1890 siegt der Conservative (Geh. Hofrath Ackermann) im ersten Mahlgang gegen den Socialdemokraten. Drei Jahre später stellen die Reformer in dem bisher kon servativ vertretenen Wahlkreise dem conservativen Candidaten (Förster-Zaukerode) einen Sondercandidaten gegenüber, der in der Stichwahl mit knapper Mühe und conservativer Hilfe den socialdemokratischen Gegner schlägt. Wieder zwei Jahre später geben die Reformer gegen die Conservativen aber mals mit einer Sondercandidatur vor und erreichen damit, daß der Socialdrmokrat gleich im ersten Wahl gang gewählt wird. So ist der Wahlkreis auf dem Umwege über da- Reformerthum auS conservativrm in socialdemo- kratischrn Besitz übergegangen, ohne daß die Zahl der social- demokratische» Stimmen deswegen gewachsen ist. wenigsten» nicht während der beiden letzten Jahre. Lediglich der Aufstellung einer antisemitischen Sondercandidatur in einem bisher conservativ vertretenen Wahlkreise verdankt der social- demokratische Eandidat somit seinen Sieg. Denn die 103 Stimmen, die er mehr erhielt, als beide Gegner zu sammen, würden die Ordnung-Parteien, wenn sie sich nicht gespalten und alle Mannen auf Deck gebracht hätten, zweifellos noch aufgebracht haben. Von den vorausgegangenen Wahlen in Eisenach, Remscheid rc. unterscheidet sich die Dresdner nicht im Princip, sondern nur dadurch, daß durch die Spaltung, die hier durch die Antisemiten allein, dort und anderwärts durch Antisemiten und Bund der Landwirthe gemeinsam in die Reihen der Ordnung-parteien getragen wurde, der Wahlkreis hier sofort verloren gegangen ist, während in Eisenach rc. die Zersplitterung nur den Erfolg hatte, die mögliche Wiedergewinnung de» Kreise« zu vereiteln. Da» Resultat bei allen diesen Wahlen aber, die in die letzten Wochen fallen, bei den Wahlen in Eisenach, in Lennep, in Hofgeismar, in Dresden und wahrscheinlich auch in Weimar ist: siegreiche- Borschreiten de« Radikalismus auf der ganzen Linie. Die Vermittler aber der socialdemokratischen Siege sind überall, wie seit alten Zeiten der „deutsche" Freisinn, so neuerdiug» die links seitigen Antisemiten «nd der demagogische Flügel der Agrarpartei."' N Berlin, 26. April. Zu denjenigen Gesetzentwürfen» welche demnächst im Reichstage zur ersten Lesung gelangen werden, gehört die Novelle zum Zollvrreiaiguug-vettrage, welche die communale Wriubesteuerung betrifft. Die Novelle ist ein Theil de» Weiasteurrgesetzentwurf», wie er in der vorigen Tagung dem Reichstage Vorgelegen bat, von diesem aber nicht erledigt wurde. E» dürft« nicht
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