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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.04.1895
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-04-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950426010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895042601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895042601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-04
- Tag1895-04-26
- Monat1895-04
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ViezutzKPreiS >1H« HasptqArdition oder den im Stobt- bertrt »ad den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich ^l4.S0, bet iiwetmaltaer täglicher Zustellung in« Lau« 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich ^l 6.—. Direkte tägliche Kreuzbandlenoung in« Ausland: monatlich ^4 7 50- DieMorgea-AuSgabe er »ahme nach Sonn- und Festtagen V,7 Uhr, die Abeuo-Au-gabe Wochentag- 5 Uhr. Nedartion und Expedition: Iahannes-asfe 8. Die Ervedition ist Wochentags ununterbrochm geöffnet von früh 8 bi- Abend» 7 Uhr. Filialen: Ott» «e«m » Gorti«. (Alfred Haha), UniversttätSstraße 1, L-ui« Lösche. Katharineustr. 14, Part, und König-Platz 7. Morgen-Ausgabe. ttMgcrTlWlM Anzeiger. Dkgan für Politik, Localgeschichte. Handels- un^eschiistsverkchr. Mnzeigen.PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 80 Pfg. Reclom»» unter dem Wdartion-strjch (4ge- spaltrn) 50^, vor den Familiennuchnchlen (S gespalten) 40^. VrSßrre Schriften laut unserem Pret?» »»rzeichnth. Tabellarischer und Mernsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilage«, (gefalzt), nur mit der Morgen-Au»gab», ohne Postbeförderung >4 60.—, mrt Postbeförderung 70-—. Annahmeschluß für Anzeigen: (nur Wochentag-) Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morge n-AuSgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bet den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige« sind stet» an die Extzetztttan zu richten. Druck und Verlag von L Polz in Leipzig. Freitag den 26. April 1895. 89. Jahrgang! Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung. Die Leipziger Dünger-Export-Actien-Gejellschaft beabsichtigt, auf ihrem an der Dübener Chaussee in L.-Eutritzsch unmittelbar neben der Chemischen Fabrik Eutritzsch gelegenen Grundstücke (Nr. 356 des Flurbuchs und Folium 42 des Grundbuchs für L.-Eutritzsch) eine Anlage zur Eindampfung von Fäcalten zu errichten. Es wird dies mit dem Bemerken bekannt gemacht, daß etwaige, gegen di« beabsichtigte Anlage zu erhebende Einwendungen, welche nicht aus privatrechtlichen Titeln beruhe», bei deren Verlust binnen 14 Tagen bei uns anzubringen, alle übrigen Einwendungen aber, ohne daß von deren Erledigung die Genehmigung der Anlage abhängig gemacht wird, zur richterlichen Entscheidung zu ver weisen sind. Leipzig, am 25. April 1895. Der Rath der Stadt Leipzig. VI. 1434. vr. Georgt. Kasselt. Bekanntmachung. Wegen Reinigung der Erpedittonsräume bleiben unsere Sportel- cassen I und II, altes Polizeiamtsgebäude Naschmarkt Nr. 2, I. Stockwerk, Zimmer Nr. 6 und 7, Montag, den 29. April d. I., für den Verkehr mit dem Publicum geschlossen. Leipzig, den 26. April 1895. Der Rath der Stadt Leipzig. Or. Georgi. Hass. Erledigt hat sich unsere Bekanntmachung vom 9. April 1895, betr. den Zimmermann Earl Friedrich Holzhausen, durch dessen Gestellung. Leipzig, am 18. April 1895. Ter Rath der Stadt Leipzig. Armenamt Abth. mb. R. Ilb. Xo. 472. Hentschel. Möller. Bekanntmachung. Während der Messe liegen im Büchersaale unserer Bibliothek eine große Anzahl verschiedener in- und ausländischer Städteadreß- biicher, sowie Branchen-, Fach-, Export- und Reichsadreßbücher zur unentgeltlichen Einsicht aus. Die Bibliothek ist an Wochentagen von 10—12 Uhr und von 4—6 Uhr geöffnet. Neue Börse, Tr. I. Die Bidliothekverwaltung der Handelskammer. Die städtische Sparcaste beleiht Werthpapiere unter günstigen Bedingungen. Leipzig, den 1. Februar 1895. Die Sparcasfen-Deputation. Das Volköbildungswesen in Preußen. 8. 6. Mit der preußischen Volksbildungspflege beschäftigt sich I. Tews, der Generalsecretair der Gesellschaft für Volks bildung in Berlin, in einer ausführlichen, auf ein umfang reiches Zahlenmaterial sich stützenden Abhandlung, die Interesse genug hat, allgemein bekannt zu werden. Der Verfasser geht mit Preußen scharf ins Gericht; Preußen als das Land der Schulen zu bezeichnen, sei nicht richtig, es sei niemals das Land der Schulen gewesen. Nur in der ersten Hälfte der 7ver Jahre habe die preußische Schulpolitik einen kurzen Frühling gefeiert. Seitdem sei es in der Reihe der deutschen Staaten wieder in das letzte Glied getreten. Der Verfasser bezeichnet das Gesetz vom 26. Mai 1887 als I geradezu verhangnißvoll für die preußischen Golksbildungs-1 anstalten. Durch dies Gesetz wurde nämlich die Entscheidung über die Nothwendigkeit neuer Leistungen für die Volksschule den Staatsbehörden entzogen und den Kreis- und Bezirks ausschüssen, sowie in letzter Instanz dem Provinzialrath über tragen. Verfasser meint, die in diesen Körperschaften über die Majorität verfügenden Gutsbesitzer seien hierdurch privi- legirt worden, das Nothwendige als nicht notbwendig zu er klären, wenn sie in ihren Gutsbezirken die Kosten zu tragen hätten. In Preußen nannte man dies Gesetz damals „daS Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Schul- räthe", aber außerbalb Preußens ließ man weder Spott noch Entrüstung laut werden; in so gutem Ruf stand Preußen als Freund der Volksbildung wie als erfolgreicher Leiter der aus wärtigen Geschicke des deutschen Volkes. Trotz dieses Schul gesetzes haben die letzten Cultusminister — auch Graf Zedlitz — die Volksschule zu stützen gesucht; aber der beste Wille des Beamten vermag nichts, wo das Gesetz ihm auf Schritt und Tritt entgegen arbeitet. So erklärte der Cultusminister vr. Bosse am 4. Januar und 4. Mai 1893, er könne die Verantwortung für die jetzigen Zustände im preußischen Volks schulwesen nicht länger tragen und nicht die Gewähr über nehmen, daß der Bildungsstandpunct des Volkes erhalten bleibe! Der CultuSetat für 1895/96 scheint ihm aller dings Recht zu geben. Da finden wir für das Volksschul wesen 64 729 068 .E ausgesetzt, das sind gegen das Vor- jehr mehr 1 330 588 Das ist eine ganz erhebliche Steigerung, aber eine Besserung liegt nicht darin. Denn 500 000 ^ entfallen auf die Stellenbeiträge für die im Laufe des Jahres eingerichteten, dem Bevölkerungs zuwachsentsprechenden 1200—1300 neuenSchulstellen. Weitere 380 000 werden für die gesetzmäßigen Alterszulagen der inzwischen gewachsenen Zahl der Volksschullehrer verwandt und 225 000 ^ werden für die Emeriten und Wittwen ge braucht, deren Zahl sich auch vermehrt hat. Es bleiben also für daS ganze Preußen 59 279 um die Nothstände zu beseitigen und neue Schulstellen zu schaffen! Mit dieser Summe also soll ein Schulorganismus, der 5 Millionen Kinder umfaßt, zu höherer Entwickelung erhoben werden! Er schwerend fällt hierbei ins Gewicht, daß laut Gesetz der Staat kein Recht hat, die Gemeinden zu erhöhter Leistung für die Schule anzuhalten, sondern nur der Kreis und die Provinz. Betrachtet man dagegen andere deutsche Staaten, so erhält man doch ein besseres Bild. So wetteifert daS kleine Anhalt in seinen Schuleinrichtungen mit Sachsen, Hessen und Baden und verwendet auf den Unterricht seiner 45 000 Volks schüler über 2 Millionen Mark, d. i. 46 auf den Kopf des Schülers. Weiter die preußischen Lehrergehälter! 7600 jüngere Lehrer werden mit weniger als 650 ^ (viele mit 540 ^ und darunter) besoldet. Nach der Statistik von 1891 be ziehen ca. 3600 Lehrer mit 10—15 und 1200 Lehrer mit 15—20 Dienstjabren unter 950 (davon 1600 unter 800 ^r); 1700 Lehrer mit 20—30 Dienstjahren hatten «in Einkommen von 1100 ^ (430 unter 950 -4); von den 30—50 Jahre amtirenden Lehrern blieben 1600 unter 1250 (viele unter 1100 und 1000 mit Einschluß aller persön lichen und Alterszulagen. In Bayern ist dagegen das nied rigste Lehrereinkommen im 30. Dienstjahre 1320 ^ und im 50. Dienstjahre 1680 Aber nur in 2 Kreisen (Pfalz und Unterfranken) sinken die am schlechtesten bezahlten Stellen auf diesen Mindestsatz! DaS Durchschnittseinkommen der preußi ^ ist noch zu beachten, daß m preuv-n ^ aröß-r-n Zahl-» den allj-m-m-n Si-ckstand m-d- ° 1?00-2100 2 fest. Diese Sätze müssen in den kleineren Ortschaften erreicht werden, d,e größeren baben höhere «atze. Aus dem eben erschienenen statlstischen Jahrbuch su das Preuß-n^gaE-s^'für Classen^ nÜ? 70094 Lehrkräfte, so daN also 12 652 Classen so mit versehen werden mußten und ^ 661 000 Kinder in überfüllten Classen unternchle wurden. In Bayern trafen 60, in Preußen 70 Kinder aus ^ Münden Fortbildungsschulen steht eS in Preußen nickt bester Die aesammte Aufwendung dafür betragt 850 000 wovon 300 000 ^ cmf PoM und Westpr-ußen entfallen. Nach der letzten amtlichen Denkschrift für den Zeitraum von 1883—1890 waren 119 508 Fortbildungs- fchüler vorhanden, alle JnnungSschulen rc. eingerechnet, wovon vielleicht die Hälfte nur auf dem Papjer steh-n und die Schulen nicht besuchen. Die Zahl der ländlichen Fort- bildm,gSschüler wird für 1890 auf 11144 angegeben. Mädchen-Fortbildungsschulen bestehen nur '» wenigen Ge- meinden und erhalten vom preußischen Staat fast gar keine Unterstützung. Bei durchgefuhrter FortbildunaS- schulp flicht (für Knaben biS zum vollendeten 18., für Mädchen bis zum vollendeten 16. Jahre) würde für etwa 1 200 000 Knaben und 600 000 Mädchen Unterricht Z» be schaffen sein, ein Ziel, daS z. B. in Sachsen. Baden Hessen, Sachsen-Weimar nahezu ganz, »n Bayern und Württem- berg zum guten Theil erreicht ist. - Die gewerblichen Fortbildungsschulen erforderten in Bayern 1892 einen Aufwand von 575 054 ^; aus den Kopf des Schülers entfiel eine Ausgabe von 18,4 ^ D,e landwirth- schaftlichen erforderten 160 073 ^ — in Preußen fetzt der letzige Etat 30 000 ^ an, d. h. — auf Bayerns Bevolkerungs- riffer berechnet — 2 ^ auf den Kopf des Schüler«! Aus den vorstehenden Zahlen erzieht sich allerdings ziem sich klar, daß Preußen im deutschen Reiche nicht an der Spitze der Volksbildungspflege marschirt; es läßt sich aber hoffen, daß das Volk durch seine Vertretung dafür sorgen wird, daß Preußen auch in dieser Beziehung nicht gar zu weit von der ihm gebührenden Stelle sich zurückdrängen laßt. Deutsches Reich. L. Leipzig, 25. April. Aus die eigenartige „Arbeiter freundlichkeit", welche die sächsischen social demokratischen Consumvereine ihren Lagerhaltern gegenüber an den Tac legen, ist an dieser Stelle schon im vorigen Jahre an der Hand eines socialdemokratischen Berichtes hingewiesen worden. Daß die Verhältnisse der Lagerhalter inzwischen sich nicht imGeringsten gebessert haben, geht aus den Verhandlungen der zu Ostern in Zwickau abgehaltenen 3. Jahresconferenz der Lagerhalter klar hervor. Ein in diesem Falle ein- wandSfreier Bericht des „Vorwärts" über die Conferenz autet wörtlich folgendermaßen: „Aeußerst verwerflich« Praktiken werden in manchen (?) Lonsumvereinen Sachsens in Beziehung aus die Bezahlung und Behandlung der Angestellten dieser Organisationen getrieben. Auf der 3. JahreSconsrrrnz der Lagerhalter sächsischer Sonsmnvereine, die zu Ostern in Zwickau abgehalten wurde, wurden Mittheilungen gemacht, die zu diesem Urtheil berechtigen. Wir lassen den uns sierüber zugegangenen Bericht hiermit folgen, um unseren Lesern ein klares Bild der unhaltbaren Zustände zu bieten. Er lautet: Die Conferenz war von 83 Personen besucht, die in ca. 30 Consum- vereinen und 50 Orten angestellt sind. Zu Vorsitzenden wurdrn Buhl aus Leipzig und Lewinson aus Dresden, zu Schriftführern Petzold und Schütt ke gewählt. Zunächst gab Grenz aus Leipzig in einem längeren Referat ein anschauliche» und zu treffendes Bild von der Lage der Lagerhalter und Lagcrhalterinnen n Sachsen unter Anführung eine- reichen Materials aus den Jahren 1893—95. Die Zahl der Berichte aus dem Jahre 1895, die von 173 Lagerhaltern und 1 Lagerhalterin an den Vertrauens mann eingesandt worden waren, betrug 58. Darnach war die niedrigste Arbeitszeit im Jahre 1894 63 Stunden wöchentlich, die höchste 192 Stunden; 1895 die niedrigste 66, die höchste 96. Auch über die Sonntagsarbeit und die Mittagspausen in den verschiedenen Geschäften gab Redner interessante Ausschlüffe, die die Lage vieler Lagerhalter und Verkäufer in keinem rosigen Lichte erscheinen ließen. Die Zahl der Frauen, die als Ver käuferinnen rc. thätig sind, stieg von 47 auf 194 im Jahre 1895. Ihre Löhne sind sehr bescheiden, sie schwanken zwischen 7 und 13 wöchentlich; die Frauen der Lagerhalter aber müssen oft ganz umsonst Mitarbeiten. Die Löhne der Lagerhalter selbst, die nach dem Umsatz und dem erzielten Gewinn an den Maaren berechnet werden, steigen von 9 in 4 Fällen, bis auf 44 in einem Falle. In letzterem Falle muß aber der Betreffende Licht, Feuerung ,c. beschaffen, auch noch Hilfskräfte bezahlen, so daß ca. 27 für ihn übrig bleiben; nur 16 Lagerhalter stehen sich auf 33 festen Gehalts, haben davon aber auch verschiedene Auslagen zu bestreiten. In 78 Fällen giebt e« allerdings MiethzinS^Lnffchädigung von 90 >4 aufwärt- bis 400 In einigen Geschäften ist sogar die Kinderarbeit eingrführt. Eine Lagerhalterin berichtet, daß sie bei einer Entschädigung von 50 ^1 monatlich, 17—18 Stunden an Wochentagen und 5 Stunden Sonntags thätig sein muß; ihr Mann leiste ihr im Geschäft noch Hilfe. In der Discussion über daS Referat beschwerte sich ein Leipziger Genosse besonders über die hohe Caution und die Abzüge für die Caution. Lorenz aus Planitz regte die Unfallversicherung der Lagerhalter an; diese habe auf Kosten der Verwaltungen zu geschehen. Schmidt aus Zwickau tadelte es scharf, daß im Vorjahre Chemnitzer Verwaltung-- räthe von Consumvereineu am 1. Mai auf Agitation für den Achtstundentag gegangen sind, ihren Arbeitern aber verboten haben, die Petition für den Achtstundentag zu unter schreiben, auch die Läden nicht schließen ließen. Die Conferenz I faßte folgende Beschlüsse: Das eingegangene Material über I die Verhältnisse in den Consumvereinen soll unter Angabe I des Namens und Ortes der Vereine veröffent'icht werden. Es wird FrttiHetsir. "WPS.-- Erdkatajtrophen. Von Robert W. DahnS (Stettin). Nachdruck verboten. Der dem Menschen angeborene Kinderglaube an die ver trauliche Sicherheit des Erdbodens, auf dem wir leben, ist durch ein seltenes Ereigniß wieder einmal schrecklich getäuscht. In einer Ausdehnung, die fast der halben Größe der öster reichisch-ungarischen Monarchie entspricht, ja vielleicht in noch viel weiterem Umfange, hat die Erdrinde ihre Bewohner in panischen Schrecken gejagt, und wie ein Wunder erscheint eS, daß die Katastrophe, die von Wien bis Verona und von Bozen bis Serajewo sich erstreckte (500 bis 700 km) nicht ungleich mehr Opfer forderte, als geschehen. Die von den Instrumenten bezeichnet«: Ausdehnung des furchtbaren Ereig nisses in der Osternacht wird wahrscheinlich den größten Katastrophen Europas in unserem Jahrhundert, den Mittel meerbeben von 1838, 1856 und 1870 wenig nachgeben. DaS Mittelmeer gehört leider mit seinem nördlichen Küstengebiet überhaupt zu den empfindlichsten Puncten der stets uur im Jrrthum für ein starres Ganze gehaltenen Rinde unsere« Erdballes. Wer dächte nicht an di« großartige Katastrophe von Lissabon im vorigen Jahrhundert? Und an solchen Ereignissen hat eS im Bereich des mittelländischen Meeres nie gefehlt. Wie in Lissabon 1755, so verschlang 60 Jahre zuvor auf Sicilien ein Beben 60 000 Menschen; vielleicht fünfmal mehr Opfer forderten im Alterthum die grausigen Katastrophen in Sicilien und Kleinasien unter TiberiuS und Justinian. Wie oft sind schon die griechischen Gaue, wie oft die italischen Küsten durch Vas Schwanken des Bodens auss Fürchterlichste verheert worden. Schon im Alterthum erschlugen einst (464 v. Chr.) die Felsen des TaygetoS im Stürzen fast die Bevölkerung d«S ganzen Sparta, verschlangen hundert Jahre später die Wellen ganz Hrlike mit seinen Bewohnern. Wie oft ist nicht Korinth dem Erdgeist zum Opfer gefallen, 1858 wohl end- giltia. Der Jsthmu- bebte in den zwanzig Jahren nach dieser Zerstörung 140 Mal, also durchschnittlich jeden fünfzigsten Tag. Ganz ähnlich in den Alpen, die eins der größten Schüttergrlnete der Erde darstellen; ganz ähnlich im Karst, an dessen gelöcherter, zerspaltener, von gurgelnden, unter irdischen Finthen durchzogener Platte die ZerstörungSwuth wohl ihr Aeußerste- schon vor der historischen Zeit gethan. In den Alpen wurden in acht Jahren bei verhältnismäßig geringer Ausdehnung der Beobachtung 1086 Erdbeben gezählt, «l der Schweiz allein einmal 69 in vierzehn Monaten. Und daS Alles sind, mit verschwindenden Ausnahmen, nicht die Folgen einer Reaction des glühenden Erdinnern gegen die Rinde, sondern lediglich Ausgleiche in den hier und da gestörten Lagerungen oder Spannungen der Kruste des Planeten: tektonische oder, wenn man den letzteren Begriff in seinem weitesten Sinne faßt, Einsturzbeben. Im Inneren der erkaltenden Rindenschichten ein Sprung, ein Riß, ein Einsturz überlagernder Gewölbe in alte Hohlräume, die Loslösung sich senkender Gebiete von an steigenden und oberhalb rin Erzittern und Schwanken, das Berge zerreißt und Kirchen in Trümmer sinken läßt, das Tausende von Menschen 'in Secunden hinrafft, oder auch nur ein leises, kaum gefühltes Vibriren, ja manch mal völlige Ruhe, während in den Tiefen die Schichten unter brüllendem Getöse zerbersten, sich heben oder Zusammen stürzen. Die letztere Ericheinung ist bei der unheimlichen Ruhe des Bodens, während es in der Tiefe unter krachenden Schlägen Wochen-, ja mitunter jahrelang donnert und rollt, für den Menschen fast noch fürchterlicher als ein gefühltes Erdbeben der Oberfläche. Die Alten nannten sie unterirdiscke Gewitter, in Grilo und auf dem mexikanischen Hochland wurden die dramickos (Gebrülle) 8udt6rr»uev8 wochenlang, auf der dalmatinischen Insel Meleda wurde daS schreckliche Getöse von 1827 an vier Jahre hindurch häufig gehört. Lange nach dem großen Erdbeben von Granada im Jahre 1827 hörte man jede halbe Minute da» furchtbare Krachen im Inneren der Erde. WaS geht dort vor? Weshalb gerade im Umkreis des lachenden Mittelmeeres diese verzweifelte Unsicherheit der irdischen Kruste? Nach den Untersuchungen des ausgezeichneten Geologen Eduard Sueß ist daS ganze romanische Mittelmeer nicht» andere», als ein gewaltige» Einbruchsgebiet der Erd rinde. Wie im istrischen Karst große Flecken der Oberfläche infolge unterirdischer Auswaschungen eingestürzt sind, so ist auch hier zwischen Europa und Afrika der Boden den höhlen den Processen früherer Zeitepochen nachgesunken, nur daß hier die Bruchausdehnung viermal größer ist, als das ganze deutsche Reich. Sowohl die Küstengestaltung, wie der schnelle Absturz vom Strande in große Tiefen machen diese Entstehung wahrscheinlich. Der Westrand Italiens, die Nordküste Siciliens sind nur als Bruchränder zu ver stehen, zwischen ihnen und Sardinien im Westen bildet das Tyrrhenische Meer einen Einsturzkessel. Ebenso ists zwischen Sardinien, Spanien und Algier mit der hesverischen Mulde, ebenso mit dem levantischen Meer zwischen Sicilien, Griechen land und Egypten, ebenso endlich auch noch mit dem Schwarzen Meer. Wie tief die Senkung ist, zeigt das Loth, wenn eS zwölf Seemeilen vor Toulon in 2000, im Gesichtsfelde des Leuchtfeuers von Algier in 2750 m Tiefe rollt. Noch heute haben diese Senkungen ihr Ende nicht erreicht, noch immer zerrt und rüttelt und kracht es an den Rändern der Riesenmulden; wie könnte da der Erdboden un- erschüttert bleiben? Die gelegentlichen Vulkanausbrüche in Italien, Sicilien, den Liparen sind dagegen verschwindende Begleiterscheinungen, die wohl von den Senkungen, Pressungen oder Spaltungen im Innern beeinflußt werden, aber keines falls mit den Beben in ursächlichem Zusammenhänge stehen. ES wiederholt sich, nebenbei bemerkt, eine ähnliche geologische Constellation auch an anderen Puncten der Erde. Der Mexikanische und Earaibische Golf, ein Mittelmeer wie das europäische, nur von größerer Ausdehnung, die Chinasee und daS Japanische Meer zeigen ähnliche Anzeichen eingebrochener Rindentheile, und auch sie haben an ihren Rändern oft Erd beben deS größten UmfangS aufzuweisen. Leider ist freilich mit diesen Schüttergebieten an großen marinen Einbruchsstellen die Möglichkeit der Erdbeben nichts weniger als erschöpft. Der Erdrinde scheint eine vollkommene Ruhe und Starre nur an verschwindend wenigen Puncten eigen zu sein, sonst aber finden Einsturz oder ähnlich veran- laßte tektonische Erschütterungen fast überall einmal statt. Man braucht kaum zehn Jahre zurückzublicken, um sie in allen geolo gischen Formationen, in aller Verschiedenheit brr geographischen Lage zu finden. Bald sind eS die am Meere endenden Abhänge großer Kettengebirge, die mit den anstoßenden Ebenen erzittern, wie im Jahre 1886 dir ganze Ostküste der Bereinigten Staaten in 1500 km Ausdehnung bis zur Zerstörung von Gebäuden erschüttert wurde, bald sind es, wie ein Jahr früher, die Plateaulandschaften deS nördlichen Afrika. Balo sind eS ver zwickte gcbirgische Knotenpunkte in sonst harmloser Gegend, wie das Vogtlandgebiet in Mittel-Deutschland, da» zwischen 1875 und 88 von neuen Erdbeben beimgesucht wurde, bald trifft die Katastrophe noch nie berührte Puncte, die man stets für sicher hielt, wie z. B. das Jurakalkgestein von Neuburg a. d. Donau die Kohlenmulde von Dortmund oder die Rheinebene be'i Darmstadt. Die Gründe für da« Auftreten der Erschütteruna können die verschiedensten sein, aber immer wird sich in. Inneren, sei es m großen oder geringen Tiefen, ein Theil setzen. Fast stets sind es, nach Aneinandergleiten zweier ^ verursachten Vibrationen, welche »der Sausen, bald als Donnern und n'/ck.n mOhr an der Oberfläche bemerkbar il,re^ n"?" Erdbeben, die freilich mitunter trotz . Itt.. ^ ? Umfange« von den schrecklichsten Folgen de- rulind.^"^-^ Ursache naturgemäß leichter auf- Erschütterungen, die, wie die neueste Kata- ^ Oesterreich und Oberitalien, halbe Länder umfassen. Dennoch moaen »„ letzteren Falle die Gründe mitunter genau die gleichen sem w,e bei den localen Beben: durch unter- irdijche Auswaschungen veranlaßt« große Einstürze. Auch beim Erdbeben des fünfzehnten April liegt diese Annahme, besonders da der vieldurchfurchte Karst der Aus gangspunkt der Katastrophe scheint, nicht fern, wenn auch das überaus große ErschütterungSgebiet sie erschwert. Was schon anscheinend geringfügige Unterspülungen verursachen können, beweisen die Erdbeben deS ViSp-Thales in Wallis, wo zwanzig gypsführende Quellen den Boden beständig unter- böhlen. Wie aber solche Quellen am Erdinnern zehren, lehren unS unzählige Höhlen und Schluchten, lehren auch z. B. die Quellen von Karlsbad, die dem Boden jährlich mehr als 10 000 Cubikmeter fester Stoffe entziehen. Die be- klagenöwerthe, nun schon Jahre anhaltende Senkung des Eislebener Bodens in der Nähe der ManSfelder Zechen ist nur eine Folge unterirdischer Auswaschungen. Als der für Erschütterungen empfänglichste Boden ist in diesem Sinne der lockere Kalkstein zu bezeichnen, der in vielen Theilen der Erde auf großen Strecken vorherrscht. Für durchaus gesichert ist kaum eine geologische Formation zu erklären, doch hat sich erwiesen, daß eine ausgedehnte, mächtige Sand- oder Geröll schicht, wie in der norddeutschen Ebene, fast nie von Erd beben heimgesucht wird. Ein Punct, den eine kurze Uebersicht der Einsturzheben nicht übergehen darf, ist ihre Zähigkeit, sich, wenn sie einmal begonnen haben, auch längere Zeit zu behaupten. Während ich dies schreibe, treffen noch immer Nachrichten von wieder holten Erschütterungen in Laibach mehrere Tage nack der ersten Katastrophe ein, und so sehr man wünschen muß, daß es nunmehr sein Bewenden habe, so spricht die Erfahrung doch für da« Gegentheil. Schon Fr. Hoffmann nannte eS charakte ristisch, daß bedeutendere Erdbeben gewöhnlich da, wo sie einmal begonnen haben, so bald nicht wieder aufhLren. Nach Jul. Schmidt hielt das große phokische Erdbeben, das im Juli 1870 begann und von Korfu bis Seripbos (500 km) gespürt wurde, drei und ein halbe» Jahr an, er glaubte in dieser Zeit dreihundert fchwrre und Tausende von leichten Stößen annehmen zu mü sen. Die Erdbeben, die von 18N an dieThäler des Mississippi, Arkansas und Ohio erschütterten, hielten zwei Jabre, diejenigen, die 1854 die Sradt Theben in Bvotien zerstörten, sechs Monate an. Die Erschütterung, die am Weihnacht-tage 1884 einen großen Tbeil von Andalusien zerstörte und in halb Spanien und bi« Afrika gefühlt wurde, yielt zunächst drei Monate in gerinaeren oder stärkeren Vibrationen an, dann war dreiviertel Jabr Alles still, und endlich gab es in Algier im December 1885 noch einige gewaltig« Stöße. Hoffentlich straft dir Zukunft der am 15. April brlrossenen Gebiete diese Erfahrungen d,r Bergangrnhttt Lügen, gerathen aber dürfte e« wrniastenS sein, die von drr Katastrophe be sonder« stark getroffenen Gebäude zu vernichten, bevor sie weiteren Stößen zum Opfer fallen.
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