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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.04.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-04-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950430022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895043002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895043002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-04
- Tag1895-04-30
- Monat1895-04
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Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Direete tägliche Kreuzbandsenduug ins Ausland: monatlich ^ 7.50. Die Morgen-Ausgabe erscheint täglich mit Aus. nähme nach Sonn- und Festtagen '/,7 Uhr, die Abend-AuSqabe Wochentags 5 Uhr. Ne-aclion und Erpe-ition: Iohannesgasfe 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Filialen: Otto klemm'S Tortim. (Alfred Hahn), Universitätsstrasje I, Louis Lösche. Katharinenstr. t4, Part, und Königsplatz 7. Abend-Ausgabe. UchMer.TllgMalt Anzeiger. Organ fnr Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr Mnzeigen.Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Reclgmea unter deinRedactionsstrich (4ge» spalten) SO/-), vor den Familiennachrichtei» (8gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichnlß. Tabellarischer und Ziffernjatz nach höherem Tarif. Extra »Betlagrn (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbeförderuiig 70.—. Annahmeschluß fnr Anzeigen: (nur Wochentags) Abend-Ausgabe: Bvrmittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Fs 213. Dienstag den 30. April 1895. »kehr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 89. Jahrgang Politische Tagesschau. * Leipzig, 30. April. Ueberall im deutschen Reiche, wo man sich nicht nur des Bierboycotts, der im vorigen Jahre an die socialdemo- kralische Feier des 1. Mai sich knüpfte, sondern auch des »Zweckes erinnert, dem das Vorgehen einer einzelnen Arbeiter gruppe dienen sollte, siebt man der diesjährigen Maifeier mit gespannter Erwartung entgegen. Man befürchtet zwar nicht, daß es irgendwo zu bedenklichen Ausschreitungen kommen werde, aber man ist gespannt daraus, in welchem Umfange an dem soeialdemokralischen Weltseierlage die Arbeit ruhen und ob abermals der Versuch unternommen werden wird, mit einem einzelnen Industriezweige den Anfang zur Unterwerfung der gestimmten Industrie unter den souverainen Willen der socialdemokratischen Dictatoren zu machen. Wenn alle An kündigungen der socialbcuiokratischeu Blätter sich bewahrheiteten, so würden morgen viele Tausende von „Genossen" feiern. Es bat aber den Anschein, als ob einerseits diese Blätter den Mund nur deshalb so voll nähmen, um die „Genossen" nicht mutb- tos zu machen, und als ob andererseits unter den Arbeit gebern das Gefühl der Solidarität gewachsen wäre und zu energischerer Stellungnahme geführt hätte. Wenigstens hört man aus verschiedenen Städten, daß Arbeitgeber, die zur Nachgiebigkeit sich bereit gezeigt Hatten, nachträglich ihre stand hafteren College» sich zum Muster genommen haben. Daß die bohcoltsreicn Brauereien in Berlin in den socialdemo- kratischen Blättern ankündigen, in ihren Betrieben würde am l. Mai die Arbeit vollständig ruhen, kann nicht über raschen; man weiß ja, daß die Herren Direktoren dieser Brauereien ohne die Bewilligung der „Genossen" Singer und Zubeil so gut wie nichts zu verfügen haben. Selbstverständ lich werden die Behörden die zur Arbeit gehenden Arbeiter in jeder Weise vor Belästigungen und Verhöhnungen durch feiernde Socialdemokraten schützen; daß cs dazu der An wendung energischer Mittel bedürfen werde, ist nicht anzu nehmen. Straßeimmzüge, wie sie von Anarchisten, „Unab hängigen" und Arbeitslosen früher versucht worden sind, werden nur in vereinzelten Orten geduldet werden; gerade da aber dürfte nölhigensalls gleich mit Nackdruck eingegriffen werden, um schliminere Folgen im Keime zu ersticken. Selbst verständlich haben die Schulbehörden alle soeialdemokralischen Gesuche um Befreiung der Kinder vom Schulbesuche am 1. Mai kurzer Hanv abgelehnt; um so größeres Gewicht scheint die Parteileitung darauf zu legen, daß die Kinder durch festliche Kleidung an der Demonstration sich betheiligen. Ans der Mehrzahl aller größeren Städte liegen derartige Auf forderungen vor. Im Auslande, namentlich in Belgien und Oesterreich, vielleicht auch in Frankreich, dürfte es zu umfassenden Arbeitseinstellungen tomiiieii; ob in diesen Ländern die Feier obne ernste Zwischenfälle ablaufen wird, ist mindestens sehr fraglich. lieber die Stellung des Centrums zur Umsturzvorlage werden initiier neue Meldungen verbreitet, die aber sammt und sonders den Zweck zu haben scheinen, „Jrrthum statt Wahrheit zu verbreiten". Die Eentrumsfraction wird ihre Karten sicherlich nicht vorzeitig auf den Tisch legen. Soviel freilich ist zweifellos, daß im Schooße dieser Fraction die Ansichten über die Vortage auch in der Form der Com- missionübeschlüsse durchaus nicht übereinstimmen, und schon deshalb ist es falsch, von einer Stellungnahme der ge- samnuen Fraction zu sprechen. Ein Theit der Partei, als deren Repräsentant ein bekannter rheinischer Abgeordneter gilt, wünscht »ichlS mehr, als daß die „Verbesserungen", die das Eentrum in der Eominission mit den Eonservativen vorgenvinmen hat, im Plenum wieder beseitigt würden, weil damit Anlaß gegeben wäre, die ganze Vorlage abzulehnen. Von diesem «Standpunkte aus war man mit der schweren Bepackung der Vorlage ganz einverstanden. Dem anderen Theile der Partei unter Führung des Abg. Lieber ist es da gegen ganz ernst mit dem Wunsche, durch Annahme der Vor lage der Regierung einen Beweis für die Leistungs fähigkeit des Centrums zu geben. Die klerikale Ver brämung der Vorlage sollte nur das Mittel sein, die schwankenden Elemente zu dieser Taktik zu gewinnen. Wie diese beiden Strömungen sich im Plenum geltend machen werden, davon bängt die Entscheidung über Vas Gesetz ab. Als die einfachste Lösung der kritischen Frage ist es bezeichnet worden, diejenigen Bestimmungen der Vorlage, die nicht eigentlich im Mittelpunkt der öffentlichen Erörterungen stehen, in der Plenarberathung auszuscheiden und den Rest gewissermaßen als Quittung der Regierung zu übermitteln. Aber gerade dieser Ausweg könnte durch die Haltung des Eentrums ungangbar gemacht werden. Die Socialdemokraten und die Freisinnigen sind auch dafür nicht zu haben. Con- servative und Nationalliberale bedürfen also unter allen Um ständen der Mitwirkung wenigstens eines Theiles ves Cen- trmns. Wird dieser zu haben sein? Das ist die Frage, die vielleicht erst bei der dritten Lesung im Plenum zur Lösung kommt. Der von den rumänischen Intransigenten in Ungarn ge machte Versuch der Herstellung eines parteitaktischen Bünd nisses zwischen den Ticbenbürgcr Sachsen und der rumänischen Nationalpartei ist zu großer Genug- thuung der ungarischen Politiker an der ablehnenden Haltung der Führer der Sachsen gescheitert. Als ein Hauptgrund dieser Ablehnung des rumänischen Liebeswerbenö wird säch- sischerseits hauptsächlich die von den Rumänen betriebene Passivitätspolitik bezeichnet, welche ihrer Sache mehr ge schadet als genützt habe. Den Sachsen erscheint die Passivität der Rumänen, wie ein sächsisches Preßorgan sich aus drückt, als ein zweischneidiges Schwert, welches weniger den Gegner treffe, als vielmehr tief in das eigene Fleisch ein schneide, indem es den eigenen Interessen einen höchstens platonischen Dienst erweise, dafür aber selbst an und für sich den Rumänen wohlwollend gesinnte magyarische Kreise einer Nationalität entfremde, die sich in einer Taktik des dumpfen und stumpfen Trotzens gefalle. Als ein weiterer Hauptgrund, warum die Sachsen nicht gemeinsame Sache mit den Rumänen machen wollen, wird die nicht sehr wählerische Methove ins Treffen geführt, die von den Rumänen bei ihrem Versuche der Anwerbung von Bundesgenossen befolgt wird. Sie halten sich dabei einerseits an die extremsten staatsfeindlichen Parteirichtungen beider Theile der Monarchie: an Jungtschechen, Antisemiten, Socialdemokraten, klerikal- reactionaire ungarische Volksparteiler, und muthen anderer seits den Siebenbürger Sachsen zu, mit dieser Gesellschaft an demselben Strange zu ziehen. Letztere verharren nun zwar auf ihrem Nationalitätsstandpuncte, setzen aber der ungarischen Staatsidee um deswillen keineswegs eine sinnlose Opposition entgegen. Insofern bewähren daher die Siebenbürger Sachsen ihre alte Umsicht, wenn sie sich nicht auf die schiefe Ebene der Abstinenzpolitik begeben und sich von der rumä nischen Jrredenta nicht zu staatsfeindlichen Machenschaften mißbrauchen lassen. In den Erörterungen der ostasiattschen Frage tritt die das Verhalten der deutschen Regierung billigende Auffassung mit jedem Tage mächtiger hervor, doch zeitigt sie noch immer seltsame Blütben. So verlangt ein Berliner Blatt, das deutsche Publicum solle „von autoritativer Seite über die Ansichten und Absichten der Regierung aufgeklärt werden". Das fehlte gerade noch, daß rine Regierung verpflichtet sein sollte, dUicate diplomatische Din^e m ihrem welle,ch^ delikatesten Stadium einer universalen O N Praxis des finden" Mit dem Hinweis aus me p>raxl» MES-MW Die Vorwürfe, die wegen einzelner ""ge «staler öffentlichungen erhoben werden, treffen die "giruig «linier--« Wissens werden Vertreter der Presse, di?sich darum bemühen, im Auswärtigen Amt vom Swnve der Dinge soweit thunlick natürlich, msormirt. Daß solchen Herrn! nicht ausnahmslos die Fähigkeit be.'wohnt Gehört s richtig zu erfassen und richtig wiederzugeben, ist ">cht dieschuld der Informatoren, die sich übrigens, w.e annchiiien sosor bis zum Halse zuknöpsen wurden, wenn sie merkten, dag ^ Schwäche irgend eines Auffassungsvermögens Schaden an richten könnte. DaS Letztere 'st d'sber un die schiefe Darstellung eines süddeutschen, Blattes, wonach Deutschland die Initiative zu dem Zusammengehen der drei Jnterventionsmächte ergriffen hatte, ."t ieder>salld weniger gemeingefährlich, als der Streich eine« Berliner Organs, welches das abfällige Urtheck der „Hamburger Nach richten« über die Zulänglichkeit des Darstellers mit SEr Zenr- lichkeit mittheilt, aber unterdrückt, was das in diesem Falle doch auch „autoritative" Hamburger Blatt unmittelbar folgen laßt, nämlich den Satz: „Wenn dagegen der Ofs,c,oie sonst die Tendenz bat, Stimmung für ern Zusam mengehen Deutschlands mit Rußland in der ost asiatischen Frage zu machen, so sind wir einver standen. Auch der energischen Vertretung der deutschen Handelsbeziehungen in Ostasiien kann dieses Zusammengehen mir zu Statten kommen." Dieses „auch" ist bedeutungsvoll. Wenn wir oben sagten, die Oeffentlichkeit billige immer all gemeiner das Vorgehen der deutschen Reaierung, ,o ist davon vie klerikale Presse nicht auszunehmen. Die „Köln. Volksztg. schildert in einer gediegenen Auseinandersetzung die Gefahren der japanischen Concurrenz für unserejJndustrie und mahnt, „sich von Ver Freundlichkeit und Höflichkeit der Japaner nicht übers Ohr bauen zu lassen, sondern aufzupassen, daß uns das größte und wichtigste noch für uns vorhandene Absatzgebiet, China, durch die Japaner nicht entrissen würde." So das rheinische Blatt, dem seine ultramontane Weltanschauung wenigstens nicht den Blick für wirthschaftliche Nothwendigkeiten getrübt hat und dessen Urtheil gegenüber alberne Mäkeleien der „Germania" die längst zum Tummelplatz ödester Klopsfechterei herab gesunken ist, gar nichts besagen wollen. Diese übelwollende iiltramontane Nörgelei wird nur noch übertroffen von der politischen Stammlischweisheit unseres Deutschfreisinns, dessen ältestes Berliner Organ in unüberbietbarer Schläue meint, wir hätten doch warten sollen, bis Rußland mit Japan sich verglichen, dann wäre es ja immer noch für uns Zeit ge wesen, Stellung zu nehmen, falls unsere Handelsinteressen bedroht gewesen wären. Nun, dann hätten wir sicherlich das Nachsehen gehabt, wären aber wahrscheinlich nicht allein mit Japan, sondern zugleich mit Rußland in Differenzen ge kommen. Statt dessen gehen wir jetzt mit Rußland Hand in Hand, wie wir meinen, nicht zu unserem Schaden und nicht zum Schaden des Weltfriedens. Freilich verfolgen wir damit eine Maxime Bismarck'scher Politik, und diese ist bekanntlich für den Freisinn das — Ende vom Liede. Deutsches Reich. * Zwickan, 29. April. Der freisinnig-reichstreue Verein zu Zwickau, dessen Vorsitzender der hiesige Schul- director Becker ist, hat folgende Petition an Bundesrath und Reichstag gesandt: Mit der Umgestaltung der sogenannten Umsturzvorlage durch die Eommissionsbeschlüsse zweiter Lesung hat Las Eentrum den Versuch unternommen, nickt die auf den Umsturz der bestehenden Staats- und Gesellschafts ordnung gerichteten Bestrebungen zu treffen, sondern die Frei heit der wissenschaftlichen Forschung und Kritik, sowie das Recht der freien Meinungsäußerung zu unterdrücken. Damit geht aber der eigentliche Zweck der genannten Vorlage vollständig verloren. Mil der Abschaffung des Kanzelparagraphen würde die Agitation gerade an der Stelle sreigegeben werden, wo sie unter Umständen die atlcrgefährlichste Wirkung ausüben könnte. Die Annahme der Umsturzvorlage in ihrer jetzigen Fassung bedeutet: t) die Unterstützung des Ultramontanismus im Kampfe gegen den Protestantismus und Wehrlosmachung des letzteren: 2) die Unterdrückung der freien Wissenschaft und Kunst; 3) die Beschränkung der Gewissensfreiheit, sowie der freimütbigen und offenen Kritik aller bestehenden staat lichen, kirchlichen und socialen Zustände und Einrichtungen. 4) In der Hauptsache wird durch die veränderte Vor lage das gebildete Bürgcrthum getroffen, welches die wesentliche stütze jeder auf das Wohl der Allgemeinheit bedachten Regierung darstellt. 5) Es wird ein Keil in die jetzt noch geschloffenen Reihen der staatserhaltenden Elemente getrieben, welche bisher freudig und zuversicht lich in den Kampf für Erhaltung von Religion, Sitte und Ordnung Hegen alle Störer und Feinde dieser sitt lichen Mächte eingctreten sind. 6) Es wird die klerikale Herrschaft in Deutschland zur Schädigung des gesammten EnlturlebenS gefördert. Aus diesen angeführten Gründen fühlen wir uns verpflichtet, gegen eine solche Vorlage zu protestiren, während wir in der Hauptsache mit der ursprünglichen Regierungsvorlage einverstanden sind in der Meinung, daß gesetzgeberische Maßnahmen getroffen werden müssen, um den Ausschreitungen der Socialdemo kratie und insbesondere den Verhetzungen des Volkes durch deren Agitatoren energisch entgegenzutreten. Wir bitten daher den hohen Reichstag (hohen Bundesrath) dringend, die ge nannte Vorlage in ihrer jetzigen Fassung abzulehnen. U Berlin, 29. April. Dem Vernehmen nach weist die dem Bundesrathe zur Berathung und Beschlußfassung vor liegende Novelle zu den Unfallversicherungsgesetzeil die auf die Erweiterung des Umfanges der Fürsorge für die Versicherten gerichteten Bestimmungen des im Juni v. I. im „Reichsanzeiger" veröffentlichten ersten Entwurfs im Wesent lichen ziemlich vollständig wieder aus. Diese Bestimmungen betrafen bekanntlich die Versicherung gegen Unfälle bei Neben beschäftigungen im Hause oder sonst im Dienste des Betriebs unternehmers, den Bezug der Unsallrenteu in gewissen Fällen schon vor der vierzehnten Woche, die Erhöhung des für die Berechnung der Hintcrbliebenen-Nenten zu Grunde zu legenden JabreSarbeitsverdienstes, die Erweiterung des Kreises der entschädigungsberechtigten Hinterbliebenen auf Enkel und Ge schwister, die Aenderung des Entschädigungsanspruches der Ascendenten u. a. m. * Berlin, 29. April. Im Verlaufe der Commissions- berathungen über die Umsturzvorlage ist von uns (im Abendblatte vom 20. Januar d. I.) der Mangel an Um sicht beklagt worden, den die Regierung bei der Zusammen stellung des Materials für die Begründung der Vorlage sich zu Schulden kommen ließ. Geheimrath von Seckendorf Halle sich damals zum Beweise dafür, daß die Social demokratie strafbare Handlungen anpreise, auf ein Bild in dem socialdemokratischen Witzblatte „ Der wahre Jacob" berufen — um nach vieruudzwanziz Stunden zu erklären: DaS Bild enthalte nicht eine Glvri- sication eines Verbrechens, hätte die Regierung es vorher gekannt, so wäre es zur Begründung der Vorlage nicht 104-'!« 14'i. il«°/° 30--.« s Lliiisii- ks«k 10,12, Oolätieläs Lststs 5,12. mro»« 7,25, ort voitea IllllämiLS» t»t«s — nsotiüntsll 67.— 3355.— 737,50 70,68 357,— 35,35 »sso 91,50 358.10 35.31 >2 35M - Nsatte-m ;»ssr. Rio rlxoks >ier - Spaniern 1501° 690.— 671 450 515 .r. rk ik k >sl Ii 1. > 55°« «8 11-,. S8°» si»so per i 135.75 31. i 0.01). . v»wpk«r l,m« kost- > 0»1Ii«ro- 1,8 Vslos«- rv«r* von S.- 1er Volon- Fenillotsn. Das Geheimniß von Szambo. 8) Novelle von B. Milür Gersdorff. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Ohne ihres letzten Zusammenseins auch nur mit einem Wort zu gedenken, wußte sie ihn durch eine liebenswürdige und ungezwungene Unterhaltung derart zu fesseln, daß er sie, als die Stunde zum Aufbruch herangerückt, in einem wahren Taumel deö Entzückens verließ. Von nun an verging selten eine Woche, in der er nicht wiederholt Ljnbitza's Schwelle betreten, und der Verkehr mit dem junge» Mävchen begann für ihn unentbehrlich zu werden. Auch waren ihm nicht blos die reichen Geistes- und HerzenS- ickätze, die Ljubitza unbewußt in traulichen Plauderstunden offenbarte, beredte und freudig begrüßte Zeugen ihres innern Wertbes, es boten sich außerdem so mancherlei BerührungS- puncte durch gemeinsame Neigungen und Interessen, und namentlich war eS der blumengeschmückte Pfad der Kunst, auf dem sich die verwandten Seelen gern und häufig zum barmonischen Accorde vereinigten. Ljubitza besaß eine weiche, volltönende Altstimme von seltenem Woblklang, und Adolf Hagen, als begabter und ver- Üändnißvoller Musiker, ließ es sich nicht nehmen, sie am Elavier zu begleiten, wenn sie die herrlichen Lieder klassischer und moderner Meister in vollendet künstlerischer Weise zum Vortrag brachte. Auch zur Dichtkunst fühlten sich beide mächtig hingezogen, Hagen freilich mehr zur realistischen Richtung der neuern Zeit, während Ljubitza mit Vorliebe in der mondbeglänzten Zanbcrnacht der Romantik weilte; doch gab gerade viese Verschicdenartigkeit der Geschmacksrichtungen reichlichen Stoff zu anregenden Gesprächen, in denen ein jedes seinen Anschauungen geschickt Geltung zu verschaffen wußte. so verbrachten sie manche köstliche Stunde, und wenn auch Ljubitza ihrer Eigenart nach nicht immer dieselbe war, wenn Frobsinn und träumerische Sckwermuth sich oft genug in schroffem Wechsel felgten, so gewöhnte sich Hagen bald dermaßen an ihre Toppelnatur, daß er schließlich kaum wußte, ob ihm die ernste oder die heitere Ljubitza mehr ans Herz gewachsen sei. Ein einziger Schatten nur trübte die freundlichen Be ziehungen — Ljnbitza's tiefe Verschlossenheit bezüglich alles Dessen, was ihre Vergangenheit betraf. Umsonst war er mit gutem Beispiel vorangegangen, hatte ihr wiederholt von seiner Jugendzeit, vom Elternhaus unv den Erinnerungen aus seliger Kinderzeit erzählt. Ljubitza hörte wohl aufmerksam und theilnebmend zu, aber nie konnte sie sich entschließen, auch nur mit einem Wort ihre eigenen Familienverhältnisse zu berühren — ja, als Adolf Hagen sich einmal zu einer directcn Anspielung auf dieselben verleiten ließ, fiel ihm auf, wie plötzliche Blässe ihr schönes Antlitz überzog und ihre Augen einen flehenden, geängstigten Ausdruck annahmen, als wollten sie sagen: Ich beschwöre dich — frage nicht — ver traue mir! — So blieb trotz aller Herzlichkeit des Verkehrs doch etwas Fremdes, Geheimnißvolles zwischen ihnen bestehen, das ihn nicht zum Vollgefühl des Glückes und der Zufrieden heit gelangen ließ. Und Ljubitza? Auch sie empfand eine warme Neigung für den liebenswürdigen, hochgebildeten Mann, den ein Zufall so unvermuthet auf ihren Lebensweg geführt hatte. In seiner Nähe war ihr freier und leichter zu Muthe als seit langem, und innige Dankbarkeit gegen Denjenigen, der Licht und Sonnenschein in ihr umdüsterteS Leben gebracht, sproßte mächtig in ihr auf. Jedoch auch sie wagte nicht daran zu denken, wohin alle« führen sollte, für sie gab es ja keine Zukunft, nie durste sie hoffen, dauerndes Glück an der Seite eines geliebten Mannes zu finden. So klammerte sie sich denn an den Augenblick an und suchte mit ängstlichen Be mühen festzuhalten, waS ihr die Gegenwart bot. ^ Es war ein heißer Nachmittag gegen Ende des Juni. Seit frühem Morgen hatte die Sonne unbarmherzig ihre versengenden Strahlen vom wolkenlosen Himmel herab gesandt; eine dumpfe, gewitterschwüle Luft lagerte über Straßen und Plätzen, nicht der leiseste Windhauch regte sich. Wochenlang war kein Tropfen Regen gefallen, alles litt unter anhaltender Dürre und hoffte mit Ungeduld auf den lang entbehrten Segen von oben, aber der Himmel in seinem lachenden Blau schien eS durchaus nicht eilig zu haben, dem Sehnen der verschmachtenden Erde und ihrer Bewohner Rechnung zu tragen. Am offenen Fenster ihrer Wohnstube saß Ljubitza im leichten Hellen Hauskleide; auf dem Schooß hielt sie einen Holzrahmen, in den ein Stückchen blauer Sammet eingespannt war, auf welchem ihre geschickten Finger mit Hilfe zarter Goldfäden ein Monogramm entstehen ließen; daffelvr befand sich zwar noch in den Anfangsstadien, war aber doch unschwer als ein werdendes A. H. zu erkennen. Ihr zur Seite auf einem niedrigen Tabouret hatte Clara platzgenommen; sie blätterte gedankenlos, während ihr etwas umflortes Auge starr vor sich hinblickle, in einem Buch, aus dem sie der Freundin soeben vorgelesen hatte. Die Unterhaltung der jungen Mädchen über das Gelesene war ins Stocken gerathen, einige Minuten blieben beide stumm, bis Ljubitza, ohne von ihrer Arbeit aufzublicken, die stille mit den Worten unterbrach: „Nun, Clärchen, so schweigsam heute?" Die Angeredete fuhr leicht zusammen und sich zur Freundin wendend, erwiderte sie: „Verzeih, liebe Ljubitza, ich bin zer streut — soll ich Dir weiter vorlesen? „Lassen wir es für heute — ich bin selbst nicht so recht aufmerksam; die Hitze wird Wohl schuld daran sein. Aber, was ist Dir, Herz", fuhr sie theilnahmvoll fort, als sie in Clara's Mienen einen sorgenvollen Ausdruck zu bemerken glaubte, „Du siehst gar nicht vernügt au« — hast Du etwas Unangenehmes erlebt?" „Das gerade nicht, nur der Zustand meiner Mutter macht nncht unruhig, sie ist nicht mehr die Alte, seit sie im Früh jahr den großen Schreck erlebte — Du besinnst Dich doch wohl noch?" „O, gewiß! Aber ich war der Meinung, daß der Un fall keine wetteren Folgen hatte. WaS fehlt denn der Mutter?" „DaS ist schwer zu sagen — eine eigentliche Krankheit ists nicht. Sie besorgt nach wie vor unsere kleine Wirth- - ihrer gewohnten TageSeintheilung fest und wird böse, so oft ich ihr helfen oder sie überreden will, sich e»n wenig mehr Ruhe zu gönnen, aber dennoch merke ich deutlich, w,e ihr die Arbeit nicht mehr so leicht von statten geht wie sonst. Dabei ist sie allerhand Stimmungen unter, worfen, leidet an kurzen Ohnmachtansallen — mit Einem Zustand läßt reckt viel zu wünschen übrig " „Willst Du nicht einmal den Arzt uni Rath fragen?" „DaS habe ,ch schon gethan." „Und was sagte er?" Er empfahl der Mutter dringend einen längeren Aufent- hat in kräftigender Wald- und Gebirgsluft „Leider verbietet sich daS von selbst" „Wie so?" „Liebe Ljubitza — denke doch, — eine solche Cur, wir in unfern bescheidenen Verhältnissen." „Armes Clärcken, ich verstehe — aber da muß Rath ge schafft werden! Deine Mutter darf den Sommer über nicht in der Stadt bleiben!" Ljubitza sann einige Augenblicke nach. „Wart' einmal", begann sie dann lebbaft, „da kommt mir ein guter Gedanke. Wie Du weißt, habe ich die Absicht, nach dem Harz oder Thüringer WaldZu gehen. In etwa vierzehn Tagen beginnen ja wohl Deine Schulferien; so lange warte ich ohnedies mit der Abreise, dann machen wir — Deine Mutter, Du und ich — uns gemeinschaftlich auf, suchen uns ein trauliches Plätzchen in den Waldbergen und führen dort ein vergnügtes Leben zu dreien — ihr natürlich als meine Gäste. Wie ge fällt Dir mein Plan, Clara?" „Das geht doch nicht, liebste Ljubitza!" erwiderte Clara, vor Verlegenheit und Rührung über daS verlockende An erbieten errötbend, „ein derartiges Opfer. . ." „Unsinn, Närrchen, von einem Opfer ist da keine Rede. Im Gegentheil, es war mir durchaus kein angenehmer Ge danke, vielleicht wochenlang in der Waldeinsamkeit aus meine eigene Gesellschaft angewiesen zu sein -, so habe ich dich immer bei mir, deine Mutter kommt zu ihrem Recht, da ist uns Allen in bester Weise geholfen." „Ich fürchte doch", meinte Clara bedenklich, „daß mein Muttchen sich nicht entschließen wird, eine so große Liebens würdigkeit von dir anzunehme». Du bist erst vor nicht langer Zeit so überaus nachsichtig und gütig gegen sie ge wesen . . ." „Aber Clärchen, laß doch die alte Geschichte ruhen! Jetzt handelt eS sich darum, daß Deine Mutter wieder gesund wird." „Du bist so herzensgut, Ljubitza, aber . . ." „Keine Widerrede, Schatz, eö bleibt bei meinem Vorschlag. Dein kleiner Schlaukopf wird MamaS etwaigen Widerstand schon besiegen. In vierzehn Tagen werden die Koffer gepackt und dann: Adieu Berlin! Ach, wie freue ich mich darauf, mit Dir auf den Berge» herumzuklettern, durch den grünen Wald zu streifen und dem Gesang der Vögel zu lauschen!" In übermüthiger Freude warf Ljubitza ihre Arbeit hin, schlang die Arme um Clara, küßte sie herzhaft auf den Mund und drehte sich lustig mit ihr im Kreise herum. Clara, von Rührung übrrmannt, fast athemloS von dem stürmischen Reigen, vermochte nur mühsam hervorzubringrn.
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