02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.05.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-05-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950502022
- PURL
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- LDP: Zeitungen
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- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
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Die rabakfteuerrommisfion de« Reichstag« bat, wie bereits im heutigen Morgenblatte berichtet worden ist. gestern die ersten vier Paragraphen der Borlage mit der erdrückenden Mehrheit von 18 gegen 4 Stimmen abgelehnt, obgleich der RrichSschatzsecretair Graf PosadowSky die Geneigtheit der verbündeten Regierungen zu erkennen gegeben hatte, die Steuersätze so zu ermäßigen, daß daS Erträgniß nur da« effektive Bedürfniß von 10^/, Millionen befriedigen würde. Für diese Befriedigung müssen nun, da das Plenum de« Reichstags sich zweifellos ebenso entscheidet, wie die Com mission , die Einzel st aaten aufkommrn, sofern nicht die faktischen Einnahmen des Reiches den Vor anschlag wesentlich übertreffen, waS schon deshalb sehr fraglich ist, weil auf daS Drängen der Demokratie und de» CentrumS die Einnahmen sehr hoch veranschlagt worden sind. Daß da< Crntrum, daS ansangs der Tabaksteuervorlage gegen über eine nicht ungünstige Stellung einnahm, jetzt die Vorlage Kat zu Falle bringen helfen, wird die etwa vorhandene Neigung der verbündeten Regierungen, dieser Partei bei der Gestaltung der Umsturzvorlage weit entgegenzukommrn, schwerlich erhöhen. Trotzdem und obgleich die Reichspartei gestern einstimniiA beschlossen bat, diese Vorlage in der ihr von der Commission gegebenen Fassung abzulehnen, ist es noch fraglich, ob das Umsturzgesetz ganz dasselbe Schicksal bat, wie die Tabaksteuervvrlage. Daß in der zweiten Be- rathung de« Plenums sowohl alle Beschlüsse der Commission, als auch alle Bestimmungen des ursprünglichen Ent wurfs abgelehnt werden würden, halten wir für völlig ausgeschlossen. ES wird jedenfalls noch eine dritte Lesung stattfinden, und WaS in dieser geschieht, ist trotz der Niederlage, die daS Centrum dem Tadaksteuerentwurfe bereitet bat, und trotz des Fractionsbeschlusses der Reichs partei nicht zu berechnen. Mit der Versicherung, daß die Vorlage so, wie sie auS der Commission an das Plenum gelangt ist, unannehmbar sei, ist gar nichts getban. Sollten in der zweiten Beratbung die Kukukseier deS CentrumS be seitigt werden, so wäre ja für die dritte Lesung immer noch Zeit, ein neues Compromiß zu Stande zu bringen. Das Reichstags Mandat für Remscheid-Lennep-Mett- manu ist, nachdem es der Socialdemokrat Meist zwei Jahre lang zu Unrecht in Händen gehabt hat, durch die Stichwahl-Ent scheidung an die freisinnige Volkspartei zurückgelangt Sie nimmt es aus den Händen der Ultramontanen, der Frei- conservativG und der Nationalliberalen entgegen. Die Zahl derjenigen Mandate, welche der freisinnigen Volkspatei von anderen bürgerlichen Parteien im Zusammenstehen gegen die Socialdemokratie dargeboten sind, erhöbt sich damit auf fünf, während sie allerdings eine doppelte Anzahl ihrer Mandate ausschließlich der Stichwablhilfe der isocialdemokraten zu danken bat. Erfreulich ist es aber, zu betrachten, wie die gemäßigt-liberale Wählerschaft in Remscheid in geschlossener Reihe dem Wunsche deS leitenden Wahlausschusses ent sprochen hat und für den Freisinnigen zur Urne gegangen ist. Die DiSciplin, von der hiermit Zeugniß abgelegt worden, kann sich als ebenbürtig neben der strammen Zucht im ultra montanen Lager sehen lasse», WaS um so höher zu schätzen ist, als in gemäßigten politischen Kreisen alle Disciplin nur daS Product verstandesgemäßer Erwägung sein kann, wäh rend im klerikalen Lager das eigene Denken mindestens nicht allein die Handlung deS Wählers bestimmt. Einen neuen und recht kräftigen Fehler taktischer wie politischerArt hat, zu so vielen anderen, wieder einmal die conservative Partei auf sich geladen. Ihrer zersplitternden Thätigkeit ist es zu danken, daß nicht der Eandidat der Frriconservativen und der Nationalliberalen, sondern der Freisinnige in die Stich wahl mit den Socialdemokraten gelangte. DaS war schon taktisch ein schwerer Mißgriff. Darauf hat sie nun den politischen Feoler begangen, durch die Parole der Wahlent haltung die Wahl des Socialdemokraten indirekt zu fördern, zum Glück ohne den erwarteten Erfolg, denn die konservativen Wähler scheinen mehr Einsicht geübt zu haben als der Partei vorstand. dessen Sprachrohr, die „Kreuzzeitung", ein Klage lied darüber anstimmt, daß die Parteigenossen nicht folgsamer gewesen und nicht durch vollständige Wahlentbaltung die Chancen des Socialdemokraten Meist noch mehr verbessert haben. Die Folge davon wird sein, daß Herr Eugen Richter, der seine Anhänger im 1. Weimarischen Wahlkreise bereits aufgefordert haben soll, bei der am 9. d. M. daselbst statt- findenden Stichwahl zwischen dem Agrarier Reichnmth und d^m Socialdemokraten Baudert für den Letzteren zu stimmen, die Befolgung seines Befehles unter Berufung auf dieses Klagelied der „Kreuzztg." energisch fordert. Wir hoffen jedoch, daß die Freisinnigen des 1. Weimarischen Wahlkreises nicht die „Kreuzztg." sich zum Vorbilde nehmen, sondern die be sonneneren konservativen Elemente des Wahlkreises Remscheid- Lenncp-Mettmann, in dem übrigens das freisinnige Central- wahlcomitöe einen Aufruf an die Gesinnungsgenossen gerichtet bat, in dem die folgenden, zu der Wahlparole des Herrn Eugen Richter in seltsamem Widerspruch stehenden Sätze Vor kommen: „Wähler? Welches sind die Ziele, die die socialdcnwkratische Weltanschauung erstrebt? Sie will an die Stelle der heutigen Gesellschaftsordnung den socialistischen Staat setzen. Das bedeutet: der Staat soll alleiniger Eigenthümer alle- Kapitals werden, aller Grundstücke, Häuser, Maschinen, Borräthe. Die Folge davon wäre, daß jeder selbstständige Betrieb aushörte und jeder Bürger zum Sklaven des Staates perabsänke. Zugleich würden die Grundlagen des Familienleben- vernichtet und damit die Grundpfeiler un serer sittlichen Weltordnung erschüttert werden. Die Socialdrmokratie bezeichnet sich selbst als eine internationale und als eine revolutionäre Partei. Erst aus den Trümmern unseres nationalen Staatswesens, des seit 25 Jahren geeinten Reiches, würde sie ihre neue Weltordnung ausrichten, die, wenn sie überhaupt durchführbar wäre, nicht nur keinen Fortschritt, sondern geradezu die Vernichtung jeder Cultur bedeutete. Gegen eine solche Partei mit solchen Zielen muß jeder Vaterlands- und Volksfreund mit aller Macht an kämpfen." Daß die Stellung, welche die deutsche Regierung an der Seite der russischen und der französischen in der ostofialischen Kroge eingenommen hat, die Billigung des Fürsten Bis marck finden würde, war vorauSzuseben und wird jetzt durch einen Artikel der „Hamb. Nachr", der zweifellos Fricdrichs- ruher Provenienz ist, bestätigt. Wir beben aus demselben die folgenden Stellen hervor: „Was die Betheiligung der deutschen Regierung an der ostasia- tischen Action betrifft, so ist es unmöglich, sich rin bestimmtes Urtheil darüber zu bilden. Dazu müßte man wissen, ob ihr ein bestimmtes Ziel vorliegt und welches; aber auck dann noch würde es auf die Art der Ausführung ankommen. Wahrscheinlich wäre eS nützlicher gewesen, sich noch mehr zurückzuhalten, aber auch das kann man nicht ohue Einsicht der Acten mit Sicherheit brurtheilen. Daher müssen wir «ns darauf beschränken, aus den von officiöser Seite über den Stand der Dinge veröffentlichten Mittheilungrn Schlüsse auf die muthmaßliche Entwickelung der Situation und die treibenden Kräfte derselben zu ziehen ... Die Vorstellungen der Mächte richten sich nach officiöser Definition „gegen politische und wirthschasttiche Machtverschiebungen in Ostasien, die in dem geplanten Umfange in absehbarer Zeit ernste Gefahren für eine gedeihliche Entwickelung unserer commerciellen Interessen herbeisühren müßten". Danach wird also Einspruch in territorialen Fragen, gegen japanische Gebi.tSerwerbnng-n °uf Ai tfesUandr, unter handelspolitischer Beg^dung echoben . ü D,.Heiligung stellung wird von denjenigen B>°"ern.außer Gründen Deutschlands an der Intervent o„ Stellung neymen. allgemeiner Natur ringewendet, d .V 9 - ^steige» in den Handelsverkehr mit China den deut,ch we^ ^kehrS nicht er- FriedenSstipulatwnen eine ^bsährdung l^s ^ dazu kicke; "-"n 2°p°» mit China mißbrauchen sollte, die EuropE vo^ England voran, auszuschlietzen, so wurden d» betr ff ^ Et jo möchten wir doch sich das nicht bieten affen ^°^u die eventuelle Anwendung von glauben, Latz es besser ist, bs auf „„kommen zu lassen, son- Gewaltmitteln nicht von vornhe ^ dern wenigstens,erst zu «ersuchen d-^ für den europäischen Handel, wenn 0' ^ . .^chen sich licher Einwirkung auf Japan S" b-jett-g.m Auch -um-n , Besürchtungen für den englischen Handel ei>kw^r n t , U' LE LLLS außereuropäischen Dingen bedroht, oh , . Asien v'erhängniMoll" werde"» kann. Hu 'dieser Lage wäre es von aus die Seite Japans stellte und dleses zu veranlagen suchte, durch Halsstarrigkeit gegen die Forderungen der Machte die Uctron derselben und damit ihr Einverständniß zum Scheitern zu bringen. Damit würde die anti-englische Machtceoalilwn vor- läufig beseitigt sein, die sich seit längerer ^.t bemerkbar gemacht hat und ihren Ursprung u. A. m dem ruckjichtslchen Auftreten Englands gegen deutsche und sranzS,ische Anfpruche in Afrika haben dürfte. England ist der gemeinsame Gegner beid» Staaten in Afrika und zugleich der Gegner der Ansprüche ^ub^sin Asien; es ist somit nur natürlrch, daß sich dieie drei Gegner Englands in Ostasien zu einer Cooperation zujammengefunden haben, die, durch den Frieden von Shimonojekl veranlaßt, in ihren Wirkungen vielleicht weiter reicht, als die vor- liegenden Fragen sich erstrecken. In diesem Zusammen hänge ist es erst recht begreiflich, wenn England bemüht ist, Japan gegen die Mächte zu unterstützen; England sagt sich, daß, wenn Japan auf dem Festland« zu Besitz gelangt, damit für Rußland ein neuer Rivale geschaffen ist, dessen Vorhanden- sein naturgemäß England entlasten und die Sicherheit seines indischen Besitzes erhöhen würde, ein Erfolg, der selbst nnt einer vorübergehenden commerciellen Einbuße für England nicht zu theuer erkauft wäre. Faßt man diese Sachlage ins Auge, so kann der Anschluß Deutschlands an Rußland und Frankreich in der japanischen Frage nach verschiedenen Richtungen nützlich wirken, wenn er richtig durchgcführt wird. Erstens kann erreicht werden, daß bei der Petersburger Diplomatie jeder etwa vorhandene Rest von Mißtrauen gegen die deutsche Politik wegen wirklicher oder scheinbarer Be günstigung englischer, antirussischer Ansprüche erlischt, was im Interesse des deutschen Reiches dringend zu wünschen wäre. Zweitens liegt das deutsch - russilch. sranzüsi,che Ein- vernehmen insofern im Interesse Europas, alS anzunehmen ist, daß England aus dem Vorgänge nützliche Lehren ziehen und sich in Afrika weniger rücksichtslos gegen die dortigen An- spräche anderer Rationen, insbesondere der deutschen, be nehmen wird. alS bisher. Drittens kann die gemeinschaftliche Be- »Heiligung Deutschlands und Frankreichs an einer diplomatischen Actioa mit Rußland immerhin eine Abschwächung der Hoffnungen bewirken, welche die französischen Revanchepolitiker mit Bezug auf Rußland und einen Abrechnungskrieg gegen Deutschland hegen. Wir überschätzen diese Wirkung nicht, aber wir würden sie die 6 gespaltene Petitzeile SO Pfgs. Reklamen unter demRedaetioiisstrich («ge spalten) 50^, vor den Familirunachrichtra <6 gespalten) 40/H. Größere Schriften laut unserem Prris- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffrrasatz nach höherem Tarif. HhtraeVrilagcn (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ahne PostbefSrdrrung 60.—, mit Postbesürderung ^ 70.—. Annahmeschluk für Anzeigen: (nur Wochentags) Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Ertzedilion zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 89. Jahrgang aern acceptiren wie jede andere, die der Erhaltung des Friedens örderlich erscheint, und ihr den thunlichsten Bestand wünschen." WaS die Wirkung des Einspruchs der Mächte betrifft, so jenen zur Beurtheilung authentische Nachrichten bis zur Stunde nickt vor. Sicher ist, daß Japan die ihm zugestellte Note officiell noch nicht beantwortet hat, sicher außerdem, daß der Vertreter Japans bereits nach Tschisu, wo die Ratifications urkunden am 8. Mai ausgetauscht werden sollen, unterwegs ist, während der Vertreter Chinas noch in Peking weilt. Danach zu urtbeilen, ist die japanische Regierung bi« jetzt noch nicht u dem Entschlüsse gekommen, auf eine Milderung der sriedensbevinginigen im Sinne der JnterventionSmächte ein- ugehen, von Seiten CbinaS dagegen scheint man es auf eine Verlängerung deS RatificationstcrminS abzusehen, auf die Japan aber nicht eingehen wird. Somit ist die Lage eine ; iemlich ernste und wirb so auch in der englischen Presse aus- icfaßt. Nach einem Telegramm der „Times" aus Kobe sind dort Nachrichten auö Hiroschima eingetroffen, wonach das japanische Ministerium entschlossen sei, den russischen Forderungen ;egenüber eine ablehnende Stellung einzunehmen. Japan preche Rußland die Berechtigung zur Einmischung ab und beab- lchtige, derselben Trotz zu bieten, da es die russische Streitmacht in Ost-Asien nicht für stark genug zur Er zwingung der Forderungen halte. Ausländische Kriegsschiffe versammeln sich in den japanischen Häfen. Die franrösische Lscadre habe Befehl, sich für alle Fälle bereit zu halten. Der japanischen Presse wurde strengstens verboten, über die Krisis zu schreiben; vier Zeitungen, darunter die officiöse „Nichi-Nicki", wurden wegen eines Berichts über die Abhaltung eines geheimen Ministerraths suSpendirt. In Londoner Regierungskreisen ist man aus kriegerische Eventualitäten gefaßt, da Japan trotz Zuredens Kiniberlers s sich für außer Stande erkläre, Rußland enlgegenzukommen. In Folge dessen treffen die Marinebehörden für alle Fälle im Stillen Maßregeln zu einer sofortigen bedeutenden Verstärkung der Miltelmeerflotle und deS indischen, sowie des PacisicgeschwaderS, im Falle des Ausbruchs von Feindseligkeiten zwischen den europäischen Mächten und Japan. Wie weit diese Befürchtungen be gründet sind, muß sich ja in den allernächsten Tagen Heraus stellen, da, wie gesagt, am 8. Mai der Ratificationstermin ab läuft und bis dahin auch die Antwort Japans zu erwarten steht. Liest man Madrider Blätter, so konnte man den Auf stand aus Euba für in den letzten Zügen liegend halten, denn sie läuten ihm bereits das Sterbeglöcklein. Dem ist aber nicht so, und Marschall Martine; Campos selbst sieht durchaus nickt so rosig in Betreff der ihm gestellten Pacifications- Aufgabe. Er schätzt die Aufständischen auf 8000 und findet sie diesmal besser bewaffnet und geführt als bei dem letzten großen Aufstande, welchen er bekanntlich bewältigt hat. Mit der bloßen Gewalt scheint ihm denn auch der spanischen Sache nickt ausreichend gedient, er hält es für unabweislich, mit seiner auf einen einheitlichen, die ganze Insel umfassenden Plan gestützten nülitairischen Action die sofortige Ausführung der von den Cortes beschlossenen Verwaltungsreformen zu ver binden. Ueber den Fortgang der militairischen Operation melden New-Aorker Depeschen beiderseitige Erfolge und Miß erfolge. Während ein Telegramm eine beträchtliche spanische Abtheilung von den Aufständischen aufreiben läßt, weiß ein anderes wieder von zwei empfindlichen Schlappen der Cubaner zu berichten, wovon eine die Bande Maceo's, welcher, wie hier bemerkt sei, keineswegs gefallen ist — die gefundene Leiche war die seines Bruders — erlitten hat. Martine; CampoS hat sich von der Hauptstadt Havannah, wo er drei Tage verweilte, nach Santiago de Cuba begeben, um die Ausführung seines strategischen Plane« zu beginnen. Zeit hat er keine zu verlieren, denn die vier Monate währende Feuilleton. Das Geheimniß von Szambo.^ 8) Novelle von B. MilLr GerSdorss. Nachdruck »erboten. (Fortsetzung.) „WaS — als Gesellschafterin dieser — merkwürdigen Dame wollen Sie in die weite Welt hinan-ziehen?" sragte er bestürzt." In ernst verweisendem Ton erwiderte sie: „Herr Doctor, Fräulein von RadovanovitS ist ein durch und durch lauterer und edler Charakter, und ich schätze mich glücklich, daß sie mich ihrer Freundschaft würdigt." „Verzeihen Sie, liebe Clara, bat er kleinlaut, es fuhr mir nur so heraus. Und diese Reise ist also eine fest beschlossene Sache?" „Ja, lieber Freund." Wie in einer plödlich aufwallenden, trotzigen Regung sagte er bestimmt: „Nun denn, so bleibe ich auch nicht hier. Man hat mir eine Stellung als orientalischer Correspondent für ein hiesiges Blatt angrboten, bisher mochte ich sie nicht annehmen — warum, da- können Sie vielleicht errathrn - aber jetzt, jetzt greift ich zu. Also reisen wir auch." „DaS ist vernünftig gesprochen und ich hoffe, daß Sie von dieser interessanten Thätigkeit nach jeder Richtung hin die gewünschte Ausbeute haben mögen." „Ach, meine Gedanken werden doch immer bei Ihnen sein..." „So? Und wo bliebe der Zweck der Reise? Nein, da« kann ich Ihnen unter keinen Umständen erlauben. DaS heißt, fügte sie schelmisch hinzu, Sie brauchen mich darum nicht ganz zu vergessen." Oswald ergriff ihre Hand und küßte sie stürmisch. „Liebe, gute Clara", iam eS erregt über seine Lippen, „ich glaube doch, daß Sie mir ein wenig gut sind. Sie sollen auch mit mir zufrieden sein; ich will geduldig au-harrrn, bi- Sie mir Erlaubniß geben, mich Ihnen wieder zu nähern, aber seien Sie nicht grausam, lassen Sie mich nicht zu lange warten!" „Treten Sie in Gotte» Namen Ihre Reise an, und wenn Sie über» Jahr nicht anderen Sinne- geworden . . „Dann hole Dir mein Jawort, ergänzte er freude strahlenden Auge-, nicht wahr, da» wollten Sie doch sagen?" „Ja, antwortete sie fest, daS heißt, unter der Voraus setzung, daß ich dann selber auch noch so denke wie heute, fügtessie zögernd hinzu." „Clärchen, mein einziges, liebes Clärchen —" Helles Sonnenlicht durchsluthete daS trauliche Gemach und ergoß seine Strahlen in zwei junge Herzen, denen frohe- Ahnen verkünden mochte, daß ihnen auf dem Rosenpfad der Liebe die Dornen nicht allzu herbes Weh bereiten würden. Adolf Hagen hatte inzwischen trübe, qualvolle Tage durch lebt. Dieselbe Stunde, die ihm daS höchste Glück so nahe gezeigt, daß er sich schon jubelnden Herzens im Besitz desselben wähnte — sie batte es ihm wieder in weite Ferne gerückt, mitleidlos den Stachel bitteren Schmerzes in seine Brust ge senkt. In zitternder Furcht, Ljubitza zu verlieren, waren seine letzten Bedenken dahingrschwunden; um sich ihren Besitz zu sichern, war er entschlossen gewesen, alle Rücksichten auf seine Familie und seine gesellschaftliche Stellung bintanzusetzen, hatte er der schönen Fremden sein unbegrenztes Vertrauen rntaegen- gebracht, indem er ihr seine Hand angrboten. Und sie — war sie Dessen nicht würdig gewesen? Hatte sie nicht in ent- scheidender Stunde den vollen Werth ihre- Innern offenbart und der Versuchung, ein lockendes Ziel durch — Schweigen zu erreichen, siegreich widerstanden, um mit den» Preis de- eigenen LebensglückeS sein Vertrauen rückhaltlos zu erwidern? — Ja, tausendmal ja! Sir selbst war gut, kein Makel haftete an ihrer reinen Seele — und dennoch! — Durfte er nach den niederschmetternden Enthüllungen Ljubitza - noch an die Möglichkeit einer Verbindung denken? In zu be rauschender Weise war ihm das Glück erschienen, zu sonnig hatte einen Augenblick das Dasein vor ihm gelegen, als daß der auS allen Himmeln Gestürzte in der von Pflicht und Convenienz gebotenen Entsagung den Frieden hätte wieder- sindrn können. Er begann mit dem Geschick zu hadern, da ss grausames Spiel mit ihm trieb, mit der übertriebenen Engherzigkeit, die ihn schnöde um sein LebenSglück betrog, endlich mit sich selbst ob seiner eigenen Schwäche und Muth- losigkeit. Am Ende aller Dinge — war er nicht Mann» genug, sich trotzig gegen das Schicksal auszubäumen, mit starker Hand gegen Convenienz und Lorurtheil doch lein Glück zu behaupten? Allerdings, aber unter harten Be- dingungen. Sie hießen: Alle bisherigen Beziehungen lösen, sein Amt niederlegen, die Heimath aus immer verlassen, um mit Ljubitza in irgend einem versteckten Erdrnwinkel ein welt entrückte- Leben zu führen, und davor schreckte der an seinem Beruf, seiner Familie und der Heimath Hängende doch eia wenig zurück. So wogte der Kampf in seinem Innern hin und her, bis endlich daS heiße Verlangen nach Ljubitza'S Besitz den Sieg davontrug. Daß sie eine erneute Werbung ablehnen könne, kam ihm kaum in den Sinn, doch schien es ihm zarter und taktvoller, zunächst nicht durch persön liches Erscheinen die Wiederannäherung an die Geliebte zu bewirken. Er griff also zur Feder, aber wie leicht und ge schickt er sie sonst zu handhaben wußte, diesmal glückte eS ihm schwer, den rechten Ausdruck für das, waS ihm auf der Seele lag, zu finden. Er schrieb: „Theure Ljubitza! Wenn eS für mich noch des Beweises bedurfte, daß ich ohne Dich, Deine Liebe nicht ferner leben kann, so haben ihn die letzten schweren Wochen genugsam erbracht. Nach heißem Ringen und ernster Selbstprüfuna bin ich zur klaren Erkenntniß dessen gelangt, was allein unser dauerndes Glück verbürgen kann. Wir verlassen Deutschland, um unS, Ge liebte, in der Ferne, in einem verschwiegenen Alpentbal oder in den sonnigen Gefilden Italiens eine neue, schöne Heimath zu suchen. Dort wollen wir, dem Getriebe der Menschen entrückt, still und friedlich nur unserm Glück leben, und kein Schatten der Vergangenheit soll unS die Gegenwart trüben können. Glaube nicht, daß es ein Opfer ist, WaS ich Dir bringe, ich kenne nur eine- — den Verzicht auf Dich. Leb Wohl, Geliebte, in drei Tagen soll mir von Deinen Lippen daS mich beglückende Wort Deiner Zustimmung entgegen klingen. Für ewig Dein treuer Adolf." — Um die Mittagsstunde deS dritten Tages stieg Hagen, die Brust von frohem Hoffen geschwellt, wenn auch nicht frei von einer leichten Beklommenheit, die Stufen zu Ljubitza'S Wohnung hinan. Er zog die Klingel, aber die Thür blieb verschlossen und es regte sich nichts. Aus sein abermaliges und andauerndes Klingeln wurde eine gegenüberliegende Tkür geöffnet, in der sich ein junges Mädchen zeigte ° ^ „Bei Fräulein von Radovanovit» scheint Niemand Hause zu sein?" stieß er heraus. -"i«n-nd !" „Die Dame ist abaereist." ..Ab—ge—reist?" stotterte er. - ""ch """ »-» °"-n ' grünst, brachte er mühsam hervor." Thüd ünd^ v-rw°nd.rte° Blick di en Ferne kam Ljubitza'- Geständnis bak sie i Lewutztsrm ihr« Schwäche und um bittern Auseinander setzungen zu entgehen, die Flucht vor diesem Wiedersehen ergriffen und ihre Abreise beschleunigt habe. Er wußte nun — ihre Lebenswege mußten getrennt bleiben; er hatte nur noch eines Amtes zu walten — sein Liebesglück auf ewig einzusargen. Nicht immer kehrt der Frühling als milder, segenspendender und blumenbekränzter Jüngling ein; auch als übermüthiger Sieger und Eroberer liebt er es einherzuschreiten, und nur zu oft läßt er die armen Menschenkinder seine Macht in schreckenerregender Weise fühlen. Er braust mit den Aequi- noctialstürmen heran, sprengt Eisesdecken über Nacht und er götzt sich wie ein unbedachter Knabe an dem wild entfesselten, alles verheerenden Element. Furchtbar wüthcte im Frühjahr 1879 die Sturmsluth im Tbeißgebiet, — das an manchen Stellen t>—8 m tiefer als der Wasserspiegel liegende Szegedin war der fast gänzlichen Vernichtung preisgegeben. Durch die unbegreifliche Sorglosigkeit der Regierungsbehörden ertönte daS Alarmsignal erst, als da« Wasser bereits in die Stadt eingedrungen war, und so kam es, daß ein unverhältuißmäßig großer Theil der Bevölkerung, und zwar überwiegend Weiber und Kinder, der Fluth znm Opfer sielen, während die Männer auf die Dämme geeilt waren, um dort durch menschliche An strengungen zu verhüten, was doch nicht zu verhüten gewesen. Als daS fahle Licht deS anbrechenden Tages das über schwemmte Gebiet beleuchtete, bot sich ein jeder Beschreibung spottender Anblick dar. Todesschweigen ruhte über den früher so belebten Stellen menschlicher Thätigkeit, nur daS eigen- thümlich gurgelnde Geräusch der Waffermaffen, die in luft- ersüllte Räume eindrangen, war vernehmbar. Dann und wann verkündete ein dumpfes Krachen, eine aufwirbelnde Staubwolke, daß wieder ein Gebäude in der Flutb versunken, und so schwindet HauS um HauS, Straße um Straße, und an zweitausend Menschen liegen unter Trümmerhaufen im kalten Wellenqrabe. Die, welche ihr Leben retteten, sind über Nacht zu Bettlern geworden, denn so jählings brach daS entfesselte Element herein, daß ihnen keine Zeit blieb, etwas zu bergen. Alle Städte, Dörfer und Güter der Umgebung sind von bejammernswertben, von Allem entblößten Menschen überfüllt; groß ist die Noth und Verzweiflung, groß aber auch das thatkräftige Mitleid. Millionen Herzen bewegt das Unglück von Szegedin, und an der Einlösung deS kaiserlichen Wortes: sregeä uem voll, türmen lesr (Szegedin war nicht, aber e- wird sein) haben alle Völker Europas Theil. Zur Zeit der Katastrophe 'befand sich O-wald Reinecke in Pest. Er hatte die ihm angeborene Stellung als Zeitung-«
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