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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.05.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-05-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950508020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895050802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895050802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-05
- Tag1895-05-08
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Die Antragsteller ginge» von der Vrrmutbung auS, daß die Ultramontanen bei gleicher Sachlage doch zu ganz verschiedenen Ergebnissen gelangen könnten, je nach dem ein Socialdemokrat oder ein Centrumsmann das Mandat verlieren Müßte. Da erklärte Herr Or. Bachem: „Weil wir hier über eine solche Wahl abzustimmen haben, sind wir Richter. Wir haben nicht das Recht, nach Partei-Jnteressen zu entscheiden, sondern lediglich nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit und nach persönlicher innerer Ueberzeuanng". Und als daS Mandat deS Socialdemokraten für Remscheid cassirt war und daS Centrumsmanbat für Köln vertheidigt werden sollte, da entdeckte derselbe Abg. Or. Bachem, daß der Reichstag als Gerichtshof in Wahlprüfungsangelegen- Heiken bei den „Grundsätzen von Recht Und Billigkeit" ins besondere Folgendes beachten müsse: „Wenn sich demnach ein reines Resultat nicht ergiebt, dann liegt dock kein Grund vor, gegen die Wahl zu entscheiden, sondern ich meine, wie die Dinge hier liegen, würde die Billigkeit eher dazu führen müssen, in «Indio für die Wahl zu entscheiden". Auf die Unparteilichkeit des Reichstags und auf die Grundsätze der Billigkeit, wie sie Herr Or. Bachem am 8. Februar verkündigt hatte, wurde nun gestern die Probe gemacht. Nicht um die eine Stimme und um das eine Mandat mehr oder weniger entschlossen sich die Nationalliberalen zu der zähen Verfolgung des in Frage stehenden Falles. Dazu hätte sich anderweit besserer Anlaß geboten. Nein, der Reichstag, dessen Mehrbeit von den Herren Singer, Richter, Bachem befehligt wird, dem zwei Klerikale und ein Demokrat zu Präsidenten gesetzt sind, sollte Gelegenheit haben, auch nach der Seite seiner „richterlichen Unbefangenheit" hin sich zu demaskiren. Er bat es in einer Weise besorgt, die kein ehrlicher Mann wünschen kann, weil sie dem Ansehen des Reichstages noch weiteren Abbruch thun muß, die aber zum Mindesten klärend wirkt. Der Abgeordnete Or. Enneccerus bat in dem bereits erwähnten offenen Briefe unwiderleglich bewiesen, daß nach dem formalen Recht die Wahl Or. Böttcher'S in Waldeck für gütig erklärt werden müßte. Eine Mehrheit von 204 Stimmen hat sich aber von diesem formalen Rechte nicht bestimmen taffen, geschweige von den Billigkeitserwägungen, die Herrn Or. Bachem am 8. Februar so glatt über die Lippen flössen, sondern sie bat wider Recht und Billigkeit die Ungiltigkeit der Wahl ausgesprochen. DaS ist das Eine, worauf eS ankam. Das Andere, was einma! für alle Welt klar festgestellt werden mußte, ist das Maß von kollegialer Rücksicht, dessen man sich als Minderheit von einer fortschrittlich - klerikal - socialistischen Mehrheit zu versehen hat. Der Abgeordnete Or. v. Marquardsen nahm das Versehen vom vorigen Freitag allein auf seine eigene Kappe; er habe überhört, daß die DiScussion eröffnet wurde, er habe versäumt, sich zu Wort zu melden, er gebe dem kollegialen Erwägen des Hauses anheim, jetzt noch zu gestatten, daß die principiell so wichtige Frage im Hause erörtert würde, ehe die Abstimmung vollzogen werde. Wer sich der Darstellung erinnert, die unser Berliner ^-Correspon- dent in unserer Sonntagsausgabe (Nr. 222) aus eigenster Wahrnehmung von den Vorgängen ant Freitag gab, wird begreifen, wie weit hiermit der Abg. v. Marquardsen Mittwoch den 8. Mai 1895. den Gegnern, namentlich dem Centrum, entgegen kam. Denn diese Partei war es, die durch ungewöhnliches Lärmen die Wahrnehmung der Präsidialgeschäfte so erschwert hatte, daß der Abg. von Marquardsen nicht zu Wort kommen konnte. Trotzdem war es gestern gerade wieder das Cent rum, welches dreimal Einspruch gegen die Wiedereröffnung der DiScussion erhob. Man gewann den Eindruck, daß es in diesem Falle seinen Willen auch der radicalen Linken aufgenothigt habe, da diese Wohl auS tactischen Gründen bereit gewesen wäre, einen zweiten Tag der Woche hingeben zu lassen, ohne daß das Umsturzgesetz an die Reihe gekommen wäre. Bei dem Centrum überwog jedoch die Ge reiztheit gegen die Nationalliberalen, die keine Grenzen kannte. Da die Wiedereröffnung der DiScussion natürlich nur mit Zustimmung des ganzen Hauses statthaft gewesen wäre, mußte nun obne DiScussion zur Abstimmung geschritten werden. Die klerikal-radicale Mehrheit konnte ja nach dem 23. März sich selbst nicht mehr übertreffen, aber es wirkt klärend, wie sie auch in einzelnen Zügen sich immer deutlicher offenbart. Wie bereits telegraphisch gemeldet worden, hat die natio nalliberale ReichstagSfraction gestern ibre Beratbungen über den Commissionsbericht zur Umsturzvorlage be endet und ist einmüthig zu dem Beschlüsse gekommen, die Vorlage, wie sie auS der Commission hervorgegangen ist, abzulehnen. Heute bemerkt die „Nat.-Lib. Corr." erläuternd zu diesem Beschlüsse: „Nach Lage der Dinge mußte die Erwartung aufgegeben werden, den umgestalteten Entwurf derart rückwärts revidirrn zu können, daß er brauchbare und annehmbare Mittel zur Abwehr der Umsturzbestrebungen darbiete, ohne mit weit abseits liegenden Nebenzwecken verknüpft zu sein. Selbst wenn alle vor liegenden conservativen Anträge zum Entwurf, was ja völlig aussichtslos ist, angenommen würden, bliebe immer noch so viel von der klerikal-conservativen Verbesserungskunst aus der Commission bestehen, daß der Entwurf mehr eine Gefahr für geistige Freiheit und das Walten religiöser Duldsamkeit wäre, als eine Vrr> stärkung der Machtmittel für die Staatsgewalt zur Abwehr gewalb sanier Unterwühlungsversuche an den Fundamenten von Staat und Gesellschaft. Es versteht sich, daß die nationalliberale Fraction an den einzelnen Abstimmungen in der zweiten Lesung mit dem Bestreben theilnimmt, überall das kleinere Nebel an Stelle des größeren zu setzen, auch daß sie ihren Wider- spruch gegen die Klerikalisirung der einzelnen Paragraphen durch Eventualanträge von Fall zu Fall zum Ausdruck bringt. Doch wird sich ja bald genug ergeben, daß es sich auch bei den Anträgen aller anderen Parteien nur noch um die Markirung des eigenen Stand- punctes, in keiner Weise aber um ein auf Erfolg berechnetes Vor gehen handelt. Die Vorlage muß für jetzt überhaupt als ge- scheitert betrachtet werden, denn auch die conjervativ-klerikale Mehrheit ist ja inzwischen wieder zerfallen. Eben aus diesem Grunde läßt sich aber auch einem frühzeitigen Abschluß der zweiten Lesung und damit der Berathungen überhaupt entgegensehen." Die Neichspartei scheint von dem Scheitern der ganzen Vorlage noch nicht überzeugt zu sein; sie wird wenigstens, wie die „Post" mittheilt, in ihrer Mehrheit, wenn nicht ein hellig, für den Antrag Levetzow und Genoffen eintreten. Die Fraction scheint also zu glauben, das zu einer abwartenden Haltung entschlossene Centrum werde sich bereit finden taffen, einem zwischen den Conservativen und der Reichspartei zu vereinbarenden Compromifse beizütreten. Worauf diese Ansicht sich gründet, ist aus der ultramontanen Presse nicht zu ersehen. Es dürste sich aber doch empfehlen, Ueber- raschungen, nicht allein durch das Centrum, nicht für schlechterdings unmöglich zu halten. DaS volle Gelingen der der deutschen^ Wahrung unserer Wirtbschaftsiiitereiien v u Rücktritt, ES ist zum ersten Male ,e't de« FuN -n L).sma also seit fünf Jahren, daß ^ Zwecke ergriffene deutsche Zeit und zu einem vernünftigen Zwecke -sSNU ^,de Initiative >n ^'Swartigen s- t ; Abkommen mit esuhrt wird. Auch das letzie , ^ ^ Action war England bedeutete keine ^ ^er? , m-xtraaSbruch des Deutschland durch einen thats« ) ck ihr waren anderen Staates aufgedrangt wor , . ^ nichts als Mißgriffe und Uebttvortheilungen ^ Deutschland den leidenden Theil AAen h zeichnen. Zanzibar, auch er ergebenste Scho^ Boris die von der deutschen Regierung gezeigte .-Z^chn k L ' O -N L ^ Verträge — dock, eS ist kein Vergnügen, die Zahl der inicr nationalen Gastmähler zu überschauen de, d^n w.r d ZeMe oerabll haben Hu den schon mehrfach gekennzeiwnc Alst,scken Vortbeilen der ostasiatischeu Emmisä^ wußt ein daß wieder einmal „etwas gelang , e ne Willkommene, d"7 S-lbsw.->,°u-n b-b-nd- L' suchende Auge in der inneren Politik nicht das Oerings , was eine ähnliche Genugthuung gewahren tonn e. Ab r f e,- lick, in der ostasiatischen Angelegenheit konnte k »ger und erfahrener deutscher Staatsmann . unbeirrt durch da U-belwollen, B-sscrwiffen und d.e Aengstichke' der sonderbaren Sorte von Patrioten, die bei uns zu Hause das große Wort führen, das für reckt Erkannte anfassen und durckfüdren. Hätte der ReichStaa mitzuwirken gehabt, so wurde heute wobt England sich die Hände re-ben und Den schland das Nachsehen haben. Die Haltung, welche die Presse der MebrbeitSparteien der Intervention gegenüber beobachtet yal, läßt keinen Zweifel darüber aufkommen, daß man die deutschen Interessen in Ostasirn zu Tode geredet, vertagt und beschlossen hätte, wenn man gedurft hätte. Eine kaum zu beanstandende Quittung über das Verkehrte jener spießbürgerlichen Parteien politik und die Nichtigkeit der Politik der Regierung findet man in der Mehrzahl der angesehenen Pariser Blätter, welche ihrer Befriedigung über die günstige Abwickelung des StreltsaUv zwischen Japan und den Mächten unverhohlenen Ausdruck ver leihen, die in politischenKreisen offen gezollte Anerkennung consla- tiren, daß die Lösung hauptsächlich der Haltung Deutschlands zu verdanken ist. Aber auch die Haltung der Londoner Presse, die zum Tbeil Deutschland um den großen politischen Erfolg seiner Action an der Seite Rußlands und Frankreichs beglückwünscht, zum Tbeil eS so darzustellen sucht, als ob Englands Rath es gewesen sei, der Japan zum Verzicht aus Anneklirung festländischen Besitzes vermehrt habe, zeigt mit erfreulicher Deutlichkeit, daß die deutsche Regierung gewußt bat, was sie that. Ob daS Bestreben Englands, sich nun wieder bei China lieb Kind zü machen, von Erfolg gekrönt sein oder ob es sich Heraussteilen wird, daß die britische Hyper schlauheit es mit Allen verdorben hat, wird sich ja bald zeigen. In liberalen ungarischen Kreisen ist man mit der dem Ministerpräsidenten von Banffy zu Theil gewordenen Genugthuung, welche in der vom Monarchen zugestandenen Verlesung der Note Kalnoky'S liegt, vollkommen zufrieden, denn durch die Bekanntgabe des Schriftstückes hat Banffy be weisen können, daß er im Recht war, wenn er behauptete, Kalnoky verurtheile daS Auftreten des Nuntius ebenso scharf wie er und habe Reclamationcn versprochen. Nurdas Eine mußte Baron Banffy zugestehen, daß er sich in der berechtigten Annahme, es seien bereits Schrille beim Vatican geschehen, geirrt habe, ein Punct von untergeordneter Bedeutung. Man betrachtet cs mit Recht als einen Act weitblickender politischer Klugbeit, daß Banffy mit einer dem Scheine nach halben Satisfaction sich begnügte, nur um durch die Hervorkehrung persön licher Fragen daS Princip einer Verwahrung bei der Curie nicht zu gefährden. Eine Minister- krise wäre gerade jetzt verhängnißvoll gewesen, denn ohne Banffy ist derzeit kein ungarisches Cabinet denk bar. Der Rücktritt des Grasen Kalnoky hinwiederum kann, im Augenblick wenigstens, ^von Banffy nickt gewünscht werden, da ja vollständige Solidarität Kalnoky'S mit Banffy darin vorhanden ist, daß der Nuntius Agliardi durch seine Reisen und Reden in Ungarn seinen Rechts- und Wirkungskreis überschritten hat, und zwar um so mehr vor handen ist, als die Anregung zu einer diplomatischen Demarche in Rom von Kalnoky ausgegangen ist. Wäre Graf Kalnoky zurückgetreten, so würde das Einschreiten bei der römischen Curie hinauSgeschobcn, vielleicht gänzlich gefährdet worden sein, und die klerikalen Agitationen dürften nur neuen Nährstoff gefunden haben. Durch die Nachgiebigkeit Banffy'S in der Personenfrage wurde das Prestige der Krone für Vas von der ungarischen Regierung vertretene Princip gewonnen. Daß der Rücktritt des Ministerpräsidenten Banffy nicht ein- mat zur Sprache kam und Graf Kalnoky unter dem Aus druck der allerhöchsten Anerkennung zum Bleiben bewogen wurde, spricht nur dafür, daß der durch die beiden Minister gemeinschaftlich vertretene Standpunct auch allerhöchsten drtcs gntgeheißen zu werden scheint. Sollte allerdings die Action gegen den Nuntius doch ver zögert oder ganz unterlassen werden. waS wir freilich nicht als völlig außer dem Bereich der Möglichkeit liegend erachten möchten, dann bliebe Baron Banffy, der daraus bestehen muß, daß unverzüglich der von Kalnoky unterlassene diplomatische Schritt gegen den Nuntius geschieht, nichts Anderes übrig, als seine Entlastung zu geben. Daß Man auf klerikaler Seite Alles aufbieten wird, um eine Beschwerdeführung beim Vatican zu Hintertreiben, versteht sich von selbst. Der erste an die Oeffent- lichkeit getretene Versuch nach dieser Richtung hin war eine am Schluß der gestrigen Sitzung des Wiener Abgeordnetenhauses eingebrachte Interpellation Dipauli's im Namen der Klerikal-Feudalen des Hohen wartclubs, dahin gehend, ob nach der Auffassung der Negierung die Worte der Kalnoky'schen Note an Banffy, in welchen er jede Einmischung der Curie in die inner politischen Angelegenheiten Ungarns verurtheilt, auch auf die Einmischung in kirchenpolitischen Fragen sich beziehen. Die Conclusion der Note, welche den Schein erwecke, daß der Nuntius auch in diesen Fragen nicht mit zu reden habe, sei geeignet, die Stellung desselben zu tangiren, und stehe mit der Freiheit der Kirche nicht im Einklang. Die Suprematie des Papstthums sei katholische Glaubenslehre, und die Freiheit des Oberhauptes der Kirche könne in ihrer Leitung nicht beschränkt werden, möge es direct oder durch Ver treter diese Leitung auszuüben für angemessen finden. Die Beantwortung dieser dreisten Interpellation wird ja einen Fingerzeig geben, welchen definitiven Abschluß die Krise finden wird, ganz abgesehen davon, daß sie eine principielle Ent scheidung von «großer Tragweite bringen muß. Aus dem „politischen Testament" Lco'S XIII., einem Schriftstück, welches der Papst de» Cardinälen, Ordens, generalen und dem Kämmerer mitgetheilt hat, veröffentlich^ Die Erbin von Abbot-Castle. 3j Original-Roman von F. Klinck-LlltetSburg. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Erst seit kurzer Zeit war der Leidenden daS Bewußtsein zurückgekehrt, aber noch immer stark getrübt. Tie Pbatttasien wollten kein Ende nehmen. Sie verharrte mit einer besorgniß- erregenden Hartnäckigkeit dabei, daß sie nickt Lilian Smith, sondern Mary Connor, jenes entsetzliche Geschöpf sei, das vermuthlich den alten Grafen SaunderS vergiftet hatte. Erst seit acht Tagen war sie nicht mehr darauf zurückgekommen, wie denn auch seit dieser Zeit eine sichtbare Wendung zum Guten eingetrtten war. MrS. Gray fühlte sich überzeugt, daß sie durch ihre Energie die Bemühungen des Arztes beträchtlich unterstützt batte. Die Behauptungen ihrer unglücklichen Enkelin, daß sie Mary Connor sei, hatten sie auf das Peinlichste berührt und sie däzn gedrängt, dem Willen des Arztes entgegen, eine Auseinandersetzung berbeizuführen. Sie war dabei von der Ansicht ausgegangen, daß rS besser sein würde, auch diese Nichte durch den Tod zu verlieren, als sie sich ferner Wahnvorstellungen hingeben zu lassen, die unmöglich zu einem guten Ende führen konnten. So hatte sie an einem Tage, der ihrem Vorhaben günstig erschienen war, die Zeitungsberichte über jends verhängnißvoll« Eisenbahnunglück zur Hand genommen und sich damit zu der Kranken begeben. Sie hatte derselben dann den Sachverhalt klargelegt, und ihr die Zeitungen zur Durchsicht zurückgelassen. Seit dem Tage hatte Lilian Nie mehr gesagt, daß sie Mary Connor sei — MrS. Gray's Plan war vollständig geglückt. Heute batte sie sich zum ersten Male von ihrem Kranken lager erhoben, nicht allein, sondern mit Hilfe der Schwester, welche sie während der Zeit gepflegt hatte. Sie saß am Fenster, den Kopf zurückgelehnt, welcher noch immer eine Binde trug. Durch das andere vorsichtig halb geöffnete Fenster, welckeS überdies verhangen war, drang Frühlingslust und Beilchenkuft. Die Kranke saß mit geschloffenen Augen, ihre Wangen waren unendlich schmal und bleich, die auf den Lehnen de» Krankenstuhles ruhenden Hände beinahe durch sichtig. In dem Gesicht aber war ein Ausdruck von Frieden, wie er seit Langem über dasselbe nicht mehr ausgebreitet gewesen war. Neben ihr auf einem kleinen altmodischen Tische von Eichen holz lagen die Zeitungen, welche Mrs. Gray ihr vor acht Tagen gebracht und die sie zu behalten gewünscht hatte. Der Arzt verbot ihr zwar das Lesen mit dem einen unbeschädigten Auge auf das Strengste, aber sie batte die Artikel, welche darüber berichteten, wie groß die Lebensgefahr gewesen war, doch immer und immer wieder gelesen, bis sie den Wortlaut ihrem Gedächtniß sich eingepragt. „Auch eine Nickte von Lady Rose Gray, welche zu einem Besuche ihrer Großmutter nach Violet-Valley gereist war, befindet sich unter den Ver unglückten. Sie hat eine schwere Kopfverletzung davon getragen, so daß an ihrem Aufkommen gezweifelt werden muß. Erwälmt mag hier noch werden, daß unter den Tobten sich Miß Mary Connor befindet,welche an demselben Tage, von den Geschworenen freigesprochen, ihre Heimreise anaetreten batte. Der Kopf der Unglücklichen ist bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Sie konnte nur durch ihren Vertheidig?r Herrn Rechtsanwalt Primrose recognoscirt werden, welcher insbesondere genau ihren Pelzmantel kannte. Der genannte Herr soll sich an heischig gemacht haben, die Leiche seiner Clientin nach Abbot- Castle zu dem Großvater, ihrem einzig lebenden Verwandten, zu bringen. Sollte in der That die Verunglückte ein Ver brechen begangen haben, von welchem man sie, weil ihre Schuld nicht hinreichend erwiesen war, freisprechen mußte, dann würde man in diesem Falle nur die strafende Gerechtig keit erkennen können." Die Kranke schloß immer wieder die dünnen Finger in einander, wenn ihre Lippen die Worte Wiederbolten, die sie nun so oft gelesen. Sie war als Lilian Smith in diesem Hause ausgenommen worden, während man die Trägerin dieses Namens todt nach Abbot-Castle gebracht hatte. Ihr Gerechtigkeitsgefühl sträubte sich mit aller Energie dagegen, eine Unschuldige mit dem Fluch deS Namens einer Mary Connor belastet den letzten Schlaf schlummern zu lasten, und sie hatte Alles gethan, WaS in ihrer Kraft stand, Mr». Etbel Gray zu überzeugen, daß sie nicht deren Enkelin sei. ES war ihr nicht gelungen. Ihre Versicherungen waren als die Auslassungen einerFieberkranken aufgefaßt worden, und dann — dann — Die Kranke hatte nicht mehr gesagt, daß sie Mary Connor sei. Tie Versuchung war zu groß gewesen und sie ihr, nach hartem Kampfe, unterlegen. In dem Augenblick, in welchem man ihren Worten Glauben geschenkt hätte, würde man sie auS dem Hause gewiesen haben, in welchem sie einen Platz auSsüllen konnte. Und wohin dann? Ihr blieb nur ein einziger Weg übrig, der Weg nach Abbot- Castle, zu dem geizigen alten Manne, der sie in die Welt hinausgestoßen und dadurch die unmittelbare Veranlassung geworden war, daß ihr Leben einen solchen AuSgang ge nommen. Dort würde sie allerdings jetzt ein Asyl finden, wenn sie den Versicherungen des Rechtsanwaltes Primrose, der ihr von einer vollständigen Umwandlung des Großvaters berichtet hatte, Glauben schenken durfte. Aber — sie wollte nickt dorthin, wv Jedermann mit Fingern auf sie zeigen konnte — eher sterben. ^,vv war zcyreaucy. Lvie icyreaucv WUtzt sie erst, seitdem sie ihm unlängst ins Auge geschaut hatte Sie wollte nicht sterben, und — nur ein gütiger, erbarmungs reicher Gott, der in ihr Inneres schaute, konnte ihr diese, Ausweg gezeigt haben. Ihren Namen konnte auch er nich mehr reinigen — ach, sie hatte in diesen Zeiten der Trübsa und tiefen Demüthigung ihren Glauben nicht mehr festhalte, können, rS war viel, das auf sie eingestürmt war — aber e> gab ihr jetzt einen anderen, wie er ihr vorläufig eine Heimat! gegeben. Lilian Smith aber? Indem sie sich daS liebliche Bist derselben vergegenwärtigte, wie sie ihre Augen voll zärtliche, Dankbarkeit auf Diejenigen gerichtet hatte, die sie mitleidic vor Unruhe und Kälte zu schützen versucht, kam eine groß' Ruhe über sie — ein Frieden, wie sie ihn seit langer, lange Zeit nicht mehr gekannt. Lilian Smitb würde ihr freudi ziigestimmt haben, wenn sie Alles «gewußt und den AuSgan vorhergeseben hatte; ,hr Todrsschlummer in Abbot-Caül VI,an L-Mith hoch und heilig zu halten ibn vor ied reinen Hauch zu schützen Sie selöO ^ d°i„- .k-»Mt ' .77--' °b>>- «"-m L°«m , UN vuv Lcoensenoe eil Ungerechtigkeit gedul d,e Güte, die sie ihr i Zeit hatte zu Theil werden lassen, durch Liebe und Anhäng lichkeit vergelten. Sie gedachte auch des Großvaters. Er hatte hart an ihrer Mutter und ihr gehandelt, er riß sie von dem Herzen derselben los, ohne daß eine Nothwendigkeit dazu vorbanven gewesen wäre. DaS Alles erfuhr sie erst durch Rechtsanwalt Primrose. Wohl regte sich eine große Bitterkeit in ihr, indem sie besten gedachte, aber sie konnte doch ohne Groll des alten Mannes sich erinnern. Er bedurfte ihrer nicht zu seinem Leben, er hatte nie nach ihr gefragt, als sie noch mit ihm unter einem Dache gelebt. Wohl ließ er ihr sagen, daß sie in ihm einen Schutz und Schirm finden werde, wie es auch gehen möge, aber — er würde Gott gedankt haben, daß man ihm nur die Leiche Mary Connor's gebracht. Nachdem sie durch eine sorgfältige Ucberlegung in ihrem gefaßten Vorsatz bestärkt worden war, begann ihre Genesung und mit ihr die Heilung der Stirnwunde rasch vorwärts zu schreiten. Furcht und Angst vor der Zukunft hatten in einer Weise auf sie gewirkt, die sie vielleicht noch an den Folgen ihres Unfalles hätten zu Grunde gehen lassen. Der Arzt war bisweilen rathlos gewesen, er hatte nach einem verborgenen lebet geforscht, das bindernd allen seinen Bemühungen um ihre Wiederherstellung sich ihm in den Weg gestellt. Dann war der Umschlag gekommen. Wieder hatte es zwei Tage den Anschein gebäht, als ob eine neue KrisiS sich vorbereite. Mrs. Etbel Gray's Mittbeilungen hatten aber mals bei der Patientin einen kaum zu überwältigenden Fieber- zustand herbeigesührt. der schlimme Befürchtungen bei dem Arzt weckte, und denselben an einem Erfolg verzweifeln ließ. Dir Kranke war sehr geschwächt und würde einem neuen Ansturm keinen Widerstand mehr leisten können. Mit Be- sorgniß hatte er am dritten Tage das Krankenzimmer be treten, um auf den ersten Blick zu sehen, daß die Genesung dennoch den Sieg errungen und die unerwartete Unterbrechung derselben irgend einem ihm unbekannt gebliebenen Umstand zuzuschreiben gewesen war. „Mir ist besser — viel besser", hatte Miß Lilian Smith gesagt. Und in ihren Augen, in dem ganzen Ausdruck ihres süßen Gesichtes hatte eine Bestätigung ihrer Worte gelegen. Von dem Tage an ging es mit Riesenschritten vorwärts. Da» junge Mädchen erschien wie neugeboren. Lag auch über dem Gesicht desselben ein ungewöhnlicher Ernst auSgebreitet, umspielte auch ihren Mund ein melancholisches Lächeln, daS rührend wirkte, so kehrte doch die Farbe der Gesundheit ia
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