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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.05.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-05-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950509026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895050902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895050902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-05
- Tag1895-05-09
- Monat1895-05
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Vrz«s-.P»M H«lptrrp^itton oder de» btt Ttdbi- bet zioeimeligu täglicher Züstellung ins H,»t L-ölO. Lurch dt« Post bezöge» für D»»tschl,»d V»st Oesterreich: vierteljährlich , Dst^t, tjlgstchr Kreuzbsndsendtzng tu« -stzSla^; monatlich A 7bO. Abend-Ausgabe. LrtziM« yyd -rpehitto»; Aohfl«nc-o»flk 8. Dktzvrditiy» ist Wochentag« ununterbrochen «etMtt von früh s bi« «Henk 7 Uhr. vtt» Me««'» Sortim. (Alfred Hab«), Universitätsstraße 1, Leni» Lösche. Katharinenstr. 14, Part. und Köntgrplatz 7. tWM Anzeiger. Organ für Politik. Localgeschichte. Handels- und GeMtsverkehr. die 6 gespaltene Petitzeile 30 Psg. ' Neclamen unter dem Redattlonsftrich (4ge- spalten) vO^, yor de» Faimliennacheichtea (6 gespalten) 40^. Ärößer» Schristen laut unserem Preis« verzeichniß. Labellarischrr und Mernsatz »ach höherem Tarif. ErtraeVettaqen (gesalzt), nur mit der Morgen »Ausgabe, okne Postbefürderung SU.-, mit Pvstdesorderung ^ 70.--. Ännahmeschluß für Anzeigen: (nur Wochentags) Abend-Ausgabe: Vormittag« 1V Uhr. Morgtil-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Lei den Filialen und Annahmestelle» j, »in« halb« StuaLe früher. A»ir»gen find stet« an di« Er-eittttun zu richten. Druck und Berlag von lk. Pplz i» Leipzig. Donnerstag den 0. Mai 1895 89. Jahrgang. Die Verirrter der sächsischen Mdle in Friedrichsruh. —AriedrichSruh, 8. Mai. Heller Sonnenschein er glänzte heute Mittag über dem im frisch«» (Krün prangenden Sachsenwalde, als um IN/, Uhr der Extrarug mit den sächsischen Bürgermeistern und Stadtverordneten auf dem hiesigen Bahnhof eintraf, »m dem Fürsten Bismarck den gemeinsamen Ehrenbürgerbrief der 72 sächsischen Städte zu überreichen. Gegen !2^/, Uhr begaben sich die eingetroffenen Herren, ftß gn der Zahl, durch das Hauplportal des Schlosse« dis vor den an der Parkseite befindlichen Wan, woselbst Aufstellung genommen wurde. Bald darauf erschien der Fürst in Begleitung der Gräfin und des Grafen Rantzau auf d«m Wqn. Alsdann begab sich der Oberbürgermeister von Planen i/V., Herr vr. Dittrich, auf den Altan und richtete folgende Ansprache an den Fürsten: Durchlauchtigster Fürst! 76 Städte Revidiner Liälueordnung mit mehr als 1'/, Millionen Einwohner zählt das Königreich Sachsen, vier von ihnen genießen bereits den Vorzug, Ew. Durchlaucht ihren Ehrenbürger nennen zu können. Uns, Len Vertretern der übrigen 78 Städte, ist es «in bedeutungsvoller, feierlicher, uns Alle tief bewegender Augenblick, da wir Eip- Durchlaucht nahen dürfen, um der unauslölchlichen Dankbarkeit und liefen Ehrfurcht Ausdruck zu geben, welche die Bürgerschaft unserer Städte beseelt- Unsere Städte sind mehr oder weniger Städte mit hochentwickelter Industrie und ausgedehntem Handel. Unter der weisen und weit blickenden Fürsorge unseres allgeliebten Königs ist es der au» dauernden Arbeit, dem regen Eifer und der hohen Intelligenz ihrer Bewohner gelungen, eine hervorragende Stellung auf dem Welt märkte zu erringen, und tmmermehr zu befestigen. Unsere Bürger haben dadurch in besonderer Weise Gelegenheit gehabt, es schätzen zu lernen, von welch' unendlicher Bedeutung ein mächtiges deutsches Reich für alle Deutjchen auf dem Erdball ist. Und so ist bei ihnen trotz des Tages Last und Mühe wie de? Sinn für das Ideals über« Haupt so vor Allem die Liebe zum deutschen Vaterland immer lebendig geblieben. In keinem Staate Deutichlands kann mit der unverbrüchlichen Treue zum angestammten Fürstenhaus das Gefühl der unauslöich- lichen Zugehörigkeit zum deutjchen Reiche tiefer Wurzel gefaßt haben, als in Sachsen. Das hat sich stets erwiesen im entscheidenden Augenblick und ist erst jüngst am 80. Geburtstag Ew. Durchlaucht init elementarer Macht zum Durchbruch gekommen. Nirgends schlagen daher dankbarere Herzen Ew. Durchlaucht ent gegen als in unseren sächsischen Städten. Aus diesem Gefühle heraus ist in den von uns vertretenen Städten der Wunsch emporgewachsen, die in dsn Herzen wohnende Verehrung auch nach Außen zu bcthätigcn. Und so haben denn alle 78 Städte einmütbig beschlossen — ein Vorgang, wie er in der Geschichte unserer Städte noch nicht verzeichnet ist — Ew. Durch laucht die höchste Ehre zu erweisen, die eine Stadt zu vergeben hat: Ew. Durchlaucht das Ehrenbürgerrecht dieser 72 Städt, zu verleihen. Ich bitte Ew. Durchlaucht mir gestatten zu wollen, die hierüber abgefaßte Urkunde zur Verlesung zu bringen. Sie lautet: Seiner Durchlaucht dem Fürsten von Bismarck. Herzog von Laueubprg, wird in dankbarster Anerkennung seiner unvergäng lichen Verdienste um die Wiederaufrichtung des Reiches und die den deutschen Gemeinden dadurch gegebene Förderung das Ehren- bürgerrecht der nachbenannten 72 Städte Revjdirter Städte- ordnung im Königreiche Sachsen verliehen. Hierüber ist diese Urkunde ausgefertigt und, wie folgt, voll zogen worden. Am I. April 1895. Der Rath. Die Stadtverordneten. Plauen, Zwickau, Freiberg, Zittau, Glauchau, Meerane, Reichenbach, Bautzen, Crimmitschau, Meißen, Werdau, Wurzen, Aynaberg, Pirna, Döbeln, Oschatz, Frankenberg, Limbach, Großenhain, Orlsnitz, Mitt weida, Riesa, Waldheim, Grimma, Radeberg, Sednitz, Hainichen, )ei«nig. Schneeberg, Buchholz. Kamenz, Kilchberg. Roßwein, Hohen stein, Uöbau, Borna, Auerbach, Zschopau. Falkenstein, Eibenstock, Stollberg, Burgstädt, Marknepkirchen, Pe,ng, Marienberg, Treuen. Rochliy, Au«, Lichlenstein, Lähnitz, Oederan. Groitzsch, Lengenfeld, Pegau, Markranstädt, Geyer, Ehrensriedersdorf, Eolditz, Thum, Adorf, Königslei». Possen, Neustädte!, Neustadt, Schwarzenberg. Pulsnitz, Dippoldiswalde, Schanhau, Waldenburg, Soyda, Lommatzsch, Bernslads. Indem ich die Ghre habe, Eure Durchlaucht diesen Ehrenbürger- bries. der aus den angesügten Vogen von den amtlichen Vertretern äinmtlicher Städte vollzogen, mit den Wappen der Städte und An» schien aus ihnen geschmückt ist, hiermit zu überreichen, weiß ich mch eins mit den Burgern unserer Städte, deren Gedanken in dieser eierlichen Stunde bei uns weilen, wenn ich Gott bitte; Er, der Allmächtige, segne, schirme und erhalte Eure Durchlaucht noch eine lange Reihe von Jahren >u alter Kraft und Rüstigkeit. Bekräftige» Sie diesen Wunsch, meine Herren, indem Sie mit mir r»fe»: Unser Ehrenbürger, Seine Durchlaucht Fürst Bismarck lebe hoch! hoch! hochl Der Fürst antwortete: Meine Herren! Zuerst richte ich die Bitte an Sie, sich zu bedecken, weil ich selbst das Bedürfniß habe und ich doch nicht allein es befriedige» kann. Meine Herren! Die Auszeichnung, die mir heute durch Ihre Vermittelung wjdersährt, ist meines Wissens noch niemals einem deutschen Minister, vielleicht auch keinem aus ländischen widerfahre», dag zweiundsiebzig städtische Gemeinden ihn, der nicht mehr im Dienste ist und keinen Einfluß aus die Geschäfte mehr hat, gleichzeitig zu ihrem Mitbürger erwählen und ihm dadurch ihr Wohlwollen und ihr Einverständniß mit seiner früheren Amts führung zum Ausdruck bringen. Es ist dies für mich um so ge- wichtiger, als es im Ganzen nach unserer deutschen Tradition für einen Minister nicht ganz leicht ist, sich dar Wohlwollen seinerLandsleute zu erwerben. Im Allgemeinen ist doch ihm gegenüber die Kritik »och wach samer als die Liebe und wenn Letzter» schließlich überwiegt, so muß er gründlich geprüft und gesiebt sein, ehe man ihm, obschvn er Minister ist, das Wohlwollen, das man den Mitbürgern im Allgemeinen schenkt, wieder zuwendet. Es erfüllt mich mit bejondercr Freude, daß ich dies noch erlebe, nachdem ich nicht mehr im Dienst bin, nicht nur wegen der persönlichen Genugshuung, die darin liegt, auch wegen der politischen Aussicht in die Zukunst, wegen der Frage, ob das Saatkorn, das ich auszustreuen berufen gewesen bin, prosperirt, in fruchtbaren Boden gefallen ist und Aussicht auf eine zukünftige dauernde und wiederholte Ernte bietet. Es war außerdem zwischen uns npch eine andere Scheidewand wie die, welche in Deutsch land zwischen dem Minister und dei» regierte» Bürger herkömmlich zu bestehen pflegte: es war die des Parti- cularismus, wenn ich mich kürz mit einem Fremdworte aus- drücken soll. Wir hatten zwar wohl immer das Gefühl, deutsch zu sein, aber jeder von unS war es auf sein» besondere Weise und ohne Berständniß sür die Art, für die Motive, aus denen auch der Andere, der Nachbar, der Landsmann, deutsch war. Ich darf nur a» Zeiten erinnern, die die meisten von Ihnen erlebt haben, tpo die politische Ueberrinstimmung zwischen Preußen und Sachsen, die Bereitwilligkeit Sachsens, die Hand zu bieten zur Bildung des heutigen deutschen Reichs, minder groß war, ais sie heule ist. Wir sind ja bis zum Kriege zwischen Preußen und Sachsen gekommen und dje sächsische Truppe von 1866 hat noch heute in der öster reichischen Armee das Zeugniß, daß sie das festeste Corps von allen bei Höniggrätz geblieben ist — ein glänzendes Zeugniß für die militairjscheu Leistungen Sachsens. Außer- dem war in Sachsen das Bedürfniß, die national» Bezeichnung dem Auslande gegenüber zu wechseln, nicht so hervorragend, wie in vielen kleinen deutschen Stqqte». Was Sachsen war, was es zu bedeuten hatte, wenn man sagte: ich bin Sachse — das hatte seinen historischen Hintergrund schon seit Jahrhunderten und es gab eine Zeit, wo Sachsen als solches in seiner Verbindung mit Polen eine große europäische Roll» spielte. Also die Empfindung eines im Auslande unbekannten Staatsgebisdes, die unter Umständen de» Befragten zögern machte, zu bekennen, wo er her sei, fand bei den Sachsen nicht statt, die hatten immer darauf eine befriedigende Antwort, denn was Sachsen war^ war in der ganzen Welt bekannt, und deshalb war das Bedürfniß, aus der Kleinstaaterei in eine» großen Nationalstaat wieder üb'rzug'-benw beftnr"lichc^Smat," '» längst imBes.tze eiueö-"r°vö''ch- ^^^nc-nderen S.o-'-N telephonisch mit «»der.» uber d.e Wa .he tz^s ^t. uns einig zu suhlen. Dos Gefühl, ist heut deutschen Mknüber demselben Eie ln Vreußei' Und wi>r es früher zu Tage in Lachsen so lebend g w? in Pr »v-' N o nicht. Das ist ein Fort,-stritt. desf . Bedeu ung u ^ ^ All, hebende Bedeutung für unser» nationale., „fuhrt, ^as erkennen, und das ist da« ^suhl, d großen Gefühl, uns Alle w,eder darauf besoE Rolle deutschen Nation, die '» Europa zn^ ^ Rolle ge- jeder Zeit mitberusen gewesen »fl ^ ^ ihre falle» war durch inner» Zerrissenheit . Laß wir^ ^ ^ Stellung gemeinsam wieder st^e, ^ ^ ^„„dei, ich will nicht ruhmredig sprecht" ^ «Bravo!) als Deutsche Mächte an der «pitze Europas mit stehen (Brav !, nirger des deutichen Reichs. Wir waren vu- . immer, aber das alte deutsche Reich, das inan^ „annte. zeichnenden Form nicht deutlch, sondern bg Juriste»- das hatte ja auch die staatliche Zujaminengehörigke durch Urtheil, aber sie war praktisch nicht vorhanden Jetzt ' °urch dynastische Streitigkeiten, durch d>e?^"tltat der ^ am > mehr gestört; die SH.,..»e haben überhaupt »'cht -n" e'uanv r AL « U Langensalza. In den Stämmen liegt ^s nicht, es lag m de Tynasiieeu, und seit die Tyuastieen einig find und wie ich glaub auch einig bleiben werden (Bravo), halte t«uüt"e nationale Einig keit auch für gesichert. Ter angestammte Fürst hat immer aus da Herz seiner Unterthanen einen mächtigen Einflug und iiwge >h» de- halten; ist der gewonnen sür die nationale Gemeinlchaft. so >" d l Gemeinschaft gesichert; ist der mißtrauisch, feindlich oder gekrankt worden, so periklitirt sie Bisher haben wir überall, in den Dynastieen und d"» geln deien Theil der Bevölkerung, den freien Willen, als gejammte deutsche Nation zusammen zu stehen und zusammen zu halten; den muß man auch er hallen und man muß mit den Imponderabilien, die d'N Einzelnen verstimmen können, vorsichtlich wirlhichaften. Man kann nicht als Gefetz- geber und Regierender mit dem Kopse durch die Wand gehen, ma» muß erst zusühlen, denn etwas dunkel ist die Zukunft immer und das Tastgefllhl ist immer nöthig, das Auge trägt nicht weit (Bravo), aber ich hoffe, es wird hier das geschehen, was nothig ist. Was unS heutzutage trennt, das find nicht Stammesverschiedeii- heiten, nicht dynastische Verschiedenheiten, es sind nur die politischen Parteien, und die sind dazu gar nicht be rechtigt (jehr richtig). Jeder Führer in seiner Partei — sie machen mir den Eindruck wie in der ersten christlichen Zeit die «anten- heilige»; jeder stgnd gls Stylit aus seiner Säule und jagte: hier müßt Ihr Herkommen, ich gehe nicht runter — die «äule wird gebildet aus folgsamen Gesiiinungsgenosjen, ich möchte lagen hypnon- firteii Gesinnungsgenossen des PqrteileiterS, der sie beherrscht und bindet mit einem Mörtel von Principien, die in ihrer Allgemeinheit aus das praktische Leben durchaus unanwendbar sind; diese Art der Ein- theisung in stylitische Herrschergebiete — ich drücke mich deutlicher aus, wenn ich sage in Hcrrschergebiete der Parteiführer — die ist die Gefahr, die uns jetzt bedroht. Jeder will seine Ansicht, vielleicht auch eine solche, die er vielleicht gar nicht mehr hat, aber die er ursprünglich als Programm in die Welt gesetzt hat, ohne einen Punct aus dem i aufzugebeii, ausrecht erhalten und er kämpft darum mit den Anderen und bas sind die Streitigkeiten, die wir leider in unjeren parlamentarischen Versammlungen heut« in hervorragender Wie unsere Zukunft praktisch und allerseits befriedigend ge- taltet werden soll, allerseits befriedigend, das ist eine rrage, die nicht ini Vordergründe steht, dazu mühte man zuerst die ferständtgung zwischen den Parteien, de» Fraktionen suchen — gesucht wird sie wohl von einzelnen Fraktionen; jeder sucht sich die eine oder die andere zu amiectirkN — es gelingt ihm auch, bei den Wahlen namentlich — aber beherrschend sür die Ausgabe, die wir a lösen berufen sind, ist der Gedanke der Versöhnlichkeit zwischen ^en Parteien nicht und ich bin stark in Versuchung, mit Ihnen ein tereat auf dje politischen Parteien auszubringen (Heiterfeit). Ich i nterlosse das aber (Heiterkeit), ich will Sie als Sachsen lieber bitten, mit mir einzustimiiien in ein Hoch auf Ihren Monarchen, der einer der wenigen Ueberlebenden von denen ist, die mit dem Degen in der Faust unsere Einheit haben erkämpfen Helsen, und der unter allen Umständen — ein seltenes Muster — das Wohl seiner Unter- thonen im Auge behalten hat. aber auch ein reichStrruer, national- lesinnter Monarch geblieben ist. Se. Majestät König Albert, er ebe hoch, nochmals hoch und wiederum hoch!" Nachdem das brausende Hoch verklungen war, unterhielt .ich der Fürst auf einem Rundgange mit einzelnen Mit gliedern der Deputation. Er fragte: ,,Wie steht es in Ihrer Gegend mit den sprachlichen Beziehungen? Äst daS Wenhischk noch immer in Blüthe?" Die Antwort war: Sebr wenig, das Ezechische macht sich leider empfindlich be merkbar." Der Fürst fuhr fort: „Das Wendifche ,at noch immer Dialekt. Einer spricht böhmischen, ein anderer polnischen Dialekt. Unsere Wenden sprechen immer polnisch, aber sie werden dem deutschen Reiche hoffentlich keine Schwierigkeiten bereiten!" Einen mit dem eisernen Kreuz decorirten Herrn frqgte er, wo das Kreuz erworben sei? Auf die Antwort: bei Beaugency «Orleans), bemerkte er: „Na, das war schon im Schnee, und mit unter ohne Stiefel; wenn man später Alles liest, dann ist man froh, daß Gott es so gelenkt hat." Zu einem Herrn aus Valparaiso, einem geborenen Sachsen, der wieder nach drüben gehen will, sagte der Fürst: „Empfehlen Sie mich den Deutschen dort, die mir viele Bcweisevvn Zuneigung gegeben haben. Selbstkommen kann ich zu ihnen nicht." Gegenüber einem mit der sächsischen Medaille geschmückten Herrn, der am AusfallSgesecht vor Paris theilgenvnimen, meinte er: „Ja, da ging's auch nahe am silberne» Löffel her, das waren harte Gefechte!" Aus die Bemerkung, daß der Fürst Wohl noch 100 Jahre alt werden könne, entgegnen er: „3a können, aber ob wollen, das ist dje Frage. Wenn die Schmerzen sehr heftig werden, dann wird Einem doch die Annehmlichkeit deö Lebens zweisel- baft. Aber jetzt sind die Schmerzen doch seltener." Dann bemerkte er scherzhaft: „Die Herren sind alle so schön im Frack gekommen. Das paßt gar nicht in unsere Waldland- fchaft. Ich bade zwar auch noch einen Frack, aber der hängt schon an die zwanzig Jahre im Spind." Äm Gespräch mit dem Bürgermeister aus Eolditz erinnerte sich der Fürst eines Gedichtes, das er in der Schule gelernt: „In einem großen deutscken Dorf, das an die Mulde stieß". Der Titel lautet: „Der kleine Töffel". Der Fürst ritirte noch eine Strophe weiter, brach dann aber ab: ^Na, ich will das nicht weiter aussühren, ich weiß es auch nicht weiter auswendig." Zu dem ältesten Deputirten, der 73 Äalne alt ist, sagte der Fürst: „Da haben Sie noch sieben Jahre Zeit, bis Sie an mein Alter gerathen sind. Besser wird es nicht, aber man denkt immer, es kommt noch wieder." Dem Schöpfer der Adresse und des BebälterS derselben, Herrn Pros. Hoffman», sprach der Fürst Dank und Aner kennung für seine Leistung mit warmen Worten aus. Bevor er sich ins Schloß zurückzog, richtete er noch eine Einladung an die Versammelten, soweit der Platz reiche an der Frühstückstafel theilzunehmen. Der Raum sei leider Fe«rHetoii. Die Erbin von Abbot-Castle. 4s Original-Roman von F. Klinck-LütetSburg. . Nachdruck verbot«». (Fortsetzung.) Seine Vorliebe für da« Landleben, die sich in jedem gering fügigen Umstand zu erkennen gab und auf die Beobachtung aller kleinen Vorgänge in der Natur ausdehnte, ließ ihn die Aussicht, zwischen Stadtmauern zu athmen, wenig verlockend erscheinen, aber Harry Ruthbert hatte, seit er denken konnte, mit den Verhältnissen rechnen gelernt, und war nicht der Mann, sich durch etwa« Unabänderliche« nur vorübergehend die gute Laune verderben zu taffen. Mit Eifer und Fleiß verfolgte er die ihm angewiesene Lebensbahn, und die besten Schulzeugnisse, das Lob und die volle Zufriedenheit seiner Lehrer mußten ihn für eine Art von Mißvergnügen schadlos balten, IvelcheS er darüber empfand, daß er nicht dem Zuge seines Herzens batte folgen können- Der rasch aufeinanderfolgende Tod seiner Brüder brachte ihm unerwartet die Erfüllung seiner heißesten Wünsche. Daß er sich derselben nicht freuen könnt«, war bei einem Charakter wie demjenigen Harry Rutbbert'S nqtiirlich. Er war in der düstersten Stimmung nach Ruthbert-Hall gekommen, und erst die Zeit, vor allen Dingen aber die Erkenntniß, daß weder der eine noch andere seiner Brüder im Stande gewesen sein würde, einem vollständigen Verfall des Familien-EigenthumS Einhalt zu gebieten, gab ihm etwas von seiner verlorenen Ruhe zurück. Die Verhältnisse erforderten nicht nur eine aufreibende Tbätigkeit, große Umsicht deS Besitzers, sondern auch da« Auf erlegen von Entbehrungen aller Art. Weder da« Ein« noch Andere würde nach dem Geschmack der Verstorbenen gewesen sein. Beide hat'«,, die Eigenschaften besessen, welche eine« Tage« zuerst den Anlqß zu dem Verfall einer reichen und vornehmen Familj« gegeben; beide waren in hohem Grade verschwenderisch und genußsüchtig gewesen. Sie würben nicht daran gedacht haben, den Versuch zu machen, Bestehende« zu erhalten. Wo würden die Waldungen, welche vorläufig den einzigen Stolz Harry Ruthbert'« bildeten, geblieben sein, wenn einer von Beiden nur die Berechtigung hätte erlangen können, daran« zu verkaufen? Beide Brüder würden voraussichtlich daS alte Besitzthum in wenigen Jahren veräußert haben, und wa« wäre dann ge worden? Eine weise Vorsehung hatte nicht diesen Ausgang gewollt, sondern daS Rettungswerk in die Hände Desjenigen gelegt, der vermöge seiner Energie, seiner Thatkraft und mit einer ungewöhnlich ernsten Cbarakteranlage ausgerüstet, befähigt war, schon verloren Geglaubtes zu retten- Wer Ruthbert-Hall zu der Zeit gesehen hatte, als der jüngste Sohn der Familie seinen Einzug in das Haus seiner Väter gehalten, und Gelegenheit fand, es jetzt, nach einer ver- hättnißmäßig kurzen Zeit, wiederzusehen, der mochte wohl er staunt über di« große Veränderung sein, welche in der äußeren Erscheinung des Stammgutes sich vollzogen. Das im Stil der Spät-Renaissance erbaute umfangreiche Hauptgebäude, dem zwei gothische Thürme ein besonderes großartige« Aus sehen verliehen, war freilich noch nicht dem Vorfall auSgesetzt gewesen. Die Mauern standen so fest und stolz wie zu der Zeit ihrer Errichtung, und waren auch hier und da die Ornamente zerstoßen, zrrbröcke t, so hatte doch mit einem geringen Kostenaufwand der alle Schmuck hergestellt werden können, und der Wind fand nicht mehr freien Eingang durch leere Fensterhöhlen. Die Nebengebäude aber, Garten und Park waren in einem unbeschreiblichen Zustand gewesen. Nicht nur geborstene« Mauerwerk, au« welchem lustig allerlei Unkraut hervorwucherte, sondern Trümmer legten Zeugniß dafür ab, daß Niemand mehr versucht hatte, dem Verfall Einhalt zu gebieten. Der Garten lag seit einer Reihe von Jahren brach, kaum daß man sich noch mit dem Gemüsebau besaßt hatte. Der herr liche Park war zu keinem andern Zweck mehr betreten worden, als um ihn seiner prächtigsten Bäume zu berauben, die man wohl gar nur als Brennholz für den eigenen BedarP benutzte. Die Wege waren mit Gras bewachsen. Allerlei Schlingge wächse versperrten den Zutritt, und es hatte endlose Mühe gekostet, nur den Zugang wieder herzustellen. Aber nicht nur Mühe — auch Geld. Und daS war daS Schlimmste gewesen. Harry Ruthbert hgtte so gut wie gar nichts besessen, al« er hierhergekommen war; der Ausdruck „arm wie eine Kirchenmaus" mochte ohne Uebertreibung auf ihn Anwendung finden. Seine Advocatur hatte ihm in den ersten Jahren der Ausübung seine« ihm auferzwungenen Be rufe« keine Schätze eingebracht, so daß er mit ihm nicht viel ausgab. Die Besitzung war aber so sehr mis Schulden be lastet, daß e« ihm anfangs kaum möglich erschienen war. sich in ihrem Besitz zu behaupten. Ruthbert gewesen, aber er war ihrer doch. Herr geworden indem er den Familienstolz, nichts von Dem, was zu Rutbbert Hall gehörte, zu veräußern, aufgab und sich nach einem Käusei sür zwei ziemlich fern gelegen? Farmen umsah. Er Haiti Glück gehabt; ein Käufer war unerwartet schnell gesunder worden und Harry Ruthbert in den Besitz des Geldes gelangt das er nothwendig gebrauchte, den dringendsten an ihn ge stellten Anforderungen zu genügen. Wer Ruthbert-Hall nach Jahresfrist sah, würde kann möglich gehalten haben, daß in einem verhältnißmäßig kurze: Zeitraum! eine derartige Umwandlung sich hätte vollziehe: können. Es war in der Tbat eine stattliche Besitzung un schwer zu begreifen, warum die Ruthbert'« sich früher so wem um dieselbe gekümmert hatten. Sie machte vollkommen de Eindruck eines vornehmen Landsitzes. Fehlten auch hinter einer großen Theil der Fenster die Vorhänge, so fiel dies um s weniger ans, als sie mit Epheu üppig uniwuchert waren un in Sauberkeit erglänzten. Der Vorgarten war wegen de alten Bäume und mancherlei Ziersträucher nicht recht zu Blumenzucht geeignet, aber inmitten desselben befand sich ei> großer Rasenplatz mit buntfarbenen äußerst geschmackvolle! Teppichbeeten, wodurch der etwa» düster-romantische Anstrit von Ruthbert-Hall ein wesentlich andere« Aussehen erhielt Der Park war einer der schönsten der Grafschaft, selb« jetzt noch, obgleich qrg darin gehaust worden war. Da räuberische Schlingkraut, welches begonnen, edle Bäume aut zubeuten war beseitigt worden, kirsbestreut« Wege duldete kemen Graswuchs mebr. Lord Harry Ruthbert hatte doi eine angenehme Empfindung, wenn er in den wonnigen Frü! lingStaaen je einmal eine Stund« Zeit gefunden, um einen eil tzmen Spaziergang m diesem Tbe.l seiner Besitzung zu mache Den zahlreichen Singvögeln hatte dir herrschende Stille u. Ungestortheit des Parke« denselben zu einem Paradiese gemach und vielhiindertstimmiger Vogelgesang begleitete Lord Har- H'er gab eS wenigsten« Augenblicke, 'IKampf um seine Existenz vergeff konnte, wo ver Gedanke an die Dränger, welche gierig bemü entreißen, weil sie mit ungeahnt chneUigkeit im Werthe wuchs, vor der heiligen Ueberzeugu, ^ ^ ^ 3^'agrn würde, siegreich a> aller csorge und Unruhe hervor,ugrhen. Hier fand er ne Kraft, .neuen Muth, wenn beide« ihn zu verlaßen drohte. ein/n 2nmrn des Hause« erinnerte nichts m« einen Verfall. Die wurmstichigen, zerbrochenen Möl an mit zerrissenen Bezügen waren auf den Boden geschafft worden, das Brauchbare aber sorgfältig restaurirt. Viel vollständig ausgestattete Zimmer gab es auf Nuthbert-Hall nicht, und die vorhandene AnSstattung entsprach auch nicht überall dem Gesckmacke Lord Ruthbert «. Einerseits war sie zusammen gewürfelt, andererseits zu kostbar und verblaßt. Dem Besitzer waren sie lebendige Fragen nach einer Zeit, die besser für immer der Vergessenheit anheilllgesallen blieb, weil sie des Demüthigenden zu viel enthielt. Nur das Eßzimmer, ein kleiner Empfangssalon und Lord Rnthbert'S Arbeitszimmer entsprachen vollständig einem modernen, soliden Geschmack. Sie waren nicht kostbar ein gerichtet und enthielten keine Kunstgegenstände, waren aber stil voll und auch von einer gewissen Eleganz. Wer nach Ruthbert- Hall kam und nicht genau mit den Verhältnissen bekannt war, konnte nicht ahnen» daß der Besitzer oft mit den größten Schwierigkeiten, die einem Charakter wie dem seinen ganz besonders peinigend sein mußten, zu kämpfen hatte. Und Besuche waren auf Ruthbert-Hall nichts Seltenes mehr, wie zu Anfang, als Lord Harry seinen Wohnsitz daselbst genommen hatte. Als er von seinen zahlreichen Freunden in der Stadt sich verabschiedete — und er batte deren mehr gehabt, wir je ein anderer Mensch, weil der Verkehr mit ihm nur ein angenehmer und nutzbringender sein konnte — ver langte er, daß man ihm Zeit gewäbre, sich einzurichten. Die Forderung war ihm ungern zugebilligt worden, denn es war Allen eine angenehme Aussicht gewesen, Harry Ruthbert s bekannte Gastfreundschaft auf einem so herrlich gelegenen Land sitz genießen zu können. In letzter Zeit war Rntbbert-Hall nun wiederholt zum Zielpunkt eine« Ausfluges gewählt worden, beinahe mehr, als es Lord Harry lieb war. Seine Zeit und seine Gedanken waren immer außerordentlich in Anspruch genommen, und jede Abhaltung mußte ihm unlieb sein. Dennoch war er ein zu liebenswürdiger Gesellschafter und warmherziger Mann, als daß er nicht Alles hätte thnn sollen, nm seinen Gästen den Aufenthalt bei ihm zu einem angenehmen zu machen. So konnte eS nicht befremden, daß ehemalige Freunde, einer nach dem andern, sich einfanden, um sich von Harry Ruthbert « Wohlergehen zu überzeugen. Auch heute fand dieser, als er von MrS. Gray'- Be hausung zurückkehrte, Besuch vor, der ihm aus mehr als einem Grunde nickt angenehm war. Er hatte Will Gullham als Freund nie geschätzt, sondern ihm, obwohl sie gemeinsam die Universität besucht, ziemlich fern gestanden. Er war dabei
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