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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.05.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-05-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950510020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895051002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895051002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-05
- Tag1895-05-10
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218.40 »17.« 218.45 - 51^» - S. - o. - s» - 64 - 04 .. - 6» O 6, v SrÜelc, -1S4S0 Ü54.80 118,40 7.— 107,80 15»70 220,70 158H0 108.— 6331, 807,— 161.10 147.10 Sb IO 143^0 147.20 -132,10 162.20 s: Lrväit- 66^- 10600 118,— 13500 16b 00 184 — 1S200 7« 818,6b , «,V0 r« 187,— 4L 132,75 88.15 58^2^ SD8 5W 3640 428,35 331.50 104.— 286,75 224.— 85 IO 24SI5 122.25 48,48 8.68 58.70 1.31 120.25 t d»i >ar- »S M« 73^ 87 16 66^ 42 71-i4 58 25-» . 86-. ?Lc>üe 54 1041» 161. V.'« 301, Ic»i>i,etrs irovii liest' 7,37, Mel 7M. aw.,»» öM, «, V«» Ux» 5,7b, liLiict icl»r«ct 2,so, 6o»I T'rnst Sloelc ö. 733,75 73,25 388,— >408,75 25,22 -tlr 25,31 1'!. tlo»«n etv«, l'tnio ,t»rlt rkts». keirsi» per I»t 130.50 31, OLK 2). «re, «to, wir »cdlis««t ,m vdr, r« von s»»- Bez«gS.PreiS Al d« Hauptexpedttkon oder den im Stadt, bezirk und den Vororten errichteten Aus zeholt: vierteljährlich ^4.50, ^ st.llung ins ... »st bezogen für Deutschland und Oesterretch: viertel,ährltch -« 6.—. Dirrcte tägliche Kreuzbandsenvung in» Ausland: monatlich 7.K0. vezni uno oen rvororren erria gäbest,y« qh ge holt: vi,rt,liähi bei zweimaliger täglicher Aust« Hau« ^l Ü.HL Durch die Post DieMorgen-Rusgabe erscheint täglich mit Au», nähme nach Sonn- uno Festtagen '/-7 Uhr, dt« Abend-Ausgabe Wochentags 5 Uhr. Redaktion und Expedition: Johanne-aafse 8. Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abend» 7 Uhr. Filialen: vtt» Klemm « Sorttm. (Alfred Hahn), Univrrsitätsstraße 1, Louis Lösche, Katharinenstr. 14, part, und KönigSplatz 7. Abend-Ausgabe. —— », I, » , > >», » I Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Slnzeigeir.PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Neclamen unter dem Redactionsstrich (4g«e spalten) 50^, vor den FaintliennachrichteN (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernjatz nach höherem Tarif. Extra "Beilagen gesalzt), nur mit der Mvraen-Ausaabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit PostbejörLerung ^ 70.—. Annqhmeschluß für Anzeigen: (nur Wochentags) Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Ptorge n-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je rin« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. —— Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. ^-231. Freitag den 10. Mai 1895. Politische Tagesschau. * Leipzig, 10. Mai. Der gestrige zweite Tag der zweiten Plenarberathung de« Reichstags über die Umsturzvorlage hat große Reden, aber keine Klärung gebracht. Daß der Freisinn und die Social demokratie gegen die Vorlage in ihrer ursprünglichen und ihrer von der Commission verböserten Gestalt sind, wußte man auch ohne die gestrigen Reden der Abgg, Lenz mann und Bebel. Und das, woraus es ankommt: was die Regierung aus den Commissionsbeschlüssen heraus- und in sie wieder hmejngebracht wissen will, ob das Centrum diesen Wünschen entgegenzukommen bereit und ob zwischen Regierung und Centrum eine Vereinbarung möglich ist, sür die eine knappe Mehrheit zu finden wäre — das erfuhr man nicht. Aus der Rede des preußischen Justiz- Ministers Schönstedt kann man zwar entnehmen, daß die Vorlage sür die verbündeten Regierungen unannehmbar sein wird, wenn Z. 113 (Widerstand gegen Beamte) und tz. 114 (Bedrohung von Beamten) nicht wieder die Zahl der Ver geben ergänzen, deren Anpreisung strafbar sein soll; aber wie weit dem Centrum entgegengekommen werden soll, wenn es auf diese Bedingung eingeht, das ließ die Rede des Ministers im Unklaren. Pom Centrum erfuhr man durch einen Antrag Gröber nur so viel, daß es den thatsächlichen Angriff auf Beamte, wo diese in Ausübung ihres Berufs handeln, nicht ungestraft zu lassen bereit ist. Aber das Centrum läßt vielleicht mit sich reden, wenn ferner in der Tonart des preußischen Zustizministers mit ihm geredet wird. Er verurtheiite den Culturkamps als zwecklos und schädlich. Das kann bedeuten, daß er auch die letzten Reste der Gesetzgebung aus der Cultnrkampfzeit als zwecklos und schädlich preiszugeben ge neigt ist: den Kanzelparagraphen und das Jesuiten gesetz. Ob das wirklich die Meinung des Ministers ist und ob sie von der Mehrheit der verbündeten Regierungen getheilt wird, muß einstweilen dahin gestellt bleiben. AuS der Rede des preußischen Ministers des Innern v. Koller erfuhr man darüber ebensowenig etwas, wie über irgend eine andere wissenswertbe Thatsache. Nur daß ihn das Gefübl absoluter Wurstigkeit gegenüber den Kritiken be seelt, die an der von den Regierungsvertretern in der Commission beobachteten Haltung geübt werden, brachte er zum unzweideutigen Ausdrucke. Aber daS Centrum wird wohl Mittel und Wege finden, über die volle Bedeutung und Tragweite der Worte des preußischen Iussizministers sich zu unterrichten. WaS eS dann beschließt, ist jedenfalls von den bisherigen Auslassungen der Cen lrumsredener und der Centrums presse unabhängig. Für eine so schmeichelhafte Anerkennung, wie sie ihm und seiner Haltung während des Culturkampses gestern von einem preußischen Minister zu Theil geworden ist, und für Concessionen, deren Verheißung aus der Rede dieses Ministers herausgelesen werden können, opfert das Centrum sicherlich gar gern etwas, was es „unter anderen Umständen" als conäitio siuo tjua von bezeichnet hat. Ob die Deutschconservativen, wenn sie sich einem zwischen Centrum und Regierung sich anbabnenden oder gar vollzogenen Compromiß gegenüber sehen, bei ihrer neuerlichen Abkehrung vom Centrum beharren oder zu ihrer alten Liebe zurückkehren und dadurch gleichzeitig einem Regierungswunsche entgegenkommen, muß gleichfalls abgewartet werden. Und da man von dem Abg. v. Kar- dorsf gehört hat, daß seine vorgestrige Erklärung nicht von dem Abg. Frhrn. v. Stumm inspirirt war, so ist auch die Mög lichkeit noch nicht völlig ausgeschlossen, daß von der Re ichs- p artei wenigstens ein Theil für ein unter Regierungseinfluß sich vollziehendes ultramontan-conservativeS Compromiß sich gewinnen läßt. Wahrscheinlich ist allerdings ein solches Resultat bei der zwischen Centrum und Conservativen in folge der Vorgänge in der Commission zur Berathung deS Antrags Kanitz eingelretenen Spannung nicht. — Am Schluß der gestrigen Sitzung wies die Rednerliste zu tz IN nock> anderthalb Dutzend Namen auf, und dabei ist ein weiteres Eingreifen der Bundesratkßvertreter in die Debatte sicherlick nock zu erwarten. Unter diesen Umständen und bei der Unmöglichkeit, die jetzt nock folgenden Redner strenger auf den ß IN zu beschränken, als es bisber geschehen ist, würde natürlich noch mancher Tag mit der Discussion über diesen Paragraphen verbracht werden, wenn nicht die Mehrkeit des Hauses den Schluß der Debatte in Bälde berbeiiübren sollte. Voraussichtlich wird dies beute zur Entscheidung kommen. Geschieht es nicht, so läßt sich daraus schließen, daß eine Mehrheit vorhanden ist, die daS Scheitern der Vorlage nicht will und an die Möglichkeit einer Verständigung, d. h. einer Befriedigung des Centrums, glaubt. In der österreichisch-unaarischen Krise ist der vom Bester Cabinet geforderte und mit Bestimmtbeit erwartete Schritt zu endgiltiger Lösung noch nicht geschehen: Graf Kalnoky hat sich noch nickt bemüßigt gesunden, die in der Note an Baron Banffy in Aussicht gestellten Recriminationen an die römische Curie gelangen zu lassen und man geht mit der Annahme nickt febl, daß der ungarische Premierminister, wenn er, wie uns gemeldet wird, sich morgen abermals nach Wien begiebt, um dem König über die Lage in Ungarn Bericht zu erstatten, demselben die Alternative stellen wird: entweder sofortiger Protest gegen die staatsgefährliche Agitationsreise des Nuntius Agliardi, oder Demission des ungarischen Cabineks. Jeden falls hat zur Steigerung des Mißtrauens in Pest das Hand schreiben des Kaisers an den Grafen Kalnoky, das dem Minister das volle Vertrauen des Monarchen anssprickt, bei getragen. Man fragt, ob mit diesem Handschreiben der Kaiser nicht daS Verhalten deS Ministers des Auswärtigen in der leidigen Affaire sanctionire und wo denn die Genug- tbung bleibe, auf welche die ungarische Regierung Anspruch habe. Diese Einwendungen, von allzugroßer Gereiztheit ein gegeben, schießen zweifellos über das Ziel, denn dadurch, daß der Monarch die Verlesung der Note Kalnvfy's gestattete, ist BaronBanffydock cineziemlich weitgebendeGenuglbuung zuTheil geworden, da sie sein Verhalten bis auf einenFormfebler vollauf rechtfertigte und andererseits versiebt es sich doch gewiß von selbst, daß ein Handschreiben des Kaisers, in welchem derselbe die Demission eines hochverdienten Ministers abtebnt — und ablehnen mußte er es im gegenwärtigen Augenblick — in den huldvollsten Ausdrücken gehalten ist. Diese Ueberempsind- lichkeit also halten wir nicht für gerechtfertigt, wobl aber das Verlangen schleunigster Recriminalionen beim Vatican. Daß dieselben noch nicht erfolgt sind, ist allerdings auf fallend, aber wir hoffen, daß dieselben, wenn auch in der schoncndsten Form, sobald die nöthigen Unterlagen vor handen sind und die Angelegenheit nach allen Seiten geklärt ist, doch noch ergeben werden, denn Kaiser Franz Joseph kann unmöglich die Auffassung der Ultramontanen im österreichischen Reichsrathe zu der seinigen machen, daß in der habsburgischen Monarchie neben dem weltlichen auch ein unverantwortlicher geistlicher Herrscher legitim sei. Soweit ist das Selbst gefühl der Habsburger vor klerikalen Machteinflüffen noch nie zurückgewichen. Wie sehr die konservativ - ultra- montane Partei und mit ibr die christlich-sociale in Oesterreich bemüht ist, den Nuntius Agliardi zu halten, sein Benehmen zu rechtfertigen und der Meinung Geltung zu verschaffe», daß der Papst das Recht habe, in kirch en- politischen Angelegenheiten sich in die inneren Angelegen heiten der österreichisch-ungarischen Monarchie nach Belieben und in welcher Form immer einzumischen, zeigen die Inter pellationen der Abgeordneten Dipauli und Fürst Li echte n- lein. Zum Glück für den Bestand der Coalition — auch der Polenclub hat bekanntlich eine Resolution zu Gunsten Agliardi's angenommen — hat Ministerpräsident Fürst Windischgrätz die Beantwortung der Interpellation und das Abgeordnetenhaus, wie mitgelheilt, die Eröffnung der Debatte über dieselbe mil erdrückender Majorität abgelehnt. Andernfalls wäre es zu prinzipiellen Erörterungen gekommen, welche ein längeres Zusammengeben der Deutsch-liberalen mil den übrigen Coalitionsgruppen zu einem Ding der Un möglichkeit gemacht haben würde. Fürst Windischgrätz sagte: Tie Regierung tlieile vollkommen die von dem Minister des Aeußcrn in seiner Note an den ungarischen Ministerpräsidenten vom 25. v. M. ausgesprochenen grundsätzlichen Anschauungen, wonach weder das Oberhaupt der katholischen Kirche in der Leitung der kirchlichen Angelegenheiten und im legitimen Verkehr mit den Gläubigen von Staatswegen irgend wie be hindert werden, noch derStaat in derAusübung seiner Rechte irgend eine Einschränkung von außen erfahren soll. Die Regierung glaube jedoch aus eine meritarische Beant wortung der in der zweiten Interpellation gestellten Frage nicht ei»gehen zu sollen, weil für sie innerhalb ihres Wirkungskreisesein concreter Fall nicht vorliege. Mit Rücksicht auf den Umstand, schloß der Ministerpräsident, Laß die in der ersten Interpellation ge- slellie» Frage» ausschließlich den Amtsbereich des Ministers des Aeußern berühre», und mit Rücksicht aus die Thatsache, daß eine weitere Besprechung der fraglichen, noch in der Schwebe be findliche» Angelegenheit, sowie überhaupt das Aufwerfen kirchen- pvlitijcher Fragen ohne einen das diesseitige Staats gebiet berührenden Anlaß vom Standpuncle des Staats- interesseS nicht erwünscht sein kann, erlaube ich mir von dem durch die Geschäftsordnung eingcränmteu Rechte Gebrauch zu machen und die Beantwortung dieser Interpellationen abzulehneii. Mit dieser Stellungnahme des Ministerpräsidenten ist ja schon angedeutet, daß die Regierung, wenn sie auch — ganz dem Stantpunct des Grafen Kalnoky entsprechend — bestrebt ist, durch weitgehendes Entgegenkommen die besten Beziehungen zur Curie zu unterhalten, doch nicht im ent ferntesten daran denkt, die weltliche Macht unter die kirchliche Herabdrücken zu lassen. Erblickten wir nickt eine Nothwendig- keit darin, den Bestand der Coaiition wenigstens bis zur Notirung des Wahlgesetzes vor Gefahren zu behüten, so Kälten wir allerdings eine principielle Beantwortung in Erledigung, namentlich der Interpellation Dipauli gewünscht, die unbedingt nicht im Sinne ihrer Urheber hätte ausfallen müssen. Unter kirchenpolitischen Fragen können keine anderen ver standen werden, als solche, welche sowohl das Gebiet der Kirche als das deS Staates berühren, und diese sind nach österreichischer Verfassung der ausschließlichen Regelung durch die Staalsgesetze unterworfen. Der Artikel 15 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger bestimmt darüber in einer jeden Zweifel aus- schiießenven Weise, daß jede gesetzlich anerkannte Kirche, also auch die katholische, ibre inneren, das heißt die rein kirch lichen Angelegenheiten selbstständig ordnet und verwaltet, im Uebrigen aber wie jede Gesellschaft den Staatsgesetzen unter worfen ist. Die übrige Gesetzgebung, insbesondere das Gesetz vom 7. Mai 1874 über die äußeren Rechtsverhältnisse der katholischen Kirche, stimmt damit vollkommen überein. Dieses Gesetz bestimmt, daß für die Erlangung kirchlicher Aemter in Oesterreich die Staatsgesetze maßgebend seien, daß daS erste Erforderniß zur Erlangung eines solchen Amtes die österreichische Staatsbürgerschaft sei, daß auch für die Verwaltung der inneren kirchlichen Angelegenheiten die kirchlichen Vorschriften nur insoweit maßgebend sind, als sie den Staats - Gesetzen nicht widersprechen, daß die Bischöfe ihre Erlässe der politischen LandeSbebörde jvr Kenntnißnahme mitzutheilen haben. Welchen Sinn batten alle diese zur Wahrung der Staatshoheit auf dem gesammten kirchenpolitischen Gebiete getroffenen Be- 'timmunHcn, wenn es dem Vertreter einer fremden Macht, der den österreichischen Gesetzen nicht unterworfen, kein Unter- tban des Kaisers von Oesterreich ist, gestattet wäre, sich in die kirchenpolitischen Fragen einznmiscken? Wenn die Inter pellation Dipauli behauptet, die Freiheit des Oberhauptes der Kircke bei ihrer Leitung könne nicht beschränkt werden und der Papst könne sich darin beliebig vertreten lassen, so ist das nichts weniger als die Preis gebung der Souveränetät. Die Leitung des Oberhauptes der Kirche ist beschränkt durch das Hoheitsrecht des Kaisers und durch das Slaatsgesetz. Der Papst kann sich in dieser Leitung nicht beliebig vertreten lassen, sondern nur durch Personen, die österreichische Staatsbürger sind und den vom Staatsgesetze ausgestellten Erfordernissen für ein kirchliches Amt entsprechen. Dem Nuntius kann ein Recht nicht zu- tehen, welches sämmtlichen Erzbischöfen und Bischöfen nicht ,uslebt, und selbst wenn er den Auftrag zur Ausübung eines ircklichen Amtes hätte, so könnte er ihn nicht aussühren, weil er die vom Gesetze dazu geforderte Eignung nicht besitzt. Daß selbst Kalnoky bei aller Rücksichtnahme auf den „greisen Papst" diesen Stankpunct wenigstens principiell einnimmt, »at bei den Coalitionsklerikalen arg verstimmt und sie prechen offen und laut das Anathema über ihn aus, während sie große Ovationen sür Agliardi planen. Wir glauben nickt, daß die letzteren, wenn sie nicht auf einen höheren Wink ganz unterbleiben, geeignet sind, den Nuntius zu halten. Der Papst dürste ihn opfern, um die leidige An gelegenheit aus der Welt zu schaffen, da er es mit Oesterreich nicht auf einen Existenzkampf ankommen lassen kann. Ob aber auch Graf Kalnoky fallen wird, das ist die große Frage. Er hat es mit den ungarischen Liberalen gründlich verdorben — und die Delegationen werden ihm schwerlich das Budget bewilligen — aber auch die Sympathien der Klerikalen, die ihm nicht mehr trauen und ihn des Doppelspieles bezichtigen, hat er verscherzt, und deshalb dürfte ihm kein anderer Weg übrig bleiben, als bei „gelegener Zeit" sein Demissionsgesuch zu erneuern. Nach Behauptungen englischer Blätter soll die Ab schnürung des Transvaals von dem Indischen Ocean, welche durch die Annexion des Swazi- und Ton gala »des eben bewerkstelligt worden ist, von dem Handels und wirthschastspolitischen und. seit der Erstarkung der deutschen Position in Ostafrika, auch vom allgemein politischen Interesse Englands erheischt worden sein. Vielleicht hätte man die Sache noch ein wenig länger anstehen lasse», aber die Annäherung zwischen der Transvaalrepublik und dem Oranjefreistaat schlug dem Fasse des englischen Mißtrauens den Boden aus. Tie Annexion von Swazi- und Tongaland bildet die Antwort des Londoner Cabinets auf die Föderations bestrebungen des holländischen Bevötkerungselements. Es wird sich nun zu zeigen haben, ob man in Pretoria und Bloemfontein diesen Schachzug passiv hinnimmt. So lange Delagoabai in portugiesischem Besitze bleibt, ist Trans vaal wenigstens nicht ganz und gar mit gebundenen Händen der englischen Drangsalirung ausgeliefert. Aber man weiß, daß England sich mit der Hoffnung trägt, über lang oder kurz auch Delagoabai in seine Gewalt zu bekommen, wenn diesen Machenschaften nicht von dritter Seite energisch entgegengetreten wird. Die Portugiesen wären unter Um ständen mürbe zu machen, wie der vorjährige Aufstand der Kaffern zeigte. Derselbe kam den Engländern so gelegen, Feuilleton. Die Erbin von Äbbot-Castle. 5j Original-Roman von F. Klinck-Lütetsburg. Mchdruck verbot«». (Fortsetzung.) „Die Umgebung von Ruthbert Hall ist wundervoll, Gullham. Ich dachte noch, während eines längeren Aufent haltes Ihrerseits, Zeit zu finden. Sie damit bekannt ru machen. Da Sie denselben in unvorhergesehener Weise ab zukürzen gedenken, so will ich Sie wenigstens noch einmal durch den herrlichen Wald nach Violet-Valley führen, ein Weg, der alle Naturschwärmer entzückt." Bewußt folgte Lord Ruthbert mit diesem Vorschlag dem Wunsche, seinen Gast den letzten Nachmittag angenehm ver leben zu lassen, unbewußt dem Verlangen, das junge Mädchen zu sehen, welches bei MrS. Ethel Gray lebte. Seitdem es gesund geworden war, hatte es Harry Rutbbert an jeder Gelegenheit gefehlt. Mary Connor zu sehen. Noch einige Male hatte er sie mit Blumen er freuen dürfen, dann mußte er diese Aufmerksamkeit einstellen und sie ihrem Schicksale überlassen. MrS. Ethel Gray wollte allein leben. Wenn sie durch die Umstände gezwungen worden war, auS ihrer Ruhe und Abgeschiedenheit, durch die noth- wendige Pflege der Enkelin, hervorzutreten, so glaubte sie sich nunmehr vollkommen berechtigt, alte Gewohnheiten wieder aufzunebmen, und diese bestanden in erster Linie darin, daß kein Mensch ihre absolute Einsamkeit störte. Sie hatte keinen Anstand genommen, ihren Nachbar davon in Kenntniß zu setzen, w«e außerordentlich unangenehm ihr daS Erscheinen irgend eines Fremden in ihrer Cottage sei. so daß selbst eine weniger feinfühlende Natur, als Lord Ruthbert, sich veranlaßt gesehen haben würde, von weiteren Besuchen be, Mr«. Ethel Gray Abstand zu nehmen. So war e» gekommen, daß er Mary Connor säst vier Wochen nicht mehr gesehen hatte. Und doch schlug sein Herz schneller bei dem Gedanken an sie, doch stieg ihm das heiße Blut in da« Gesicht, wenn er sich ihr lieb liches Gesicht vergegenwärtigte, daS für ihn nicht einmal durch die bluthrothe Narbe über der Stirn entstellt werden tonnte. Ihm kamen bisweilen seltsame Gedanken, die ihn. indem er sie auf ihren Werth prüfte, nicht selten be unruhigtem Es ließ sich aber nicht hinwegleugnen, daß alle Vernunftgründe ihn nicht hatten hindern können, sich in ein Paar blaue Augen zu verlieben. Er sagte sich zum hundertsten Male, daß es in seiner Lage die größte Thorbeit sein würde, sich an eine Frau zu ketten, dann aber kamen Augenblicke, in welchen er sich fragte, warum er sich daS Leben eigentlich selbst so sehr erschwerte? Was in aller Wett hinderte ihn, zu Mrs. Ethel Gray zu geben und ihr zu sagen, daß er ibre Nichte liebe und entschlossen sei, sie zu heirathen ? Wenn er Rutbbert Hall, so wie es jetzt empor- geblüht war, verkaufte, würde ihm noch eine nicht unerheb liche Summe übrig bleiben, dir er als sein Eigenthum be trachten durfte. Damit würde nicht nur ein Hausstand in der Stadt sich begründen lassen, sondern ihm auch ein kleines Vermögen für alle Fälle übrig bleiben. Es war aber außer Zweifel, daß er als Rechtsanwalt eine ausgedehnte Praxis finden würde, denn er hatte gerade in der letzten Zeit, als er noch diesem Berufe nachgegangen war, einen ganz hübschen Anfang gemacht, der ihn wohl zu der Annahme berechtigte, daß er auch als Advocat eine Zukunft haben werde. Mehr als einmal hatte er diesen Gedanken bereits ge wehrt, aber er war entschlossen, es auch in Zukunft zu thun, und nicht um einer Frau willen all seinen Vorsätzen, die vor allen Dingen darin gipfelten, seinem Familiennamen wieder den Platz einzuräumen, den er eines TageS eingenommen hatte, untreu zu werden. Dennoch beschäftigte er sich fast unablässig mit Mrs. Ethel Gray's Enkelin und fühlte sich überzeugt, daß nur ihre Augen, die in ihrem Ausdruck so sehr denjenigen glichen, die vor langer Zeit einen unauslösch lichen Eindruck auf ihn gemacht, den Anziehungspunkt für ihn bildeten. Und daran knüpfte sich die Gewißbeit: Eine Frau würde im Stande gewesen sein, ihn seinen Entschlüssen treulos zu machen, wenn er ihr zu einer Zeit im Leben be gegnet sein würde, in welcher sie noch nicht die Braut seines Freundes gewesen war. Diese Frau aber war die unglück liche Mary Conner, deren Schicksal ihm so manche trübe Stunde bereitet hatte, die ihn noch heute so sehr beschäftigte, daß er sich nicht über seine Empfindungen klar werden konnte, die ihn mit unwiderstehlicher Gewalt nach Violet- Valley zogen. Indem er jetzt mit Will Gullham den breiten bequemen Waldweg, der in beinahe gerader Richtung auf die Cottage zufübrte, entlang schritt, dachte er gleichfalls nicht an Lilian Smith, sondern an Mary Connor. Er hatte in der letzten Nacht einen wunderlichen Traum gehabt, der ihm ihr Bild wieder lebhaft in das Gedächtniß zurückgerufen. Harry Ruthbert glaubte nicht an Träume — eine derartige Möglich keit würde ihm schon lächerlich erschienen sein —, aber er batte Mary Connor so lebendig vor sich gesehen, daß er sich sagte, so und nicht anders müsse sie gewesen sein. Ihre Ge stalt, ihre Bewegungen aber waren die des jungen Mädchens von Violet-Valley gewesen, und er wußte ganz genau, daß sein Traum, in welchem er Mary Connor, ob todt oder lebend, war ihm nicht erinnerlich, die eigentliche Ursache war, die ihn heute mit Will Gullham diesen Weg geführt. Lord Rutbbert war schweigsam, sein Begleiter führte allein die Unterhaltung, er gab selbst auf die an ihn ge richteten Fragen nur knappe, kurze und zerstreute Antworten, während Will Gullbam, anscheinend durch die Aussicht auf seine bevorstehende Abreise in eine sehr gute Stimmung ver setzt, ununterbrochen das Wort führte. „Ich bin jetzt herzlich froh, daß es so gekommen ist", sagte er unter Anderem. „Ich habe keinen Menschen in der Welt, der sich um mich, und keinen, um den ich mich kümmern würde. Es ist eine große Thorheit, sein Herz an Dinge zu hängen, die niemals Befriedigung gewähre» können. Der Neichthum des alten Saunders! Pah, was würde er mir gebracht haben? Ein Leben, das mir. bei reiflicher Ueber- legung, Grauen einflößt. Ich würde niemals ein guter Hüter der Schätze geworden sein, sondern vermuthlicb einen großen Theil davon unter die Leute gebracht haben. Oben drein besitze ich nicht die Genußsucht und vor allen Dingen nicht die Fähigkeit des Genießens, um im Rcichthume mein Glück zu suchen. Etwa« Anderes könnte mich mehr er freuen: ich möchte mir aus eigener Kraft eine Stellung in der Welt erobern, einen Namen haben. Neuere Nachrichten aus Indien lassen mich vermuthen, daß dort meine Wünsche in Erfüllung gehen werden." Will Gullham sprach noch mancherlei in Bezug auf sich selber und Harry Ruthbert legte sich die Frage vor, ob eigentlich ein Mensch einer so gewaltigen Wandlung seines Charakters unterworfen sein könne, wie dies bei seinem Be gleiter der Fall war. Gullham'S Ideal war der Neichthum gewesen. Seine Aeußerungen, in Bezug auf denselben, hatte ihn früher nicht selten zum Gespött leichtherziger Kameraden gemacht. Es freute ihn aber, daß Will eine Eigenschaft ab gelegt, die seine Gesellschaft oft unangenehm gemacht. Er war der Meinung, Laß der junge Mann mit seinen neu entwickelten Ansichten eine Zukunft baden könne, wenngleich Harry Ruthbert auch ein Uebermaß von Ehrgeiz keineswegs billigte. Der AuSgang deS Waldes war erreicht — Violet-Valley lag vor ihnen. Es war schwer zu begreifen, warum man diesem aller dings wunderbar schön gelegenen Plätzchen den Namen eines Thales beigelegt hatte. Mrs. Gray'S Cottage hatte allerdings eine mit Fichten bewachsene Höhe als Hintergrund, weiter war aber von Bergen keine Spur. An den zu der Cottage gehörigen Ländereien, und das war nicht sehr viel, nicht mehr, als eben sur den Bedarf eines städtischen Haushaltes nothwendig war, schloß sich von beiden Seiten der Wald. Eine eigenthümliche Perspective ließ die Cottage mitsammt dem Garten von dem Ausgang des Waldes aus tiefer, anstatt höher liegend erscheinen, und nur dieser Umstand gab eine Erklärung des Namens zu. Noch war die Natur nicht auf dem Höhepunct ihres Schaffens angelangt, die Kronen der alten Bäume und auch das niedrige Buschwerk waren nicht so dicht belaubt, daß man, wie dies im Hochsommer der Fall zu sein pflegte, nichts von der Cottage sab. Gegenwärtig konnte man noch einen Theil des grauen Gemäuers und sogar zwei Fenster zwischen dem Grün hindnrchschimmern sehen; Höhe, Umfang und Bauart des Hauses mußten dem Beschauer ein Geheimniß bleiben. Die Cottage lag still und einsam — kein menschliches Wesen weit und breit. Harry Ruthbert dachte mit einem Seufzer, daß der Zeitpunct, hierher zu gehen, wenn er das Verlangen, Lilian Smith zu sehen, hatte gestillt sehen wollen, doch kein gut gewählter war, obwohl sie ibm diese Stunde — wie er gehofft, nicht absichtslos — als diejenige bezeichnet hatte, in welcher sie einen kurzen Spaziergang im Garten oder gar im Walde zu machen pflegte, weil der Arzt es entschieden gefordert. „Wie kann man hier sein Leben verbringen?" ries Will Gullham aus, nachdem Lord Rutbbert ihm Einiges über die Bewohner des Hauses gesagt. „Die Umgebung ist hübsch — ja, ich gebe es zu, aber auch nicht mehr. Ich bin in zahl reichen schöneren Gegenden gewesen und habe manche ebenso idyllischen Puncte gesunden, ohne daß an dieselben das Be wußtsein sich knüpfte, in einer trostlosen Einöde sich zu be finden. Du lieber Himmel! Für WaS lebt man dort? Man sieht keinen Menschen und wird nicht gesehen. Ver zeihen Sie, Ruthbert, aber nach Ihrer begeisterten Schilde-
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