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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 21.05.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-05-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950521023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895052102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895052102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-05
- Tag1895-05-21
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Schon deshalb ist eS kein Wunder, wenn über den CurS deS neuesten Curses so wenig Klarheit herrscht. Auch die neueste „Aufklärung", die der „ReichSanzeig er" in Sachen der Stellung des Reichskanzlers zur Umsturz vorlage bringt und die der Telegraph bereits signalisirt hat, hat sehr geringe Erleuchtungskraft. Sie lautet wörtlich: „In der Presse ist in letzter Zeit wiederholt der Gedanke zum Ausdruck gekommen, daß bei der Berathung des Reichstags über den 8 113 der sogenannten Umsturzvorlage der Krirgs- min Ist er als Bundesratbsbevollmächngler eigenmächtig und gegen die Absichten des Reichskanzlers Politik getrieben habe. Dem gegenüber sind wir in der Lage, auf das Bestimmteste versichern zu können, daß die Erklärung des Kriegsministers über die Unannehm barkeit des 8 112 der Vorlage in der Commissionssassung in vollster Uebereinstimm ung mit dem Reichskanzler ab gegeben worden ist." Dieses Dementi ist recht überflüssig, denn es trifft eine Darstellung, die nirgends ernst genommen worden ist. Klagen, die die Neichsregierung beachten sollte, sind erhoben worden, erstens weil die Zurückweisung eines positiven Gentruins vorschlags bei dem Militairparagraphen und nicht bei einer „klerikalisirenden" Bestimmung erfolgt ist, zweitens über die unbestimmte Ausdrucksweise des preußischen Kriegsministers. Diese letztere läßt auch die Auslassung des „Reichsanzeigers" als formell nicht correct erscheinen. Herr von Bronsart bat die Unannehmbarkeit nicht ausgesprochen, auch dann nicht, als er, zu einer bestimmten Erklärung aufgefordert, ein zweites Mal das Wort ergriff. Da bemerkte er: „Ich bin gern bereit, zu erklären, daß ich von meinem Standpunkte den tz. 112 der Regierungsvorlage vorziehe, und daß ich auch diesen Standpunkt nach allen Seiten bin zu vertreten beabsichtige. Im Namen der verbündeten Re gierungen bin ick allerdings nicht in der Lage, eine Erklärung abzugebcn, aber als preußischer Kriegsminister gebe ick sie dahin ab, daß ich entschieden auf dem Standpunct des H. 112 der Regierungsvorlage bleibe, weil ich seine Fassung für sehr viel besser kalte, als die, welche die Commission ihm gegeben." Der Minister sagt also nicht einmal in seinem Namen rin entschiedenes Nein zu der Commissionsfassung, er zieht die Regierungsvorlage vor, er bält sie für sehr viel besser, aber für unannehmbar erklärt er auch die andere nicht. Und von einer „vollsten Uebereinstimmung mit dem Reichskanzler" kann schon gar keine Rede sein. Der Reichskanzler gehört zum BundeSrath, und dieser hatte, nach der vorauS- gegangeucn Erklärung des preußischen Kriegsministers, „noch nicht Anlaß gehabt, sich über die Fassung der Commission zu äußern". Die nachträgliche Berufung könnte höchstens auf den preußischen Ministerpräsidenten geschehen, ob wohl auch da zu beachten ist, daß Herr v. Bronsart unter ließ, vom preußischen Ministerium zu sprechen, und wieder holt lediglich seinen Standpunct in der gekennzeichneten unvollständigen Weise „präcisirt" hat. Diese Gegenüber stellung entspricht nicht dem Vergnügen an Wortklauberei, sondern der Absicht, den Eindruck nicht verwischen zu lassen, daß die Neichsregierung gegenüber der klerikalisirten Umsturz vorlage sich nichts weniger als entschieden ausgesprochen hat und auch in dem „Dementi" des ..Reichsanzeigers" eine ent schiedene Aussprache — absichtlich oder unabsicbtlich — ver meidet. Die CrntrumSfraction des preußischen Abgeord netenhauses scheint in die politische AuSbeutungssähigkeit der Ablehnung seines Verfassungsantrags Zweifel zu setzen. Es „beizt nach" mit einer Interpellation wegen Aus hebung der Falk'schen Verordnung vom 18. Februar 1878, betreffend die Ertheilung Ves katholischen Religionsunterrichts in den Volksschulen. Es würde sich kaum verlohnen, die Sache zu berühren, wenn die Interpellation nicht einfließeu ließe, daß die genannle Ministerialverordnuug das Dogma der römisch-katholischen Kirche nicht berücksichtige. Damit soll offenbar zu dem Schluß gedrängt werden, die kathvlische Kirche sei in Preußen an der Uuierweisung der Schulkinder in der Religion nicht oder doch in dem Maße betheiligt, daß der Unterricht in dem Glauben, wie ihn die katholische Kirche lehrt, nicht ausreichend gewährleistet erscheine. Nun sagt aber die Verordnung, nachdem sie den staallichen Aufsictus- organen die Besugniß gewahrt, dem Religionsuinerrichl beizuwohnen und darauf zu achten, daß er zu reu >n dem Lehrplan angesetzten Stunden und nach Maßgabe der allgemein von der Schulaufsichtsbehörde erlassene» Bestimmungen er- theilt wird, daö Folgende: „Eine Einwirkung auf den sach lichen Inhalt der Religionslehre steht aber der staatlichen Schulaufsichtsbehörde nur in so weit zu, als die Religious- lehre nichlS enthalten darf, was den bürgerlichen und staats bürgerlichen Gesetzen zuwiderläuft." Der Freiheit der Lehre ist als keine andere als die Jedermann u»d jeder Corporation im Staate bestimmte Grenze gezogen. Gemäß diesen ihrem Standpunct überträgt die Verordnung der Kirchenbehörde auch die Leitung des Religionsunterrichts und zwar mit der Maßgabe, daß in der Regel, und so lange die kirchlichen Oberen nicht ein anderes Organ dazu bestimmen, der Ortöpsarrer als daö berufene Organ zu betrachten ist. Der Ortsgeistliche hat nur für seine Person nicht ohne Weiteres das Recht, die Leitung zu beanspruchen, der Kirche jedoch steht dieses Recht zu. Das Recht des Staates beginnt erst dort, wo der den Religionsunterricht leitende Geistliche durch sein Verhallen diejenigen Zwecke ge fährdet, welche der Staat mit der Jugend durch die Vols- schule verfolgt. In diesem Falle stellt der Staat den kirchlichen Oberen anheim, einen Geistlichen, gegen den die staatliche Aufsichtsbehörde in Ansehung des Unterrichtszweckes nichts zu erinnern hat, als Schulleiter zu bestimmen. Die Einschränkung ist selbstverständlich, so lang, die Volksschule ein staatliches Institut ist und als solches den Religions unterricht vermittelt. Die Befugnisse deS überwachcnven Geistlichen wahren das kirchliche Interesse in vollem Umfang. U. a. kann der Geistliche nicht nur durch Fragen, sondern auch durch stellenweises Eingreifen in den Unter richt sich davon überzeugen, ob dieser von dem Lehrer voll ständig und sachgemäß ertheilt wird, er darf sogar den Lehrer sachlich berichtigen, aus pädagogischen Rücksichten allerdings nicht in Gegenwart der Kinder, und er hat das Recht, Be schwerden in Bezug auf den Religionsunterricht der staat lichen Aufsichtsbehörde vorzutragen. Zudem ist der Geist liche auch von der Ertheilung des Religionsunterrichts nicht ausgeschlossen. Wo es vor Erlaß der Falk'schen Ver ordnung herkömmlich war, daß der Pfarrer ober sein ordentlicher Vertreter den Katechisniusunterricht ertheilte, ist es bei dieser Uebung unter der Voraussetzung geblieben, daß der Geistliche in Bezug auf seine Stellung zum Staat der Schulaufsichtsbehörde kein Bedenken erregt, also nicht die Besorgniß wacbruft, es könnte politische Agitation in die Volksschule getragen werden. Eine Erweiterung der U n t x r r j ch i z pachten Geistlichkeit ist unseres Wissens nicht in der Absicht der Kirche gelegen, und hinsicht lich per Beaufsichtigung deS Religionsunterrichts slünce der Staat, wenn er klerikalen Ansprüchen auch nur n.mstm w-i.---" «LL Ä°ss"M wollte. der Lehrer als Rel > g > v » s lehr er ^ d er K i rch e ^ ^ ^ wollte. diese staatlichen Organe unter g>> Preußen kann D->, «'SU'!", --- . es nur erwünscht sein, vatz davurch di- R-»»rn»z Iwmzl, ^ ^ j L>N»,nng, Schweigen zu brechen, se, eS aucy nur ou.u, daß sie vorziehe, nichts zu sagen. -In der «estrigen Sitzung des ungarischen Ab ge- «.?cher n-ch ihrer Ueb-rzeugu^ ^ den ver- Ueberzeugung die Rechte viel zu schwächlich vertritt, zu Falle zu bring." vor. mißglückte aber vollständig, da Parvn Banffy m von der Nationalpartei >ict> und offenbar den daß das liberale belhätigen wisse, abgethan betrachte. da Varon Beantwortung der Interpellation ^Sroiis ^ d Andruck bervorzubrmgen bestrebt war. Cabinet siaatsmännische Mäßigung zu indem es einen Kampf als envgilrig dessen Wetterführung nur zu so halt losen Zuständen drängen würde, wie sie gegenwärtig aus der andmav scheu Hatb.usel bestehen. Man kann d.e,e Haltung d-s Cabin-ss in der Thal nur als weise bezeichnen und vollkommen billigen, daß Baron.Banssy b°r ^anlwortuiig der Interpellationen lediglich aus v.e vor -eg »den ^batiachen binwies und vor Allem eine neue Auslegung der ein- schlägigen Artikel des AusgleichSgesetzcS, wie v.e Opposition sie wünscht, um eine gesetzliche Praponderanz der ungarischen Reichshälfte auch in auswärtigen Angelegenheit^ ebenso energisch wie bündig von der Hand wies. Seit 28 Bahren, agK er' sei die Einflußnahme Ungarns auf die auswärtigen Angelegenheiten stets ohne Versäumnih grubt worden und die' ossiciöse „Budapests Corresponbenz alle Minister der auswärtigen Angelegenheiten, emfchlietzlich des Grafen Kalnoky hätten seit 1867 nach dem Grundsätze gehandelt, daß die auswärtige Politik im Einvernehmen mit dein ungarischen Ministerpräsidenten zu leiten se,; auch in den letzten Monaten sei nicht anders gehandelt worden. — Eine Be stätigung der Rechte Ungarns bedarf es also nach dieser Seite hin nickt mehr. Allem es drängt sich die auch in den Interpellationen gestellte Frage auf: welche Gründe ver- anlaßten Kalnoky zu demissioniren, wenn er sachlich mit Banffy einverstanden war? Der Ministerpräsident erwidert, die Gründe Kalnoky'S seien viel zu subjektiver Natur, als dcß eine öffentliche Besprechung derselben am Platzt sei. Dies kann, da Kalnoky ja thatsächlich im vollen Einvernehmen mit Banffy sich zu einer Intervention beim Vatican wegen der Reise des Nuntius bereit erklärt hatte, auf nichts anderes bezogen werden als auf Kalnoky'S starke persönliche Sympathien für die römische Kirche und ihren „greisen Papst" und im letzten Grunde auf die innere Hinneigung des Ministers zur klerikalen Weltanschauung. Diese subjektiven Momente waren es, welche Kalnoky hinderten, im entscheidenden Momente da- objektiv für richtig Erkannte mit der nöthigen Energie geltend zu machen. Daher erklärt sich der Doppeb sinn seiner bekannten Note an Banffy, in welcher er die Reise Agliardi's in den stärksten Ausdrücken verurtbcilt, zugleich aber aus die größte Schonung der Curie und auf zarte Rücksichtnahme auf den Papst dringt. Daher erklärt es sich, daß er, hinter nichtige Ausflüchte sich zurückziehend, den angekündigten Schritt gegen die Curie überhaupt nicht thut. So waren es wohl persönlich Differenzen zwischen Kalnoky und Banffy, Differenzen deS Charakters und der Weltanschauung, wenn man will, aber sie waren so geartet, daß sie in praktischen Fällen der äußeren Politik ein sehr sachliches Gewicht erlangten. Nach den warmen, an erkennenden Worten, mit welchen Banffy den neuen Minister des Aeußeren gegen die Angriffe der Opposition in Schutz nahm, zu schließen, hegt derselbe bezüglich veS Grafen Golucbowsky derartige Befurchtungen nicht, und hofft mit ihm bester auSzukommen als mit Kalnoky. — Auf die Frage: „Ist die Demarche in Rom erfolgt, oder nicht?" antwortete Banffy, es liege nicht im Interesse des Landes und der fraglichen Angelegenheit, in die Details derselben einzugchen. Wir schließen daraus wohl mit Recht, daß Verhandlungen in dieser Sache mit dem Vatikan schweben und daß entweder die Demarche in aller Form noch erfolgen, oder daß statt dessen Agliardi abberusen wird, oder endlich, daß beides geschieht. Nimmt man hinzu, daß Kalnoky dem ungarischen Ministerpräsidenten hat Weichen müssen, daß der Kern der kirchenpolitischen Gesetzgebung unter Dach und Fach ist und daß nunmehr auch die Annahme des die Confessionslosigkeit regelnden Gesetzes gesichert er scheint, so schließt die Bilanz zweifelsohne außerordentlich günstig für Ungarn und sein liberales Regime ab. Ueber die Stellung der Deutsche» in der türkischen Militair- und Civilverwaltung wird dem „Hambg. Corresp." aus Konstantinopel geschrieben: Vor kurzer Zeit wurde die deutsche Colonie durch das befremdende Gerücht überrascht,Excellenz Bertram Efsendi, Mustechar (Unter- staatssecrelair) der indirekten Steuern, habe beim Sultan seine Demission eingereicht. Diese Kunde stimmte um so bedenklicher, als in kurzer Zeit einige Mitglieder der deutschen Mission aus dem türkischen Dienste ausgeschieden sind, ohne biö jetzt ersetzt worden zu sein. Gescher machte den Anfang, vorigen Sommer folgte Hobe-Pascha, kurze Zeit darauf ging Horn-Pascha. Und nun sollte auch Bertram gehen? So mochte es fast scheinen, daß der Sultan nicht mehr das richtige Versländniß besitze für die hervorragenden Ver dienste, welche sich deutsche Officiere und Beamte um die Türkei erworben haben. Freilich bat er kürzlich Frhrn. v. d. Goltz-Pascha und Kamphövener-Pascha die höchste militairische Würde, den Marsch allsstab, als äußerst seltene Auszeichnung verliehen. Doch diese Beförderungen waren rein persönlichen Charakters, sie waren eine Anerkennung für ausgezeichnete Dienste und keineswegs eine Concession an daö Deutschlhuin, dessen Neider schadenfroh auf das Abbröckeln der deutschen Mission und das Ueberhand nehm en deS französischen Elements im Handels- und Bauten- ininisteriuni hinwiesen. Doch triumphirlen die FranzöSlinge zu frühe. Bertram Essend» hatte vor wenigen Tagen beim Sultan eine lange Audienz, aus der er decorirt mit dem Großcord on des OSmanieor dens auf mehrmonatigen Urlaub schied, um im Herbste seine segensreiche Thätigkeit im Interesse des türkischen Finanzwesens wieder aufzu nehmen. Die Freude der deutschen ,Colonie, eines ihrer beliebtesten und geachletsten Mitglieder sich erhalten zu sehen, könnte nicht ungetheikler und aufrichtiger sein. Zur ostaftatischen Frage wurde, namentlich in ausländi schen Blättern, fortgesetzt von Compensationsforde- rungen der Interventionsmächte, wie Schutzherrschaft über Korea und Besetzung von Port Lazarew durch Rußland ge sprochen. Wir hegten von vornherein einige Zweifel an der Richtigkeit derartiger Behauptungen, wenn wir auch zugeben mußten, daß sie in der heute noch die Annexion Koreas und die Abtretung Port LazarewS als etwas selbstverständliches besprechenden russischen Presse einen Rückhalt hatten. Jetzt erfährt Fenrlletoi,» Die Erbin von Abbot-Castle. Original.Roman von F. Klinck-Lütetsburg. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) „Und Warum gab man ihrem Großvater keine Nachricht davon?" „MrS. Gray ist eine alte Dame, deren Gehör und Seh kraft nicht mehr normal sind. Sie hatte ihre Enkelin, Miß Lilian Smith, nur als Kind gesehen, die Dienerschaft kannte dieselbe überhaupt nicht. Miß Connor's Versicherungen, daß sie nicht Lilian Smith sei, hielt man für Fieberphantasien. Später glaubte Miß Connor Alles seinen Gang geben lassen zu sollen und sie wurde in diesem Vorsatz von Mrs. Gray, welcher sie unentbehrlich geworden ist, unter stützt." „Aber warum ist sie jetzt nicht hier?" „Sie will Mrs. Gray nicht verlassen, welche ihre Zukunft sicher gestellt, indem sie Miß Connor zu ihrer Erbin eingesetzt bat. Man hält sie für die Enkelin der alten Dame und sie fühlt sich in der Umgebung zufrieden." „Und was führt Sie zu mir?" Nun war plötzlich wieder daS Mißtrauen in dem alten Mann erwacht. „Wenn das Alles so ist, waS wollen Sie dan» von mir?" fragte er nur verdrießlich. „Ich bitte meine Worte nicht in Zweifel ziehen zu wollen", entgegnete Lord Ruthbert sehr kalt und der Ton seiner Stimme verfehlte seine Wirkung nicht. „Miß Mary C'onnor weiß nichts davon, daß ich hierher gegangen bin. Mich führt nur der Wunsch her, einer unglücklichen und vom Schicksal schwer geprüften jungen Dame behilflich zu sein, sich vor den Folgen einer traurigen Vergangenheit zu schützen." „Aber WaS geht daS Sie an?" „Sie wollen mir die Antwort erlassen, Mylord. Ich halte mich durchaus nicht verpflichtet, über diesen Punkt Aus kunft zu geben. Ich bin nur gekommen» Ihnen die Mit theilung zu machen, daß Sie in einem Irrthume sich be funden, weil Miß Connor selbst, erschreckt und unbeschützt, wie sie ist, nie daran gedacht haben würde, ihren Großvater davon in Kenntniß zu setzen. Meiner Ansicht nach niuß aber früher oder später der Zeitpunkt kommen, wo sie durch ihr Schweigen in Consticte geräth, die ihr verderblich we»den würden. Sie wollen mein Kommen als nichts weiter betrachten, als es ist: als einen Act von Theilnabmc, die jeder anständig denkende Mensch einem Unbeschützten gerne gewährt." Die Worte machten wenig Eindruck auf Sir Lionel Connor, aber der Ton, in welchem sie gesprochen waren, zwang ihn unwillkürsich, seiner Stimmung Gewalt anzuthun. „Warum haben Sie aber meine Enkelin nicht gleich zur Stelle gebracht?" Diese Frage, welche er Lord Rulhbert vorlegte, schien plötzlich andere Gedanken nach sich zu ziehen. Er fuhr eifrig fort: „Hier ist dock ihr Platz, sie gehört ru mir. Sie muß gleich zu mir kommen!" „Ich möchte mir die Bemerkung erlauben, Mylord, daß ich es unangebracht halten würde, sie von einem Ort zu entfernen, wo sie sich sehr zufrieden fühlt. Sie lebt dort in vollkommener Abgeschiedenheit als MrS. Gray's Enkelin. Niemand weiß von ihrem traurigen Schicksale, Niemand er innert sie an dasselbe. Alte Wunden auszufrischen, dürfte nicht wohl gethan sein, sie hat sehr unter der Härte der Menschen gelitten. Sie würde eS nicht ertragen, wiev«r unter ihnen zu leben, so lange auf ihrem Namen der Schatten eines dunklen Verdachtes lastet. Es muß ein anderer Weg gesucht werden, ihre Zukunft besser zu gestalten." „Lord Ruthbert, ich brauche nickt daran zu zweifeln, daß Sie Derjenige sind, für welchen Sie sich auSgeben. Wenn ich Sie recht ansehe, dann erkenne ich in Ihnen den alten Sir Malet wieder und ich bin immer der Meinung gewesen, daß auf Ähnlichkeiten etwas zu geben ist, wenigstens insofern, als eine solche niemals zwischen Hallunken und rechtschaffenen Menschen besteht. So habe ich allen Grund, Sie für einen Ehrenmann zu halten. Ich habe aber in meinem langen Leben mancherlei Erfahrungen gemacht, die nicht dazu dienten» eine große Vertrauens seligkeit in mir zu fordern. Ich will Ihnen ja gerne glauben, aber — wie die Umstände liegen, ich erinnere Sie nur an die Aussage des schuftigen Advocaten — muß ich Beweise haben. Ich muß Mary sehen." Die Sprache des alten ManneS war plötzlich eine ganz veränderte, sie hatte nicht einmal mehr den zitternden, un sicheren Klang. Lord Ruthbert fühlte sich erleichtert, denn er hatte soeben noch gedacht, daß er hier schwerlich seinem Ziele in einer vernünftigen Weise näher kommen würde. „ES freut mich, Mylord» wenn Sir einen solchen Ent bDimzrii. linr cnic srili, als Gast in Rutbbert-Hall zu empfangen und Sie entwede zu Mrs. Gray zu begleiten und Ihnen Miß Connor zu zufübren." „Davon kann nicht die Rede sein, Sir. Mit achtzi Jahren und darüber macht man keine Reisen. Sie mu »ach Abbot-Castle kommen." „Ich muß ernstlich davon abrathen. Miß Connor's Gi sundheitszustaiid läßt, wie mir scheint, zu wünschen übrsi Sie hedarf vor allen Dingen der Schonung, und neue Au' regungen könnten ihr nur schädlich sein. Ich möchte s solchen nicht ausgesetzt sehen. Lassen Sie mich zu de, zweiten Theile des Zweckes meines Kommens übergehen." „Was wollen Sie noch weiter?" „Sie sind Miß Connor's einziger Verwandter und st mochte ,n ihrer Angelegenheit nichts thun, ohne mich vorb, mit ihnen verständigt zu haben. Würden Sie einverstandc sein, wenn versucht würde, daS Gericht zu veranlassen, si nochmals mit der Angelegenheit Ihrer Enkelin zu befassen) „Wozu? warum? Es ist nicht- zu machen. Sie i sreigesprocheil mehr kann man doch nicht verlange Hatte sie elwaS begangen, so würde man sie nicht sreig sprochen haben. Ich sehe nicht ein, warum man sich no einmal ,n Unruhe stürzen soll." ,^Sir ist mit einer schwachen Stimmenmehrheit frei g sprachen worden, nur weit man den Schuldbeweis nicl genügend erbracht glaubte. Sie werden zugeben, Mylor daß der Meinung der Welt ein sehr freier Spielraum g geben ist, insbesondere wenn man all die belastenden Momen s" ^«^Üiiiig zieht, welche um Haaresbreite die Verurtheiluv Ihrer unschuldigen Enkelin herbeigeführt haben würdei Mary Connor ist jung. Bedenken Sie, was es heißt, m der Last, die sie ans ihren Schultern trägt, durch ein kanm Leben zu gehe». W,e sckwer sie dieselbe empfunden bab, «ag, zeigt Ihnen ihr Wunsch, unter einem anderen Naim 04 sollte denke,,, auch Ihnen müßte r« e Hobes Ziel sein, wenn irgend eine Möglichkeit dazu vc ^°""°' °°" """" Seine Worte hatten Eindruck auf den alten Mann c macht, man sah ibm an, daß es in ihm arbeitete In NN«' „Lassen Sie mich, Lord Ruthbert. Bringen Sie mir meine Enkelin, daß ich mich überzeugen kann, ob cs wahr ist, was Sie mir sagen. Thun Sie es — es soll Ihr Schaden nicht sein." Ein verächtliches Lächeln umspielte Lord Ruthbert'« Lippen. Er erhob sich. Es war ein Gefühl von Ekel, welches er in diesem Augenblick empfand. Wie unglücklich mußte Mary Connor's Kindheit in der Gesellschaft diese« Mannes ge wesen sein. „Ich will Miß Connor Ihre Wünsche mittheilen, Mylord, gebe Ihnen aber die Versicherung, daß ich nichts thun werde, sie zu bestimmen, die Heimath, welche sie gefunden hat, nur vorübergebend zu verlassen. Im Uebrigen möchte ich Ihnen noch sagen, daß die Dame unter meinem Schutze siebt und ich fest entschlossen bin, mit oder ohne Ihren Willen deren Rechte zu vertreten. Unsere Unterredung hat Wohl ihr Ende erreicht." Lord Ruthbert stand stolz und hoch aufgerichtet, wie bereit, mit einer Verbeugung sich zu entfernen. In dem Gesichte de- alten Mannes machte sich Bestürzung bemerkbar. Er sagte sich, daß er nicht klug handelte, wenn er Harry Ruthbert so seines Weges gehen ließ. Er erinnerte sich Sir Malet's treuer und uneigennütziger Freundesdienste. Das war ein Mann gewesen, der, obwohl man ihn nicht selten wegen seiner kindlichen Großmuth und Herzensgüte verspottet hatte, die Hochschätzung Aller genossen, und so stand ihm ein Enkel desselben gegenüber. „Warum wollen Sie geben, Lord Ruthbert? — Vielleicht sagen Sie mir doch, was Sie denken. Ich mochte keine Un ruhe haben. Was soll ich thun?" „Nicht-, Mylord. Ich erbitte mir nur von Ihnen die Erlaubniß, für Sie die Sache Ihrer Enkelin vertreten zu dürfen. ES würde zu unnützen Fragen, die ich in Miß Connor's Interesse vermieden sehen möchte, Veranlassung geben, wenn ein Fremder sich zu ihrem Beschützer auswerfen wollte, während noch rin natürlicher Beschützer ihr lebt." „Lord Ruthbert, gönnen Sie mir Bedenkzeit. Ich kann nicht jetzt gleich entscheiden, vielleicht in einigen Stunden. Wollen -Lie wiederkommen? Ich bitte darum." Sir Lionel Connor war jetzt wieder der weinerliche alle Mann, als welcher er sich bei Lord Ruthbert'- Eintritt gezeigt batte, und abermals fühlte dieser sich zum Mitleid hingerissen. Der Geist des Greises war wodl nicht mehr klar. „Ich werde wiederkommen, Mylord. Wann befehlen Sie?" „Morgen — nicht mehr heute. Es giebt so viel zu Uber«
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