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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.05.1895
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-05-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950531024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895053102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895053102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1895
- Monat1895-05
- Tag1895-05-31
- Monat1895-05
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Demnach fordert das Reich in dem jetzt laufenden Rechnungsjahr 46 Millionen mehr von den Einzel staaten, als 1802/93. Will man dieses Exempel nicht gelten lasien, so lege man einen längeren Zeitraum vor der 1893er Militairvorlage für die vergleichende Betrachtung zu Grunde. Im fünfjährigen Durchschnitt bis einschließlich 1892 93 haben die Einzelsiaaten durchschnittlich 68 Millionen vom Reiche erhalten; jetzt haben sie 10 an'S Reich zu bezahlen; hier ergiebt sich also eine Verschlechterung des finanziellen Verhältnisses sogar um 78 Millionen. Diese Zahlen sind im Grunde leicht zu ermitteln, wiewohl wir die Gelegenheit nicht versäumen möchten, nochmals der Reichsfinanzverwaltung zu empfehlen, daß sie nach preußischem Muster dem minder übersichtlichen Entwürfe deS Reichshaus- baltsetats eine übersichtliche knappe Darstellung des Netto- Etats beigeben möge. Was aber bis zur Stunde noch völlig der übersichtlichen Betrachtung sich entzieht, sind die Wirkungen der rückläufigen Entwickelung der Reichssinanzen auf den Landesbaushalt in den Einzelstaaten. Für Preußen ließe sich eine solche liebersicht allenfalls ermöglichen. Wie schwierig aber diese Arbeit schon hier sich gestalten würde, ergiebt sich von selbst in Anbetracht der dort wieder statt- fiudenden unausgeglichenen Einwirkung des Eisenbahn-Etats auf die allgemeine StaatSfinanzwirthschaft. Scheidet man aber für dieselben vergleichsweise angezogenen Zeiträume die gesaniMten Ziffern der Eisenbahnverwaltung nebst den zugehörigen Ziffern der Eisenbahncapitalsckuld aus, so ergiebt sich seit Milte des vorigen Jahrzehnts für Preußen ein An schwellen des ordentlichen Ausgabenbedarfs um rund 100 Millionen,dem absolutnichts gegenüberstebt.als dieauSdenalten Einnahmequellen deS Staates infolge ihres natürliche» Wachs thums steigenden Erträgnisse und bis 1892/93 die Zuwendungen vom Reiche. Mit der theilweise culturwidrigen Sparsamkeit in der Bemessung der weiteren Ausgaben allein wäre eS doch nicht entfernt möglich gewesen, der Verlegenheiten anläßlich deS plötzliche» Umschlags aller finanziellen Beziehungen zum Reiche Herr zu werden. Ganz ist es nicht einmal unter Hinzutrilt eines bewundernswerthen fiscalischen Neformeifers iu der Eisenbahnverwaltung gelungen. Um so dankcnsmerther wäre es schon hier, eine übersichtliche Darstellung derjenigen Culturaufwendungen zu besitzen, zu welchen Preußen in der Aera wachsender Reichszuschüffe sich entschlossen hat, olme jetzt eine gesicherte andere Einkunftsquelle dafür zu wissen; denn die Ueberschüsse der Eisenbahn-Verwaltung dürfen auf die Dauer als solche nicht in Anspruch genommen werden. Noch dringlicher möchte sich aber empfehlen, daß in gleicher Weise durch Verständigung der NeichSsinanzverwaltung mit den einzelstaatlichen Verwaltungen ein umfassendes Bild der allgemeinen Entwickelung der Landessinanzen in Deutschland seit dem Gelten der Franckenstein'schen Klausel geschaffen würde. Insbesondere mag es für die klerikalen und demokratischen Parteiarößen aus dem Süden von erzieherischer Wirkung sein, denn dort tragen sie mit die Verantwortung für die gedeihliche Er ledigung der Landesgeschäfte. Ohne die Wiederherstellung des Status czuo ante 1592/93 dürfte sich aber diese Verant wortung demnächst nicht mehr tragen lasten. Oder jene Theilhaber an der praktischen Verantwortung müßten für sich selbst zu einer direkten Steuerreform mit DeclarationS Pflicht nach preußischem Muster geneigt sein und bei ihrer Gefolgschaft diese Neigung erzeugen können. Ir sicherer in Preußen bereits die »Zuschläge" winken, desto weniger wird aber im Süden dieses Schraubensystem populair werden, und was nicht populair ist, das kann ja bekanntlich niemals klerikal oder demokratisch sein. In der Kunst, geheime Erlasse der Regierung und diskrete Schreiben der Gegner anS Licht zu ziehen, haben es die Loctaldernokraten zu einem nicht geringen Grade von Virtuosität gedrückt. Nun müssen sie erfahren, daß auch ibre heimlichen Herzensergüsse der Welt nicht immer ver borgen bleiben, wenn anders die Denkschriften, deren zweite die „Preuß. Jahrbücher" in ihrem neuesten Heft veröffentlichen, wirk lich von socialdemokratischen Händen verfaßt sind. DaS neue angebliche Aktenstück der Partei ist B. unterzeichnet und „Berlin, den 15. Mai 1895" valirt. Sein Inhalt ist eine optimistische Ent gegnung der Berliner Parteimänner auf die in derselben Zeit schrift früher veröffentlichte, Herrn v. Vollmar zugeschriebene Schilderung der ungünstigen Lage und der Aussichten der Socialdemvkratie. Die Denkschrift hält eine Widerlegung der Münchener Ansichten für nöthig, weil sie, ihre Richtigkeit angenommen, den Socialdemokralen jede Hoffnung auf end lichen Sieg nehmen würden. Denn die dort vertretene Meinung, daß man über Ultramontanismus und Reaction zur Herrschaft gelangen werde, sei deshalb irrig, weil Deutschland nie jenen beiden Mächten zum Opfer fallen werde. Wäre die Taktik, die Vollina-- auf Grund seiner Unterschätzung der Macht der Partei vorschlägt, die einzig mögliche, so wäre die Socialdemokratie in der Thal am Ende ihrer Tage angelangt. Der Verfasser siebt jedoch die Socialdemvkratie in einem helleren Lichte. Er hält sogar den Sieg des Prole tariats im offenen Kampfe nicht für ausgeschlossen und leugnet, daß d e Partei auf dem Höhepunkte ihrer Wahl erfolge angelangt sei. Er rechnet darauf, daß außer den Nichtbesitzenden die unzufriedenen Millionäre, die Reichen, die beute schon die Svcialdemokratie als Sport betreiben, der Partei zufallen werden und daß sich dann auch ein großer Theil der mittleren Schichten anschließen müsse. Das Hauptargument aber, daS er dem Münchener Pessimisten entgegenstellt, ist die geistige Macht, die zer setzende Kraft, der „ideale Gehalt" der socialdemokratischen Bewegung. Die anderen Parteien könnten dagegen nichis an g iftigem Inhalt aufweisen und glaubten nicht meyr an ihre angeblichen Ideale. Wären sie in ihrer Welt anschauung einig, wären ihre Ideen unerschüttert, so wäre allerdings keine Hoffnung für die Socialdemokratie vorhanden. Der Glaube der Gegner sei aber verloren gegangen und daher stamme ihre täglich sich zeigende Angst. Die Angst erzeuge Diiminheiten und „die Dummheiten der Gegner sind unsere Hoffnung". In diesem Puncte stimmen beide Denk schriften überein. Wenn man sie also als authentische Aeußeruna-n socialdemokratischer Führer betrachten darf, so würden sie nichts weiter lehren, als daß die socialdemo kratischen Götter ohne die Dummheit ihrer Gegner nicht mit ihnen fertig werden zu können glauben und nichts mehr fürchten, als ihre Einsicht. Eine ehrfürchtige Achtung würden die Socialdemokraten durch solche Gedanken ihren „hohen Idealen" nicht erweisen. Dem Wirrwarr und Skandal der Wiener vkrgermeister- wn')l ist jetzt durch die Auflösung des Gemeinderaths vorläufig ein Ziel gesetzt, denn vor September dürften die Neuwahlen kaum ausgeschrieben werden. Bis dahin wird ein Regierungscommissar mit einem aus den Mehrheitsparteien zusammengesetzten Beirath die Geschäfte d°r S,.d, --d Lfb- --p'L'i'L «LL Bekanntmachung der .Statthalterei Wahlgänge mit der Ergebnißlosigkeit der vorgestrigen darüber, beendet, aber cS besteht n'^ends die daß den Ausschlag bei dem Entschluß der Regler scanDalösen Sccnen gegeben haben, welche 1 . und kanntgabe des negativen Wahlresultates scssel von Wien bestiegen haben würde. ^ wird in Wie» auch heute,--och dic Frage "°rt°rt waruu Lueaer. nachdem er im dritten Wahlgang mit emer^ wenn auch sehr knappen, Majorität — eS vereinigten sich ^Summen auf ihn — zum Bürgermeister gewählt worden, do Wahl ausaescblaqen und eS zu einem nochmaligen Wahlgang, Offmbar Ä„-r, d-- w-dl »uß, , d-b "°>-r jenen 70 Stimmen eine Anzahl fahnensiitchliger liberaler sich befanden, die liberale Partei sür so corrupt un ihren Auflösungsproceß sür soweit fortgeschritten, daß glaubte, mit der Situation sp-elen und be- einem no^'a 'g n Wablaana eS zu einer ansehnlichen Majorität bringen zu daß er den Gemeinderath vollkommen beherrsche und ein Bürgermeister der unvermeidlichen Nothwendigkeit se,. Lueger lehnte wie ein Eäsar die Krone ab, um durch em Ku .s stuck den Glanz deS Erfolges zu erböhen. Das Kunststuck mißlang, weil die liberale Partei daS plumpe Manöver dann doch durck»- schaute und nicht gewillt war, sich denDaumen aufs Auge drucken zu lassen. WaS die übertriebene Siegeszuversicht deöW.ener Antisemitismus erreicht hat, ist gerade daS Gegerlthell von dem, was sie erreichen wollte: die Muthlosigkeit in den Reihen der liberalen Partei ist gewichen, sie bat die Taktik vollkommen geändert und wird an den Wahlen für den Gemeinderath nicht nur, sondern auch an der kommen den Bürgermeisterwahl activ theilnehmen Sie hofft vr. Gruebl und Do. Richter zur Annahme von Candldatureii zu bewegen und giebt sich der Zuversicht hin, daß sowohl der Schritt der Auslösung, mit welchem die Regierung )ich gegen den Terrorismus der antisemitischen Partei erklärt hat, als auch die von letzterer provocirlen Scandalscenen auf offener Straßeeiuen nachbattigen Eindruckauf die Wähler machen werden. Allerdings ist es auch möglich, sebr möglich, daß diese Rechnung sich als falsch erweist und daß die Neuwahlen dem Antisemitismus einen erneuten Zuwachs bringen, denn der Rückgang des Liberalismus in der Coalition und die scrupellose Haranauirung der Massen, in welcher die Antisemiten sich als Meister gezeigt haben, geben ihnen von vornherein einen nicht uner heblichen Vorsprung, den die liberale Partei nicht einholen wird, wenn sie sich aus ihrer bisherigen» ganz unglaublichen Apathie nicht herausreißt und sich zum Kampf bis aufs Aeußerste rüstet. In Frankreich scheint es wegen des OrdenSerbsteuer gesetzes noch zu einem regelrechten Culturkampf kommen zu sollen. Die Erregung» welche sich des gesummten Klerus bis zu den Bischöfen hinauf bemächtigt hat, ist bereits bis zu einem ungewohnt hoben Grade gewachsen, in demselben Maße aber auch die Energie der Regierung, die nicht gewillt scheint, der Autorität deS Staates das Geringste zu vergeben. So wagte am Dienstag Bischof Matthieu in Angers dem Handelsminister Lebon zu sagen, die Geistlichkeit achte alle maßvollen Gesetze, womit er zu verstehen geben wollte, daß sie das Erb steuergesetz für maßlos halte und Demselben sich nickt zu fügen gedenke. Darauf erwiderte der Minister mit aller Schärfe: „Die Geistlichkeit hat alle Gesetze zu achten!" Aber das war nur ein Vorspiel zu dem Brief des CultuSministers Poincarv an den Erzbischof SannoiS von Eambrai. in welchem er denselben aufforderte, gegen die Priester seines ErzbisthumS wegen ihrer Agitation gegen das Erbsteuergesetz einzuschreiten und ihn, den Minister, wissen zu lasten, welche Maßregeln er getroffen habe. Wie im Morgenblatt schon mitgetheilt, ant wortete der Erzbischof mit einer geradezu unerhörten Schroff- ,eit die nichts Anderes bedeutet, als eine stricte Kriegs erklärung: „Erlauben Sie mir, Ihnen einfach und gerade zu agen, daß ich gar keine treffen werde", und verschanzte ich hinter die nichtssagende Ausflucht, die Priester hätten nickt n amtlicher Eigenschaft, sondern als freie Bürger und Wähler gehandelt. Man kann sich kaum denke», daß der Erzbischof Sannois gewagt hätte, einen derartigen Ton anzuschlagen, wenn er nickt Des festesten Rückhaltes an maßgebender Stelle des VaticanS sicher wäre. Man erinnert sich, daß von Anfang an eine mehr versöhnliche und eine zum äußersten Widerstand bereite Sttömung unter den Bischöfen bestand. Als im Sinne der erster«» Bischof Fuzet von Beauvais an die Ordensobercn seines Bisthums ein Schreiben richtete, das die Unterwerfung unter das Ordenssteuergesetz anrieth, trumpfte der Cardinal - Erz bischof Langenieux von Rheims den Friedensbisckof einem sehr grobkörnigen Briefe ab und verwies in ihm die Unterwerfung. Bei dieser Gelegenheit zeigte es sich, daß das renitente Element unter dem hoben Klerus bedeutend in der Ueberzahl ist, und als Eardinalstaats- secretair Rampolla darauf ein Schreiben an den Erzbischof Maignan von Tours sandte, in welchem er weder zum Widerstand ermunterte noch direct davon abmahnte, fühlten die zu offenem Trotz Geneigten sich in ihrer Haltung vollends bestärkt, zumal eS lange kein Gebeimniß mehr war, daß man im Vatikan über das ominöse Gesetz aufs Tiefste empört ist. Die Angelegenheit wird demnächst in der Kammer zur Sprache kommen und erst dann werden sich die praktischen Folgen des Poincarö-Sannois'schen Briefwechsels ermessen lassen. Bleibt die Regierung fest, so riskirt sie ihre Existenz, denn dann setzt sie sich bei der ersten Gelegenheit einer Niederlage in der Kammer aus, wo die Radikalen und Socialisten nur darauf warten, mit der klerikal-monarchistischen Gruppe sich zum Sturze des Ministeriums Ribot zu verbinden, während andererseits ein charakterloses Nachgeben gegen die Kurie ihr eine große An zahl ihrer eigenen Anhänger zu entfremden droht. Man. darf also auf den AuSgang der Affaire gespannt sein. Französische Preßstimmen macken dem englischen Ver waltungsregime in Ägypten sträfliche Vernachlässigung der elementarsten Vorsichtsmaßregeln gegen die Ausbreitung der Cholera zum Vorwurf. Englischerseits bleibt man ihnen die Antwort nicht schulvig, ja man setzt noch einen Extratrumpf darauf unD erklärt den Franzosen mit dürren Worten, sie selbst seien Schuld daran, wenn in Egypten nicht mehr geschehe; denn die Durchführung einer rationellen sanitären Prophylaktik ent sprechend den GrunDbestimmungen der Dresdener Conferenz er fordere nicht unbedeutende Kosten, und da Frankreich sich beharrlich jeder gemeinnützigen Verwendung der egyptischen Finanz- Uberschüsse widersetze, unter dem Vorwände, das Interesse der egyptischen Staatsgläubiger leide darunter, so müsse es auch die Folgen dieser Politik in den Kauf nehmen. Für die übrige Welt resultirt aus dieser Ze'tungSfehde die nicht eben beruhigende Thatsache, daß, während die Seuche in Arabien immer bedrohlicher aufiritt, der sanitäre Control dienst in der egyptischen Einfallspforte zum Mindesten ein sehr ungenügender ist. Uebrigens gestehen englische Correspondenten, die aus Kairo oder Alexandrien über ihre an Ort und Stelle gemachten Wahrnehmungen in die Heimath berichten, daß in Egypten wohl mehr gcthan werden könnte als thatsächlich der Fall ist. Allerdings hat die Feuilleton. Vie Erbin von Äbbot-Castle. 221 Original-Rvman von F. Klinck-Lütetsburg. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Mary hatte sich ihres Mantels und Hutes entledigt und saß nun in einem bequemen, altmodischen Sessel in unmittel barer Nähe eines flackernden Holzfeuers. Sie saß und blickte in die rothe Gluth. Nicht einen Blick halte sie für ihre Umgebung. Sie war auf Ruthbert - Hall. Wirklich? Nun erst hob sie den Kopf empor und ließ die Augen durch den hübschen, wobnlichen Raum gleiten, in welchem sie sich befand. So hatte sie sich die Umgebung, in welcher er lebte, gedacht, einfach, solide, geschNiackvom Ihre Brust bob und senkte sich und sie lehnte wieder den Kopf zurück, um von Neuem sich den widerstreitendsten Empfindungen zu überlassen; es hatte lange gedauert, ehe sie sich die Ueber- zeugung verschafft, daß sie wirklich nicht iu einem Traume teöe, sondern Alles sich zugetragen hatte. Harry Ruthbert nannte sie seine Braut, nicht nur Lady Rosa, sondern auch Doctor Donald gegenüber. Wie all gewaltig dieses kleine Wort sie erschüttert hatte! Dann war er an ihre Seite getreten, in einem Augenblick, in welchem ihr wieder das trostlose Gefühl vollständigen VerlassenseinS gekommen war. Er wurde ihr Schutz und Schirm, sie hatte sich so gesichert, so vollkommen beruhigt gefühlt, nachdem noch einen Augenblick vorher Verzweiflung von ihr hatte Besitz ergreifen wollen. Und nun sollte e« immer so bleiben. „Nein." DaS Wort klang laut durch den stille» Raum Sir war aufaestaiivcn. Ihre Haltung war stolz und sicher, ibre bleichen Wangen hatten sich gefärbt, in ihren Augen flammte ein Entschluß. „Nein", kam es nochmals von ihren Lippen. Sie wollte das Opfer nicht annebmen, sie durfte eS nicht. Sie brauchte nicht an Miß SaunderS und Lady Rosa Gray zu denken und sich der häßlichen, boshaften Worte zu erinnern, welche beide zu ihr gesprochen, um ihren einmal gefaßten Vorsatz zu befestigen; ihr Herz sagte ihr, daß sie ihm niemals werde angebören dürfen. Dann wurde sie ruhiger, aber der schmerzliche Zug um ihren Mund trat schärfer hervor. Es war schwer, einem Glück zu entsagen, das ihr in einer so verlockenden Gestalt rnt- gegengetreten war, sie durfte aber dennoch nicht schwanken, de»» sein Gluck stand ihr Küher als daS ihre. Sie batte sich ibren Plan vorgezeichnet und erwartete um Vieles beruhigter Lcrt NulhbertbS Kommen. Keine Stunve nach ihrer Ankunft auf Ruthberthall trat er in den Salon. Er sah sehr ernst aus und, wie Mary Connor glaubte, auch ein wenig bleich, seine Augen aber strahlten in zärtlicher Liebe, als er sie in seine Arure nahm und einen innigen Kuß auf ihre Stirn drückte. „Sie werden nun nicht mehr allein und schutzlos sein, Mary, sondern eine» treuen Bundesgenossen haben, der Ihre Sacke vertritt. Sehen Sie nicht mehr so traurig aus, der Sonnenschein muß sich wieder über ihr Gesicht ausbreiten, ich will versuchen, jeden Schatten zu verbannen und Sie ganz glücklich zu machen." „Sie haben eS bereits gethan, Lord Ruthbert. Durch Ihre Theilnahme haben Sie mich mehr beglückt, als ich mit meiner Vergangenheit noch erhoffen durfte. Damit muß ich mich begnügen. Sie haben in der Absicht, mich zu schonen, Lady Rosa und dem Doctor gegenüber mir einen Namen beigelegt, den ich niemals tragen kann. Ihre Großmuth fübrte Sie zu weit." Ihre Stimme klang unendlich traurig, aber es war etwas Festes in ihr. Sie entzog ihm ihre kalten Hände. Mit verschränkten Armen stand er ihr jetzt gegenüber. Deine Brauen hatten sich zusammcngezogen. „Mary, sagen Sie mir noch einmal, daß Sie mich lieben. Sagen Sie mir, daß unter anderen BerbäUnisscn Sie freudig einwilligen würden, als Herrin von Ruthbert Hall Ihren Einzug zn halten." Sie schwieg. Nicht als ob sie sich auf eine Antwort hätte besinnen müssen, sondern sie fühlte sich von einer bangen Furcht beschlichen, daß die Antwort eine Erschütterung ihres Entschlusses nach sich ziehen möge. „Nicht einmal eine Antwort", sagte er, indem er sich von ihr abwandte. „O, Lord^Ruthbert, warum soll ich Ihnen mit Worten sagen, was Sie lange wissen? Gott weiß es, wie glücklich ich geworden sein würde, wenn eS mir vergönnt gewesen wäre, Ihnen als Ihre Gattin zu folgen und dazu bei zutragen, Ihr Leben zu verschönern." In dem Blick, von welchem diese Worte begleitet wurden, lag die Bestätigung derselben. Er athmrte tief auf. Nun stand er wieder vor ihr. „Und dann sagen Sie mir noch Eins. Wollen Sie mein Glück? Nicht ein Glück, wie Sie cs sich zurecht gelegt, sondern wie ich es mir so heiß ersebne?" „O, Lord Rutbbert, lassen Sie mich nicht antworten, ich kann nicht. Es würde Ihr Unglück sein, und — und — das meine." Er ließ einen Augenblick wie ermattet beide Arme herab sinken. Dann trat — unmittelbar darauf, der ernste Aus druck seines Gesichtes wieder hervor. Es war kein Zorn mehr darin, sondern Mitleid. „Die Sorge für Dein Glück habe ich übernommen, Mary, Du hast Dich in meine Hände gegeben und ich bin entschlossen, mir das zuerkannte Recht zu wahren, gleichviel ob mit »Der ohne Deinen Willen. Aber ich bin auch nicht gesonnen, mir das Meine verkümmern zu lassen. Ich kabe Dich und ich werde Dich zu halten wissen. In meinem Haufe, an meinem Herzen ist Lein Platz. Dahin gehörst Du und da Werde ich Dich gegen alle Unbill und die Bosheit der Welt zu schützen wissen. Komm, Kind, werde ruhig. Mache es mir nicht schwer. Der Rückweg ist uns ab- peschnitten, wir können nur noch vorwärts und dort — ich bin eS überzeugt — winkt uns ein Glück, wie es selten einem Menschen beschicken ist." Sie war seinen Worten athemlos gefolgt, die Farbe ihre- Gesichtes kam und ging, und ihre Brust bob und senkte sich unter den schnellen Athemzügen. Sie sah ihn an, fragend — ungewiß. Er aber breitete seine Arme aus. Sie kam nicht, sie flog nicht an sein Herz, sie stand rathlos, aber er hatte das sichere Gefühl, daß er als Sieger aus dem Kampfe hervorgeben würde. So fuhr er fort, zum letzten Angriff: „Du scheust daS Urtheil der Welt, Mary Wie aber würde eS erst lauten, wenn Du Dich jetzt von mir wenden wolltest? Man würde sagen, Harry Ruthbert habe die Erbin zu gewinnen gesucht, sie aber habe sich von ihm cwwendet, obgleich er sie bereits Lady Rosa Gray und dem Doctor Donald als seine Braut vorgestellt. Du kannst mich nicht so kränken und verletzen wollen." Sie schluchzte auf - der Bann war gebrochen. Er hielt d,e Geliebte m seinen Armen und bemühte sich, sie mit nÄ^-^v/lllchkn Worten zu beruhigen. Es wurde ihm nicht mehr schwer gemacht. Dann saßen sie beisammen. Bob kam und Lord Rutbbert sagte ihm, daß Ruthbert-Hall nun doch eine Herrin haben p/ö?*' ^ eines Tage« gelobt, allein durch das Leben zu gehen. Dem alten Diener machte die Braut nicht den Eindruck, als ob sie von einem großen Glück heinigosuckt worden sei, aber, wenn der Herr einmal eine Frau nehmen wollte, dann mochte wohl diese die rechte sein. Lorv Ruthbert befahl, das Fremdenzimmer durch die Haushälterin Herrichten xr lassen. „Du mußt die eine Nacht in Ruthbert-Hall bleiben, Geliebte", sagte Lord Ruthbert. „Morgen bringe ich Dich zu Lady Witkie. Du weißt, sie ist immer gut und freundlich gegen Dich gewesen und wird sich freuen, Dir Aufnahme gewähren zn können bis zu dem Tage, an welchem ich kommen werde, Dich als mein Weib nach hier zurück zuholen." Er sagte ihr noch Vieles. Alles klang so tröstlich und beruhigend, und dabei das Bewußtsein, daß sie nun immer in seinem Schutze sein werde, und sie setzte ein so starkes Vertrauen in ihn. Ihr Herz war übervoll. Sic fand nur selten eine Antwort auf seine Fragen, sie saß still, leicht zu- samnreligckauert, als sei ihr das Glück zu schwer, und lauschte andächtig seinen Worten, während ihre Hand in der seinen ruhte. Nur wußte sie ihm nichts zu sagen, sie dachte immer, ob dieses Glück Stand halten könne. Dann batte die Haushälterin sie >n das Fremdenzimmer geführt. ES war ei» große«, luftiges Gemach, aber auch hier durchflutbete eine behagliche Wärme den Raum, und Helles Lampenlicht drang bis in den fernsten Winkel. Mary s Sachen waren von der Cottage nach hier gebracht. Es war so sehr wenig, nicht die Ausstattung einer reichen Erbin. Sie hatte ja nicht« gehabt, als sie zu MrS. Gray gekommen war, nur eine kleine Handtasche Kalle man, als Miß Lilian Smith zugehörig, nach Violet-Vatley gebracht. MrS. Gray trug dann zwar sür ihre Ausstattung Sorge, aber sie hielt zum alltäglichen Leben nicht gerade viel erforderlich, Mary Connor aber war weder verwöhnt, noch würde es ihr lieb gewesen sein, inehr zu empfangen, als sie sür ihre Stellung in der Cottage gebrauchte. DaS Geld aber, welches Lord Ruthbert ihr nach dem Tode Sir Lionel's geschickt, halte un berührt gelegen, bi- auf einen kleinen Betrag, den sie einer armm Magd in Violet-Valley gegeben. So war sic denn aus Rutbbert-Hall, gesichert, geborgen, nicht mehr irgend welchen Gehässigkeiten ausgesetzt, sondern unter seinem Schutz. Es kam wie eine süße, wohlthuende Ermattung über sie, welche sie hinderte, sich von ibrem einge nommenen Platz zu erbeben und sich zum Schlafen Nieder zulegen. Ach, wenn eS so bleiben könnte, so wie eS jetzt war, so still, so wunschlos.
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